Protokoll der Sitzung vom 28.05.2009

Nun zu den wesentlichen Unterschieden unserer Ansätze. Die Grünen möchten zur Zeit keine Beitragsfreiheit für die Kitas. Wir haben das den Berliner Eltern zugesagt, und wir stehen dazu. Wir haben auch inhaltliche Gründe.

Erstens: Die Kita ist eine Bildungseinrichtung, und Bildung darf nichts kosten, sei es in der Kita, der Schule oder in der Hochschule, dazu stehen wir.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Zweitens: Wir möchten die Eltern entlasten, und Kitabeiträge sind für Eltern eine finanzielle Belastung – ob es Geringverdiener sind oder ob sie ein höheres Einkommen haben. Das bekommen wir von den Eltern bestätigt; sie finden unseren Schritt in diese Richtung richtig. Drittens: Wir möchten, dass möglichst viele Kinder die Kita besuchen. Die Beitragsfreiheit senkt die Zugangsschwelle, gerade auch bei sozial benachteiligten oder problembelasteten Familien – das belegen die Zahlen. Sie belegen das aufgrund der Ergebnisse des Sprachfördergesetzes und auch der Beitragsfreiheit im letzten Kitajahr, das wir ja schon eingeführt haben.

Wir werden Ihre Anträge ablehnen, weil sie zum Teil überholt sind, weil sie in Teilbereichen unrealistisch sind oder in den Haushaltsberatungen diskutiert werden müssen. Wir stehen für eine bessere Qualität und die Beitragsfreiheit in den Kitas, deshalb haben wir einen Stufenplan, den wir in den Haushaltsberatungen diskutieren werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Bravo! von der SPD]

Danke schön, Frau Kollegin! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Jantzen das Wort. – Bitte schön, Frau Jantzen!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Es tut mir ja ein bisschen leid für alle die, die noch im Raum sind, dass Sie Reden hören müssen, die Sie in der letzten Zeit wahrscheinlich schon öfter gehört haben. Für Herrn Nußbaum dürfte es tatsächlich etwas Neues sein, deswegen bin ich sehr froh, dass Sie da sind und hoffe, Sie hören aufmerksam zu.

Ich verstehe, ehrlich gesagt, nicht, warum alle Anträge abgelehnt werden.

[Mieke Senftleben (FDP): Richtig!]

Dass sie in Teilen abgelehnt werden können, darin stimme ich Ihnen zu, aber es gibt z. B. den Antrag, dass die Leitungsfreistellung ab 100 Kindern erfolgen soll, und das ist identisch mit dem, was in Ihrem Stufenplan steht. Warum Sie diesen Antrag ablehnen, müssen Sie mir noch mal erklären.

Kita- und Familienzentren – das Konzept wird im Moment erarbeitet. Unser Antrag ist anderthalb Jahre alt oder noch älter und wurde im Parlament die ganze Zeit über nicht beraten. Dass er nun in Teilen überholt ist, weil jemand angefangen hat, zu arbeiten – geschenkt! Wir

haben hier aber noch kein Konzept, und der Auftrag in unserem Antrag war, das Konzept nun vorzulegen. Das ist diese übliche Wegschieberei, wir nehmen das, was die Opposition hat, in Teilen ernst, aber wir brauchen dem nicht zuzustimmen, weil es schon getan wird oder es unrealistisch ist. Ich habe diese Argumente, ehrlich gesagt, langsam satt, und ich bin schon lange genug in diesem Parlament, dass ich auch das Recht dazu habe, es satt zu haben.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Ich hoffe, dass der Kinderreichtum, der sich im Parlament zeigt und noch größer werden wird, dazu führt, dass die Aufmerksamkeit für Themen wie frühkindliche Bildung und die Wichtigkeit eines guten Personalschlüssels in einer Kita wächst und wir die Chance haben, irgendwann einen Gruppenantrag zu stellen, der das umsetzt, was in den Reden von Linkspartei/PDS, CDU und FDP, eigentlich von uns allen, immer gefordert wird.

