Protokoll der Sitzung vom 22.04.2010

Umso mehr hat sich der Senat darum bemüht, eine vernünftige Anbindung über die Anhalter Bahn zu erhalten. Auch hiergegen gab es erheblichen Widerstand von vielen Seiten. Wir haben es mit Mühsal, Gutachten und Eigeninitiative erreicht, dass auch bei der Bahn die Erkenntnis gewachsen ist, dass unter Einbeziehung der RE-3-Strecke der 20-Minuten-Takt möglich wäre. Dies will Brandenburg nicht, weil sie die Anbindung in die Region priorisieren – ohne den Umweg und Schwenk über Schönefeld. In der Abwägung der jeweils betroffenen Fahrgäste halten wir dies für nicht richtig. Wir sagen: Eine vernünftige Abwägung führte zu der Erkenntnis, dass zwar eine Gruppe mehr belastet würde durch eine längere Fahrzeit, aber dafür würde ein großer Teil potenzieller Fahrgäste begünstigt. Deshalb kämpfen wir immer noch. Trotzdem ist unter allen Umständen die Anbindung mit dem öffentlichen Personennahverkehr sichergestellt und im Vergleich zu anderen Flughäfen – auch den bestehenden, wie beispielsweise Tegel – immer noch besser.

[Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]

Ja, wie kommen Sie denn heute ohne Probleme nach Tegel? – Kommen Sie nicht. Insofern haben wir das Ziel, es zu verbessern. Auf jeden Fall schließen wir uns der Darstellung des Verkehrsverbundes an, der neulich alle Facetten der Anbindung sehr öffentlichkeitswirksam dargestellt hat. Die Reaktion der Fachöffentlichkeit darauf war relativ günstig. Wir sehen noch die Lücke mit dem 20-Minuten-Takt und bemühen uns, diese Lücke zu schließen.

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister!

Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit

Es geht weiter mit der Frage Nr. 2 des Kollegen Friederici von der CDU-Fraktion zum Thema

Lärmschutzstrategie des Berliner Senates an der Bahntrasse im Zehlendorfer Ortsteil Nikolassee

Bitte schön, Herr Friederici!

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich frage den Senat:

1. Welche Lärmschutzstrategie verfolgt der Senat im Zehlendorfer Ortsteil Nikolassee beiderseits der Bahntrasse, entweder die Forderungen der Anwohner u. a. für ein lärmarmes Gleis, neue, innovative technische bzw. ingenieurtechnische Lösungen oder die Vorstellung der Deutschen Bahn AG einer einseitigen und mindestens 6 m hohen Betonwand einige Hundert Meter vor und hinter sowie quer durch den Bahnhof?

2. Welche Maßnahmen der Durchsetzung seiner Lärmschutzziele für den Ortsteil hat der Senat bislang unternommen bzw. sind zu erwarten, damit zum einen der örtliche Charakter Nikolassees erhalten bleibt und zum anderen den berechtigten Bürgerinteressen beiderseits der Bahntrasse Rechnung getragen wird?

Danke schön, Herr Kollege Friederici! – Frau Lompscher, die Umweltsenatorin, antwortet für den Senat. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Friederici! Lassen Sie mich vorausschicken, dass es sich um ein Vorhaben des Bundes handelt und dass auch die Entscheidung von einer Bundesbehörde getroffen werden wird. Unabhängig davon haben wir eine grundsätzliche Haltung zu dem von der Bahn AG vorgesehenen Vorschlag, den Anwohnerschutz durch eine 6 Meter hohe Lärmschutzwand zu realisieren. Wir haben dies bereits ausführlich in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage dargelegt. Dem Senat sind die Bedenken aus städtebaulicher Sicht nicht nur bekannt, sondern er teilt die Bedenken der Anwohner ausdrücklich und grundsätzlich. Die Einwendungen der zuständigen Stellen des Landes Berlin unterstützen die Forderungen der Anwohner eindeutig. Bei diesem Bauvorhaben ist es allerdings so, dass das Eisenbahnbundesamt die Genehmigungsbehörde ist und die Senatsverwaltungen sowie das Bezirksamt lediglich im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange auf das Verfahren einwirken können. Der Bund entscheidet.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz und das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf haben sich im Planfeststellungsverfahren mit verschiedenen Argu

