Protokoll der Sitzung vom 28.05.2009

Herr Kollege Zimmermann! Wenn Sie das Genmaisverbot als Beispiel nennen und darauf verweisen und etwas mürrisch sagen: Die EU könne wohl die Argumentation der Bundesregierung nicht nachvollziehen – dann sage ich Ihnen: Das können wir Liberalen auch nicht! Diese Argumentation ist absolut forschungsfeindlich und widersprüchlich. Aus diesem Grund ist es nachvollziehbar, dass sich die EU nicht dazu hinreißen lässt, irgendwelche Beschränkungen durchgehen zu lassen, sondern dass sie sagt, dass das Genmaisverbot hinterfragt werden muss.

Einen letzten Punkt zum deutsch-polnischen Kulturbeauftragten. – Herr Zimmermann! Sie haben gesagt, den gäbe es bereits in der Person von Frau Schwan. Das ist nur teilweise richtig. Frau Schwan ist für die grenznahe Zusammenarbeit verantwortlich. Es gibt sechs Beauftragte im Auswärtigen Amt, Frau Schwan ist nur eine davon. Es gibt auch einen Herrn, der für die deutsch-französische Zusammenarbeit verantwortlich ist. Wenn ich jetzt Ihrer Argumentation folgen würde, da wir diese Beauftragten beim Auswärtigen Amt haben, benötigten wir keine exponierte Stelle beim Bundesrat, dann warte ich nur darauf, dass Sie endlich fordern, dass wir den deutschfranzösischen Kulturbeauftragten einsparen können, dessen Funktion der Regierende Bürgermeister innehat. Das kann nicht stimmen, Herr Kollege Zimmermann! Wir Liberalen wollen gerade mit Polen eine enge Zusammenarbeit im Bereich Bildung und Kultur. Und das auf höchster ministerieller Ebene, genauso, wie Herr Wowereit zurzeit auf höchster ministerieller Ebene seitens des Bundesrates die Kultur- und Bildungspolitik der Bundesländer mit Frankreich koordiniert. Aus diesem Grund kann Ihr Argument nicht tragen. Überlegen Sie es sich noch einmal, noch haben wir nicht abgestimmt! – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Herr Zimmermann möchte antworten und hat dazu die Gelegenheit. – Bitte sehr!

Frank Zimmermann

Das, was Sie als Wirtschaftskompetenz für Ihre Partei reklamieren, wird – glaube ich – von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung so nicht akzeptiert,

[Beifall von Stefan Zackenfels (SPD)]

weil Sie die Aspekte der sozialen Dimension in Ihren Vorstellungen vermissen. Deswegen werden Sie bei der Wahl keinen Blumentopf gewinnen! Es wird aber zu debattieren sein, wie die Regeln zwischen dem Wettbewerbsrecht und den sozialen Standards im Einzelnen austariert werden können. Insoweit gebe ich Ihnen recht: Das ist das Thema der Zukunft. Aber mit Ihnen wird das nicht vorangetrieben.

Die deutsch-polnischen Beziehungen: Ob es notwendig und richtig ist, mit Polen so wie mit Frankreich einen ganz besonderen Austausch zu pflegen und eine besondere, institutionalisierte Zusammenarbeit im Kulturbereich zu schaffen, ist eine Frage, die auf der Bundesebene entschieden werden muss. Das können wir auf Landesebene allein nicht machen. Es kann sein, dass es erforderlich ist, neben den bereits bestehenden Institutionen eine weitere zu errichten. Ich möchte das auf Landesebene nicht entscheiden, weil mehrere Implikationen abgewogen werden müssen, ob man das machen sollte oder nicht. Deshalb sollten wir das, was die Bundesregierung macht, respektieren, nämlich neben der schon bestehenden Institution auf der Ebene des Bundeskulturministers – das ist Bundeskanzleramt – eine weitere, ein Netzwerk für Erinnerung und Solidarität einzurichten. Ich bin der Auffassung, dass es dort gut angesiedelt ist. – Danke!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Zimmermann!

[Mirco Dragowski (FDP) geht zum Rednerpult. – Martina Michels (Linksfraktion): Sie sind nicht der Redner! – Zurufe von der SPD und der Linksfraktion: Nein!]

Es war einen Versuch wert, aber wir lassen uns als Präsidium von Ihnen nicht irritieren! Es geht laut Geschäftsordnung leider nicht, Herr Dragowski!

