Protokoll der Sitzung vom 30.04.2009

Sehr geehrter Herr Kollege Goetze! Abgesehen davon, dass man glaubt, dass ausgerechnet Sie das Verhältnis zwischen Produktsummenbudget, Globalzuweisung etc. plötzlich nicht verstanden haben, obwohl Sie im Unterausschuss immer entsprechend agieren – ist Ihnen eigentlich bekannt, dass es durchaus Bezirke gibt, die für einzelne Produkte, zum Beispiel Musikschulen, außerhalb des Produktsummenbudgets aus ihren eigenen Mitteln noch mehr finanzieren, als sie zugewiesen bekommen? So etwa der Bezirk Neukölln, der über das Produktsummenbudget hinaus 450 000 Euro im Jahr in die Musikschulen steckt und 250 000 Euro in die Stadtteilmütter. Ich könnte die Liste noch weiterführen. Das beweist doch, dass Ihre Behauptung, dass wir – der Senat, die Koalition – in die Haushaltsaufstellung eines Bezirkes hineinregieren, völlig an der Realität vorbeigeht. Von Ihnen, gerade von Ihnen hätte ich erwartet, dass Sie diesen Sachverhalt verstehen. Von Ihnen, gerade von Ihnen hätte ich auch erwartet, dass Sie den Antrag der Koalition, der sich auf mehr Transparenz bei der Mittelzuweisung in den Bezirken richtet, verstehen und nicht so unsäglich diffamieren, nur weil Sie vielleicht persönlich von einem sogenannten Verliererbezirk angesprochen werden. Der Wertausgleich geht alle an. Bei einem Wertausgleich wird es immer Verlierer und Gewinner geben. Anders geht es nicht. Sonst wäre es kein Ausgleich. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Flesch! – Möchten Sie erwidern, Herr Goetze? – Dann haben Sie die Gelegenheit dazu. Bitte sehr, Herr Abgeordneter Goetze!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin Flesch! Wenn die Koalition einen Antrag mit Substanz gestellt hätte, dann hätten wir uns tatsächlich über bestimmte Auswirkungen unterhalten können. Nur – was haben Sie gemacht? – Sie haben einen Antrag gestellt, der nur so strotzt vor Formulierungen, die heißen: Es ist von der Senatsverwaltung oder seitens des Senats darauf zu achten … Es soll dieses und jenes gemacht werden … Es ist zu prüfen, ob … Sie wollen Debatten fortsetzen. – Das sind alles Zitate aus diesem Antrag. Davon gibt es ungefähr 25 bis 30 Stellen. Der Antrag ist in seiner Unverbindlichkeit ein so schlimmes Machwerk der Verantwortungslosigkeit, der Übertragung von Entscheidungskompetenzen an die Senatsverwaltung für Finanzen oder an den Finanzsenator, dass es mich geradezu gruselt. Warum geben Sie jede Steuerungsmöglichkeit als Parlamentarier auf?

Das ist das Grundproblem. Sie überantworten, obwohl Sie vier oder fünf Seiten Text geschrieben haben, alles dem Finanzsenator. Dieser macht so weiter wie bisher, und

