Protokoll der Sitzung vom 29.01.2009

Beschlussempfehlung GesUmVer Drs 16/2027 Antrag der CDU Drs 16/1259

Eine Beratung findet nicht mehr statt. Der Ausschuss empfiehlt mehrheitlich gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen die Ablehnung. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/1259 jedoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CDU, der FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen. Das war die Mehrheit. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Die lfd. Nr. 13 steht auf der Konsensliste.

Ich komme zu

lfd. Nr. 14:

a) Beschlussempfehlung

Sofortprogramm „Gewaltprävention“ zur Stärkung des Erziehungsauftrages und der Erziehungskompetenz an den Berliner Schulen

Beschlussempfehlung BildJugFam Drs 16/2056 Antrag der CDU Drs 16/0198

b) Beschlussempfehlung

Gewalt an Schulen unterbinden – Schulen als Orte der Begegnung und Kommunikation gestalten

Beschlussempfehlung BildJugFam Drs 16/2057 Antrag der Grünen Drs 16/0164

Eine Beratung ist nicht mehr vorgesehen. Die Fraktionen haben sich darauf geeinigt, ihre Redebeiträge zu Protokoll zu geben und können das jetzt tun.

Es ist paradox. Während Jahr für Jahr die Gewalt an den Schulen steigt und sich in den letzten sechs Jahren versechsfacht hat, lehnen SPD und Linkspartei regelmäßig alle Anträge der Opposition ab, die eben als einzige Ideen zur Gewaltprävention entwickeln. Heute stehen nun zwei Anträge von CDU und von den Grünen auf der Tagesordnung, die Sie erneut im Bildungsausschuss abgelehnt haben. Wenn Sie selbst ein besseres Konzept hätten, wenn Sie tatsächlich etwas tun würden gegen die Schulgewalt, könnten wir uns über die besseren Ansätze streiten, aber das haben Sie nicht, Sie blockieren einfach nur!

Mittlerweile ist fast jede Schule von Schulgewalt betroffen, 1,8 Gewaltvorfälle sind es pro Berliner Schule, fast

jeder kennt eine Schule, an der es zum ersten Mal einen Gewaltvorfall gegeben hat. Erst gestern wieder schlug ein 15-jähriger Schüler auf seinen Rektor ein, Prügeleien sind an der Tagesordnung. Wir müssen grundsätzlich unterscheiden zwischen Gewalt, die von außen kommt, und Gewalt, die sich in der Schülerschaft entwickelt.

Schauen wir uns zuerst diesen Punkt an. Natürlich kann gegen das Frust- und Gewaltpotenzial innerhalb einer Schule nur mit einer Vielzahl von Maßnahmen etwas getan werden, es gibt nicht das eine Rezept. Schließlich liegt der Frust oft in schwierigen Familiensituationen und Perspektivlosigkeit begründet. Die Schule muss hier mit den Eltern zusammenarbeiten und in der Schule Streitschlichtungsprogramme aufbauen, an denen die Schüler aktiv teilnehmen wollen. Aber häufig ist die Gewalt auch die Folge einer aufgestauten Perspektivlosigkeit und der Erfahrung des Scheiterns in der Schule. Häufig wird diese Entwicklung begleitet durch ständiges Schulschwänzen. Gerade hat eine Studie wieder den engen Zusammenhang zwischen Schulschwänzen und Gewalt gezeigt. Deshalb ist es richtig, sofort etwas gegen das massive Schwänzen zu tun. Es kann doch nicht schulterzuckend hingenommen werden, dass in einem Halbjahr 16 000 Schüler mehrere Tage unentschuldigt fehlen! Wir brauchen endlich eine Zentralstelle nach Hamburger Vorbild, in der gegen das Schulschwänzen einheitlich vorgegangen wird. Nach einheitlichem Verfahren werden Bußgeldbescheide verhängt und dann wird auch bei Nichtzahlung zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet, gern auch an der Schule der eigenen Kinder. Nur so kann ein Abgleiten mittelfristig verhindert werden, das haben ja nun offenbar auch Justiz- und Innenverwaltung erkannt, als sie vorgeschlagen haben, die Bußgelder für Schulschwänzen auf 5 000 Euro anzuheben. Es fehlt nur noch die Bildungsverwaltung.

