Deswegen bitte ich Sie, dass Sie hier nicht irgendwelche Unwahrheiten verbreiten. Der „Tagesspiegel“ hat das auch sehr deutlich und klar in seiner Presseberichterstattung herausgestellt. Wenn Sie also richtig lesen, dann können Sie dieses Anliegen ohne Weiteres erkennen. Deshalb bitte ich Sie der Fairness halber, nicht solche Zusammenhänge zu ziehen. – Vielen Dank!
Herr Kluckert! Der Zusammenhang steht so im „Tagesspiegel“. Ich kann es Ihnen gerne einmal vorlesen, was da steht:
kritisiert FDP-Politiker Sebastian Kluckert. Darunter könnten schließlich auch Sodomisten oder Pädophile fallen.
Und nichts anderes habe ich gerade in meinem Redebeitrag gesagt. Wenn Sie mit dem Begriff so unzufrieden sind, dann kann ich Ihnen empfehlen, gegen unsere eigene Landesverfassung eine Klage einzureichen, denn genau an der Stelle steht es auch drin, exakt mit diesem Begriff.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon vor zwei Jahren haben wir Bündnisgrünen hier einen Antrag für die Bundesratsinitiative für die Ergänzung des Artikels 3 Abs. 3 Grundgesetz um sexuelle Identität eingebracht, um die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgendern und Intersexuellen zu stärken. – Deswegen, Herr Kluckert, auch „sexuelle Identität“, um alle diese Gruppen zu erfassen, zum Beispiel beim Adoptions- und Steuerrecht für gleichgeschlechtliche Paare oder einem modernen Transsexuellenrecht. Hier geht es aber nicht um Klientelpolitik, sondern um eine Menschenrechtsfrage.
Heute werden wir das endlich beschließen. Das war ein ziemlicher Kraftakt, aber das Ergebnis zählt, und deswegen freuen wir uns auch über dieses Signal an den diesjährigen CSD, bei dem die Forderung zur Artikel-3-Ergänzung im Mittelpunkt steht.
Als junger Schwuler habe ich 1980 Jugendliche in einer Jugendfreizeiteinrichtung über Homosexualität aufgeklärt. Es war spannungsreich, aber es war möglich. Ich glaube, was Jugendliche betrifft, ist die Aufklärung über gleichgeschlechtliche Lebensweisen in der Schule und in Jugendfreizeiteinrichtungen heute nicht einfacher als vor 30 Jahren. Ich würde mir aber wünschen, wir hätten im unveräußerlichen Grundrechtekatalog eine Formulierung, die eindeutig und unmissverständlich festhalten würde, dass niemand wegen seiner sexuellen Identität benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Das würde die Diskussion als Ausgangspunkt unvergleichlich erleichtern.
Und es wäre spannend, mit den Jugendlichen darüber zu diskutieren, warum unsere Groß- oder Urgroßeltern vor 60 Jahren bei der Abfassung des Grundgesetzes nicht im Traum daran dachten, eine solche Formulierung aufzunehmen. Man könnte mit den Jugendlichen zum Beispiel über das Verfassungsgerichtsurteil von 1957 reden, das den § 175 in der von den Nazis verschärften Fassung rechtfertigte, wo es zum Beispiel hieß:
Anders als der Mann wird die Frau unwillkürlich schon durch ihren Körper daran erinnert, dass das Sexualleben mit Lasten verbunden ist. … So
gelingt der lesbisch veranlagten Frau das Durchhalten sexueller Abstinenz leichter, während der homosexuelle Mann dazu neigt, seinem hemmungslosen Sexualbedürfnis zu verfallen.
Also sei die „Gefahr der Verbreitung gleichgeschlechtlicher Einstellung... beim Manne größer … als bei der Frau“ und müsse folglich strafbar bleiben. Was uns heute schmunzeln lässt, brachte damals Männer zigtausendfach ins Gefängnis. Es gab 50 000 Urteile von 1945 bis 1969, mehr als in der Nazi-Zeit, machte sie erpressbar, trieb sie in Doppelleben oder schlimmer, in den Selbstmord. Deswegen ist es dringend an der Zeit, diese Urteile aufzuheben und die Überlebenden zu entschädigen.
