Protokoll der Sitzung vom 19.03.2009

Vielen Dank! – Das Wort für die Linksfraktion hat der Abgeordnete Lederer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf den Kollegen Juhnke gehe ich jetzt nicht ein. Der Mann redet schlicht wirr. Was er will, habe ich nicht verstanden. Das ist nicht herübergekommen. Vielleicht erklären Sie es uns noch einmal.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Uwe Doering (Linksfraktion): Hat auch keinen Sinn!]

Kommen Sie in unseren Ausschuss, dann können Sie sich noch einmal mit uns darüber unterhalten.

[Dr. Robbin Juhnke (CDU): Das können Sie ja im Protokoll nachlesen!]

Dann werde ich auch nicht schlauer. Das, was im Protokoll steht, ist auch nur das, was Sie hier erzählt haben. Und das war schlicht Stuss, und zwar oberharter Stuss. So etwas habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Das ist wirklich verwunderlich.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Bravo! von der Linksfraktion und der SPD]

Beim Kollegen Kluckert ist es ein bisschen anders. Ihn kenne ich durchaus als einen Zeitgenossen, mit dem man sich über Sachfragen unterhalten kann. Als ich den Gesetzentwurf gelesen habe, musste ich mir anfangs erst einmal die Augen reiben. Ich habe mir die Frage gestellt, welcher Jeck sich hier einen verspäteten Karnevals- oder einen verfrühten Aprilscherz geleistet hat. Das war ein tolles Ding. Zwischenzeitlich hat sich mir die Befürchtung aufgedrängt, Sie könnten es wirklich ernst meinen, aber als der Kollege Kluckert dann hier vorne so fein vor sich hingegrinst hat, habe ich gemerkt, so richtig ernst meint er es auch nicht. Er tritt jetzt nur in den Wettstreit mit seinem Kollegen Fraktionsvorsitzenden um den FDPKlamaukkasper ein.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Stimmt!]

Den haben Sie aber nicht gewonnen!

Wir haben als Landesgesetzgeber dem Senat die Kompetenz zugewiesen, Volksabstimmungstermine festzulegen. Dabei sind bestimmte Fristen zu beachten. In § 28 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 heißt es:

Die Frist … kann nach Anhörung der Vertrauenspersonen auf bis zu acht Monate verlängert werden, wenn dadurch der Volksentscheid gemeinsam mit Wahlen oder mit anderen Volksentscheiden durchgeführt werden kann.

Das ist ganz klar eine Ermessensvorschrift. Dem Senat steht es frei, diese politische Entscheidung zu treffen.

Und nun wollen Sie allen Ernstes eine Norm einführen, wonach der Senat durch die völlig legitime und sachgerechte Wahrnehmung dieser ihm von uns eingeräumten Kompetenz regresspflichtig werden soll. Das ist ein abenteuerlicher Vorgang! Das hat es in der deutschen Parlamentsgeschichte wahrscheinlich noch nicht gegeben. So ein absurdes Theater!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Ich habe ein gewisses Verständnis dafür, dass die Opposition die Terminentscheidung des Senats für den Volksentscheid zu „Pro Reli“ nutzen will, um sich zu profilieren. Allerdings meine ich mit Prof. Christian Pestalozza, dass es dafür selbst aus der Perspektive der „Pro Reli“-Befür

worter überhaupt keinen Grund gibt. Und schließlich gibt es eine Reihe von Gründen für und wider die einzelnen Abstimmungstermine, aber das heißt doch nicht, dass der Senat illegitim entschieden habe, als er den Termin für „Pro Reli“ auf den 26 April gelegt hat. Es gibt sogar einen außerordentlich überzeugenden verfassungsrechtlichen Grund für den Senat, die Volksabstimmung zu „Pro Reli“ von den Europawahlen zu entkoppeln. Der Senat ist im Fall von „Pro Reli“ gewissermaßen Partei – Partei der Auseinandersetzungen. Und als solcher muss er sich in die Auseinandersetzungen auch einschalten können. Je näher aber Wahltermine rücken, umso dünner wird das verfassungsrechtliche Eis, wenn man sich in solche Auseinandersetzungen einmischt. Denn vor Wahlen haben Regierungen sich zurückzuhalten, um sich nicht unzulässige Einflussnahme vorwerfen lassen zu müssen. Sie alle, hoffe ich, wissen um die rigiden Regeln des Wahlrechts. Solche Erwägungen sind demnach nicht nur zulässig, sie sind sogar nötig. Deshalb ist es reichlich unsinnig, darüber das Damoklesschwert des Regresses aufzuhängen.