Aber auch der zweite Punkt ist wichtig: Die Bedrohung von außen. Der Bezirk Neukölln reagiert darauf mit einem privaten Wachschutz. Nun ist das sicher keine Dauerlösung, die Sicherheit zu garantieren ist die Aufgabe der Polizei, aber es ist eben eine Lösung. Der Senat zieht sich hingegen zurück und unterstützt die Neuköllner Lösung nicht, aber hat auch keinen eigenen Vorschlag. Meine Damen und Herren! Es kann nicht sein, dass minderjährige Schüler zwar zur Schule gehen müssen, dort aber nicht vor gewalttätigen Übergriffen geschützt werden!

Es gibt viel zu tun, die Entwicklung macht eher Angst, als dass sie Anlass zur Hoffnung gibt. Die Gewalt steigt und der Senat hat keine Ideen, was er dagegen tun kann, stattdessen tut er etwas gegen unsere Anträge. Ein Armutszeugnis!

Gewaltbereitschaft macht leider nicht vor den Schultoren halt, sondern findet häufig innerhalb der Schulen, in den Räumen oder auf den Schulhöfen statt. Schaut man sich verschiedene Schüler- und Schülerinnenbefragungen an, wird deutlich, dass die Schule kein Ort des Wohlfühlens

und Lernens, sondern vielmehr ein Ort des Leistungsdrucks und Wettbewerbs sind.

Kinder und Jugendliche haben zeitweise Angstzustände, da auch in der Schule Mobbing auf der Tagesordnung steht und die Lehrer und Lehrerinnen davon nichts mitbekommen oder nichts mitbekommen wollen. Ein Konzept gegen Schulgewalt muss daher vor allem Bausteine enthalten, die das schulinterne Klima verbessert. Dabei ist nicht nur das Verhältnis von Schülern und Schülerinnen innen zu Lehrern und Lehrerinnen, sondern auch das Verhältnis der Gruppen untereinander und die Einbindung schulexterner Personen, insbesondere der Eltern von entscheidender Bedeutung. Unser Antrag zeigt hier dringend notwendige Maßnahmen wie die, Freiräume jenseits des formalen Unterrichts zu schaffen, oder die engere Einbindung der Jugendhilfe, des schulpsychologischen Dienstes und der Eltern auf.

Entscheidend ist die Öffnung der Schulen nach außen, eine Schule ist kein baulich abgewracktes und losgelöstes Gebilde irgendwo im Vakuum des Weltalls – sondern wesentlicher Bestandteil gesellschaftlichen Lebens. Hier sollte viel mehr noch die Einbeziehung externer Partner erfolgen. Das kann aber nicht einfach nach dem Motto „Wer kennt wen, und wir regeln das schon“ gemacht werden, sondern es bedarf einer wechselseitigen Auseinandersetzung und eines Festklopfens gemeinsamer Verhaltensregeln in Zielvereinbarungen.

Wir Grüne setzen auf ein umfassenden Ansatz, der sowohl Kinder und Jugendliche stärken will für gewaltfreie Auseinandersetzung, aber auch Erwachsene mit einbezieht. Wir wollen, dass Lehrer und Lehrerinnen wie auch Erzieher und Erzieherinnen verstärkt Kompetenzen zur Gewaltprävention erhalten. Dazu gehört auch, Ursachen, Hintergründe und frühzeitige Anzeichen gewalttätiger und delinquenter Kinder und Jugendlichen zu kennen und die richtigen verbindlichen und kontinuierlichen Hilfemaßnahmen einleiten zu können.

Im Antrag der CDU sind einige richtige Elemente, die auch wir stärken wollen, wie z. B. StreitschlichterProgramme enthalten. Dennoch können wir den Antrag nicht unterstützen, da er in vielen Punkten eine Systematik verfolgt, die von wissenschaftlicher Seite als nichthilfreich gekennzeichnet worden ist. Kinder und Jugendliche gezielt zu fördern und konsequent zu begleiten, die durch delinquentes oder auch Schuldistanz Verhalten auffallen, ist richtig. Aber dabei nach dem Motto zu verfahren, alle „Problemfälle“ in einen Topf schmeißen, dann kommen die anderen besser vorwärts, und die Probleme lösen sich im engen Austausch der Problemfälle, ist angesichts der Debatte um die Hauptschule oder das Versagen der Jugendstrafanstalt dabei, dem Resozialisierungsgrundsatz nachzukommen, zynisch und wird von uns nicht unterstützt.