Heute ist die Justiz in Deutschland weiter in der Rechtsprechung, aber bezüglich der Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen doch eine Schnecke. In der Begründung des Antrags verweisen wir auf einen Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2007, wo die Versagung des Familienzuschlags für eine verpartnerte Beamtin mit dem Fehlen des Diskriminierungsmerkmals in Artikel 3 Grundgesetz gerechtfertigt wird. Dazu, Herr Gram, brauchen wir eine entsprechende Verfassungsänderung.
Da ist der Europäische Gerichtshof mit wegweisenden Urteilen fortschrittlicher. Das liegt natürlich daran, dass in Europa eine entsprechende Formulierung bereits in der EU Grundrechtecharta existiert. Herr Kluckert! Ich weiß, dass Sie in der FDP dazu einen offenen Konflikt haben, aber wollen Sie ernsthaft behaupten, die Europäische Grundrechtecharta oder die Berliner Verfassung würden Pädophile oder Sodomisten schützen? Was für eine gruselige Argumentation, die Sie da im „Tagesspiegel“ abgegeben haben. – In Artikel 3 steht auch „religiöse und politische Anschauungen“. Das heißt zum Beispiel auch nicht, dass im Namen der Anschauung Volksverhetzung betrieben werden darf. Und wenn Sie die Hauptforderung des CSD ablehnen, meine Damen und Herren von der FDP, aber auch von der CDU, dann sollten Sie schleunigst Ihre Wagen abmelden, die sind nämlich dort angemeldet.
Der Lesben- und Schwulenverband hat bereits vor zwei Jahren eine neue Kampagne zur Ergänzung des Artikels 3 um sexuelle Identität gestartet. Wir waren erstaunt, dass der Antrag der Grünen dazu im Jahre 2007 für eine Berliner Bundesratsinitiative zunächst von der SPD-Fraktion abgelehnt wurde. Diese Entscheidung brachte den Regierenden Bürgermeister bei einer Versammlung des LSVD ganz schön in die Bredouille. Erst jetzt, wo in Berlin und in ganz Deutschland beim CSD für die Grundgesetzänderung demonstriert wird, ist auch die Berliner SPD wieder mit im Boot und hat sich sozusagen last minute unserer Initiative angeschlossen. Ich warte heute noch auf den Dank des Regierenden Bürgermeisters, dem ich damit aus der Patsche geholfen habe.
Ich komme zum letzten Satz. Hier zeigt sich mal wieder, wie so oft, Bündnis 90/Die Grünen sind und bleiben der Motor für die Durchsetzung der Rechte von Lesben, Schwulen und Transgender. Das war beim Aktionsplan gegen Homophobie so, bei den Gleichstellungsgesetzen bei den Kammerberufen. Der Igel ist eben immer zuerst da, aber der Wettbewerb belebt das Geschäft. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, am Anfang muss man schon ein paar Worte dazu sagen, dass Sie diesen Antrag mit Dringlichkeit einbringen. Das ist Schindluder, was Sie mit der Dringlichkeit betreiben.
[Beifall bei der FDP und der CDU – Uwe Doering (Linksfraktion): Das müssen Sie von der FDP gerade sagen!]
Weder ist das Ereignis, der Christopher Street Day, über Nacht über Deutschland hereingebrochen noch das Thema Diskriminierung und sexuelle Identität. Nur deshalb, weil man sich am Wochenende einen Antrag ausgedacht hat, wird dieser Antrag nicht dringlich.
Einen inhaltlich völlig gleichen Antrag haben die Grünen schon vor zwei Jahren hier in dieses Haus eingebracht. Es zeigt auch einmal wieder den Umgang mit der Opposition, den die Linkspartei und die Sozialdemokraten betreiben.
Da gibt es offensichtlich Anträge, Herr Doering, die Sie von A bis Z inhaltlich teilen, aber Sie lassen diese Anträge lieber zwei Jahre im Ausschuss verschimmeln, als dass Sie einem Antrag der Opposition zustimmen. Sie sollten sich schämen!
