Ich kann nicht erkennen, dass sich die Träger alleingelassen fühlen, denn sie wurden von der Senatsseite finanziell und auch sonst unterstützt, nicht nur durch den eingerichteten Runden Tisch, sondern vor allem dadurch – auch das wurde schon genannt –, dass die Finanzen auf diesem Gebiet nicht gekürzt wurden. Wenn wir feststellen, dass es in den kalten Wintern – besonders im letzten langen Winter – keine Zwischenfälle gegeben hat, dass die Trä
Träger ihrer Aufgabe vollends nachgekommen sind, so ist das allen Dank wert. Es zeigt aber auch, dass das Angebot und die Bedürfnisse nicht weit voneinander weg waren. Denn sonst wären ja Zwischenfälle passiert.
Wir haben also zu konstatieren, dass sich die praktische Arbeit den sich verändernden Bedingungen angepasst hat, obwohl sich die gesetzlichen Grundlagen wesentlich geändert haben. Wir haben schon gehört, dass die Einführung von SGB II und SGB XII dazu beigetragen hat, dass auch dadurch die Weiterentwicklung der Leitlinien ins Stocken geraten ist. Andererseits aber wurde durch den Senat eine Menge praktischer Regelungen gefunden, die dafür sorgten, dass das bewährte Wohnungslosensystem der Stadt nicht gefährdet wurde. Ich denke, auch das ist der Anerkennung wert.
Nicht dass wir die Weiterentwicklung der Leitlinien nicht auch dringend erwarten, natürlich, aber die notwendige Arbeit wurde im vorhandenen Rahmen geleistet. Das kann man so formulieren. Als Beispiel kann man dafür die Berücksichtigung spezieller Kriterien in der AV Wohnen zu SGB II und XII nennen. Eine Schwierigkeit besteht dabei darin, dass die Einflussnahme der Länder auf die Umsetzung des SGB XII begrenzt ist. Da ist vor allem noch politisch zu arbeiten.
Ein weiteres Beispiel ist die Verfahrensregelung für die neue Rechtslage bei Mietübernahme während der Haft zwischen den Sozialämtern und den Justizvollzugsanstalten, § 67 SGB XII. Da erwarten wir gespannt das Ergebnis der Studie, die von der Senatsverwaltung in Auftrag gegeben wurde.
Ein weiteres Beispiel sind die Verhandlungen mit der Regionaldirektion für Arbeit Berlin-Brandenburg zum Thema Leistungsausschluss bei Aufenthalt in stationären Einrichtungen mit dem Ergebnis, dass § 7 SGB II bei Personen in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe nicht angewandt wurde. Das ist schon eine wirklich bemerkenswertes Verhandlungsergebnis, denn damit wurden besonders gerichtliche Auseinandersetzungen wie in anderen Bundesländern vermieden.
Berlin darf von sich behaupten, dass es über ein beispielhaftes Hilfesystem verfügt. Mir ist dabei besonders wichtig, dass es Abstufungen verschiedener Art gibt, die gemeinsam mit den Hilfeberechtigten geplant werden können. Da ist die ambulante medizinische Betreuung Obdachloser zu nennen, die von Menschen in Anspruch genommen werden, die nur durch so ein sehr niedrigschwelliges Angebot zu erreichen sind. Ich habe das im Ausschuss schon erwähnt, ich weiß, wovon ich spreche. Ich habe in der Obdachlosenpraxis am Ostbahnhof mitgearbeitet. Da sieht man Krankheitsbilder, die man sich nicht vorstellen kann. Da sieht man auch, wie dankbar dort die Hilfe angenommen wird und mit wie viel Engagement die Ärzte und das medizinische Personal dort mit dieser Klientel umgehen.
