Protokoll der Sitzung vom 28.05.2009

b) Beschlussempfehlung

Kitazeit ist Bildungszeit – Kitaleitung kostet Geld

Beschlussempfehlung BildJugFam Drs 16/2405 Antrag der CDU Drs 16/1752

c) Beschlussempfehlung

Kitazeit ist Bildungszeit – Qualität braucht Fortbildung

Beschlussempfehlung BildJugFam Drs 16/2406 Antrag der CDU Drs 16/1753

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatungen der jeweils drei Artikel miteinander zu verbinden. – Ich höre und sehe keinen Widerspruch.

Ich rufe auf die Überschrift und die Einleitungen sowie die jeweiligen Artikel I bis III, Drucksachen 16/0999, 16/2413, 16/1208 und 16/2414. Für die gemeinsame Beratung steht nach einer Vereinbarung im Ältestenrat den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu acht Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der CDU. Das Wort hat die Kollegin Demirbüken-Wegner.

Es ist der Wunsch vorgetragen worden, dass der Senator für Finanzen, Nußbaum, anwesend ist. Ich gehe davon aus, dass er verständigt worden ist. Wollen Sie trotzdem schon mal anfangen? – Nein.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Wieso muss der dabei sein?]

Dass Sie das nicht verstehen, ist mir klar.

Meine Damen und Herren! Ist der Wunsch der Abgeordneten – –

[Zurufe: Er ist da!]

Jetzt kommt er gerade. – Bitte schön!

[Uwe Doering (Linksfraktion): Der ist doch gar nicht zuständig!]

Herzlichen Dank! – Ich habe nach Herrn Nußbaum gefragt. Wenn Sie von diesem Thema keine Ahnung haben, sollten Sie kürzer treten, Herr Kollege! Ich bin länger dabei als Sie und weiß, wovon ich rede.

[Beifall bei der CDU]

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr abwesender Regierender Bürgermeister! Sehr geehrter Herr Nußbaum! Ich freue mich sehr, dass Sie da sind. Es geht nämlich um die Zukunft unserer Stadt. – Sehr geehrter wie immer entschuldigter Senator Zöllner!

Es war einmal – so fangen viele Märchen an. Und sie erzählen uns dann, wie der Glaube allein es schafft, Berge zu versetzen. Die Regierungsfraktionen von SPD und Linke in diesem Haus glauben zwar nicht an die Kraft des Glaubens aus der Religion, aber sie haben anscheinend den kindlichen Glauben an Märchen nicht verloren. Sie glauben an die Kraft einer einzelnen Broschüre für frühkindliche Bildung, die in Selbstläuferfunktion Multiplikatoreffekte erzeugt ohne zusätzliches Personal, ohne zusätzliche Zeit für Fortbildung und ohne zusätzliche Finanzmittel.

Sie lehnen unsere Vorschläge ab und hoffen auf die Wunder von morgen. Sie glauben, durch eine Neuordnungsagenda oder Veränderung der Kitalandschaft die bestehenden Finanzierungsengpässe und Qualitätsmängel beheben zu können, ignorieren die Forderung nach einer auskömmlichen Personalausstattung und wälzen die Haushaltsrisiken und -lasten auf die Bezirke und freien Träger ab. Sie toppen das Ganze noch dadurch, dass Sie durch neue und zusätzliche Qualitätsanforderungen für die Wahrnehmung der Pflichtaufgaben die Arbeitsbelastung für die Beschäftigten erhöhen, erhöhen und noch weiter erhöhen. Rot-Rot und seine pseudowissenschaftlichen Hochglanzbroschüren malen zwar ein Bild von frühkindlicher Bildung, das auch wir gern verwirklicht sehen möchten, doch leider fehlte bei den Regierungsfraktionen die Kraft, für das Gelingen von Bildung und Betreuung die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen.

[Beifall bei der CDU]

Ganz im Gegenteil werden alle konstruktiven Vorschläge oder zielführenden Anträge von den Sozialdemokraten und Der Linken abgelehnt. Im Märchen wird auch nicht nach Strukturqualitäten gefragt. Allein durch Glauben wird dort die erforderliche Prozessqualität bewirkt. Höchstens ein Trottel, wie es ihn im Märchen gibt, fragt nach den Voraussetzungen. Ja, fürwahr, hier sind wir die gutmütigen Trottel, die sich gefallen lassen, in den Ausschüssen auf die Beratung unserer Anträge ein oder gar zwei Jahre zu warten und dann in einer Mammut

Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns

Tagesordnung mit gleich 26 Unterpunkten zu einem Tagesordnungspunkt plus Anhörung Neues über die unzureichende Qualität vorschulischer Bildung zu erfahren.

