Protokoll der Sitzung vom 02.04.2009

Ich fasse noch einmal zusammen, worauf es ankommt: Das Erste ist zunächst ein konkretes Ersuchen. Das liegt ggf. vor, das hat die Vertretung unserer Bundesrepublik im Außenverhältnis zu prüfen. Das Zweite ist eine staatenübergreifende Lösung unter Involvierung unserer Bündnispartner, der Bündnispartner im Rahmen der Nato, aber auch der Europäischen Union. Das Dritte ist eine adäquate Einzelprüfung. Ich erwarte auch, Herr Körting, dass Sie diese adäquate Einzelfallprüfung aus Gründen der Humanität sachgerecht mit Ihren Kolleginnen und Kollegen auf Bundesebene und in den Ländern durchführen. Ich erwarte, dass Sie angemessene Lösungen finden, und ich erwarte, dass Berlin sich nicht ein kategorisches Nein leistet. Das, Herr Körting, meine Damen und Herren, würde auch der Verantwortung unseres Landes nicht gerecht.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Gyasettin Sayan (Die Linke)]

Es bedarf dieser angemessenen Einzelfallprüfung, und wenn Sie dies durchführen, Herr Körting, dann können Sie Ihrer Verantwortung gerecht werden. Im Innenausschuss werden wir durchaus noch Gelegenheit haben, den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen so zu modifizieren, dass wir Ihnen eine gute Rückenstärkung für diese kommende Debatte geben. Ich wünsche mir, dass wir diese Diskussion im Innenausschuss gemeinsam – auch im Interesse der Humanität – mit einem guten Ergebnis führen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jotzo! – Jetzt hat als Letzter in der Rederunde Herr Abgeordneter Sayan von der Linksfraktion das Wort. – Bitte sehr!

Danke schön, Frau Präsidentin! – Werte Abgeordnete! Liebe Grünen! Wir sprechen uns nicht generell gegen den Inhalt Ihres Antrages aus. Selbstverständlich sind wir – wie Sie – für die Aufnahme von Menschen in Not und wollen alles tun, damit das völkerrechtswidrige Lager Guantánamo aufgelöst wird und vor allem die Menschen in die Freiheit gelangen können.

Aber zuerst – und das muss ich betonen! – sind die USAmerikaner, auch die neue Regierung, in der Verantwortung. Sie müssen den ehemaligen Inhaftierten einen dauerhaften Aufenthalt in den USA anbieten, und das muss offiziell geschehen. Warum sollten wir, warum sollte Berlin, die USA durch eine Blankozusage so einfach aus der Verantwortung gegenüber diesen Menschen, den Opfern ihrer vorherigen Politik entlassen? Warum?

[Benedikt Lux (Grüne): Deutschland hätte auch ohne den Marshallplan nichts angefangen!]

Benedikt Lux

Zunächst müssen die USA jeden einzelnen dieser Menschen rehabilitieren. Handeln wir zu schnell, nehmen wir diese Menschen ohne die notwendigen Schritte der USA auf, so sieht es aus, als hätte man sie nur weitergeschoben, aber ihnen wäre nicht Recht geschehen. Am Ende bliebe ein ständiger Verdacht ihnen gegenüber bestehen.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Wir denken, die USA sollten den Betroffenen die notwendige psychosoziale Versorgung gewährleisten. Erst danach müssten sich die USA formell, von Fall zu Fall, an die Bundesrepublik und an andere Staaten, vor allem an die Heimatländer wenden und diese um Aufnahme der rehabilitierten Menschen bitten, die nicht das Angebot der USA annehmen wollen. Erst danach könnte nach einer jeweiligen Einzelfallprüfung die Bundesregierung über die Aufnahme entscheiden. Erst zuletzt würde Berlin nach dem bekannten Verteilerschlüssel angefragt, ca. ein bis drei Aufnahmen maximal zuzustimmen. So sieht es aus, letztendlich handelt es sich um 60 Menschen.

Senator Körting hat zu Recht in der letzten Plenarsitzung darauf hingewiesen:

Wir alle kommen nicht darum herum, die schwierige Frage der Einzelfallprüfung zu benennen und durchzuführen, da wir ausschließen müssen, dass wir islamistische Extremisten aufnehmen.

Herr Kollege Sayan! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lux?

Nein! Er hat eine ganze Menge Dinge angeführt, die mit der Sache nichts zu tun haben, also warum sollte ich jetzt seine Frage zulassen?

Das ist unheimlich wichtig! Wir wollen, dass zu uns Menschen kommen, die demokratische und friedliche Grundsätze des Zusammenlebens akzeptieren. Das sage ich! Wir dürfen es nicht riskieren, den hierzulande sowieso bestehenden radikalen islamistischen Gruppen auch noch die terrorausgebildeten Gesinnungsfreunde zuzuführen. Genau das müssen wir vermeiden! Das ist sehr ernst! Das ist sehr entscheidend!