Jetzt hat Herr Abgeordneter Scholz für die Fraktion der CDU das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die bisherige Debatte hat gezeigt, dass dieser Tagesordnungspunkt eindeutig unter dem Zeichen der Europawahl steht. Die europapolitischen Initiativen der Opposition, insbesondere der Entschließungsantrag der FDP, zeigen den jämmerlichen Zustand der rot-roten Koalition deutlich.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Die Rolle des Regierenden Bürgermeisters – jetzt sitzt er auf der anderen Seite! – ist keinen Deut besser. Wo ist, Herr Wowereit, Ihr klares Plädoyer für Europa? Wann stellen Sie sich endlich an die Spitze der Bewegung, wenn es darum geht, Berlin für Europa fit zu machen? Wo sind Ihre Initiativen für die Verbesserung der Zusammenarbeit mit unserem Nachbarn Polen? – Stattdessen nehmen wir immer wieder bei allen europapolitischen Debatten in den vergangenen Wochen wahr, dass sich die Argumente der Linken lediglich mit der Frage um den Mindestlohn verknüpfen.

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Hätten Adenauer, Brandt und Kohl so kleinkariert und eng über Europa gedacht und gehandelt, dann wären wir in Europa nicht so erfolgreich gewesen, wie wir es jetzt sind!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

27 Mitgliedsstaaten unter dem Dach der Europäischen Union,

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

freier Handel, Reisefreiheit, europaweite Chancen für junge Menschen, eine gemeinsame Währung und mehr als ein halbes Jahrhundert Frieden – und da stellt sich Herr Zimmermann hin und kritisiert, wir wären europahörig! Nein, das hat mit Europahörigkeit nichts zu tun, das ist ein Glück und eine Freude darüber, was wir gemeinsam in Europa erreicht haben!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Angesichts dieser enormen Entwicklung, angesichts der Tatsache, dass es insgesamt in Europa noch nie so gerecht und sozial heute zuging, finde ich das, was Sie, Herr Regierender Bürgermeister, zu Europa zu sagen haben, zuweilen jämmerlich. Aber wenn Sie selbst nichts zu sagen haben, dann machen Sie es wenigstens über das Internet. Ein Blick auf die Startseite von Be Berlin zeigt jedoch: Thema Europa – Fehlanzeige! Die Erläuterungen auf der Seite berlin.de zum Thema Europa haben den Charme eines Lexikoneintrages. Wenn der Senat unseren Forderungen nach einem Mehr für Europa nicht nachkommt, dann tun Sie wenigstens etwas für Berlin! Nutzen Sie die Chancen, die diese Stadt Berlin hat, insbesondere seit der Erweiterung im Jahr 2004!

Ein Baustein wäre – das ist der Vorschlag des Antrags der FDP – das Verhältnis zum Nachbarn Polen. Hier greift der Antrag der FDP einen interessanten Aspekt auf. Das Vorbild, die deutsch-französische Freundschaft, begründet mit dem Élysée-Vertrag aus dem Jahr 1963, kennen Sie alle. Ich kann mich, Herr Wowereit, genau an Ihre Worte erinnern, als Sie die Stadtpräsidentin von Warschau begrüßten und sagten: Ja, wir haben bisher immer nur nach Westen gesehen – ich weiß zwar nicht, welchen Teil der Berliner Bevölkerung Sie damit meinen –, wir sollten jetzt unser Augenmerk stärker auf den polnischen Nachbarn richten.

Herr Wowereit! Dann tun Sie etwas! Lassen Sie es nicht bei Lippenbekenntnissen, sondern sagen Sie Ihrer Mannschaft, sie sollen diesem Antrag zustimmen, und setzen Sie ihn um im Bundesrat!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Zum Antrag der Grünen, der darauf abzielt, die Bedeutung des Lissabon-Vertrages hervorzuheben, sei nur gesagt: Den Senat aufzufordern, das Positive des LissabonVertrages in der Berliner Bevölkerung herüberzubringen, ist ungefähr so, als wenn man versuchen würde, einem Vegetarier Fleisch zu verkaufen.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Dafür haben wir Oliver Scholz ja!]

Der Imageschaden, den Berlin dadurch erlitten hat, dass Sie im Bundesrat dem Lissabon-Vertrag nicht zugestimmt haben, ist nachhaltig, um dieses Wort an dieser Stelle einmal zu verwenden.

[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP – Uwe Doering (Linksfraktion): Ein Beben ging durch die Stadt!]

Und wenn Sie, Herr Doering, nicht bereit sind, einmal über den Tellerrand Ihrer eigenen Stadt hinauszuschauen, dann werden Sie auch kein Verständnis dafür haben, dass dies ein Imageschaden für das Land Berlin war und nach wie vor ist. Es leiden ja nicht Sie darunter, es leidet die Berliner Bevölkerung darunter, es leidet die Berliner Wirtschaft darunter, und es fehlen die Arbeitsplätze in Berlin.