Offen gestanden: Mit Ihrem Gesetzentwurf tun Sie das auch nicht wirklich. So schwammig und offen, wie Ihre Regressvoraussetzungen formuliert sind, kann man sich nur die Frage stellen: Wollen Sie dem Berliner Verfassungsgerichtshof ernsthaft zumuten, über solche Dinge anhand Ihrer Kriterien zu befinden? Ich fürchte, wir werden auf diese Weise bald keine qualifizierten Kandidatinnen und Kandidaten für das Verfassungsgericht mehr finden, denn solchen Blödsinn tut sich einfach keiner an.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Die Menschen sind Richterinnen und Richter, keine Politikerinnen und Politiker. Wenn sie, die Verfassungsgerichte, fordern – und das haben in den vergangenen Jahren viele getan, übrigens völlig zu Recht –, dass politische Entscheidungen auch durch die Politik zu treffen sind, dann sollten Sie sie nicht auf solche Spruchkörper abwälzen. Dafür sind Verfassungsgerichte schlicht und ergreifend nicht da. Also, wir haben herzlich gelacht, aber zustimmen werden wir einem solchen Gesetzesantrag natürlich unter keinerlei Umständen. Sie sollten sich um die Offenlegung der Finanzen Ihrer Initiative kümmern. Das wäre ein Beitrag zur legitimen transparenten Auseinandersetzung in diesem Prozess.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Sie sollten die Auseinandersetzung auf der politischen Ebene führen. Da gehört sie nämlich hin. Sie können sich meinethalben auch darum kümmern, dass die Berliner Verkehrsbetriebe ihrem Auftrag nachkommen, sich weltanschaulich neutral zu verhalten. Da können Sie sich engagieren, da können Sie für Bürgerrechte eintreten. Was Ihren Antrag anbetrifft, empfehle ich Ihnen: Machen Sie es wie die Grünen eben, ziehen Sie ihn einfach zurück! Es ist ein grotesker Antrag.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Kollege Dr. Lindner.

[Dr. Fritz Felgentreu (SPD): Der Kasper!]

Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Sie haben schon die Sache mit der Frist, glaube ich, nicht so richtig erfasst,

[Uwe Doering (Linksfraktion): Nein!]

denn nach meinem Kenntnisstand ist am 9. Februar im Amtsblatt von Berlin das Zustandekommen des Volksbegehrens veröffentlicht worden. Das heißt, der Viermonatsfristablauf ist dann am 8. Juni 2009. Die Europawahl findet am 7. Juni statt. Das bedeutet, dass es noch innerhalb der Regelfrist von vier Monaten möglich gewesen wäre, eine Zusammenlegung der Europawahl mit dem Volksentscheid durchzuführen.

[Christian Gaebler (SPD): Möglich schon, aber nicht zwingend!]

Dann müssten Sie in die Drucksache gucken, in der wir damals begründet hatten, warum wir diese Fristverlängerung durchgeführt haben. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten:

Es wird zudem leichter, Volksentscheide an einem Wahltag oder mehrere Volksentscheide gleichzeitig durchzuführen. Damit kann eine höhere Beteiligung erreicht werden.

Dann heißt es weiter, dass

der maximal zulässige Zeitraum zwischen dem Zustandekommen des Volksbegehrens und der Durchführung verdoppelt werden kann, wenn dadurch erreicht werden kann, dass der Volksentscheid an einem Wahltag oder gemeinsam mit einem anderen Volksentscheid durchgeführt werden kann. Das entspricht dem gewünschten Aspekt Bürgerfreundlichkeit und auch der Notwendigkeit, kostenschonend zu verfahren.

