Jetzt kommen wir zur Mündlichen Anfrage des Kollegen Dr. Luther von der Fraktion der CDU zu dem Thema
1. Trifft es zu, dass es der Berliner Feuerwehr nicht gelingt, alle freien Stellen für die Ausbildung für den feuerwehrtechnischen Dienst zu besetzen, und wenn ja, wie viele freie Stellen blieben in den Jahren 2007 und 2008 unbesetzt?
2. Wie gedenkt die Feuerwehr die in der Folge fehlenden Kräfte zu ersetzen, und warum wird trotz des bestehenden Mangels eine stärkere Unterstützung der Feuerwehr durch die Hilfsorganisationen nicht in Betracht gezogen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Luther! Ich fange mit dem zweiten Teil der ersten Frage an, nämlich mit den Jahren 2007 und 2008. Wir haben im Jahr 2007 beim feuerwehrtechnischen Dienst 90 Abgänge und 108 Einstellungen in den Vorbereitungsdienst gehabt. Im Jahr 2008 haben wir 94 Abgänge und 133 Einstellungen in den Vorbereitungsdienst gehabt, sodass das Problem, das Sie ansprechen, für die vorangegangenen Jahre so nicht bestanden hat. Aber Sie sprechen ein Problem an, das in der Tat besteht. Zum 1. März 2009 haben wir nur 23 Dienstanwärter eingestellt. Wir hätten 50 oder 60 einstellen können. Es nicht einmal eine Frage der Bewerber. Wir haben 600 Bewerber gehabt, die die Einstellungstests absolviert haben. Die Feuerwehr hat für den feuerwehrtechnischen Dienst jährlich rund 3 000 Bewerber, die sich von sich aus melden. Es ist eine Frage, wie viele dieser Bewerber auch das Potenzial für den feuerwehrtechnischen Dienst – dazu gehört die gesundheitliche Eignung, die Prognose einer gesundheitlichen Eignung auf Dauer und Ähnliches – mitbringen.
Da macht sich im Moment zweierlei bemerkbar. Einmal haben wir ein neues Einstellungsverfahren mit einer Potenzialanalyse für die Feuerwehrleute gewählt, das bundesweit in vielen Bereichen angewendet wird. Es heißt „Jobfidence“. Da prüft man sozusagen die Unterlagen durch und mendelt dann einen Teil aus, der scheinbar
geeignet erscheint. Das wird jetzt nachjustiert, weil es offensichtlich nicht dazu geführt hat, genügend Leute auszuwählen, die potenziell geeignet sind.
Das Zweite ist: Bei der Feuerwehr, aber auch in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes wird sich die Bewerberlage in den nächsten Jahren entscheidend verändern. Das, was wir in den letzten Jahren an starken Jahrgängen gehabt haben, die die Schule mit Realschulabschluss oder Abitur verlassen haben oder die dann auch noch eine Ausbildung gemacht haben – bei der Feuerwehr ist bisher Voraussetzung, dass die Leute noch eine handwerkliche Ausbildung abgeschlossen haben –, wird sich aufgrund der Demografie im Laufe der nächsten Jahre verändern. Die Feuerwehr versucht, dem entgegenzusteuern, indem sie für den Feuerwehrdienst beabsichtigt, künftig auch Mitarbeiter einzustellen, die keine Handwerksausbildung gehabt haben – das haben wir, glaube ich, im Hauptausschuss vorgestellt –, sondern die in einem Vorbereitungslehrgang handwerksähnlich vorgebildet werden. Dieses Projekt macht die Feuerwehr zusammen mit der Handwerkskammer. Wir wollen auf diese Art und Weise insbesondere auch Menschen mit Migrationshintergrund für den feuerwehrtechnischen Dienst gewinnen. Es bleibt abzuwarten, ob diese Bemühungen zum Erfolg führen. Von der rein statistischen Bewerberlage her gibt es noch kein Problem, aber ich prognostiziere: Es wird ein Problem geben – für diesen Bereich wie für die Industrie und für alle anderen Bereiche auch. Das ist eine Frage der Demografie.
