Man kann jetzt lange darüber sinnieren, ob das aus heutiger Sicht gerecht ist, dass jemand für wenig Geld sein Grundstück erwerben durfte.
Das kann man so und so diskutieren. Wir als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen neigen der Auffassung zu, die wir schon 1994 hier vertreten haben: Diese wenigen Fälle müssen zu einem guten Abschluss gebracht werden. Deshalb hatten wir uns vorgenommen, dem Antrag der CDU zuzustimmen.
Jetzt gibt es einen Änderungsantrag. Das ist ein Zeichen von Bewegung. Zwischen der Sitzung des Hauptausschusses am 17. Januar 2007 und heute muss etwas passiert sein. Ich nehme an, dass es nicht das Unwetter am 18. Januar 2007 war, das Sie zur Meinungsänderung bewogen hat, sondern Sie haben in der Koalition gemerkt, das ist schwierig, die Linksfraktion hat eine andere Auffassung und die Opposition macht hier Druck. Da haben Sie sich überlegt, dass Sie mit der Sache kreativ umgehen müssen. Das würde ich der SPD und Senator Sarrazin zutrauen.
Deshalb sind Sie auf diesen Berichtsauftrag gekommen. Ich hoffe, dass dieser Bericht nicht dazu dienen soll, zu erklären, dass alles nicht geht, sondern – das ist unsere Erwartung an den Senat – er soll genau darlegen, wie und in welchem Zeitraum für diese 200 Fälle ein Ende gefunden wird. Darum geht es. Deshalb werden wir heute diesem Berichtsauftrag zustimmen.
Das geht unter einer Bedingung, dass nicht in dem halben Jahr, das Sie sich für den Bericht gönnen wollen, irgendetwas passiert, was dem Anliegen der CDU, das beantragt wurde, zuwiderläuft. Aber ich denke, darauf werden wir uns einigen. Wir sind sehr auf den Bericht gespannt. Spätestens nach den Sommerferien, denke ich, haben wir das Thema wieder auf der Tagessordnung. Dann müssen wir hier zu einer Lösung kommen. In diesem Sinne: Zustimmung von unserer Fraktion. – Herzlichen Dank!
Danke schön, Herr Otto! – Für die Linksfraktion hat der Kollege Wechselberg das Wort. – Bitte schön, Herr Wechselberg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei Ihrem Beitrag, Herr Kollege Czaja, wird vor allen Dingen die Frage aufgeworfen, warum Ihre Partei, die in der vereinigten Bundesrepublik viele Jahre lang regiert hat, nichts unternommen hat, um eine einheitliche Bundesgesetzgebung zu schaffen,
die verbindlich und abschließend die Legalität der Modrow-Grundstücksverkäufe feststellt und sichert.
[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von Gregor Hoffmann (CDU)]
Ganz im Gegenteil hat Ihre Partei auf Bundesebene mit dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz und dem sogenannten Entschädigungsgesetz nichts unversucht gelassen, um die Legitimität der Bodenrechtsgesetze der demokratisch gewählten Volkskammer von 1989 zu unterminieren. Warum haben Sie darüber hinaus die Frage der ModrowGrundstücke nicht abschließend und verbindlich geklärt, als Sie in Berlin regierten?
Nein, haben Sie nicht! Sie hatten doch alle Zeit der Welt und eine klare politische Mehrheit in diesem Haus hinter sich, alle Grundstücke ausnahmslos zu beurkunden. Die Schlamperei von Politik und Verwaltung, die Sie an anderer Stelle beklagen, ist doch vor allem und zuerst Ihre eigene. Vor diesem Hintergrund wiegt der Antrag, den Sie heute stellen, vergleichsweise gering gegenüber dem tatsächlichen Versagen Ihrer Partei, als Sie real hätten handeln können.
Das gesagt, handelt es sich hier zweifellos um ein kompliziertes Thema, das gleichermaßen komplexe rechtliche und politische Fragen berührt und in hohem Maße symbolisch aufgeladen und emotional belastet ist. 18 Jahre nach der Vereinigung ist die Berliner Politik vor allem verpflichtet, endlich eine abschließende Lösung für diese sogenannten Modrow-Grundstücke zu finden, endgültig, rechtsverbindlich und sorgfältig abgewogen.
Linke und SPD fordern deshalb den Senat mit ihrem Änderungsantrag auf, die abschließenden Voraussetzungen für eine solche Schlussentscheidung zu schaffen und dem Abgeordnetenhaus die abgestimmte und umfassend begründete Haltung der Exekutive in dieser Frage zu übermitteln. Wir werden zugleich in einen intensiven Klärungsprozess innerhalb der Regierungskoalition eintreten und uns um einen Konsens zwischen Linkspartei und SPD bemühen, der zurzeit in dieser Frage nicht besteht.
Lassen Sie mich knapp die Haltung meiner Fraktion in dieser Sache skizzieren und dafür werben, dass wir aus unserer Sicht klug beraten sind, diese Entscheidung im
Sinn der wenig verbliebenen Antragsteller aus dem Osten dieser Stadt zu fällen, und zwar durch die Nachbeurkundung der Grundstücke. Mich hat hierzu folgende rechtssystematische Überlegung besonders überzeugt: Wie sollte es gegenüber den verbliebenen 225 Antragsstellern, deren Grundstücke noch nicht nachbeurkundet wurden, gerecht und vermittelbar sein, von derjenigen Rechtspraxis abzuweichen, die im Land Berlin 7 000 anderen Antragsstellern mit identischen Anspruchsgrundlagen bereits zuteil geworden ist? Man mag heute zu den Modrow-Kaufkonditionen stehen, wie man will, sie sind historisch begründet. Das kann doch aber kein Grund sein, von der eingeübten Rechtspraxis nur deshalb abzuweichen, weil diese 225 Betroffenen am Ende der langen Warteschlange vor den Amtsschaltern stehen und nicht an deren Anfang. Das wäre mit rechtsstaatlichen Grundsätzen sicher nicht vereinbar.