dessen Art ist es, willkürlich Basiskorrekturen vorzunehmen, willkürlich unterschiedliche Ansätze für die Bezirke vorzugeben und in geradezu verantwortungsloser Weise Vergleiche der Bezirke mit anderen Kommunen anzustellen. Das hatte er nach der dankenswerten Auseinandersetzung der Bezirksbürgermeister mit diesem Thema dann stillschweigend wieder einkassieren müssen, weil ihm dabei schwere handwerkliche Fehler nachgewiesen worden sind. Was der Kollege Schruoffeneger gesagt hat, bringt es auf den Punkt: Alle Äußerungen des Senats, beim Finanzsenator angefangen, teilweise über Ihre Fraktionskollegen bis zu anderen Senatsmitgliedern, führen darauf hinaus: Sie wollen nicht etwa starke Bezirke – das sind ausschließlich Lippenbekenntnisse –, sondern die Bezirke gehen Ihnen auf die Nerven. Sie wollen sie abschaffen. Sie wollen zentralisieren. Sie nehmen dafür jetzt das Mittel der Finanzplanung auch noch mit dazu. Deswegen haben wir ein Grundsatzproblem und eine Grundsatzauseinandersetzung, die Sie mit diesem Antragstext noch unterstreichen.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Goetze! – Für die Linksfraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Weiß das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die aktuelle Debatte um die Neuordnung der Finanzzuweisung reicht nunmehr drei Jahre zurück. Den Aufschlag haben im Übrigen die Bezirke gemacht, nicht die Grünen und nicht die CDU. 2007 legten sie ein Positionspapier vor, in dem sie auf einen Grundwiderspruch hinwiesen. Seit 2005 – so haben wir es beschlossen – artikulieren die Bezirke ihren Finanzbedarf auf Basis ihrer betriebswirtschaftlichen Jahresergebnisse, das heißt auf der Basis ihrer tatsächlichen Leistungsspektren und der Effizienz der Mittelverwendung im interbezirklichen Vergleich. Das heißt dann KLR oder, kurz, Menge mal Preis.

Das Land aber bildet seinen Haushalt auch weiterhin nach politisch ausgehandelten Titeln ab – und so auch die Zuweisung an die Bezirke. Im Ergebnis steht dann ein Bezirksplafond, der keinen Bezug zum bezirklichen Leistungsvolumen hat.

Nun kenne ich viele Kritiken an dem Bezirkszuweisungssystem. Die meisten gehen in die Richtung, dass die Bildung des Medians – was wohl auch so ist – zu einer Abwärtsspirale führt. Aber wer sagt denn bitte, dass dieses System zu zu viel Geld führt? Wieso sollte es aus finanzpolitischer Sicht also keine Anerkennung finden?

Der Ersetzungsantrag der Koalition, den wir heute mitberaten, sieht das übrigens auch so. Das Finanzsystem hat sich bewährt.

[Zuruf von Oliver Schruoffeneger (Grüne)]

Dass wir in eine politische Steuerungslosigkeit geraten, ist schlicht realitätsfern. Das Land greift durch Planmengen oder Zielbudgets ziemlich heftig in dieses System ein.

Aber wie passen denn nun Kameralistik und KLR zusammen? – Wenn Titel und Budgetberechnung nicht zusammenpassen, dann muss heruntergekürzt werden, verteilt auf alle Bezirke. Die Senatsfinanzverwaltung nennt das dann unverfänglich Normierung. – Sicher gibt es hier nicht wenige Ansätze der babylonischen Sprachverwirrung, aber es ist viel mehr; es sind zwei getrennte Kulturkreise. Lassen Sie uns – so wie in unserem Antrag – mehr Interkulturalität wagen!

[Zuruf von Oliver Schruoffeneger (Grüne)]

Seit 2007 hat sich in dieser Richtung einiges getan, um die Bezirke besser in das parlamentarische Aufstellungsverfahren einzubinden. Die Bezirke werden jetzt bereits unmittelbar nach Festsetzung des Plafonds angehört und in die Lage versetzt, ihrem Finanzbedarf Ausdruck zu verleihen. An diesem Punkt stehen wir gerade. Der eigentliche Grundkonflikt aber – KLR und Titel auf der andren Seite – wurde nicht aufgelöst, wie sich an den aktuellen Diskussionen zum Bezirksplafond wieder überdeutlich gezeigt hat. Dabei kann das KLR-System doch so viel leisten! Es erkennt an, dass Bezirke unterschiedlich sind und unterschiedlich wirtschaften. Da nützen die permanenten Einzelbeispiele der Senatsverwaltung für Finanzen zum Beweis, dass die Bezirke – nicht der einzelne Bezirk – grundsätzlich – und nicht in einzelnen Bereichen – noch Nachholbedarf haben.

Aber wozu haben wir den Median? – Hohe Produktkosten führen zu Budgetverlusten, niedrige Produktkosten zu Budgetgewinnen und zu einem Anreiz zu weiterer Optimierung. Hier sehen einige, wie erwähnt, berechtigterweise die wenig gesteuerte Abwärtsspirale. Aber hier sieht unser Antrag vor, mehr Mindeststandards einzuführen.