Aber auch die SPD-Fraktion in diesem Haus ist schon sehr kreativ geworden bei diesem Thema. Dem Problem

der Schulverweigerung und -distanz mit der Schüler- und Schülerinnendatei oder einer Bußgeldstrafe von 5 000 Euro für die Eltern zu lösen, ist vielleicht zum Aufputzen des Hardlinerimages gegenüber der CDU geeignet, aber die Probleme löst man so nicht. Wie sollen denn Eltern dafür Sorge tragen, dass ihre Kinder am Unterricht teilnehmen? Morgens hinbringen geht bei einigen vielleicht noch, aber dann den Schultag über bewachend daneben sitzen? Also schlagen Sie sich das aus dem Kopf! Auch die Expertenanhörung im Ausschuss hat deutlich gezeigt, dass bei allen Maßnahmen der pädagogische Gehalt im Vordergrund stehen muss und gerade gewaltauffällige Kinder und Jugendliche Vertrauensverhältnisse aufbauen müssen, und das geht nur zu Personen, die über einen längeren Zeitraum die Jugendlichen begleiten und eben nicht mittels exorbitanten Geldstrafen.

Wir treten dafür ein, die Maßnahmen zur Gewaltprävention in Berlin auf die Betreuungskontinuität und Verlässlichkeit hin zu überprüfen, zu bündeln und damit erfolgreicher zu machen. Strafverschärfungen und Strafverfolgung lehnen wir als Mittel zur Prävention ab. Aus unserer Sicht reicht das Jugendstrafrecht aus. Alles, was in Berlin im Hinblick auf die Beschleunigung von Verfahren durch die Jugendrichter und Jugendrichterinnen angeregt wurde, begrüßen wir in der Umsetzung. Was dringend nötig ist, ist eine klarere Verschränkung der Maßnahmen zur Resozialisierung mit der Jugendsozialarbeit. Hier ist aus unserer Sicht die Debatte noch nicht zu Ende.

Aus all diesen Gründen kann ich Ihnen nur empfehlen, sich einen Ruck zu geben und unserem Antrag zuzustimmen.

Wohlklingende Titel haben die CDU und Grünen für ihre Anträge gewählt. Das war dann aber auch alles, was Sie zum Thema Schülergewalt beizutragen haben. Ich bedaure es ausdrücklich, dass Sie der Gewaltbereitschaft von Schülerinnen und Schülern keine Konzepte entgegensetzen und dass Sie die Ursachen nicht erkennen wollen. Vielmehr geht es Ihnen in den Anträgen um kurzfristig mediale Effekte. Davon darf sich Politik aber nicht leiten lassen, und das hat selbst die FDP mit ihrer Enthaltung zum Ausdruck gebracht.

Fast wöchentlich lesen wir in der Zeitung von Gewaltvorfällen an Schulen. Erst Dienstag wurden mehrere Schüler durch schulfremde Jugendliche verletzt, und ich möchte an dieser Stelle mein Bedauern über die Vorfälle ausdrücken.

Der subjektive Eindruck steigender Schulgewalt lässt sich hingegen nicht belegen. Zutreffend ist, dass die gemeldeten Vorfälle im Schuljahr 2005/2006 erheblich angestiegen ist. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf meine Rede vom 1. Februar 2007 und wiederhole gerne den Grund für den Anstieg: Nach einem Rundschreiben der Bildungsverwaltung im Jahr 2003 sind die Schulen ihrer Meldepflicht stärker nachgekommen. Ich bin froh

darüber, dass die Schulen endlich dieser Verpflichtung nachkommen und Schulgewalt nicht mehr im Dunklen bleibt. Ich freue mich umso mehr, dass ich hier mitteilen kann, dass die Anzahl der gemeldeten Gewaltvorfälle im Schuljahr 2007/08 erstmals rückläufig ist. Sie sank um rund 6 Prozent von 1 735 auf 1 632 Meldungen im Vergleich zum Vorjahr. Und dies ist ein Erfolg der rot-roten Koalition und der vielfältigen Präventionsangebote und Projekte zur Stabilisierung und Verbesserung des sozialen Miteinander an den Schulen.

