Protokoll der Sitzung vom 10.12.2009

Aber zum Ausverkauf des Tafelsilbers gehört auch der zweite Punkt, der heute noch kurzfristig auf die Tagesordnung gekommen ist, nämlich die aktuelle Diskussion um die Orchester Deutsches Symphonie-Orchester und Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin. Am Parlament vorbei wurde hier der Versuch gestartet, eine Orchesterfusion zu erzwingen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen wir uns nicht gefallen! Es gibt eine Instanz als Sachwalter der Orchesterinteressen, das ist die Rundfunk Orchester und Chöre GmbH. Genau die nehmen wir jetzt in die Pflicht. Wir fordern gemeinsam mit Bündnis 90/Die Grünen und der CDU, die Landesmittel in Höhe von 1,2 Millionen Euro zu sperren, bis sich die ROC eine schlüssige Strategie für ihre Einzelinstitutionen überlegt hat und sie vorlegen kann.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Alice Ströver (Grüne)]

Ich komme zum Schluss: Die FDP-Fraktion öffnet sich allen Modellen von Förderung und Finanzierung. Wir sichern den kulturellen Bestand, der sinnvoll ist, und wir fordern das kulturell Neue, das in die Zukunft weist. Daran sollten sich, denke ich, alle in diesem Haus orientieren. – Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Kollege von Lüdeke! – Für den Senat hat nunmehr der Regierende Bürgermeister das Wort. – Bitte schön, Herr Wowereit!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Herr Braun! Sie schreien schon immer, bevor Sie etwas wissen. Es hat keinen Sinn, wenn der Einzeletat geteilt wird, dass man bereits vorher etwas sagt. Deshalb habe ich mir auch Minuten reserviert, damit Sie auch Ihr Recht bekommen!

[Andreas Gram (CDU): Das war clever!]

Da kann man mal sehen! Und dass ausgerechnet ein kulturpolitischer Sprecher der CDU hier den Senatoren Noten verteilt, darüber kann ich nur dreimal lachen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Sie, Herr Braun, habe ich im Kulturausschuss als denjenigen erlebt, dem jede inhaltliche Diskussion lästig ist und der solche am liebsten beseitigen will. Das ist Ihr Beitrag zur Kulturpolitik in Berlin. – Herr Braun! Sie sollten sich selbst fragen, welchen Beitrag Sie zu diesem Thema leisten.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Fragen Sie Frau Ströver! Sie ist zwar nicht immer einer Meinung mit mir, aber sie weiß, wovon ich rede.

Noch ein schöner Hinweis, Herr Braun: Es ist heute schon das zweite Mal von Ihrer Fraktion auf die Richtlinienkompetenz hingewiesen worden. Die Richtlinienkompetenz des Regierenden Bürgermeisters bezieht sich auf den Senat, nicht auf das Abgeordnetenhaus von Berlin.

[Unruhe]

Wenn Sie da initiativ werden wollen, stehe ich gern zur Verfügung, aber noch entscheiden die Abgeordneten selbst über ihre Positionierungen. Da kann der Regierende Bürgermeister zwar Vorschläge machen, aber Richtlinienkompetenz gibt es in diesem Bereich überhaupt nicht.

Frau Ströver! Man darf auch mal loben. Und wenn bundesweit in dieser finanziellen Situation die Kulturetats eher – weil sie von vielen leider nicht als so wichtig angesehen werden – gekürzt werden und davon kulturelle Einrichtungen massiv betroffen sind und wir in Berlin eine derartige Steigerungsrate haben, dann kann man auch mal über seinen Oppositionsschatten springen und sagen: Ja! Das ist richtig! Das ist eine gute Entscheidung! – gerade als kulturpolitische Vertreterin, die auch Vorsitzende des Kulturausschusses ist.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Und dennoch sind mit diesen Steigerungen nicht alle Probleme der Berliner Kulturlandschaft beseitigt. Gott sei Dank ist die Berliner Kulturlandschaft so reichhaltig und so differenziert, dass zu Recht viele kulturelle Institutionen gern auch Zuwächse gehabt hätten. Das war nicht möglich. Auch das muss sich in die Gesamtberatung einbetten. Aber wir haben hier eindeutige Schwerpunkte gesetzt, und wir sind auch stolz darauf, dass wir das so tun konnten.

Es wird viel investiert. Es wird in die Infrastruktur der Häuser investiert. Riesige Baumaßnahmen sind im Gange. Das Schillertheater wird zu neuem Leben erweckt, und wir werden die Staatsoper sanieren für Beträge in einer gigantischen Größenordnung. Für die Komische Oper sind die Mittel in der Finanzplanung auch zur Verfügung gestellt worden. Aber auch das Stadtmuseum und andere große Investitionen in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro werden durchgeführt. Diese Investitionen sind richtig, weil Kultur nicht nur für die intellektuelle und kulturpolitische Erbauung wichtig ist. Sie ist schon ein Wert an sich. Es ist als Standortfaktor für diese Stadt unendlich wichtig. Und es ist kein weicher Standortfaktor, sondern ein harter. Deshalb ist man gut beraten, dass das nicht nur eine kulturpolitische Debatte bleibt, sondern dass das ganze Haus versteht: Investitionen in die Kultur sind Investitionen in die Zukunft.

[Beifall von Alice Ströver (Grüne) – Alice Ströver (Grüne): Ich klatsche – und die Regierungsfraktionen?]

Na, die konnten jetzt nicht. Ich war zu schnell, Frau Ströver, weil die Zeit wegläuft!