Nun hat das gerade erfolgte Zuweisungsschreiben der Senatsverwaltung für Finanzen die ganze KLR ad absurdum geführt. Kein einziger Budgetgewinner hat mit der jetzigen Zuweisung tatsächliche Gewinne gemacht. Dafür ein Beispiel: Lichtenberg. Nach dem Produkthaushalt hätte Lichtenberg 3 Millionen Euro Gewinn gemacht. Stattdessen steht da jetzt ein fettes Minus von 3 Millionen Euro. Das hat mit Anreizen nichts zu tun und mit KLR erst recht nicht.

Aber wir sprechen ja über den Antrag der Grünen. Herr Ratzmann hat vorhin die Schuldenbremse als Allheilmittel nachhaltiger Politik gelobt. Entschuldigung! Wo ist denn bitte der Handlungsspielraum der zukünftigen Generation, wenn wir so in die Substanz eingreifen, dass sie ihren Finanzspielraum nur noch dafür verwenden kann, die eben abgebaute Substanz wieder aufzubauen? Wiederaufbau im Vergleich zur Bestandssicherung – das kann doch nur teuer sein!

[Zurufe von den Grünen]

Dann noch Frau Pop! Frau Pop sagt, das Geld reiche ohnehin nicht für die Kitas aus. Herr Schruoffeneger unterstellt gestern im Hauptausschuss unterschwellig die Steuerbarkeit im Bereich der Fallmengen HzE – Herr Goetze übrigens auch. Wer soll Ihnen jetzt noch glauben, dass Sie in den Haushaltsberatungen bei den Bezirksfinanzen mehr Rückgrat beweisen?

[Ramona Pop (Grüne): Mehr als Sie auf jeden Fall!]

Aber solche Anträge können Sie stellen!

Einig sind wir uns dennoch darin, die erwähnten Kulturkreise zusammenzuführen, die Debatte um die Bezirksfinanzen zu objektivieren, zu politisieren und schließlich zu parlamentarisieren. Damit fangen wir nicht erst nächste Woche im Unterausschuss an.

[Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

Aber was heißt das konkret? – Objektivieren hieße in diesem Fall, 142 Millionen Euro mehr zuzuweisen, wie die Bezirke mit ihrer Rechnung belegen. Dem widerspricht SenFin. Hier haben wir die Parlamentarisierung. Wir – das Parlament – werden hier entscheiden müssen. Diese Herausforderung nehmen wir gerne an.

Zum Schluss eine Anmerkung zum Wertausgleich. Hier halte ich es wie auch Herr Schneider mit dem LexPosterior-Grundsatz. Die von SenFin den Bezirken mitgeteilten Veränderungen im Wertausgleichsverfahren werden sicher nach Beschluss unseres Koalitionsantrags heute zurückgenommen werden.

Frau Weiß! Wenn ich Sie darauf hinweisen darf: Ihre Redezeit ist beendet.

Der letzte Satz. – Denn hier heißt es, dass es erst ab 2011 Veränderungen geben wird, ergo für 2010: Beibehaltung des Status quo. Das wird der Senat sicher ähnlich sehen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Weiß! – Für die FDPFraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Czaja das Wort. – Bitte sehr!

[Zuruf von Oliver Schruoffeneger (Grüne)]

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich kann Ihnen nicht erklären, was die Kollegin Weiß sagen wollte, so aufmerksam ich zu später Stunde auch war. Es war leider nicht möglich, es auf einen Punkt zu bekommen und die Kernaussage der Koa

Koalition bzw. der Linksfraktion hier am Abend noch zu erhaschen.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Die Grünen brauchen dafür eine Bibel mit vielen Bildern!]

Herr Schneider! Als geschätzter Kollege hätte ich erwartet, dass Sie wenigstens den Versuch hier vorne unternehmen und ein Stück weit mehr Verbindlichkeit herstellen als die, die in Ihrem Antrag steht. Stattdessen führten Sie ebenso wieder aus, Sie prüfen, Sie wollen darüber nachdenken. Ich finde, das kommt dem gleich, was Sie bisher tun, nämlich die Bezirke an langer Leine zu führen und am langen Arm verhungern zu lassen. So geht es wahrlich nicht.

