Uns bedrückt – wir haben es in den Ausschüssen besprochen – die hohe Zahl der abgehörten Telefonanschlüsse außerordentlich. – Herr Kollege Felgentreu! Das kriegen Sie nicht aus der Welt, indem Sie versuchen, das statistisch kleinzureden. Ich habe mir die Zahlen noch mal angeguckt. 2003 gab es 584 Betroffene, im letzten Bericht von 2007 hatten wir 1 101 Betroffene. Wie Sie daraus ableiten können, dass es eine Verringerung gegeben hat, ist mir persönlich schleierhaft. Wir haben eine Verdoppelung der Betroffenen, und wir haben eine Steigerung der abgehörten Telefonate von 280 000 auf fast eine Million. Problematisch an der Stelle ist, dass das viele, die davon betroffen sind, nie erfahren, weil die Informationspflicht hier aus verschiedensten Gründen nicht greift. Demzufolge können die Betroffenen – jene, die am anderen Anschluss mit abgehört werden – auch keinen Rechtsschutz in Anspruch nehmen. Gerade deswegen ist es besonders wichtig, dass wir das hier machen, dass wir das sozusagen stellvertretend für all jene machen, die als Abhöropfer im Dunkeln gelassen werden, denn sonst erfährt niemand davon.
Der Richtervorbehalt – das ist angesprochen worden und auch keine Zierde für meine Zunft – greift hier leider zu kurz. Die Erwartung des Gesetzgebers, man muss nur einen Richter darüber entscheiden lassen, und dann würde er schon grundrechtsschützend und -schonend eingreifen, ist nach dem Ergebnis der Studie vom Max-PlanckInstitut nicht mehr haltbar. Das liegt unter anderem auch daran, dass der Ermittlungsrichter das zu Beginn der Maßnahme macht und in der Regel nicht erfährt, was hinten bei der Ermittlungsmaßnahme, die er angeordnet hat, herauskommt. Das ist ein Problem der Kontrolle. Deswegen ist die Berichtspflicht, die die FDP vorgeschlagen hat, genau der richtige Weg, damit wir das hinterher evaluieren und sagen können: An der Stelle war es richtig, und an dieser Stelle war es nicht richtig.
Wenn die Kollegen noch Einzelheiten in der Umsetzung zu bemängeln haben, dann hätten wir das alles in den Ausschüssen behandeln – das ist die Ausbringung – und die eine oder andere angebliche Unpraktikabilität schleifen können. Da kam aber an konkreten Vorschlägen – Herr Felgentreu und Herr Lederer – leider nichts.
Wir finden das ja richtig, Herr Kollege Lederer! – Die Ausweitung der Berichtspflicht ist genau die richtige Maßnahme. Das ist eine kleine Mühe für den Staatsanwalt, bringt aber einen großen Nutzen für die Bürgerrechte. Von daher unterstützen wir diesen Antrag.
Zur Evaluierung der Inanspruchnahme der Ermittlungskompetenzen müssen wir leider einen generellen Trend bei der staatsanwaltschaftlichen Tätigkeit konstatieren: Es gibt immer mehr Ermittlungsmaßnahmen und ein Vorgehen nach dem Motto: Wir nehmen erst einmal alles mit!
All jene, deren Computer aus den verschiedensten Gründen beschlagnahmt wurden, können davon ein Lied singen – das sind Arbeitsmittel für viele Leute. Die Daten müssen ausgewertet werden und die Computer sind über Wochen, oft Monate beschlagnahmt. Das ist ein ganz erheblicher Eingriff nicht nur in das Fernmeldegeheimnis, sondern auch in die Berufsausübung. Dass man sich dieses einmal genauer anguckt und evaluiert, was passiert ist, ist genau der richtige Weg. Es geht hier nicht darum, der Staatsanwaltschaft zu unterstellen, dass sie immer alles falsch macht, sondern es geht um die Schärfung des Bewusstseins, hier grundrechtsschonend zu arbeiten.