menten gegen die Lärmschutzwand ausgesprochen und auch Alternativen aufgezeigt. Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz hat zu den Belangen der Lärmbekämpfung eingewendet, dass die Güterbahnstrecke nach Lichterfelde eine geringe Frequentierung und geringe Emissionspegel aufweist und damit nicht wesentlich zu den vorgefundenen Überschreitungen der Grenzwerte beiträgt. Es kommt hinzu, dass diese Strecke im nördlichen Teil der Trasse ab circa Kilometer 17,25 durch gewerblich genutzte Gebäude gegenüber der Wohnbebauung abgeschirmt wird und die stark befahrene Fernbahnstrecke Berlin-Charlottenburg-Drewitz sowie die Strecke der S7 ab circa Kilometer 17,3 vom Verlauf dieser Güterbahntrasse in erhöhter Dammlage nach Westen abzweigen. Deshalb sollte für den Bereich der Alemannenstraße eine Variante untersucht werden, bei der die Schallschutzwand entlang der Strecke CharlottenburgDrewitz etwa an der südlichen Begrenzung der Gewerbebauten endet und zusätzlich östlich der abzweigenden Fernbahntrasse eine Schallschutzwand auf der erhöhten Böschung errichtet werden. Eine derartige Variante haben wir vorgeschlagen. Diese ermöglichte ohne Erhöhung des Aufwandes eine Verringerung des Emissionspegels im Bereich Alemannenstraße. Bei einer in diesem Sinne veränderten Planung könnte die von den Bürgern und auch dem Senat kritisierte Schallschutzwand in der unmittelbaren Nachbarschaft des Hohenzollernplatzes zumindest in der Höhe deutlich reduziert werden.

Zu Ihrer Frage 2: Im Rahmen des Lärmaktionsplanes 2008 hat der Senat seine Konzeption zur Minderung des Schienenverkehrslärms dargestellt. Dieser Lärmaktionsplan ist dem Abgeordnetenhaus vorgelegt worden. Im Rahmen des Konjunkturprogramms II werden bis Ende 2011 technische Maßnahmen zur Lärmminderung an der Stadtbahn und am inneren Ring im Bezirk Pankow erprobt. Der Senat ist in Kontakt mit der Deutschen Bahn AG, um die Realisierung weiterer Maßnahmen im Rahmen des Schienenlärmsanierungsprogramms des Bundes zu forcieren.

Bezüglich der Situation in Nikolassee ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Fragen des Lärmschutzes hier in dem aktuellen Planfeststellungsverfahren geklärt werden müssen. – Vielen Dank!

Danke schön, Frau Lompscher! – Jetzt gibt es eine Nachfrage des Kollegen Friederici, zu der er das Wort hat. – Bitte, Herr Friederici!

Vielen Dank, Frau Senatorin für Ihre Ausführungen! Es freut mich, dass Sie die Bedenken der Anwohner grundsätzlich teilen, wie Sie gesagt haben. Ich habe noch eine ergänzende Frage: Wann rechnen Sie mit dem Baubeginn, der von der Deutschen Bahn zunächst in ihrer ursprünglichen Fassung geplanten Baumaßnahmen, und wie schät

Präsident Walter Momper

zen Sie es ein, dass die von Ihnen vorgestellte Alternativvariante wirklich gebaut wird?

Frau Senatorin Lompscher – bitte schön!

Herr Friederici! Jetzt könnte ich unmittelbar an das anschließen, was Herr Wowereit eben gesagt hat. Im Fall von Dissensen über Bahnplanungen dauert es in der Regel lange, und man kann nicht voraussagen, ob und wie die Belange, die wir vortragen, für die wir gute Argumente haben und bei denen wir davon ausgehen, dass man nicht nur kritisieren kann, sondern Alternativen vorschlagen muss, tatsächlich von der Planfeststellungsbehörde aufgegriffen werden. Wir sind jetzt daran interessiert, die Planfeststellungsbehörde, das Eisenbahnbundesamt, zunächst von unserer Sicht auf die Dinge zu überzeugen. Das würde zusätzlich Planungsaufwand nach sich ziehen und eine Verzögerung des Gesamtvorhabens bedeuten. Im Sinne der Sache, die wir gemeinsam betreiben, nämlich die 6 Meter hohe Lärmschutzwand zu verhindern, wäre das hinnehmbar.

Danke schön, Frau Senatorin! – Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Dr. Thärichen von der SPD-Fraktion. – Dazu haben Sie das Wort – bitte!

Vielen Dank, Frau Senatorin! Habe ich Sie richtig verstanden, dass sich das Land Berlin eindeutig gegen diese Lärmschutzwand positioniert und insoweit die Interessen der Anwohner aufgegriffen hat, und dass es jetzt Sache des Bundes ist, sowohl als Eigentümer der DB AG als auch über das Eisenbahnbundesamt, die Kritik gegen die Lärmschutzwand aufzugreifen und entsprechende Schritte einzuleiten?

Danke schön! – Frau Senatorin Lompscher – bitte!

Sehr geehrter Herr Thärichen! Das habe ich versucht deutlich zu machen. Die Anwohnerbedenken sind uns nicht nur bekannt, sondern wir teilen sie ausdrücklich. Wir – also die Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung, Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz und das Bezirksamt – haben das in allen Stellungnahmen im Rahmen des Planverfahrens deutlich gemacht. Ich hoffe, dass unsere Argumentation auch Gehör finden wird.