Zu der zweiten Frage, warum wir nicht stärker mit den Hilfsorganisationen zusammenarbeiten: Wir arbeiten mit den Hilfsorganisationen zusammen. Die Hilfsorganisationen fahren einen Teil unserer Rettungsdienste, genauso wie – wenn Sie so wollen – ein Teil der Feuerwehrtätigkeit von den Freiwilligen Feuerwehren – von immerhin 1 600 Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehren in Berlin – wahrgenommen wird. Ich gehe davon aus, dass wir den Rettungsdienst der Hilfsorganisationen noch ausweiten werden. Die Hilfsorganisationen haben das teilweise angeboten. Sie fahren zurzeit fünf oder sechs Rettungswagen. Sie haben angeboten, die Zahl der Rettungswagen, die von ihnen gefahren wird, zu erhöhen. Ich neige dazu, das ernsthaft zu prüfen. Es bedeutet im Ergebnis aber auch, dass die entsprechenden Gebühren dann nicht der Berliner Feuerwehr und dem Land Berlin, sondern den Hilfsorganisationen zugute kommen. Und auch die Hilfsorganisationen müssen für ihren Rettungsdienst – genauso wie wir – ausgebildete Rettungssanitäter haben. Anders geht es nicht. Sie sollen nicht nur fahren, sondern in der Lage sein, Menschen, die in Not sind, vernünftig Erste Hilfe zu leisten, und zwar sachgerecht. Insofern brauchen sie bei den Hilfsorganisationen für den Rettungsdienst genauso ausgebildete Leute wie bei der Berliner Feuerwehr. Und das Demografieproblem wird auf die Hilfsorganisationen genauso zukommen wie auf die gesamte Republik.
Herr Senator ! Das klingt gut, aber ich frage Sie dennoch: Ist es richtig, dass Ihr Landesbranddirektor Gräfling in Neukölln die Bundeswehr einsetzen will, um den Mangel an Feuerwehrleuten, insbesondere an Rettungsassistenten, auszugleichen? Die Bundeswehr kann unseres Wissens bei zivilen Belangen nur im Kriegszustand eingesetzt werden. Ja – ist denn in Neukölln schon Kriegszustand?
Herr Kollege Dr. Luther! Mit dem letzten Lagebericht, den ich heute früh bekommen habe, ist mir von einem Kriegszustand in Neukölln noch nichts bekannt.
Insofern kann ich das nicht bestätigen. Ich glaube, hier wird Verschiedenes verwechselt. Selbstverständlich arbeitet das Land Berlin mit dem Bundeswehrkrankenhaus und der Bundeswehr zusammen, und selbstverständlich hat auch die Bundeswehr ein Interesse daran, ihre Mitarbeiter, die im Sanitätsdienst sind, im Rettungswesen zu schulen. Da gibt es Kooperationen. Dies alles hat nichts mit Kriegszustand, sondern mit der üblichen Amtshilfe, mit den üblichen Möglichkeiten zu tun, dass die verschiedenen Institutionen eines Landes miteinander arbeiten können. Das gilt auch für das Rettungswesen. Das gilt übrigens auch für das Angebot der Bundeswehr – das wir bisher nicht angenommen haben –, beim Bundeswehrkrankenhaus einen weiteren Rettungshubschrauber zu stationieren und auf diese Art und Weise Christopher 31 bzw. den Transportrettungshubschrauber, den wir beim Unfallkrankenhaus Berlin stationieren werden, zu entlasten. Das sind selbstverständliche Kooperationen, die sowohl in unserem Interesse liegen als auch im Interesse der Bundeswehr. Die Bundeswehr wird uns auch bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft – genauso wie bei der Fußball-Weltmeisterschaft – mit einem Sanitätszelt helfen, ohne dass damit der Kriegszustand ausgerufen ist.
Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen Mutlu von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte schön, Herr Mutlu!
Herr Senator! Sie haben das Thema Feuerwehrleute mit Migrationshintergrund angesprochen – eine ganz wichtige
Maßnahme. Was haben Sie in dieser Hinsicht in den vergangenen Jahren konkret getan? Ist es für Sie denkbar, ähnlich wie bei der Polizei gezielt zu werben und die Bewerber mit vorgeschalteten Schulungen für die Einstellungstests bzw. für die Ausbildung zum Feuerwehrmann vorzubereiten?
Herr Kollege Mutlu! Ich glaube, der Senat in all seinen Facetten bemüht sich, in allen Bereichen, ob das die Einbürgerung betrifft, ob das die Einstellung in den öffentlichen Dienst betrifft – bei der Polizei habe ich bei den Neueinstellungen inzwischen 10 Prozent –, auf Menschen mit Migrationshintergrund zuzugehen. Das ist bei der Feuerwehr in den Vergangenheit so nicht passiert. Feuerwehr ist im Migrationshinterkopf allerdings auch noch nicht so verankert, muss man nüchtern sehen. In vielen Ländern Europas oder auch anderswo gibt es ein System der Freiwilligen Feuerwehren – wie wir es etwa in Berlin haben; das ist auch ein Rekrutierungspotenzial – nicht. Deshalb hat Portugal, deshalb hat Frankreich, deshalb hat Griechenland bei bestimmten Feuerwehrsituationen so große Probleme – weil sie eben nicht über ein ehrenamtliches Potenzial verfügen, wie es in der Bundesrepublik Deutschland und auch in Berlin selbstverständlich ist.