Hervorzuheben sind auch die ambulanten betreuten Wohnformen. Ich will hier das noch einmal wiederholen, was schon gesagt wurde: Prävention im eigenen Wohnraum muss Ziel und Schwerpunkt der Arbeit sein. Das ist besonders gut in einigen Bezirken gelungen, wo die Kompetenzen eng miteinander verzahnt wurden, wo man nicht dieses Gerangel um die Zuständigkeiten hat. Es stiegen logischerweise aber auch die Kosten auf diesem Feld, allerdings nicht durch die Erhöhung der Zahl von Unterzubringenden, sondern dadurch, dass die notwendigen Leistungen insgesamt teuerer geworden sind. Wir denken, dass die Kostensteigerung nicht zu einem Absenken des Angebots führen darf. Es soll an diesem Verfahren festgehalten werden, denn der Verbleib in der vorhandenen Wohnung ist am Ende immer das erstrebenswerteste Ergebnis und auch der beste Start für eine notwendige Reintegration, die auch Herr Hoffmann so vehement gefordert hat – auch wenn er jetzt nicht zuhört.
Die Regierungskoalition hat dem Schwerpunkt immer Bedeutung beigemessen, was sich auch daran ablesen lässt, dass trotz der Bemühungen der Stadt um die Konsolidierung ihres Haushalts im aktuellen Doppelhaushalt in diesem Titel keine finanziellen Kürzungen vorgenommen wurden.
Gut, ich komme zum letzten Satz. – Wir leben in einer Zeit, die von einer sich entwickelnden Finanzkrise geprägt ist, mit deren Ursache wir uns kritisch befassen müssen und deren Folgen auch Einfluss auf dieses Thema haben werden. Wir rechnen mit den Leitlinien noch in diesem Jahr. Wir werden uns auch im Ausschuss damit zu beschäftigen haben.
Wir denken allerdings, dass Leitlinien und ihre Bearbeitung das Problem nicht lösen können, den z. B. die Integration ins Erwerbsleben setzt das Vorhandensein von Arbeitsplätzen voraus, Herr Hoffmann.
Eine klar gegliederte Behördenstruktur erleichtert den Weg zu Hilfsangeboten. Das ist das Problem. Das ist gemeinsam zu bearbeiten. Darüber wird zu gegebener Zeit zu reden sein. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Dott! – Für die FDPFraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Lehmann das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die soziale Entwicklung der letzten Jahre mit einer extrem hohen Arbeitslosigkeit hat leider dazu geführt, dass das Ausmaß an Armut in dieser Stadt gestiegen ist. Dies hat natürlich auch dazu geführt, dass mehr Menschen von Obdachlosigkeit betroffen oder zumindest – auch das ist wesentlich – bedroht sind. Wir sprechen über eine Zielgruppe, die keine große Lobby hat. Eine Regierung muss wenig Angst davor haben, dass diese Zielgruppe sie aufgrund einer verfehlten oder nicht vorhandenen Politik nicht wählt. Wahrscheinlich werden sich die betroffenen Menschen auch nicht organisieren und gemeinsam vor der Sozialverwaltung dafür protestieren, dass sich der Senat um ihre Belange kümmert.
Darum ist es in diesem Bereich ganz besonders unsere Pflicht, uns der Situation der betroffenen Menschen sachlich und anhand der aktuellen gesellschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen anzunehmen.
Wir müssen präventiv wirken, um es gar nicht erst zu Wohnungslosigkeit kommen zu lassen. Denn wenn es erst zu Wohnungslosigkeit gekommen ist, ist es schwierig, ihr wieder zu entkommen. Auch die sozialen Folgekosten sind dann höher als die einer gelungenen Prävention.
Dort, wo es aber zu Wohnungslosigkeit gekommen ist, brauchen wir ein breit aufgestelltes Instrumentarium der Reintegration, und dafür muss der Senat sorgen.