Ich hatte eigentlich vor, meine Rede vom letzten Mal zu nehmen, habe aber beschlossen, mich mal nicht selbst zu zitieren, sondern die hier regierenden Parteien, die hinter den Fraktionen stehen. Da komme ich zuerst auf das Metropolenpapier der SPD, das Herr Wowereit am 11. Mai vorgestellt hat und das hier schon erwähnt wurde. Da lesen wir unter 3. Standort für Bildungschancen folgendes:

Gerade im frühkindlichen Bereich lassen sich soziale und sprachliche Defizite am besten ausgleichen. Wir streben an, dass eine Erzieherin bzw. ein Erzieher für höchstens vier Kinder unter drei Jahren und für maximal acht Kinder im Kitabereich zuständig ist. Wir wollen sicherstellen, dass jedes Kind zu Schulbeginn ausreichende Sprachkenntnisse hat.

Dies unter der Überschrift „Wir werden den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz zügig umsetzen und die qualifizierte Förderung in den Kindergärten ausbauen“.

Nun nenne ich Ihnen mal die Forderungen des Volksbegehrens zur Personalbemessung: Für die unter Zweijährigen soll es einen Schlüssel von 1 bis 5 geben, für die Zwei- bis Dreijährigen 1 bis 6 und für die Drei- und Mehrjährigen 1 bis 9. Diese Forderung wäre lediglich ein Schritt in die Richtung, die uns die SPD in ihrem Metropolenpapier anbietet und wozu zugesagt wird, dass die SPD-regierten Länder dies nun zügig umsetzen werden.

Meine Damen und Herren von der SPD! Das ist schon ein Armutszeugnis, wenn Sie noch nicht einmal diesen kleinen Schritt gehen wollen.

[Beifall bei den Grünen und der FDP – Beifall von Florian Graf (CDU)]

Was im Metropolenpapier zu lesen ist, bestätigt eigentlich nur noch, was bereits im letzten Jahr im Aktionsplan gegen Kinderarmut von der SPD im Präsidium beschlossen wurde. Neben dem Ausbau der Kitas zu Kinder- und Familienzentren – das ist übrigens Inhalt unseres Antra

Sandra Scheeres

Antrages, den Sie ablehnen – steht die Verbesserung der Betreuungsqualität auf der Tagesordnung ganz oben. Betreuung, Erziehung und Bildung gehöre zusammen – sagt die SPD. Für uns allerdings auch! Über die reine Betreuung hinaus soll die Bildung im frühkindlichen Bereich stärker betont werden, nur durch einen früheren und umfassenden Bildungsansatz können wir, so die SPD, bessere Zukunftschancen für alle Kinder schaffen. Ganz besonders wichtig ist uns ein besserer Betreuungsschlüssel, denn er erlaubt, jedes Kind individuell zu fördern, Talente zu entdecken und Startschwierigkeiten auszugleichen. Mit mehr und besser ausgebildeten Erzieherinnen und Erziehern und kleinen Gruppen können wir bei den Bildungschancen einen Quantensprung machen. Dafür werden die sozialdemokratisch regierten Länder sorgen. Unser Ziel ist es, vier Kinder unter drei und maximal acht Kinder für die Kindergartengruppe – soweit die SPD. Wo bleiben nun aber Ihre Taten? Ich betone dazu, dass in dem Armutspapier vom SPD-Präsidium die gebührenfreie Kita natürlich auch enthalten ist.

Aber in dem Präsidiumsbeschluss ist die Reihenfolge genau so, wie wir sie vorschlagen: Erst verbessern wir die Rahmenbedingungen, damit die Qualität gut ist, anschließend kommt die Gebührenfreiheit. Wenn man nicht alles kann, was man will, Frau Scheeres, finde ich nach wie vor diese von uns und dem SPD-Präsidium gewählte Reihenfolge die richtige.

[Beifall bei den Grünen und der FDP – Beifall von Florin Graf (CDU)]

Wenn man sich das alles anschaut, könnte man auf die Idee kommen, dass der kleine Koalitionspartner das verhindert, was die SPD will.

[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Was?]