Wenn Sie Streitschlichter-Programme und Trainingskurse fordern, dann zeigen Sie, dass Sie die bestehenden Projekte nicht kennen. Erfolgreich eingeführte Gewaltpräventionsprogramme wie „Faustlos“, „Buddy“, „DenkzeitSchülertraining“, „Mediation und Streitschlichter“ werden fortgeführt und in bestehende Schulprogramme integriert. Angebote zur Kompetenzerweiterung von Lehrkräften werden im Rahmen der regionalen Fortbildungen und durch das LISUM weiter ausgebaut und inhaltlich z. B. um interkulturelle Themen und Bewältigungsstrategien bei Gewaltvorfällen erweitert. Die Handlungssicherheit der Schulen als auch die Opferhilfe wurden durch Schulpsychologen, durch die engere Kooperation zwischen Schule, Jugendamt und Polizei verbessert.

Wir sind es gewesen, die die Intervention an den Schulen in den vergangen Jahren deutlich verbessert haben. Durch diese Maßnahmen stellen wir auch sicher, dass das subjektive Sicherheitsgefühl an den Schulen gestärkt wird und die Kriminalitätsangst gemindert wird.

Lassen Sie mich bei dem Stichwort Sicherheitsgefühl auch etwas zu meiner Einschätzung zum Wachschutz an Schulen sagen. Ich halte den Einsatz von Wachschutz vor Schulen für keine adäquate Antwort auf Gewaltvorfälle an Schulen. Sicherheit an Schulen entsteht durch nachhaltige Gewaltprävention, Kooperation und Sicherheitspartnerschaften mit der Polizei. Dazu gehören Kooperationsverträge, gemeinsame Schulungs- und Gewaltpräventionsveranstaltungen sowie Absprachen zur gegenseitigen Information und zur Deeskalation von gewaltträchtigen Situationen. Aus den vorliegenden Gewaltmeldungen aus Neukölln lassen sich keine Begründungen für den Einsatz von Wachschutz ableiten. Gewaltvorfälle mit externen Tätern waren vor Einsatz des Wachschutzes gering und sind es geblieben. Daher wird es einen flächendeckenden Einsatz von Wachschutz vor Schulen mit uns nicht geben.

Lassen Sie uns die guten Erfahrungen aus den bestehenden Programmen und Projekten nutzen! Lassen Sie uns zusammen daran arbeiten, die Programme fortzuentwickeln und an neue Gegebenheiten anzupassen! So schaffen wir eine Berliner Schule, in der das gemeinsame Lernen im Vordergrund steht und Schüler und Lehrer gerne zur Schule gehen.

Die heute dem Abgeordnetenhaus zur Entscheidung vorliegenden Anträge wurden im Fachausschuss für Bildung,

Jugend und Familie mit einer ausführlichen Anhörung behandelt. Aber auch im Plenum haben wir uns in letzter Zeit mehrfach mit diesem Thema auseinandergesetzt. Die Positionen der Fraktionen sind bekannt. Für die Linksfraktion möchte ich es daher an dieser Stelle kurz machen.

Ja, auch aus unserer Sicht gibt es Probleme mit verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen. Jede dieser Meldungen nehmen wir ernst. Die Auseinandersetzung damit verlangt jedoch Realismus und Sachlichkeit. Dazu gehört auch die Suche nach den Ursachen. Die Anhörung im Ausschuss hat uns dabei wichtige Erkenntnisse vermittelt. Sie hat den bisher eingeschlagenen Weg bestätigt und auch Hinweise gegeben, in welche Richtung weitergearbeitet werden sollte.

Dazu gehört für mich die wichtige Erkenntnis, dass es stets einen Dreiklang geben muss, zwischen – pädagogischer – Struktur, Wertschätzung gegenüber den Kindern und Jugendlichen, aber auch gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und eine Perspektive auf eine gelingende Zukunft, auf ein glückliches Leben.