Aber das zeigt letztlich auch wieder einmal das Psychogramm der Grünen, die denjenigen, die ihre Anträge hier zwei Jahre lang verschimmeln lassen, dann doch wieder gerne das grüne Reserverad sind und dann hier einfach wieder einen inhaltlich gleichen Antrag mit diesen Leuten einbringen, bei denen sie sich ganz hinten in die Nennung der Antragsteller einreihen dürfen. Da hätte ich mehr von Ihnen erwartet!
Es zeigt sich ganz deutlich, dass Ihnen, insbesondere den Sozialdemokraten und den Linksparteigenossen, die Ernsthaftigkeit fehlt. Es ist Ihnen kein ernstes Thema,
wobei ich das bei den Grünen gerade nicht sagen möchte. Sie haben es vor zwei Jahren extra eingebracht, aber für Sie ist es ein reines PR-Thema für den CSD, und wir lehnen es ab, Ihre PR-Nummer auch nur ansatzweise mitzutragen.
In den vergangenen Jahren hat es immer wieder Ansinnen verschiedener Fachpolitiker gegeben, ihre entsprechende Zielgruppe mit in das Grundgesetz aufzunehmen. Wir erinnern uns an das Anliegen von Jugendpolitikern und Familienpolitikern, die Kinder mit aufzunehmen, an das Anliegen von Kulturpolitikern, die Kultur mit aufzunehmen, an das Anliegen von Sportpolitikern, den Sport mit in die Verfassung aufzunehmen.
Und nun haben wir das Anliegen von Gleichstellungspolitikern, Homosexuelle, Transgender, Transsexuelle mit in die Verfassung aufzunehmen. Für uns als freie Demokraten gilt das, was die gemeinsame Verfassungskommission 1994 zur Begründung gesagt hat, warum sie eine Erweiterung des Artikel 3 Abs. 3 GG ablehnt. Sie hat gesagt, es müsse eine weitere Ausdifferenzierung des Artikel 3 Abs. 3 GG vermieden werden, da die Verfassung durch die Atomisierung nach Gruppen Schaden nehmen kann. Das entspricht genau unserer Auffassung, wir wollen keine Atomisierung der Verfassung nach Gruppen.
Für Ihr Anliegen gibt es auch keine inhaltliche Notwendigkeit. Die Diskriminierung, die Benachteiligung von Homosexuellen, ist in unserem Land hinreichend durch das allgemeine Gleichbehandlungsgebot verboten – Artikel 3 Abs. 1 GG schützt vor Benachteiligung und schützt ausreichend vor Benachteiligung. Das allgemeine Gleichbehandlungsgebot sagt, Ungleichbehandlung ist verboten, wenn ein vernünftiger und einleuchtender Grund fehlt. Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich gemacht, dass strenge Anforderungen an eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zu stellen sind. Deshalb glauben wir, dass das Schutzniveau in unserem Grundgesetz angemessen und ausreichend ist.
Sie selbst haben zudem keine Beispiele vorgebracht, die besonders durchgreifend sind. Sie nennen in Ihrem Antrag lediglich ein einziges Beispiel von Diskriminierung: die Zahlung des besoldungsrechtlichen Familienzuschlags. Dazu kann ich Ihnen nur sagen, Herr Birk, dass es für mich keine Menschenrechtsfrage ist, ob ein Familienzuschlag gezahlt wird oder nicht.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung dazu nicht gesagt, dass der Familienzuschlag für Gleichgeschlechtliche deshalb möglich ist, weil die sexuelle Identität in Artikel 3 Abs. 3 GG nicht aufgenommen wurde, sondern es hat gesagt, dieser Familienzuschlag ist möglich, weil in Artikel 6 Abs. 1 GG der Schutz von Ehe und Familie besonders erwähnt ist. Lassen Sie mich, Herr Präsident, das abschließend für die Nicht-Juristen an einem Beispiel übersetzen.