Protokoll der Sitzung vom 10.09.2009

Und die Chance muss man ihm auch lassen. Deshalb haben wir gesagt, wir werden diese Gelegenheit nicht nutzen, uns von der S-Bahn zu trennen, sondern wir werden der S-Bahn und der Bahn die Chance geben, hier eine vernünftige Politik zu machen und nicht die Kostenoptimierung in den Vordergrund zu stellen, sondern das Leistungsangebot an die Berlinerinnen und Berliner. Das ist die Aufgabe, die die S-Bahn und die Bahn zu erfüllen haben, und dabei unterstützen wir sie auch.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zurufe von der FDP]

Herr Regierender Bürgermeister! Es besteht nach wie vor Wunsch nach Zwischenfragen, einmal vom Kollegen Ratzmann – –

Nein, danke! – Und das ist doch der Punkt, der zu erfüllen ist: Sie werden mir doch nicht erzählen können, dass im Vertrag hätte geregelt werden können, dass hier die Bremssysteme regelmäßig gewartet werden müssen. Das muss im Vertrag nicht geregelt werden, das ist die selbstverständliche Grundlage einer jeden Vertragsbeziehung.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von Christoph Meyer (FDP)]

Jeder Jurist weiß das. Hier ist bewusst nicht gehandelt worden. Hier sind bewusst Wartungsfristen nicht eingehalten worden. Hier ist bewusst auf Verschleiß gefahren worden. Man hat gesagt, man tauscht nicht rechtzeitig aus, sondern man wartet, bis ein Crash passiert oder der Zug liegenbleibt.

[Zuruf von Volker Ratzmann (Grüne)]

Das ist das Unverantwortliche, und das darf nicht geduldet werden. Diese Verantwortung liegt nicht beim Berliner Senat,

[Volker Ratzmann (Grüne): Doch!]

sondern die liegt bei der Bahn oder bei der S-Bahn, und die fordern wir im Interesse der Kundinnen und Kunden auch ein.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zurufe von den Grünen]

Meldungen der Bahn sind was Neues gewesen. Bei den anderen Fällen wurde ja nicht gemeldet. Da ist das Eisenbahnbundesamt selber tätig geworden. Hier ist ja schon mal der Fortschritt, dass man selber das angezeigt hat.

Und dann hat das Eisenbahnbundesamt keine Alternative gehabt, als die Züge aus dem Verkehr zu nehmen. Dies ist alternativlos. Die Züge lassen sich nicht von heute auf morgen ersetzen, auch das ist Erkenntnis, so leid es uns tut.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Alle Ersatzmaßnahmen, alle Optimierungen, die Hilfe der BVG haben wir in die Wege geleitet und fordern wir selbstverständlich im Sinne von Herrn Gaebler auch mit dem Busverkehr als Ersatzverkehr ein. Keiner kann hier objektiv sicherstellen, dass der Verkehr in den nächsten Wochen wieder in dem Normalfahrplan fährt. Deshalb wird das nach wie vor eine Belastung für die Berlinerinnen und Berliner und die Gäste dieser Stadt bleiben.

[Zuruf von Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne)]

Gott sei Dank ist die Leistungsfähigkeit des Nahverkehrssystems in Berlin so groß, dass dies zwar nicht hundertprozentig kompensiert werden kann, dass aber die Stadt nicht im Chaos versinkt und dass es auch noch Alternativen gibt, auch wenn sie umständlicher sind. Auch das gehört zur Wahrheit. Und deshalb ein großes Dankeschön an die Berlinerinnen und Berliner, die das nicht nur mit Gleichmut betrachten, sondern dass sie sagen, ja, wir akzeptieren das, auch wenn wir sauer sind,

[Gregor Hoffmann (CDU): Wir akzeptieren das nicht!]

und selbst wenn wir sagen, da muss sich auch etwas in Zukunft ändern, als Kunde der S-Bahn fordern wir das ein von der S-Bahn.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne)]

Selbst wenn wir heute den Vertrag kündigen würden, weiß jeder, dass kein anderer Betreiber innerhalb von Jahren infrage kommt, der beschafft werden kann.

[Zuruf von der FDP: Warum denn nicht?]

Sie müssen ausschreiben. Sie müssen dem Betreiber neue Chancen geben, Züge zu beschaffen usw. Dies ist systemimmanent.

[Christoph Meyer (FDP): Den Fehler haben Sie 2004 gemacht!]

Selbstverständlich wäre das keine Lösung. Sie suggerieren etwas, was de facto für die Situation jetzt keine Verbesserung bringen würde.