Wir haben jetzt ein Projekt aufgesetzt, dass wir für den mittleren Dienst ohne Handwerksausbildung eine Stufenausbildung ermöglichen wollen, um Nachwuchs zu gewinnen. Das richtet sich insbesondere auch an Migranten, die noch keine Handwerksausbildung haben. Wir wollen mit den Leuten technisch eine Berufsausbildung machen – die übrigens pro Person 20 000 Euro kostet; das heißt, wir nehmen richtig Geld in die Hand, um die Leute auszubilden. Und wir wollen direkt an Schulabgänger, an Leute, die die 10. Klasse, Hauptschulabschluss oder erweiterten Hauptschulabschluss haben, herantreten. Wir haben das Projekt, wie gesagt, zusammen mit der Handwerkskammer geplant – das läuft jetzt an –, um auf die Art und Weise erstens Leute zu gewinnen und zweitens auch den Migrantenanteil in der Feuerwehr zu erhöhen.
1. Wie bewertet der Senat die Maßnahmen der Bundesregierung zur Rettung schwer angeschlagener Banken?
2. Welchen Effekt könnte es haben, Banken, wie von Wirtschaftssenator Harald Wolf vorgeschlagen, nach dem Beispiel Schwedens in den 90er-Jahren generell in staatliche Obhut zu nehmen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Liebich! Bezogen auf die Rettungsmaßnahmen der Bundesregierung, was schwer angeschlagene Banken angeht, muss man feststellen, dass das Finanzmarktstabilisierungsgesetz – der sogenannte Rettungsschirm – zunächst einmal verhindert hat, dass wir in der Bundesrepublik einen Zusammenbruch systemisch relevanter Banken erlebt haben, so wie es in den USA mit Lehman Brothers geschehen ist mit den entsprechenden Folgewirkungen nicht nur in den USA, sondern auf die Weltwirtschaft.
Was allerdings bislang nicht gelungen ist und was damals auch beabsichtigt war, ist, die Geschäftstätigkeit der Banken wieder in Gang zu bringen, das heißt, dass sie ihre eigentliche Aufgabe, die Wirtschaft mit liquiden Mitteln, mit Krediten für Realinvestitionen zu versorgen, wahrnehmen. Das Bankensystem – sowohl international als auch in der Bundesrepublik – ist nach wie vor in einer gravierenden Krise und ist nicht wirklich handlungsfähig. Wenn Sie sich das ansehen: Wir haben z. B. jetzt auch Konjunkturmaßnahmen, die normalerweise klassische Maßnahmen der Kulturpolitik sind wie die Senkung der Leitzinsen der Zentralbank. Dies führt aber im Moment nicht dazu, dass die Versorgung der Wirtschaft, der Realwirtschaft mit liquiden Mitteln verbessert wird, sondern dazu, dass die Banken es zu ihrer eigenen besseren Liquiditätsversorgung nutzen, weil sie sich damit günstig refinanzieren, ihren eigenen Liquiditätsbedarf decken können, gleichzeitig aber im Außenverhältnis gegenüber ihren Kreditnehmern die Zinsen oben lassen, hohe Margen haben und damit ihre Verluste zumindest versuchen teilweise gegenzufinanzieren.
Der Interbankenmarkt – also der Handel zwischen den Banken – ist nach wie vor nicht in Gang gekommen, weil die Banken sich untereinander nicht trauen – weil jede Bank vermutet, dass die andere genauso schlecht gewirtschaftet hat wie sie selbst – und deshalb Abstand davon nehmen, sich gegenseitig Geld auszuleihen.
Wir haben weiterhin die Situation, dass größere Kreditfinanzierungen, größere Investitionen nur ganz schwer zustande kommen, weil sich der Großteil der Banken über das Zentralbankgeld refinanziert und sie damit nur kurz
fristig ausleihen, weil Zentralbankgeld für maximal drei Jahre ausgeliehen wird. Damit sind langfristige Finanzierungen in größeren Tranchen kaum noch zu erhalten. Konsortialfinanzierung, also Finanzierung, wo mehrere Banken gemeinsam finanzieren, sind extrem schwierig zu bekommen, teilweise unmöglich, auch wegen des fehlenden Vertrauens der Banken untereinander. Das ist bei größerer Immobilienfinanzierung ebenfalls ein riesiges Problem. Das heißt, wir haben eine Situation, in der wir einerseits einen massiven Einbruch der Nachfrage haben, weltweit, eine konjunkturelle Krise, zum anderen ein nach wie vor nicht funktionierendes Finanzsystem.