Zum Schluss noch eine Anekdote aus meiner eigenen Ausbildung bei der Berliner Staatsanwaltschaft. Als ich meinen Ausbilder bei einer konkreten Ermittlungsmaßnahme darauf hingewiesen habe, dass diese vielleicht unverhältnismäßig sei, hat er gesagt, darum soll ich mir nicht allzu viel Sorgen machen. Das entscheiden dann immer noch die Gerichte. Das zeigt, dass es hier vielleicht an der einen oder anderen Stelle überzogenen Verfolgungseifer gibt, dass der Schutz der Bürgerrechte immer wieder angemahnt und durchgesetzt werden muss. Der Schutz der Bürgerrechte gerät leider bei der Staatsanwaltschaft zu oft ins Hintertreffen. Von daher tut eine regelmäßige Sichtung der Ermittlungsroutinen not. Lassen Sie uns zum 60. Geburtstag des Grundgesetzes bürgerrechtsfreundlich handeln, und stimmen wir beiden Anträgen der FDP zu! – Ich danke Ihnen!
Zum Antrag Drucksache 16/0534 empfiehlt der Rechtsausschuss mehrheitlich – gegen die Fraktion der Grünen und die Fraktion der FDP – die Ablehnung des Antrags. Wer dem Antrag dennoch seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der Grünen und der FDP. Wer ist dagegen? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich? – Bei Enthaltung der CDU ist der Antrag abgelehnt.
Zum Antrag Drucksache 16/0611 empfehlen beide Ausschüsse mehrheitlich – gegen die Stimmen der Fraktion der Grünen und der Fraktion der FDP bei Enthaltung der Fraktion der CDU –, den Antrag auch mit den geänderten Berichtsfristen „1. Februar 2010“ sowie „1. Mai 2009“ abzulehnen. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der Grünen und der FDP. Wer ist dagegen? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich? – Das ist die Fraktion der CDU. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Änderung des Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens in der Öffentlichkeit (Nichtraucherschutzgesetz – NRSG)
Ich eröffne die 1. Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils wieder eine Redezeit von fünf Minuten zur Verfügung. Das Wort für die antragstellende Fraktion hat der Kollege Dr. Thärichen von der SPD.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem nun von der Koalition vorgelegten Änderungsantrag zum Nichtraucherschutzgesetz setzen wir die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts um, die uns das Gericht in seinem Urteil vom 30. Juli letzten Jahres gemacht hat.
Bekanntlich hatte das Gericht auch ein absolutes Rauchverbot zugelassen. Wir haben uns jedoch im Ergebnis einer gründlichen Abwägung gegen ein solches absolutes Rauchverbot entschieden.
Wir sind davon überzeugt, dass wir dem Anliegen des Nichtraucherschutzes auch dann Rechnung tragen können, wenn in eng umgrenzten Ausnahmefällen das Rauchen in Gaststätten zugelassen wird, wenn diese Ausnahmen eindeutig formuliert, dann gekennzeichnet und auch behördlicherseits überwacht werden.
Kern des Änderungsvorschlages ist die Umschreibung der sogenannten getränkegeprägten Kleingastronomie, für die eine Ausnahme vom Rauchverbot gelten soll. Diese Ausnahme dient dazu, eine verfassungsrechtlich unzulässige Benachteiligung der kleinen Kneipen, der berühmten Eckkneipe auszuschließen – eben derjenigen, die keinen eigenständigen Raucherraum einrichten können.
Bei der Umschreibung derjenigen Gaststätten, die eine Ausnahme vom Rauchverbot in Anspruch nehmen können, haben wir uns relativ eng an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, an der Zwischenregelung, orientiert, sind aber hier und da auch davon abgegangen und haben eigene Wege beschritten. Ich will darauf kurz eingehen, weil diese Kriterien für die Raucherkneipen in der öffentlichen Diskussion eine maßgebliche Rolle gespielt haben und sicher auch noch weiterhin spielen werden.