Wenn wir uns jetzt Ihre Argumente, sofern sie sachlich vorgetragen waren, anschauen: Sie sagten gerade, der Senat sei hier Partei im Unterschied zu Wahlen. – Der Senat ist immer Partei bei Volksentscheiden. Volksentscheide richten sich denklogisch immer gegen die Politik des Senats, das kann gar nicht anders möglich sein, weil ansonsten eine parlamentarische Gestaltung auf andere Weise möglich wäre.

Sie führen zweitens aus, dass es sachlich nicht miteinander zu tun hat. – Auch dies ist denklogisch bei Volksentscheiden und Wahlen immer der Fall. Ein Volksentscheid behandelt immer einen konkreten Einzelsachverhalt. Wahlen sind immer allgemeine Willensbekundungen. Da werden Kandidaten einer Partei gewählt. Das hat auch denklogisch nie etwas miteinander zu tun.

Sie sagen weiterhin, das muss so zügig wie möglich durchgeführt werden. – Ja warum? Das ist ein Zirkelschluss: Eile, weil eilig.

[Christian Gaebler (SPD): Sie müssen sich auf Herrn Dr. Lederer beziehen!]

Aber warum diese selbstgewählte Eile in Abweichung hier von der Drucksache, die wir gemeinsam beschlossen haben, Kollege Lederer? Alle Fraktionen haben diese Verlängerung auf acht Monate mit dieser Begründung beschlossen. Es ist kein einziges sachliches Argument von Ihnen angeführt worden, warum hier abgewichen wurde. Da verbleibt deswegen nur ein einziger Grund: pure parteipolitische Taktik, und die wollen Sie den Steuerzahler 1,2 Millionen Euro kosten lassen. Es gibt keine Begründung. Das einzige ist Parteipolitik, das darf nicht auf Kosten der Steuerzahler gehen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP und der CDU – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank! – Das Wort zur Antwort hat der Abgeordnete Dr. Lederer.

Lieber Kollege Lindner! Ich habe erst einmal gesagt, dass Ihre Regressidee Quark ist. Dazu haben Sie sich jetzt gar nicht geäußert. Da beißt die Maus aber keinen Faden ab. Ihre Regressidee ist Quark, und so ist das. Deshalb wird dieser Antrag einfach abgelehnt.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Die politische Auseinandersetzung, die Sie jetzt versucht haben, hätten Sie auch öffentlich führen können. Das wäre richtig gewesen. Dass Sie das jetzt im Nachklapp tun, na ja, gut.

In einer Hinsicht muss ich allerdings eine Einschätzung von mir revidieren, die ich eben noch hatte. Das Rennen um den Klamauk-Kasper hat in dem kleinen Wettstreit eindeutig der Kollege Kluckert gewonnen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Dr. Martin Lindner (FDP): War ein bisschen mickrig! – Christian Gaebler (SPD): Das war ein indirektes Lob, wo er Sie für seriös erklärt!]

Das Wort in der Fortsetzung der Debatte hat der Kollege Lux von der Fraktion der Grünen.

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Not, Person und Zeit machen die Gesetze eng und weit.“ – Wir haben heute ein besonders

enges Gesetz, anscheinend auch in einer sehr schwierigen Zeit. Aber das liegt vor allen Dingen an zwei Personen, dass wir einen solchen Gesetzentwurf hier kriegen, an dem von Ihnen so viel gescholtenen vermeintlichen Sonnenkönig, Klaus Wowereit, und – wie soll ich sagen? – der Jeanne D’Arc, dem Erzengel Michael, der Feuerharke Gottes, Martin Lindner,

[Heiterkeit]

der hier einmal zeigen muss, wie sehr er dagegen kämpft. Das eignet sich auch zum Populismus im besten lafontaineschen Sinn, so ein Gesetz für die Leute, die zur Volksabstimmung gehen und nicht verstehen, weshalb der Termin so gelegt worden ist, dafür einzusetzen, dass sich die FDP hier vor den Karren spannt. Vielleicht sollte man den kleinen politischen Erfolg der FDP auch gönnen. Sie hat in dieser Zeit nicht so viel davon.