[Beifall von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Deshalb haben wir gesagt, es macht keinen Sinn, den Vertrag zu kündigen. Wir sagen aber auch ganz deutlich, die Bahn hat jetzt zweimal die Chance gehabt, zweimal die Belastungsprobe mit Berlin hier auf den höchsten Punkt getrieben.

[Zuruf von Dr. Martin Lindner (FDP)]

Ich glaube, eine dritte Chance wird es nicht geben und kann es auch nicht geben.

[Zuruf von der FDP: Ja, und dann?]

Aber ich sage auch ganz deutlich, die Bahn hat die Chance, sich zu bewähren und für die Kundinnen und Kunden ein vernünftiges Angebot zu machen. Das muss die Aufgabe sein, nicht hier populistische Forderungen in den Raum zu stellen, die nicht einhaltbar sind.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von Dr. Martin Lindner (FDP)]

Herr Regierender Bürgermeister! Ein weiterer Wunsch nach einer Zwischenfrage.

Ja, ich habe auch den Wunsch, jetzt zu diskutieren. – Und ein anderer Punkt, den Sie versuchen, jetzt mitten im Wahlkampf wieder zu setzen: Sie sprechen von der Senatorin, aber natürlich meinen Sie eigentlich mich. Dann sagen Sie es doch deutlich, dass Sie mich meinen! Unterlassen Sie es, immer auf Frau Junge-Reyer einzuschlagen, wenn Sie meinen, dass Sie den Regierenden Bürgermeister damit treffen können! Dann können Sie es doch gleich mit mir machen. Lassen Sie es also endlich mal!

[Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP]

Dann sage ich Ihnen mal etwas zu Frau Junge-Reyer. Frau Junge-Reyer hat sich in hervorragender Art und Weise verhalten. Und sie hat Tag und Nacht daran gearbeitet, dass es den Berlinerinnen und Berlinern in der Frage besser geht. Deshalb verdient sie nicht Kritik, sondern sie verdient Lob für ihre konsequente Haltung und ihren Einsatz

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zurufe von den Grünen]

bis hin zu diesen abstrusen Unterstellungen, sie hätte den Vertrag verhandelt. Auch alles nicht wahr! Ist schon nachgewiesen worden!

[Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

Eben nicht! So! Und das können Sie ja alles kritisieren, was danach war. Aber Frau Junge-Reyer hat mit der Aushandlung des Vertrages in der Tat nichts zu tun, und das war auch nicht ihre Zuständigkeit. Das ist objektiv so. Also insofern bricht da Ihr Vorwurf in sich zusammen.

[Zuruf von Joachim Esser (Grüne)]

Nochmals: Wir arbeiten mit der Bahn und der S-Bahn zusammen hart daran, dass sich die Situation verbessert und dass vor allen Dingen Voraussetzungen geschaffen werden, dass so etwas nicht wieder passieren kann. Und die Grundvoraussetzung dafür ist, dass dieser Privatisierungswahnsinn aufgegeben werden muss und dass sich die S-Bahn darauf konzentriert, das, was sie an Einnahmen hat, auch in die Qualität, nämlich für ihre Kundinnen und Kunden einzusetzen

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

und nicht als Abführungsmechanismus an den Konzern hat. Jeder Eigentümer will einen Gewinn haben, aber dieser Gewinn muss vernünftig sein, und er darf nicht erzielt werden zulasten der Sicherheit und Qualität für die Kundinnen und Kunden. Das ist das Ziel, dafür steht dieser Senat, und das werden wir versuchen umzusetzen.

[Volker Ratzmann (Grüne): Aber erfolglos! – Joachim Esser (Grüne): Das hätten Sie sich vorher überlegen sollen!]

Deshalb ist es eine Situation, die schwierig ist, die aber in der Tat konsequent angegangen werden kann, jedoch nicht einseitig durch die Kündigung des Vertrages und nicht durch die Suggestion, dass wir von heute auf morgen einen anderen Anbieter finden könnten, schon gar nicht durch eine Privatisierungspolitik à la FDP!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Das Wort für den Senat hat die Senatorin Junge-Reyer. – Bitte schön!

[Zuruf: Reden die anderen auch alle noch? – Dr. Martin Lindner (FDP): In welcher Funktion redet sie denn? – Uwe Doering (Linksfraktion): Das kann nur der Lindner fragen!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die S-Bahn hat in sträflicher Weise ihre Pflichten verletzt, nicht nur die Pflichten aus dem Vertrag, sondern sie ist ihrer Verantwortung für die Sicherheit und damit der Verantwortung für die Berlinerinnen und Berliner, für ihre Kunden nicht gerecht geworden.

[Beifall bei der SPD]