[Beifall bei der FDP]

Wenn Sie die „Berliner Morgenpost“ heute alle aufmerksam studiert haben, werden Sie schnell gesehen haben, dass der haushaltspolitische Sprecher der Linken, Wechselberg, seinen Rücktritt erklärt hat und es auch in einem Interview deutlich gemacht hat. Ich finde, das Interview ist bezeichnend und gibt deutlich Aufschluss darüber, in welche Richtung die rot-rote Haushaltspolitik in den kommenden Jahren tendieren wird.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Ich muss Ihnen gar nicht hier am heutigen Abend die zahlreichen Probleme nennen, die bereits von den Vorrednern von der CDU-Fraktion und Bündnis 90/Die Grünen schon benannt wurden. Lassen Sie mich nur auf zwei wesentliche Probleme eingehen, nämlich die Probleme rund um die Globalsummezuweisung und die Probleme, die bei den Hilfen zur Erziehung bestehen. Sie wissen, dass Sie hier den Bezirken Antworten schuldig geblieben sind und diese Antworten dringend aufgeliefert werden müssen. Sie sind dabei, die Tendenzen, die sich in den zwölf Berliner Bezirken abzeichnen, einfach nicht zu überblicken, nicht zu überschauen, Sie nehmen sie schlichtweg nicht zur Kenntnis.

Darüber hinaus wurde bei den Globalsummenzuweisungen 2010/2011versucht, die Probleme etwas abzustellen, aber am Ende war es doch wieder nur ein Herumdoktern. So probierten Sie durch die Hintertür, die sog. Pagatorisierung, sprich die Zahlbarmachung von budgetwirksamen kalkulatorischen Kosten ohne jegliche Diskussion, dafür mit den vielen offenen Fragen für die Zukunft der bezirklichen Immobilien einzuführen. Sie machten es schlichtweg. Die Bezirke waren Ihnen wieder einmal schlichtweg egal.

Das Zweite: Ebenso führten Sie die Änderung beim Indikator sozialräumliche Entwicklungstendenz ein. Sie können sich darauf verlassen: Wir als FDP-Fraktion werden das weiter thematisieren, denn so geht es nicht, wie Sie hier mit den Bezirken anhand dieser zwei Beispiele umgehen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Lassen Sie mich zum Schluss festhalten: Die FDPFraktion sieht weiterhin aktuell einen akuten Handlungsbedarf bei der Ausfinanzierung der bezirklichen Aufgaben, wobei es um ein transparentes einfaches System der Mittelzuweisung geht. Wir sind der Auffassung, dass wir zukünftig eine Debatte darüber führen müssen, ob Sonderprogramme in dieser Stadt überhaupt sinnvoll sind oder ob das Volumen der Sonderprogramme zukünftig den Bezirken auf die Bezirkshaushalte aufgesetzt werden sollte,

[Beifall von Monika Thamm (CDU)]

damit die Bezirke eine Verantwortung vor Ort bekommen und schlichtweg auch die Wählerinnen und Wähler am Tag der BVV-Wahlen darüber entscheiden können, welche Prioritäten in den Bezirken gesetzt wurden und welche nicht. Dann werden Sie die Quittung an dem genannten Tag bekommen.

[Beifall bei der FDP]

Ein wesentlicher und letzter Punkt ist für uns, dass wir möchten, dass die Bezirke in Zukunft auch in einen fairen Wettbewerb eintreten können. Und deswegen muss darüber nachgedacht werden, ob eventuelle Einnahmen wie z. B. Gewerbesteuersatz, Festlegung von Gebühren etc., all diese Fragen, in den Bezirken zukünftig möglich sein sollten. Das wären unserer Meinung nach wahre Schritte, das wären unserer Meinung nach die möglichen Mittel, um mit den Bezirken in einen ehrlichen transparenten Dialog einzutreten und ihnen die Verantwortung zu geben, die sie in dieser Stadt brauchen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]