Die aktuell gültigen Leitlinien der Wohnungslosenhilfe stammen wie bereits gesagt aus dem Jahr 1999. Diese Leitlinien sollten eigentlich weiterentwickelt werden. Das ist aber seitdem nicht geschehen. Das ist doch nun merkwürdig. In den letzten zehn Jahren hat es doch bedeutende
gesellschaftliche Veränderungen gegeben, sowohl bei den rechtlichen Rahmenbedingungen durch die Arbeitsmarktreform als auch bei der Arbeitslosigkeit, die weder durch die Bundesregierungen der letzten Jahre noch vom rotroten Senat bekämpft worden sind. Aus diesem Grund werden wir dem vorliegenden Antrag der CDU zustimmen.
Meine Partei prüft bei solchen Anträgen stets, ob es nicht reicht oder genügend Pläne, Berichte und Leitlinien gibt, die lediglich umgesetzt werden müssen. Das ist in dieser Frage nicht der Fall, sodass der Antrag seine Berechtigung hat.
Dieser Senat ist immer als Erster dabei, wenn es darum geht, Berichte, Konzepte, Aktionspläne und Ähnliches zu erstellen, um politisches Handeln vorzutäuschen.
Dort, wo es wirklich Bedarf für neue und valide Kenntnisse gibt – und das ist bei der Wohnungslosenhilfe tatsächlich gegeben –, zeigt der rot-rote Senat keinerlei Interesse. Anscheinend ist der Koalition die Gruppe der Wohnungslosen nicht so wichtig. Ich hoffe nicht, dass das an den eingangs erwähnten Gründen liegt. Bei allen sozialen Angeboten und Dienstleistungen fordern Sie doch zu Recht, dass man sie entsprechend der sozialen Unterschiede der Hilfeempfängerinnen und -empfänger differenzieren muss, so zum Beispiel spezielle Angebote für Menschen mit Migrationshintergrund, wohnungslose Frauen oder pflegebedürftige Wohnungslose. In diesem speziellen Bereich hält sich der Senat zurück und kann noch nicht sagen, wie er auf diese Notwendigkeiten reagieren möchte. Das haben wir auch heute gehört: Der Bericht der Senatorin war mehr als dünn.
In vielen anderen Bereichen der Wohlfahrtspflege haben wir in den letzten Jahren sehen können, dass die Problemlagen der Betroffenen immer komplexer werden. Ein Problem bedingt das nächste, und so haben wir es immer öfter mit Menschen mit mehreren Problemen zu tun. Zur Wohnungslosigkeit kommen dann nicht nur das Suchtproblem, sondern noch andere psychische Erkrankungen hinzu. Ob die Wohnungslosenpolitik dieser Stadt auf diese Problematik schon vorbereitet ist, wage ich zu bezweifeln.
Durch die Arbeitsmarktreformen sind nun viele Betroffene durch die Jobcenter zu betreuen. Wir wissen alle, dass die Jobcenter Probleme haben, ihren Aufgaben bei der Betreuung und der Vermittlung ihrer „normalen“ Kundschaft gerecht zu werden. Ich wage mir nicht vorzustellen, wie die Betreuung von wohnungslosen Kunden aussieht. In allen Berliner Jobcentern besteht noch ein erheblicher
Optimierungsbedarf. Die Situation wohnungsloser Menschen sollte daher bei der Fortentwicklung der Jobcenter dringend berücksichtigt werden. Darauf sollte der Senat bei der Regionaldirektion drängen.
Auch die Bezirksämter, die entsprechend SGB XII betreuen, sind gefragt, in der Wohnungslosenhilfe auf die gesellschaftlichen und demografischen Entwicklungen zu reagieren. Auch in der Kooperation mit den Jobcentern sowie den freien Trägern dürfte noch ein erhebliches Optimierungspotenzial stecken.
Es ist schon ein schwaches Bild, wenn die Senatsverwaltung für Soziales auf eine Kleine Anfrage des Kollegen nach der Entwicklung der Fallzahlen antworten muss, die Statistik gebe aufgrund der Verteilung der Zuständigkeit auf zwei Behörden keine validen Zahlen mehr her.