Was hat die Anhörung in diesem Sinne an Erkenntnissen gebracht?

1. Zur allgemeinen Wahrnehmung: Kriminalität und Gewalt bei Kindern und Jugendlichen sind keine Massenerscheinung, sie betreffen einen Bruchteil der Population. Im letzten Bericht zur Schulgewalt im Schuljahr 2006/07 meldeten Berliner Schulen im Jahresdurchschnitt 1,8 Vorfälle. Natürlich ist jeder Vorfall einer zu viel, doch die drastischen Zuwächse der vorangegangenen Jahre konnten deutlich abgemildert werden. Es lässt sich feststellen: Die verschiedenen Maßnahmen von Senat, Bezirken und der Zivilgesellschaft, nicht zuletzt der Kinder und Jugendlichen selbst, zeigen Wirkung. In diesem Kontext waren die Aussagen des Mitarbeiters des Kriminologischen Instituts Niedersachsen interessant. Danach belegen Untersuchungen in verschiedenen bundesdeutschen Großstädten, dass die polizeiliche Kriminalstatistik in diesem Kontext nur bedingt aussagefähig ist.

2. Perspektive schaffen: In den durch das Institut durchgeführten Untersuchungen wurde ein Zusammenhang zwischen dem Bildungsstand von Kindern und Jugendlichen und der Häufigkeit von auffälligem Verhalten nachgewiesen. Danach stellt ein niedriger Bildungsstand, oftmals verbunden mit einer schwierigen sozialen Herkunft, einen wesentlichen Risikofaktor für abweichendes, delinquentes Verhalten dar – Risikofaktor, mehr aber auch nicht! Deshalb gilt es: Früh zu beginnen, allgemein zu fördern, präventive Angebote für Kinder und Eltern bereitzustellen. Am wichtigsten ist es dabei, die soziale Lage der Familien zu verbessern. Das kann nicht die Aufgabe einzelner Ressorts oder Institutionen sein. Schule und Jugendhilfe können nicht als Reparaturbetrieb für die Folgen gesellschaftlich bedingter Fehlentwicklungen verantwortlich gemacht werden. In diesem Sinne ist z. B. der Ausbau des Zugangs zur Kita und zur ganztägigen schulischen För

derung an einer Schule für alle Kinder wichtig und genießt zu Recht bei der Linksfraktion Priorität. Doch auch das Integrationsprogramm des Senats, das Programm zur Stärkung von öffentlich geförderter Ausbildung und Beschäftigung und andere Initiativen leisten für eine lebenswerte Perspektive einen wesentlichen Beitrag.

3. Thema Struktur schaffen: Es sollte allen klar sein, dass hier nichts schnell passiert, sondern dass es um langfristig angelegte Prozesse geht, in denen die beteiligten Systeme eng zusammenwirken müssen. Doch nicht nur Kooperation und Abstimmung sind notwendig. Unerlässlich sind auch Vertrauen, Kontinuität und Verlässlichkeit. Das heißt auch, dass wir nicht jede Woche etwas Neues erfinden sollten, sondern die bewährten bestehenden Strukturen stärken und bei neuen Rahmenbedingungen weiter entwickeln müssen, ohne sie aufzugeben oder zu ignorieren. Hier ist es wichtig und richtig, dass der Senat der Ganztagsschule viel Aufmerksamkeit widmet. Der Ausbau von Angeboten der schulbezogenen Kinder- und Jugendsozialarbeit ist der richtige Weg. Doch auch diese können keine Wunder bewirken, wenn die Auseinandersetzung mit Gewalt an der Schule nicht als gemeinsame Aufgabe aller Professionen unter Einbeziehung der Schülerinnen und Schüler und Eltern betrachtet wird. Mehr Personal und mehr Geld im System bewirken nichts, wenn dahinter kein schlüssiges, von allen Beteiligten getragenes Konzept steht. In diesem Sinne ist es zu begrüßen, dass sich der Landesjugendhilfeausschuss intensiv mit der Entwicklung eines Konzeptes für eine Gesamtstruktur Schule-Jugendhilfe befasst. Doch zu Recht kam in der Anhörung der Hinweis, dass es auch ein Leben nach 16.00 Uhr gibt. Hier sehen wir als Linke noch erheblichen Handlungsbedarf bei der bedarfsgerechten Sicherung von Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit in den Bezirken.