[Beifall bei der CDU]

Die Regierungsfraktionen haben der fachlichen Notwendigkeit unserer Anträge in der Anhörung nicht widersprechen können, aber sie haben auch keinen fachlichen Vorschlag vorgelegt. Sie hatten fünf Monate Zeit, sie haben in dieser Zeit nichts für die frühkindliche Bildung, für die Kinder, für bessere Bildungschancen getan. Sie stellen sich einfach hin und fordern woanders Mindestlohn, verweigern aber den Erzieherinnen und Kitakindern Mindeststandards.

[Beifall bei der CDU]

Deshalb, liebe Frau Barth, ehrt es Sie ganz besonders, dass Sie den Mut hatten, für die Regierungsfraktionen in der letzten Ausschusssitzung die Verantwortung für die Ablehnung der Anträge zu übernehmen, dass Sie ehrlich und einheitsparteimäßig verkündeten, ich zitiere: Wir haben eine Koalitionsvereinbarung, in der wir uns auf eine kostenfreie Kita verständigt haben. Dabei bleiben wir, und für mehr ist kein Geld da. – Punkt! Deutlicher kann man es auch nicht sagen, wenn einen die Bedürfnisse der Kinder und der Beschäftigten nicht interessieren, sondern nur zählt, was die Partei sagt.

[Beifall bei der CDU]

Deshalb ist es auch im Nachhinein nachvollziehbar, dass Frau Müller als Ausschussvorsitzende mir bei der Begründung unserer acht Anträge das Wort entzog. Fachdiskussionen in den Ausschüssen beschränken sich immer mehr auf ein zeitökonomisches Abarbeiten von Vorgängen, damit der Antragsstau auf der zwanzigseitigen Vorgangsliste verschwindet. Die zu beratenden Anträge und deren Inhalte dürfen nicht einzeln beraten werden, lediglich einzelne Abstimmungen der Anträge werden durchgeführt.

Da wundert es nicht, wenn unser Antrag zur besseren Verzahnung von Kita und Grundschule abgelehnt wird, weil hier angeblich genug geleistet wird. Richtig ist – laut Mitteilung zur Verbesserung der Sprachförderung –, dass es für die Zusammenarbeit in der Sprachförderung zwischen Kitas und Grundschulen tatsächlich 24 pädagogische Fachkräfte in Berlin gibt. Einfach toll! Für rund 1 800 Klassen in der Schulanfangsphase und etwa halb so viele Vorschulgruppen in den Kindertagesstätten! Ich kann mich erinnern, dass wir vor der Einführung des rotroten Schulreformgesetzes allein über 600 Vorklassenleiterinnen und -leiter hatten. Ich frage mich, wo diese Fachkräfte geblieben sind und was sie jetzt machen. Sind sie in der berühmten Schuleingangsphase im Einsatz? – Ja, ich weiß, Sie nennen diesen Zeitraum lieber Schulanfang. Allerdings merkt man noch nicht viel von einem verstärkten pädagogischen Einsatz, denn die Ausgestaltung dort lädt mehr zum Verweilen als zum Lernen ein. In den Kindertagesstätten scheinen diese Fachkräfte aber auch nicht eingetroffen zu sein, denn nicht umsonst sind unsere Forderungen in den Anträgen zu „Kitazeit ist Bil

dungszeit“ noch immer unerfüllt. Die Erzieherinnen brauchen mehr Zeit für Fortbildung, für die pädagogische Vor- und Nachbereitung, für Elterngespräche, für Sprachstandstagebücher und für die Kinder, insbesondere für die Kinder, die zu Hause nicht die notwendige Zuwendung erhalten, die sie benötigen, um sich entwickeln zu können. Doch Sie lehnen alles ab!