Die Bundesregierung hat jetzt in einer Reihe von Einzelmaßnahmen versucht, rettend einzugreifen, allerdings ohne System und ohne Systematik. Wenn Sie sich das ansehen, wie viele Rettungsaktionen es bei der HRE mittlerweile gegeben hat, mit wie vielen Bürgschaften als auch Cash-Mitteln wir hier als Steuerzahler mittlerweile in der Haftung sind, bis jetzt darüber diskutiert wird, ob eine Enteignung dieses Instituts nicht möglich ist, aber immer noch nicht entschieden ist! Wenn Sie sich ansehen, dass wir bei der Commerzbank – ein Institut, das noch nicht einmal einen Börsenwert von 3 Milliarden Euro hat – mit öffentlichen Mitteln in Höhe von 18 Milliarden Euro einsteigen, um dafür 25 Prozent zu bekommen, heißt das, für einen Kapitaleinsatz 25 Prozent zu bekommen, mit dem man dieses Institut sechs Mal hätte kaufen können, macht das deutlich, dass wir es hier mit einem Stück aus dem Tollhaus zu tun haben und dass hier keine Systematik existiert. Ich zitiere die Bundeskanzlerin: Wenn die Übernahme der Banken die für den Steuerzahler günstigere Lösung ist, müssen wir das tun.
Wenn man sich ansieht, was in Schweden in den 90erJahren geschehen ist, wo man konsequent gewesen ist, als die damalige Bankenkrise existierte, da hat man gesagt: Da der Steuerzahler für die ganze Angelegenheit so und so haftet, übernimmt man auch wirklich die volle Verantwortung einschließlich der Eigentumsrechte. Damit hat man auch die Möglichkeit, von den Sanierungserfolgen zu profitieren, so wie wir es in Berlin mit unserer Landesbank gemacht haben, die wir aus guten Gründen 2001 nicht aus der staatlichen Obhut entlassen haben, sondern gesagt haben, wir sanieren sie selbst, weil wir an dem Sanierungserfolg auch wieder partizipieren wollen. Wenn der Staat generell als Eigentümer haftet, haben wir auch eine ganz andere Möglichkeit, die Risiken abzuarbeiten und das Vertrauen zwischen den Banken wiederherzustellen. Das, glaube ich, ist eine sinnvolle und eine notwendige Lösung im Gegensatz zu diesen Einzelmaßnahmen, die gegenwärtig ergriffen werden, die nur dazu führen, dass es für den Steuerzahler unendlich teuer wird, ohne dass das Grundsatzproblem, das systemische Problem angegangen und gelöst wird.
Herr Wolf! Mich würde interessieren, wenn die Bundeskanzlerin schon mit diesem Weg einverstanden ist, wie dann die anderen Mitglieder der Bundesregierung und die Wirtschaftsminister der anderen Bundesländer reagieren. Wann ist damit zu rechnen, dass dieser sinnvolle Weg gegangen wird?
Herr Liebich! Da sind Sie jetzt in der Interpretation zu weit gegangen. Nach meiner Kenntnis ist die Bundeskanzlerin mit diesem Weg noch nicht einverstanden. Die Bundeskanzlerin hat lediglich einen methodischen Hinweis gegeben: „Wenn es für den Steuerzahler günstiger ist, müssen wir diesen Weg gehen“, der aus meiner Sicht zwingend diesen Schluss nahelegt. Nach meiner Kenntnis und nach meinem Informationsstand – vielleicht haben andere bessere Informationen – hat sie diesen zwingenden Schluss bislang noch nicht gezogen.
Mein Eindruck, wenn ich mir angucke, was der neue CSU-Bundeswirtschaftsminister an ordnungspolitischen Bedenken vor sich herträgt, ist, dass die Bundesregierung und die große Koalition in dieser Frage nicht handlungsfähiger geworden sind, sondern weniger handlungsfähig. Ich kann nur das sagen, was ich neulich schon in einer Diskussion gesagt habe: Ordnungspolitisch müsste man mindestens die Hälfte der bundesdeutschen Banken und weltweit in die Insolvenz gehen lassen. – Das tun wir aus guten Gründen nicht, insofern haben ordnungspolitische Bedenken in dieser Diskussion nichts zu suchen, sondern es geht darum, Schaden abzuwenden und zu minimieren. Ich glaube, dass dieser Weg, so wie ihn die Schweden in ihrem Land einmal gegangen sind, ein durchaus sinnvoller und praktikabler Weg ist. Ich habe jedenfalls bisher von niemandem einen besseren Vorschlag gehört.