Ich stehe dazu, dass auch in einer Zeit, in der man wirtschaftliche Schwierigkeiten hat, über den Tag hinaus

Klaus-Peter von Lüdeke

gedacht wird. Deshalb war es bislang eine Erkenntnis, auch bei der Opposition, dass der Zustand der Landesbibliothek nicht der beste ist, sondern dass er verbessert werden muss. Deshalb haben wir über einen langen Zeitraum mehrere Varianten geprüft, wie wir diesen Zustand verbessern können. Können wir es durch Investitionen in die einzelnen Standorte machen, oder ist ein Neubau wichtiger? – Zum Schluss kam heraus, dass die Investitionssummen ungefähr gleich sein werden, ein Neubau von der Funktionalität her allerdings die besseren Voraussetzungen für die Bibliothek mit sich bringt. Wir freuen uns doch darüber, dass trotz aller IT-Verbesserungen und -Verfahren heute vor allen Dingen die jungen Menschen in die Bibliotheken strömen und dieses Angebot annehmen. Das ist Zukunftsinvestition in die Landesbibliothek. Deshalb bin ich auch dankbar, dass sie nicht infrage gestellt wird.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Das Projekt Kunsthalle fehlt, das wissen wir alle. Im Bereich der zeitgenössischen Kunst haben wir keins. Nun weiß ich, wie konfliktträchtig und emotional dieses Thema war. Wunderbar! Da hatte man etwas zum Abarbeiten.

[Zuruf von Alice Ströver (Grüne)]

Trotzdem bleibt es nach wie vor richtig, dass diese Kunsthalle fehlt. Man kann sich über den Standort streiten – meinetwegen!

[Zuruf von den Grünen: Potsdam!]

Dass dieses Segment in der vibrierenden Berliner Kunstlandschaft fehlt, ist unbestritten, das haben wir in der kulturpolitischen Debatte auch klargestellt.

Frau Ströver! Es wurde hier nicht von 30 Millionen Euro auf 600 000 Euro gekürzt. Die 30 Millionen Euro waren nie im Haushaltsplan veranschlagt.

[Beifall von Brigitte Lange (SPD)]

Das haben Sie zwar immer behauptet, aber sie waren nie im Haushaltsplan veranschlagt, weil es in den nächsten zwei Jahren nicht darstellbar wäre, diese Summe zu investieren.

[Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

Jetzt wurde ein Kompromiss gefunden. Dieser Kompromiss bedeutet, dass wir mit der Kunsthalle anfangen. Wir werden sehen, dass wir das Team aufbauen können. Wir werden sehen, wie wir die Idee der Kunsthalle weiter voranbringen werden, auch durch temporäre Ausstellungen an verschiedenen Orten. Ich bin sicher, der Grundgedanke der Kunsthalle wird sich früher oder später insgesamt durchsetzen, sodass wir eine permanente, eine feststehende Kunsthalle in dieser Stadt haben werden.

[Zurufe von den Grünen]

Noch ein Wort zur ROC GmbH: Ich bin dankbar, dass das Abgeordnetenhaus sich heute positionieren wird. Wir wissen, dass das ein schwieriges Unterfangen ist. Von Anfang an war die Konstruktion schwierig. Es gibt viele Overheadkosten. Die 6 Millionen Euro, die die Gesell

schafter zusätzlich aufbringen mussten, tragen nicht dazu bei, dass sie jetzt viel mehr machen können, sondern sie sichern erst einmal einigermaßen den Bestand. Deshalb gibt es auch keinen Raum für eine Sperre der 1,2 Millionen Euro. Das ist Unsinn.

[Beifall von Brigitte Lange (SPD)]

Wer diese Orchester erhalten will, darf jetzt nicht sperren, das wäre genau kontraproduktiv.

[Zuruf von Alice Ströver (Grüne)]

Dieser Antrag ist völlig kontraproduktiv, denn er soll die Substanz sichern. Auf der anderen Seite – und dazu haben wir im Januar oder Februar oder wann es im Kulturausschuss auf die Tagesordnung kommt, Zeit – wird angemeldet, dass nach einer Analyse der Zukunft dieser ROC GmbH die 6 Millionen Euro allein nicht ausreichen werden. Deshalb wurde auch der Intendant von „Deutschlandradio“ von allen Gesellschaftern aufgefordert, Strukturüberlegungen anzustellen. Das muss er auch machen, sonst wird sich dort nichts verändern, oder man geht sehenden Auges in die Katastrophe, und man kommt in die Situation hinein, dass die Parlamente oder die Geldgeber gefragt werden: Könnt ihr noch mehr Geld geben? – Ich glaube, Sie sind dann irgendwann auch nicht mehr bereit, noch mehr Geld dort hineinzugeben. Deshalb muss die Strukturdebatte geführt werden. Sie kann aus meiner Sicht aber auch geführt werden, ohne die Orchester zusammenzulegen,

[Zuruf von Ramona Pop (Grüne)]

um diese Klangkörper alleine zu erhalten. Diese Debatte muss geführt werden, und sie wird auch geführt werden. Eine Sperrung der Mittel wäre kontraproduktiv.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! – Jetzt ist mir noch Frau von Stieglitz von der FDP-Fraktion gemeldet. Sie hat das Wort. – Bitte schön, Frau von Stieglitz!

Vielen Dank! – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe als Neuling in diesem Haus das Glück, die Haushaltsberatungen mit meiner ersten Plenarrede abschließend begleiten zu dürfen.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Der Einzelplan 03 wurde von meinem Kollegen Herrn von Lüdeke bereits für den Bereich Kultur vertreten. Nun ist es an mir, kurz den Bereich Senatskanzlei mit den Punkten Medien, Berlin-Brandenburg, Bund und Europa vorzustellen. Das liberale Credo lautet: Wir schaffen rotrote Spielwiesen ab.

[Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD und der Linksfraktion – Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion):... und wir bauen gelbe!]