Im Ergebnis sind die Schulen mit ihren knappen Mitteln und Ressourcen überfordert, das in der Kita Versäumte fristgerecht nachzuholen. Ihre ablehnende Haltung zur Verbesserung der Ausgestaltung in den Kindertageseinrichtungen verstehe ich deshalb überhaupt nicht, denn das Geld, das Sie angeblich nicht haben, wird doch spätestens im dritten Jahr der Schule ausgegeben. Doch neuerdings haben wir für unseren Qualitätsansatz im Senat einen prominenten Fürsprecher sitzen, einen, der die Notwendigkeit zum Handeln erkannt hat: Herr Wowereit, der Herr Regierende Bürgermeister, auch wenn er nicht da ist. Nehmen Sie das Heft in die Hand! Setzen Sie Ihr Metropolenkonzept, das Sie für Ihre Bundespartei entwickelt haben, in Berlin durch! Setzen Sie die von Ihnen geforderte Erzieher-Kind-Relation durch! Geben Sie den sozial schwierigen Quartieren mehr Lehrer und kleinere Klassen!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Sehr geehrter Herr Senator Nußbaum! Es lohnt sich, den Regierenden dabei zu unterstützen. Glauben Sie nicht länger Ihrem Märchenonkel und seinen unerfüllten Versprechungen! Er hat im August 2007 zugesagt, einen Evaluationsbericht zum Zugang zu den Kindertagesstätten vorzulegen. Den gibt es bis heute nicht, wir warten noch immer darauf. Es gibt keine Vorlage, keine Entscheidung, um dem jährlich wiederkehrenden Missstand bei der Sprachstandfeststellung entgegenzuwirken. Es gibt zwar eine Verbesserung durch die einjährige Vorschulpflicht für Kinder mit Sprachstandsmängeln, doch es gibt keinen Rahmenplan für eine gezielte Förderung, und es gibt keine Überprüfung der Erfolge. Jede Kita ist auf sich selbst gestellt und muss mit den vorhandenen Mitteln die Mängel ausgleichen.

Dass es jetzt einen Referentenentwurf aus dem Märchenpalast gibt, der an den Missständen herumdoktert, ändert daran nichts. Er greift die Forderungen der Kindertageseinrichtungen nicht auf und ignoriert die Bedürfnisse der Kinder. Der Entwurf entspricht weder den Qualitätsvereinbarungen mit den Trägern noch den Ankündigungen der Regierungsfraktionen. Er enthält nicht einmal ansatzweise die Forderung aus dem Metropolenpapier der SPD. So bleibt der Regierende Bürgermeister am Ende seiner Rufe in der Wüste allein.

Die Berliner Kita- und Bildungslandschaft gleicht einer Oase: Kommen mehr Durstige, bekommen eben alle etwas weniger. Das ist „sozial und gerecht“. Verdursten wird erst mal keiner. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Frau Kollegin! – Für die SPD-Fraktion hat nunmehr Frau Scheeres das Wort. – Bitte schön, Frau Scheeres!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns liegen vielfältige Anträge der CDU und der Grünen zum Thema Kita vor, über die wir heute beschließen werden. Wir hatten in den letzten Monaten eine sehr intensive Debatte über dieses Thema in unserem Ausschuss, aber auch hier im Plenum. Bevor ich auf die Debatten eingehe und auf die Unterschiede unserer Fraktion zu den Positionen, möchte ich vorab festhalten: Das Land Berlin investiert viel in die frühkindliche Bildung, 750 Millionen Euro jährlich. Wir haben 109 Millionen Euro in den Nachtragshaushalt gestellt, weil noch mehr Kinder in die Kita gehen, als wir uns gedacht haben. Das ist es uns wert, weil wir eine Priorität auf den Bildungsbereich und gerade auf die frühkindliche Bildung legen. Das möchte ich hier festhalten.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

42 Prozent der Kinder besuchen die Krippe. Wir liegen im Kitabereich bei 96 Prozent. Das ist eine Betreuungssituation, die sich Eltern in den anderen Bundesländern wünschen würden. Das ist Fakt.

Es wird in unseren Debatten aber auch immer wieder deutlich, dass sich trotz dieser Situation alle Fraktionen eine quantitativ und qualitativ bessere Situation für die Kitas wünschen. Nur die Herangehensweisen und die Prioritätensetzungen in den einzelnen Fraktionen sind sehr unterschiedlich. Darauf möchte ich kurz eingehen.