Zunächst darf die Grundfläche einer solchen Raucherkneipe maximal 75 Quadratmeter betragen. Wir stellen
auf die Grundfläche ab, das heißt, hier gilt das Prinzip von Wand zu Wand, was auch die Vollzugstauglichkeit des Gesetzes an der Stelle erhöhen soll. Bei den zubereiteten Speisen ist zu beachten, dass wir mit unserem Gesetzesvorschlag nicht auf das Verabreichen, sondern die Zubereitung abstellen. Unzulässig ist es also, in einer Raucherkneipe Speisen zuzubereiten. Zulässig ist es hingegen, andernorts zubereitete, also essfertig gemachte Speisen anzubieten. Damit ist die berühmte warme Bulette in Raucherkneipen vom Tisch – im wahrsten Sinne des Wortes.
Das ist hier und da kritisiert worden: Warum habt ihr das nicht zugelassen, warum kann man das nicht machen? – Aber irgendwo muss der Schnitt auch getan werden, um zu einer tauglichen Abgrenzung zu kommen. Das heißt, Zubereitungshandlungen als solche sind in einer Rauchergaststätte nicht zulässig, aber das Anbieten von andernorts zubereiteten Speisen ist zulässig. Ich denke, das ist ein sinnvoller Interessenausgleich, den wir im Ergebnis gefunden haben.
Darüber hinaus ist eine Raucherkneipe anzuzeigen. Dieses Anzeigeverfahren ist uns auch wichtig. Es soll den Behörden einen Überblick über die Raucherkneipen verschaffen und eine wirksame Kontrolle sicherstellen. Was wir eben nicht wollen, das ist ein Wildwuchs, wo jede Gaststätte im Ergebnis selbst entscheidet, ob sie die Voraussetzungen erfüllt oder nicht. Hier muss ein Vollzug stattfinden.
Ein anderer Punkt, auf den ich kurz eingehen will: Wenn die Voraussetzungen für eine Raucherkneipe tatsächlich nicht vorliegen, dann ist eine behördliche Untersagung erforderlich. Es ist zu untersagen. Wir haben hier das Ermessen der Vollzugsbehörden insoweit eingeschränkt. Eine weiche Handhabung der Ausnahmeregelung kommt nicht in Betracht. Das verstehen wir durchaus als ein Signal an die Branche, an die Betreiber, die Vorgaben dieses Gesetzes auch ernst zu nehmen, auch wirklich zu beachten.
Wenn man durch die Berliner Gaststätten und Restaurants tourt, gewinnt man zunehmend den Eindruck, beim Nichtraucherschutzgesetz handelt es sich um eine unverbindliche Goodwill-Veranstaltung. Im Ergebnis entscheiden viele für sich selbst, ob sie das Gesetz beachten wollen oder auch nicht.
Sie haben völlig recht, Frau Kosche! – Unsere Erwartung ist auch, dass hier spätestens mit Inkrafttreten dieses Änderungsgesetzes klare Verhältnisse bestehen und die Bezirke ihre Überwachungsaufgabe erfüllen. Wir haben
nicht umsonst 88 zusätzliche Stellen in den bezirklichen Ordnungsämtern ermöglicht. Das soll dem Vollzug dienen, der an dieser Stelle auch erforderlich ist. Das ist auch eine Erwartung, die ich zum Ausdruck bringen möchte.
Ja! Ich komme zum Schluss. – Jenseits des Vollzugs bleibt aber noch eines zu sagen: Am besten wäre es natürlich, wenn sich überall die Erkenntnis durchsetzen würde: Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit! – Vielen Dank!