4. Last but not least die Wertschätzung: Wie sollen Kinder und Jugendliche soziale Verhaltensnormen lernen, wenn die Vorbilder fehlen? Wenn Kinder und Jugendliche in Schulen und in der Gesellschaft nicht Wertschätzung erfahren, sondern nur als Vorgaben erfüllende Objekte betrachtet werden. Wertschätzung bedeutet die Stärken von Kindern und Jugendlichen wahrzunehmen – z. B. hohe Kreativität anstelle von Unkonformität, hoher Bewegungsdrang anstelle nerviger Zappelphilippe, selbstständige Persönlichkeiten anstelle von aufmüpfigen Eigenbrödlern. Hier sind wir auch wieder beim Thema Partizipation: Wertschätzung bedeutet auch, den anderen als gleichrangig anzusehen, Normen mit den Kindern und Jugendlichen auszuhandeln und eben nicht einfach vorzugeben. In diesem Sinne hilft auch Wegsperren nichts – die Forderung nach geschlossener Unterbringung geht da ins Leere. Schnelle und konsequente Auseinandersetzung mit der Tat sind notwendig, aber auf Augenhöhe, nicht ausschließlich mit dem Zeigefinger. Und der Erziehungsgedanke muss im Vordergrund stehen. Auch da liegt der Senat mit seinem Konzept richtig, z. B. wenn er konsequent die Diversion ausbaut.

In diesem Kontext haben wir auch die vorliegenden Anträge bewertet. Aus Sicht der Linksfraktion werden beide Anträge den aktuellen Erfordernissen nicht gerecht. Den Antrag der CDU-Fraktion lehnen wir ab, weil er in wesentlichen Teilen in die falsche Richtung geht. Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Grüne hat sich durch das Handeln des Senats erledigt.

Erstens. Das Thema Gewalt und Verrohung unserer Gesellschaft ist nicht neu – einmal im Jahr wird es hier diskutiert. Es ändert sich nichts – das belegen Statistiken und das belegt vor allem die Realität an einigen Schulen.

Zweitens. Schulen sind inzwischen aktiv geworden, Streitschlichter, Sozialarbeiter sind an Brennpunktschulen. Inzwischen kehren die Schulen das Thema Gewalt nicht mehr unter den Tisch – Schulleiter gehen offensiv damit um. Es ändert sich jedoch nichts.

Fazit: Wir reden oft über dieses Thema, auch der Senat sieht hier Handlungsbedarf. Zur gegebenen Zeit wird dies bestätigt und dann beschließt er zur Beruhigung der Öffentlichkeit populistische Maßnahmen. Beispiel: die Erhöhung des Bußgeldes für Eltern, deren Kinder die Schule schwänzen, auf 5 000 Euro! Das finden vielleicht viele Eltern toll – aber alle wissen doch ganz genau: Das ist nicht zu realisieren. Einem nackten Mann kann man nicht in die Tasche greifen. Das, Herr Körting, wissen auch Sie – und dann muss die Frage erlaubt sein: Was geschieht eigentlich mit denen, die die 5 000 Euro nicht zahlen können oder müssen? – Hier schweigt des Senats Höflichkeit! Bußgeld kann bereits jetzt schon erhoben werden – leider haben Sie keine Ahnung ob, in welcher Höhe und mit welchem Erfolg dieses geschieht! Der Umgang mit den Schulschwänzern zeigt Ihre Unfähigkeit und Mutlosigkeit. Ein wirkungsvolles und nachhaltiges Gesamtkonzept auf den Tisch zu legen, das Prävention aber auch Intervention einschließt, dazu sind Sie nicht in der Lage und nicht willens!

Nun liegen hier zwei Anträge zur Gewaltprävention an Schulen vor. Leider werden die Ursachen außen vorgelassen. Aber die Frage nach den Ursachen ist entscheidend, wenn wir über effiziente Maßnahmen diskutieren.