Danke schön, Frau Senatorin!

Jetzt geht es weiter mit der Frage Nr. 3 der Kollegin Clara Herrmann von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu dem Thema

Nazi-Demonstrationen am 1. Mai 2010

Bitte schön, Frau Herrmann, Sie haben das Wort!

Ich frage den Senat:

1. In welchem Stadtteil mit welchen Routen bzw. Kundgebungsorten sind rechtsextreme Demonstrationen am 1. Mai in Berlin wann geplant?

2. Ist der Senat mit uns der Meinung, dass es auch für das positive Image der Stadt weltweit wahrnehmbare Gegendemonstrationen in Hör- und Sichtweite der rechtsextremen Versammlungen geben muss?

Danke schön! – Der Innensenator, Herr Dr. Körting, beantwortet diese Fragen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Herrmann! Für den 1. Mai 2010 waren mehrere rechtsextremistische Demonstrationen geplant. Zwei Anmeldungen sind zurückgezogen worden, so dass jetzt noch eine rechtsextremistische Demonstration angemeldet ist, die am 1. Mai ab 11.00 Uhr im Bezirk Pankow stattfinden soll. Die genauen Kundgebungsorte, -routen und -zeiten sind noch nicht von der Versammlungsbehörde bestätigt.

Zur zweiten Frage: Ich teile Ihre Auffassung, dass es für das positive Image der Stadt gut ist, wenn sich in angemessener Hör- und Sichtweite zu einer solchen rechtsextremistischen Demonstration Bürger versammeln, um ihre Gegenmeinung zum Ausdruck zu bringen. Es ist durchaus gut für die Stadt, wenn das öffentlich deutlich wird.

[Beifall bei der SPD, den Grünen und der Linksfraktion]

Dieses positive Image der Stadt wird natürlich nur gefördert, wenn derartige Gegendemonstrationen friedlich ablaufen, nicht, wenn es gewalttätige Gegendemonstrationen sind.

[Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion und den Grünen]

Frau Herrmann hat eine Nachfrage. – Bitte, Sie haben das Wort!

Oliver Friederici

Vielen Dank, Herr Innensenator, dass Sie sich zumindest bezüglich einem Standort klarer ausgedrückt haben! Wie wollen Sie bezüglich der konkreten Route mit der friedlichen Zivilgesellschaft, die sich gegen die rechtsextreme Versammlung wenden möchte, kooperieren? Geben Sie noch nähere Detail bekannt?

Bitte, Herr Senator Dr. Körting!

Frau Kollegin Herrmann! Die Polizeiführer, die vor Ort tätig sein werden, haben eine gewisse Erfahrung mit solchen Situationen. Das Vorgehen wird wesentlich vom Verhalten der Beteiligten abhängen. Wir hatten schon rechtsextremistische Demonstrationen, bei denen die Gegendemonstranten bis auf einen Abstand von 30 bis 50 Meter herangeführt werden konnten, um friedlich zu demonstrieren. Das Versammlungs- und Demonstrationsrecht gilt aber für beide Seiten. Alles hängt davon ab, was dort passiert. Wenn zu erkennen ist, dass sich unter die friedlichen Gegendemonstranten – der Kollege Zöllner, Kardinal Sterzinsky, die Kollegin Bluhm u. a. haben dazu aufgerufen – solche mischen, denen es nicht nur darum geht, Gesicht zu zeigen, sondern um das Ausüben von Gewalt, dann muss die Polizei dafür sorgen, dass ein gehöriger Abstand zwischen Linken und Rechten eingehalten wird. Das entscheidet sich letztlich erst vor Ort am 1. Mai.

Danke schön, Herr Senator! – Der Kollege Lux hat noch eine Nachfrage. – Bitte schön!

Herr Präsident! Herr Innensenator! Habe ich Sie gerade richtig verstanden: Sie fordern alle Berlinerinnen und Berliner auf, sich den Neonazis am 1. Mai friedlich entgegenzustellen?

Bitte, Herr Senator Dr. Körting!

Herr Kollege Lux! Als zuständiger Senator für das Versammlungsrecht habe ich die Versammlungsfreiheit aller Beteiligten zu garantieren, auch derjenigen, die wir nicht mögen. Das sage ich deutlich. Deshalb rufe ich als Senator nicht zu Gegendemonstrationen auf. Als Berliner Bürger sage ich Ihnen aber, dass ich es begrüße, wenn Bürger deutlich machen, dass sie gegen verfassungsfeindlichen Organisationen sind.

[Beifall bei der SPD, den Grünen und der Linksfraktion]

Danke schön, Herr Senator!