Ich beginne mit der CDU. Die CDU macht es sich sehr einfach. Sie möchte alles. Die vorliegenden Anträge machen es deutlich, dass Sie eins zu eins die Forderungen des Kita-Volksbegehrens übernehmen. Es beläuft sich so auf ein Volumen von 120 Millionen Euro. Wir hatten in der letzten Plenarsitzung noch weitere Anträge. Wenn wir die Verankerung des Krippenplatzes noch aufnehmen, können wir noch ein paar Milliönchen darauflegen. Ohne einen konkreten Finanzierungsvorschlag zu machen! Parallel dazu, vor zwei Wochen, als wir die Steuerschätzung bekommen haben und wir alle schlucken mussten, machten die CDU-Haushälter ganz klar: Es muss noch härter konsolidiert werden.

Wir haben von Herrn Goetze in seiner Begründung zur Aktuellen Stunde gehört, wir müssten noch viel stärker kürzen, es müssten radikale Einschnitte gemacht werden. Wenn ich mir Ihre Forderungen anschaue, dann sollten Sie mal an einer Haushaltsklausurtagung teilnehmen, denn Sie fordern immer mehr, machen aber nicht deutlich, woher Sie dieses Geld nehmen möchten.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Wenn wir uns die reale Kitapolitik in den CDU-regierten Ländern anschauen und die Forderungen der Berliner CDU daneben legen, klaffen dort Welten auseinander. Sie wollen uns glaubhaft machen, Sie möchten die frühkindliche Erziehung weiterentwickeln – ich glaube Ihnen das nicht, denn die Realität in den CDU-geführten Bundesländern sieht anders aus, und was Sie hier an Kürzungen fordern, spricht ebenfalls eine ganz andere Sprache.

Ich komme nun zu den Anträgen von Bündnis 90/Die Grünen. Sie fordern einen Rechtsanspruch auf einen Teilzeitplatz im Kitabereich. Sie möchten, dass der Kitagutschein direkt an die Familien gesandt wird – dazu hatten wir uns bereits kritisch geäußert, da wir das unpraktikabel finden. Die, die das Finanzierungsprinzip kennen, wissen, dass danach der Erzieherinnenschlüssel berechnet wird. Wir finden das nicht praktikabel und haben im Rahmen des Sprachfördergesetzes eine andere Idee eingebracht, die auch funktioniert.

Die Bedarfsprüfung soll abgeschafft werden. Die Kinder- und Familienzentren sollen auf den Weg gebracht werden. Hierzu hat die Senatsverwaltung ein ausführliches Konzept vorgelegt, das in den Bezirken diskutiert wird und zu dem es bereits Stellungnahmen gibt. Wenn man Ihre Anträge in Gänze sieht, auch jene im parlamentarischen Geschäftsgang befindlichen, kann man sagen, dass sich Ihre Forderungen mit dem Kitabündnis und dem Volksbegehren decken. Was mich bei den Grünen aber freut, ist, dass sie in den ganzen Debatten deutlich machen: Es geht nicht alles auf einmal, und das ist genau das, was wir auch sagen. Die Grünen verabschieden sich aus diesem Grund von den beitragsfreien Kitajahren.

Bevor ich noch einmal auf die Unterschiede zwischen den Fraktionen eingehe, möchte ich noch benennen, was uns mit den anderen Fraktionen verbindet. Wir möchten auch eine Qualitätsverbesserung, aber stufenweise. Wir verstehen das Anliegen der Erzieherinnen und Erzieher sowie der Träger, dass sie qualitative Verbesserungen in den Kitas haben möchten. Die Kitas sind in den letzten Jahren durch das Bildungsprogramm und das Sprachlerntagebuch sehr belastet worden. Die Erzieherinnen brauchen eine Entlastung und Vor- und Nachbereitungszeiten. Wir wissen auch um die Bedeutung der Leitungskräfte in den Kitas – sie sind die Managerinnen in den Kitas, sie sorgen dafür, dass die Bildungsprozesse umgesetzt werden, dass die Fachkräfte sich qualifizieren, und sie sind direkte Ansprechpartnerinnen für die Eltern, und das ist wichtig. Aus diesem Grund diskutieren wir im Rahmen der Haushaltsberatungen über fünf Prozent mehr Personal in den Kitas und über eine Verbesserung des Leitungsschlüssels ab 100 Kindern. Wir reden über ein Volumen unseres Stufenplans von 71 Millionen Euro jährlich, und das ist eine beachtliche Summe.

Nun zu den wesentlichen Unterschieden unserer Ansätze. Die Grünen möchten zur Zeit keine Beitragsfreiheit für die Kitas. Wir haben das den Berliner Eltern zugesagt, und wir stehen dazu. Wir haben auch inhaltliche Gründe.