Ja, das können Sie nachher erklären, denn die Linksfraktion spricht erst nach mir. Ich glaube aber, dass es nicht so ist. Wir können Protokolle des Landesvorstandes auch der Linkspartei lesen und auch Fraktionsbeschlüsse. Aus dem Jahr 2008 lesen wir:

Wir unterstützen die Forderungen des Berliner Kitabündnisses und des Volksbegehrens vom Landeselternausschuss Kindertagesstätten.

Noch im März dieses Jahres hat die Fraktion dies und ihren Stufenplan beschlossen. Dieser Plan unterscheidet sich ein bisschen von dem der SPD, aber nicht wesentlich. Ich gebe Ihnen recht, liebe Kolleginnen von der Linkspartei, dass wir einerseits ein gutes Angebot haben – das wissen wir – und dass sich die Erzieherinnen anstrengen, um eine gute pädagogische Arbeit für die Kinder zu machen, andererseits kann das erreichte Niveau aber nur dann gehalten werden, wenn sich die Rahmenbedingungen entscheidend verbessern.

Eine wesentliche Voraussetzung dafür sind gut ausgebildete und in ausreichender Zahl vorhandene pädagogische Fachkräfte, ein Mehr an Vor- und Nachbereitungszeiten in der Bildungsarbeit und verbesserte Möglichkeiten für Fort- und Weiterbil

dung. Mit der Unterzeichnung der Qualitätssicherungsvereinbarung hat das Land Berlin den Kitaträgern im Januar 2006 zugesagt, die Personalausstattung bis 2009 zu evaluieren. Die Zeit dafür ist jetzt gekommen.

So heißt es in einer Pressemitteilung der Linken vom August 2008. Wir haben jetzt 2009, aber die Evaluation liegt immer noch nicht vor. Ich frage Sie, wie Sie in der Koalition dafür sorgen, dass der Senat, also die Regierung, die Aufträge abarbeitet, die er eigentlich abzuarbeiten hat.

[Beifall bei den Grünen]

Wir sind sehr gespannt, welche Anträge vor oder kurz nach den Sommerferien zur Änderung des Kinderförderungsgesetzes von Ihnen kommen im Hinblick auf die bessere Personalausstattung, die Freistellung der Leitungskräfte und auf die Verbesserung des Zugangs – und zwar nicht nur durch Beitragsfreistellung, sondern auch durch einen Rechtsanspruch auf einen Teilzeitplatz für die Kinder ab 3 Jahren ohne Bedarfsprüfung. Der Kitagutschein ab 3 Jahren ist nach wie vor die richtige Entscheidung, damit die Eltern nicht erst fünf Seiten Antragsformular ausfüllen müssen, bevor sie einen Platz bekommen.

Zum Schluss möchte ich mich doch selbst zitieren: „Versprechen müssen Taten folgen. Qualitätsverbesserung in den Kitas jetzt.“ Nehmen Sie Ihre Vorstands- und Parteitagsbeschlüsse ernst, stimmen Sie den Anträgen, zumindest denen, die die Forderungen des LEAK-Volksbegehrens und des Kitabündnisses aufgreifen und ihren eigenen Beschlüssen nachkommen, zu! Geben Sie sich einen Ruck! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Emine Demirbüken-Wegner (CDU)]

Danke schön, Frau Kollegin Jantzen! – Jetzt hat Frau Dr. Barth für die Linksfraktion das Wort. – Bitte schön, Frau Dr. Barth!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist tatsächlich so, wir haben heute elf Beschlussempfehlungen vorliegen, und wir haben über alle bereits sehr ausführlich gesprochen, nicht nur hier im Plenum, sondern auch im Ausschuss. Aber vielleicht ist es doch noch einmal sinnvoll am Anfang meiner Rede einige Fakten zu benennen, bevor ich konkret zu den elf Beschlussempfehlungen komme.