Ein Zweites tritt hinzu. Die Frage der Beurkundung hat unser Haus auch deshalb so oft und intensiv befasst,
weil es sich hier ganz offenkundig um eine hochsymbolische Frage für die Integrität von Politik und Rechtsstaat im Vereinigungsprozess zwischen Ost- und Westdeutschland handelt. In der vor uns liegenden abschließenden politischen Bestimmung der Position von Exekutive und Parlament liegt deshalb auch eine Chance, Trennendes zwischen Ost und West zu überwinden. Lassen Sie uns im kommenden halben Jahr konstruktiv mit einem klugen Blick für historisch begründete Rechts- und Interessenlagen und mit Großzügigkeit in einem letzten Schritt hin zum Abschluss der vereinigungsbedingten Sonder- und Übergangsrechte arbeiten!
Zu Ihrer Frage, Herr Kollege Czaja, weshalb wir Ihrem Antrag nicht zustimmen: Weil wir uns in dieser Koalition zu diesem Zeitpunkt nicht auf eine Zustimmung einigen konnten.
[Mario Czaja (CDU): Das waren wir damals auch mit der SPD, dennoch haben wir den Antrag eingereicht!]
Das ist das Wesen einer Koalition. Es gehört zu einer funktionierenden Koalition, dass man als Partner nur das tut, worauf man sich gemeinsam einigen kann, und nicht das, was man im Einzelfall selbst für richtig hält.
Das ist das, was diese Koalition auszeichnet, dass wir auch dann zusammenstehen, wenn wir uns in einer Frage nicht einig sein sollten. – Danke schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von mir zwei kritische Anmerkungen zu der Antragsberatung und zum Antragsverfahren.
Zum einen an die CDU: Herr Czaja! Man wird den Eindruck nicht los – ich bitte Sie, das als Kritik ernst zu nehmen –, dass die Art, wie Sie diesen Antrag in den letzten Wochen hier ins Plenum eingebracht haben, genau das Gegenteil von dem ist, was wir in dieser in der Tat komplexen Sachlage und Materie wollen. Wir wollen nämlich den 200 Betroffenen in irgendeiner Form entweder einer Antwort oder eine Hilfestellung geben. Da ist es nicht gerade zielführend, wenn eine Fraktion, eine Partei mit einem Antrag vorprescht, den – wenn ich es richtig weiß – auch noch per Vorabüberweisung in den Hauptausschuss schickt und dann in dieser Form vorgeht. Es wäre sinnvoller gewesen, wenn Sie hier über einen Besprechungspunkt die Thematik aufgemacht hätten,
[Mario Czaja (CDU): Der Antrag ist zwei Jahre alt! – Martina Michels (Linksfraktion): So lange sind wir doch noch gar nicht zusammen! Wir sind erst seit Oktober hier!]
wenn Sie sich bemüht hätten, dass wir hier im Haus irgendwo zu einer gemeinsamen Problemerörterung und vielleicht Einigung kommen. Das müssen Sie sich kritisch vorhalten lassen, Herr Czaja.
Auf der anderen Seite ist das, was zu dem Änderungsantrag der Koalition gesagt wurde, auch richtig. Wir hatten in der Hauptausschusssitzung, in der der Antrag beraten wurde, eine zugespitzte Situation – es wurde am Ende sogar ein bisschen hitzig –, weil die Beantwortung der Frage, dass der Senat hierzu einen Bericht vorlegen solle, von Staatssekretär Teichert sehr herablassend beantwortet wurde. Ich glaube, es war Herr Wechselberg, der hier in Kombination mit Herrn Teichert im Ergebnis dafür gesorgt hat, dass der Antrag von der Mehrheit des Hauptausschusses abgelehnt wurde.
Deswegen, Herr Goetze, ist das, was jetzt hier kommt, ein Berichtsauftrag, sachlich geboten. Man kann darüber diskutieren und streiten, ob es sinnvoll ist, hier noch ein halbes Jahr ins Land ziehen zu lassen. Man kann darüber diskutieren und streiten, ob es besser wäre, wenn wir diesen Bericht in drei Monaten bekämen. Aber auf der anderen Seite reden wir hier über eine Problematik, die über 16 Jahre alt ist. Dann sollten wir uns auch die drei oder sechs Monate mehr Zeit nehmen, um anschließend – da
Wir müssen anschließend zu einem Ergebnis kommen, und wir sollten dies auf der Grundlage der Würdigung der Einzelschicksale tun. Dementsprechend ist die Diskussion hierüber vertagt. Es wäre sinnvoller und einfacher gewesen, wenn man die Debatte anders eröffnet hätte. Dann wäre vielleicht in den letzten Wochen nicht so viel Porzellan zerschlagen worden. – Danke!
Ich lasse über den Änderungsantrag von SPD und Linksfraktion Drucksache 16/0114-1 abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD, die Linksfraktion, die Grünen und die FDP. Die Gegenprobe! – Keine! Ersteres war die Mehrheit. Die CDU enthält sich. Dann ist das so beschlossen.