[Benedikt Lux (Grüne): Aber Herr Sayan!]

Meine grünen Freunde und Freundinnen! Sie haben auf Bundesebene Vergleiche gezogen. Als Sie auf Bundesebene in der Regierungsverantwortung standen, haben Sie mit den USA zusammengearbeitet. In der Zusammenarbeit haben Sie in Ihrer Regierungszeit sogar die illegitim Festgenommenen zur Informationsbeschaffung und Wahrnehmung der bundesrepublikanischen Sicherheitsinteressen verhören lassen. Auf dem Boden der Bundesrepublik! Das geschah unter der rot-grünen Regierung! Das müssen Sie wissen! Die rot-grüne Regierung hat auch den

Transport zu den fragwürdigen Verhören und nach Guantánamo staatlich unterstützt. Staatlich unterstützt!

Wir hingegen wollen lieber gleich sagen, was wir tun und nach welchen Kriterien die Aufnahmen erfolgen. So kann alles seinen offiziellen Gang gehen. Wie ich eben geschildert habe, werden wir für Berlin gern der Aufnahme von uns zugeteilten politischen Opfern und Flüchtlingen zustimmen und alles für ihre Integration Notwendige in die Wege leiten. Wir stehen ein für Menschen in Not. Ich lehne den Antrag ab!

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön, Herr Kollege! – Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung. – Widerspruch dazu höre ich nicht, dann ist das so beschlossen.

Ich komme zu

lfd. Nr. 42:

Antrag

Maßnahmen zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Genitalverstümmelung ergreifen!

Antrag der Grünen Drs 16/2256

Eine Beratung ist inzwischen nicht mehr vorgesehen. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/2256 federführend an den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz sowie mitberatend an den Rechtsausschuss. – Dazu höre ich keinen Widerspruch.

Ich komme zur lfd. Nr. 43. Das war die Priorität der Fraktion der CDU unter dem Tagesordnungspunkt 4 a. Er ist vertagt worden.

Die lfd. Nrn. 44 bis 49 sind bereits durch die Konsensliste erledigt. Die lfd. Nr. 50 haben wir bereits in Verbindung mit der Aktuellen Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 3 behandelt. Die lfd. Nrn. 51 bis 53 stehen auf der Konsensliste. Die lfd. Nr. 54 war Priorität der Fraktion der SPD unter dem Tagesordnungspunkt 4 e.

Das war die Tagesordnung. – Jetzt habe ich die Gelegenheit, unseren Finanzsenator, Herrn Dr. Thilo Sarrazin, der heute zum letzten Mal die Freude hatte, an einer Plenarsitzung teilnehmen zu dürfen, zu verabschieden. Wie Sie alle wissen, geht er demnächst zur Bundesbank.

Herr Dr. Sarrazin! Sie haben die Finanzen in einer schwierigen Zeit – und wie ich denke! – auch mit Anerkennung von allen Seiten hier in Berlin administriert. Dafür ist Ihnen der Dank des Hauses gewiss! Sie haben

Giyasettin Sayan

mit Ihren öffentlichen Äußerungen, die ja auch nicht immer – das ist ähnlich wie bei dem Kollegen Lindner –

[Allgemeine Heiterkeit]

auf die Zustimmung aller – anders, aber es ist ähnlich! – gestoßen sind,

[Allgemeine Heiterkeit]

auf jeden Fall Diskussionen ausgelöst und Diskussionen in Gang gebracht, die auch zu Klärungen geführt haben. Manchmal haben Sie ja sogar für Überraschungen hier im Haus gesorgt. Auch da war niemand vor Ihnen sicher!

Ich möchte Ihnen den Dank des Hauses aussprechen. Ich denke, bei der Bundesbank – das ist ja eine höhere Aufgabe gerade in diesen Zeiten, jedenfalls der Teil, der womöglich die Bankenaufsicht und den internationalen Teil anbelangt – sind Persönlichkeiten wie Sie ganz gut geeignet. Wie soll ich sagen? – Berlin gibt die Besten ab, damit die Bundesbankpolitik noch besser wird!

In diesem Sinn alles Gute, gute Arbeit bei der Bundesbank und den Dank des Hauses.

[Lang anhaltender, allgemeiner Beifall]

Das war unsere heutige Tagesordnung. Die nächste Sitzung, die 46. Sitzung, findet am 30. April 2009 um 13.00 Uhr statt. – Ich wünsche Ihnen einen guten und sicheren Heimweg und angenehme Ostertage. – Die Sitzung ist geschlossen.

[Schluss der Sitzung: 18.58 Uhr]

Präsident Walter Momper

Anlage 1

Liste der Dringlichkeiten

Vor Eintritt in die Tagesordnung –

Dringlicher Entschließungsantrag

Gemeinsamer Aufruf gegen NPD-Bundesparteitag

Antrag der SPD, der CDU, der Linksfraktion, der Grünen und der FDP Drs 16/2300