Fast 42 Prozent der Kinder unter 3 Jahren nutzen in Berlin eine Förderung in einer Einrichtung oder in der Tagespflege. Nach dem Bundesprogramm für Kinder unter 3 Jahren ist für das Jahr 2013 bundesweit ein Versorgungsgrad von 35 Prozent vorgesehen. Wir wollen in Berlin bis 2013, obwohl wir bereits jetzt darüber liegen,

Elfi Jantzen

weitere 2 500 Plätze schaffen. Fast 93 Prozent der Kinder von 3 bis 6 Jahren nutzen bereits einen Kitaplatz. Im Jahr vor der Einschulung nutzen über 98 Prozent aller Berliner Kinder ein vorschulisches Angebot. 2006 gab es etwas mehr als 107 000 Plätze. Im Jahr 2007 waren es etwa 110 000 Plätze und im Jahr 2008 hatten wir fast 113 000 Plätze.

Wir lassen uns das etwas kosten. Frau Scheeres hat bereits darauf hingewiesen, im Nachtragshaushalt sind allein für die Ausweitung des Angebotes mehr als 100 Millionen Euro für das Jahr 2009 zusätzlich eingestellt worden. In der letzten mittelfristigen Finanzplanung wurden für 2010 Ausgaben in Höhe von 817 Millionen Euro für den Kitabereich vorgesehen. Jetzt liegen wir bei ca. 750 Millionen Euro. Für Sanierung und Modernisierung der Kitas stehen 84 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket des Bundes bereit. Weiterhin stehen uns 2008 bis 2013 über 87 Millionen Euro an Investitionsmitteln für den Ausbau der Angebote für Kinder unter 3 Jahren zur Verfügung. Ab diesem Jahr stehen bis 2013 ca. 99 Millionen Euro für Betriebskosten bereit. Noch in diesem Jahr werden wir die gesetzlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass alle Kinder im Vorschuljahr einen Anspruch auf eine Teilzeitförderung erhalten und die beiden verbleibenden Kitajahre ab 2010 und 2011 beitragsfrei genutzt werden können.

Meine Damen und Herren von der Opposition! Was die Koalition seit ca. fünf Jahren auf dem Gebiet der vorschulischen Förderung in Zusammenarbeit mit den Trägern, den Erzieherinnen und Erziehern und den Eltern qualitativ und quantitativ geleistet hat, kann sich sehen lassen.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Anerkennen Sie doch diese positive Bilanz! Sie wissen ganz genau, dass sich die Koalition in Berlin konsequent weiterhin für die frühkindliche Förderung einsetzt und dass wir ein Konzept haben, an dessen Umsetzung wir fortlaufend arbeiten. Für uns ist es wichtig und richtig, dass die personellen Bedingungen weiter verbessert werden. Wir wollen als ersten Schritt schnellstmöglich 5 Prozent mehr Personal in die Kitas geben und damit die Spielräume für Vor- und Nachbereitung, Qualifizierung und Elternarbeit verbessern. Der vorliegende Referentenentwurf zur Änderung des Kitaförderungsgesetzes muss aus unserer Sicht genau an dieser Stelle geändert werden. Wir setzen uns auch weiterhin dafür ein, die Leitungsfreistellung ab 100 Kindern wieder einzuführen. Aber wir wissen auch, dass dieses Paket uns ca. 70 Millionen Euro kosten wird. Dafür müssen wir in den bevorstehenden Haushaltsberatungen die Voraussetzungen schaffen.

Nun komme ich zu den Beschlussempfehlungen. Meine Damen und Herren von der Opposition! Wir haben uns in den Ausschüssen ausführlich darüber ausgetauscht. Frau Demirbüken-Wegner! Offensichtlich haben Sie es immer noch nicht richtig verstanden, denn sonst hätten Sie mich nicht so zitiert.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Hört ja auch nicht zu!]

Selbst unsere Koalitionsvereinbarung sagt etwas anderes aus. Sie benutzen die ernst zu nehmenden Forderungen von Trägern, Erzieherinnen und Erziehern und Eltern, um sich zu profilieren und in Wahlkampfzeiten auf billige Art und Weise zu punkten.

[Beifall bei der Linksfraktion – Mieke Senftleben (FDP): Ach, tut ihr das nicht?]