[Beifall bei der SPD – Beifall von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion) und Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Nachdem die Mehrheit in diesem Hohen Haus in erster Linie aus gesundheitspolitischer Sicht das Berliner Nichtraucherschutzgesetz Anfang November 2007 unterstützt und mitbeschlossen hat, belehren uns das Leben selbst und nachfolgend die Gerichte, dass es so nicht geht. Daraus haben CDU und FDP die Konsequenzen gezogen und Novellierungsvorschläge eingebracht. Bei der Koalition hat es nur ein bisschen länger gedauert, aber das entspricht ja durchaus Ihrem gewohnten Regierungstempo.
Vor der verehrten Kollegin Kosche muss ich allerdings die Koalition in Schutz nehmen. Die jetzt vorliegenden Änderungen sind kein Einknicken vor irgendwelchen Lobbyisten, sondern vor der Realität, sehr geehrte Frau Kollegin, und das ist für Politiker nicht in jedem Fall ehrenrührig!
Die ausgiebige und breite Diskussion in den letzten anderthalb Jahren quer durch alle Bevölkerungsschichten hindurch hat gezeigt, dass die Bürgerinnen und Bürger sich nicht auch noch in ihre Gewohnheiten hineinregieren lassen wollen, seien sie auch noch so gesundheitsschädlich. Jeder will für sich selbst entscheiden können, wo er wie mit wem und womit seine Zeit verbringt. In dieser Hinsicht war das Berliner Nichtraucherschutzgesetz für viele bereits eine Extremlösung, die in die persönliche Freiheit eingegriffen hat, von den wirtschaftlichen Folgen einmal ganz zu schweigen. Das muss man einfach akzeptieren oder sich in eine Diktatur verabschieden. Deshalb hat sich die Linke mit ihrer Kompromissbereitschaft als lernfähig bewiesen.
Kurzum: Wir begrüßen, dass die Koalition in der Wirklichkeit angekommen ist und einen Ausgleich zwischen Nichtraucherschutz und Belangen der rauchenden Bevölkerung auf der Grundlage des Bundesverfassungsgerichtsurteils herstellen möchte. Das war bei der Bandbreite der Meinungen, die in diesen beiden Lagern herrschen, sicherlich nicht so einfach. Das reichte vom Revolutionsvorbild Che Guevara mit: Das Rauchen ist ein gewohnheitsmäßiger und ein überaus wichtiger Teil des Lebens eines Freiheitskämpfers – bis hin zur Leitfigur des Altkanzlers Schmidt mit: Ich achte das Gesetz, aber ich lasse mir das Rauchen nicht verbieten.
Es ist also anerkennenswert, dass ein Kompromiss gefunden wurde, obwohl das Gesetz handwerklich so schlecht bleibt, wie es vorher schon war. Aber die Koalition will sicherlich damit auch keinen Schönheitswettbewerb gewinnen. Meines Erachtens bedürfen jedoch insbesondere noch folgende Ungenauigkeiten einer Klärung.
Erstens: Die Erweiterung von § 2 Abs. 4 Nr. 4 und § 3 Abs. 3 um den Begriff „Freizeiteinrichtungen“ ist nicht gedeckt durch eine Definition im Gesetz. Das könnte neue Auseinandersetzungen über die inhaltliche Ausführung bringen, zumal in anderen Bundesländern, wie in Internetcafés, geraucht werden darf, wenn diese einen separaten Raucherraum eingerichtet haben.
Zweitens: § 4 „Ausnahmeregelungen“, die neue Nr. 9 „Shisha-Gaststätten“. Da steht, dass diese Ausnahmeregelung gilt, wenn in Gaststätten überwiegend das Rauchen von Wasserpfeifen und keine alkoholischen Getränke angeboten werden. Aufgrund des Wörtchens „überwiegend“ ergibt sich die Frage, was außer Wasserpfeife noch alles ohne weitere Ahndung verabreicht werden kann und darf. Ich könnte mir da eine ganze Menge vorstellen, aber was ist vom Gesetz her erlaubt?