[Beifall bei der CDU – Uwe Doering (Linksfraktion): Es geht bergab in Deutschland! Spürbar!]

Wir erwarten von Ihnen, Herr Regierender Bürgermeister, dass Sie der Oberwahlkämpfer in der Stadt Berlin sind, aber nicht der Oberwahlkämpfer für die SPD, sondern dass Sie der Wahlkämpfer sind für eine möglichst hohe Wahlbeteiligung in dieser Stadt.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Kommen Sie am Freitag ins Köpenicker Forum! Da ist er da!]

Wo bleibt denn Ihr Ruf danach: Wir wollen mehr als 50 Prozent Wahlbeteiligung erreichen und uns damit in die Reihe der positiven Bundesländer einordnen! Solch eines Aufrufs hätte es bedurft, wenn Sie hier lächerlich etwas von 80 sagen. Backen Sie erst einmal die Brötchen, die Sie backen müssen, bringen Sie unsere Stadt Berlin voran, und setzen Sie sich an die Spitze der Bewegung! Ich hoffe, dass der Appell an den Regierenden Bürgermeister Ihnen noch lange in den Ohren klingt!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Scholz! – Für die Linksfraktion hat die Abgeordnete Michels das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Scholz! Ich weiß nicht, wann Sie Ihre Rede geschrieben haben. Es muss schon sehr lange her sein. Nicht nur, dass Sie immer wieder denselben Unsinn erzählen. Auf die Internetseiten können Sie nun wirklich nicht geguckt haben, denn da ist groß und breit ein ganzer Block dazu da. Man kann sogar sehr viel Informatives erfahren. Sehen Sie, wenn es konkret wird, hört er nicht mal zu. – Wenn Sie so Ihre Reden geschrieben haben, ohne vorher zugehört oder sich vorbereitet zu haben, dann kann da nicht viel anderes herauskommen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Die heutige Europadebatte gibt uns in der Tat die Möglichkeit, dieses Thema noch einmal grundsätzlicher zu behandeln. Für uns, lieber Herr Dragowski, liebe Frau Schillhaneck, ist das Thema Europa ein ständiger Tagesordnungspunkt, nicht nur zu Wahltagen.

[Mirco Dragowski (FDP): Schön wär’s!]

Dabei will ich mich in diesen Ausführungen gar nicht so sehr mit der FDP und deren Anträgen auseinandersetzen.

[Mirco Dragowski (FDP): Stimmt! Wären ja Inhalte!]

Das haben wir schon zur Genüge getan, Herr Dragowski. Immer wieder die gleiche Leier und auch noch viele weitere derartige Anträge werden uns jedenfalls nicht davon abbringen, dass wir eine andere Ausrichtung der EU als Zielvorstellung haben als die FDP.

[Beifall bei der Linksfraktion – Mirco Dragowski (FDP): Na, welche denn?]

Vielleicht hören Sie einfach einmal zu, aber das liegt Ihnen nicht ganz so. – Es stimmt, noch zehn Tage sind es bis zur Europawahl. Seit Wochen und Monaten rückt der Blickpunkt Europa verstärkt in den Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit. Dabei ist zu beobachten, dass für viele Menschen hierzulande – auch in den anderen europäischen Mitgliedsländern ist das ähnlich – Europa sehr weit weg scheint – zu undurchsichtig, zu bürokratisch. Eine sinkende Wahlbeteiligung ist leider zu befürchten, glaubt man den aktuellen Umfragen. Ob das allerdings mit Appellen, dem Ruf nach noch mehr Institutionalisierung oder Grundsatzerklärungen, wie sie uns heute in den Oppositionsanträgen auf dem Tisch liegen, zu verändern wäre, bezweifle ich.

Dabei wirkt Europa heute schon sehr konkret vor Ort. Davon konnten wir uns gestern unter anderem auf einer Ausschusstour zu EU-geförderten hochinteressanten Projekten in Berlin von Moabit bis Marzahn-Hellersdorf überzeugen. – Frau Schillhaneck! Für Sie war das Thema so wichtig, dass es heute eine Aktuelle Stunde werden sollte. Wir haben Sie gestern schwer vermisst.

Warum also hat die EU an Ansehen verloren und sinkt das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihre Institutionen? Ich glaube, dass man sich der Lösung dieses Problems nur wirksam nähern kann, wenn man sich der Rea

Oliver Scholz