Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Person von Frau Villbrandt, die schon startbereit ist. – Bitte schön, Frau Villbrandt! Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An einer Demenz leiden heute in Deutschland über eine Million Menschen – mit steigender Tendenz. So hat im Alter zwischen 80 und 90 Jahren schon fast jeder Dritte diese Krankheit. Für Betroffene heißt das zunehmender Verlust der geistigen Fähigkeiten, eingeschränkte Selbstständigkeit und irgendwann Verlust der Alltagskompetenz mit völliger Pflegeabhängigkeit. Die meisten Menschen mit Demenzerkrankung werden zu Hause versorgt. Diese Krankheit bedeutet aber für die pflegenden Angehörigen eine extreme Belastung.
Wenn die häusliche Betreuung nicht mehr möglich ist oder Angehörige fehlen, kommt in der Regel nur die Unterbringung in einem Pflegeheim oder seit einigen Jahren auch in einer Demenzwohngemeinschaft infrage. Die Wohngemeinschaften für die Betreuung von Menschen mit Demenz sind inzwischen zu einem festen Bestandteil der pflegerischen Versorgung geworden – in Berlin viel mehr als in anderen Städten. Die Wohngemeinschaften waren ursprünglich ausschließlich im Zusammenhang mit dem Engagement der Angehörigen gedacht. Solche Wohngemeinschaften gibt es, aber sie sind heute eher eine Minderheit. Die Wohngemeinschaften werden heute leider häufig geschaffen, um finanzielle
Wenn Bewohner und Bewohnerinnen der Wohngemeinschaften ihre Alterskompetenz verlieren und keine Angehörigen ihre Versorgung überwachen, dann sind diese Menschen extrem gefährdet, nicht gut versorgt zu werden. Versorgungsqualität und Verbraucher- und Verbraucherinnenschutz müssen deshalb durch wirksame Instrumente auch für diese Menschen gesichert werden.
Die Hinweise auf schlechte Versorgung in Wohngemeinschaften nehmen zu, und sie sind sehr beunruhigend. Bewohner und Bewohnerinnen werden nachts eingeschlossen oder werden mit Medikamenten ruhig gestellt. Es gibt zu wenige und schlecht bezahlte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Das ist alarmierend.
Für die Bewohner und Bewohnerinnen der Demenzwohngemeinschaften, die einen Anspruch auf Hilfe zur Pflege haben, wurde 2005 die Abrechnung von ambulanten Pflegeleistungen in Form von Tagespauschalen eingeführt. Diese Tagespauschalen werden ohne jegliche Qualitätsvereinbarung ausgegeben. Wohngemeinschaften bekommen eine Pauschalförderung – egal, welchen Personalschlüssel sie dann haben. Es gibt Häuser mit mehreren Wohngemeinschaften, die sich nachts eine Nachtwache teilen. Das ist heute legal, aber trotzdem nicht akzeptabel.
Nach Meinung von Rot-Rot soll das aber weiter so bleiben. Wir sagen nein dazu. Hilflose und hilfebedürftige Menschen müssen geschützt werden.
Der Senat muss hierbei für die Versorgungsqualität sorgen, indem die Vereinbarung zur Tagespauschale mit einer Vereinbarung zur Leistungsqualität unterlegt wird. Wir brauchen Qualitätssicherung, die sich nicht allein auf das Wohnteilhabegesetz stützt. Das ist der Kern unseres Antrags.
Die Mehrheit dieses Parlaments lehnt das leider ab. Seit uns der Treberhilfe-Skandal beschäftigt, versucht der Senat, von der eigenen Verantwortung für mehr Kontrolle abzulenken. Beispielsweise will er die Verwaltung von Zuwendungen an freie Träger im Sozial- und Gesundheitsbereich wieder in die Senatsverwaltung zurückholen. Dabei wissen wir alle, dass nicht bei der Zuwendungsfinanzierung Intransparenz herrscht. Hier muss jede Briefmarke abgerechnet werden. Transparenzkontrolle und vor allem Qualitätsanforderungen fehlen bei den entgeltfinanzierten Leistungen. Mit solchen Schritten wollen Sie ernsthafte Aktivitäten vortäuschen, aber die Ablehnung unseres Antrags entlarvt Sie. Das ist fatal, denn damit
nehmen Sie bewusst in Kauf, dass die Ausgaben für Menschen mit Demenz nicht bei Ihnen ankommen. Wir werden Sie damit nicht in Ruhe lassen. – Danke schön!
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Villbrandt! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Isenberg das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie in anderen europäischen Metropolen auch haben wir in Berlin einen grundlegenden Strukturwandel der Gesellschaft. Die Bevölkerung wird älter, sie wird aber gleichzeitig auch bunter. Lassen Sie uns das als eine Chance begreifen, auch im Bereich der Pflege zu einer selbstbestimmten, humanen Pflege zu kommen, die die Teilhabe von allen ermöglicht. Die Ziele sind klar: länger und gesund leben im Kiez, gemeinsam statt einsam, ambulant vor stationär und lieber zu Hause als im Heim. Das ist, was die Menschen wollen. Das ist, was die SPD und der von ihr getragene Senat erfolgreich umgesetzt hat und fortentwickelt.
Und mit Verlaub, meine lieben Freunde von den Grünen: Was Sie als Fata Morgana und Symbolpolitik aufbauen, hat insbesondere in der Vermischung mit anderen Themen fachlich nichts mit der Sache zu tun. Wissen Sie eigentlich, was Beschlusslage ist? Wissen Sie eigentlich, was wir in diesem Parlament im Bereich Pflege gemeinsam beschlossen haben? Ich glaube, nein. Fakt ist, die SPD hat 2005 in den Landes- und Bundesregierungen und auch 2007 dafür gesorgt, mit den Leistungskomplexen erfolgreich auf den Bedarf der Betroffenen einzugehen. Erstmalig ist es möglich, dass Wohngemeinschaften blühen, dass die Bewohner und Angehörigen gemeinsam ein Pflegearrangement ausgestalten, das ein 24-StundenRundum-Sorglos-Paket beinhaltet. Es ist eine Innovation sozialdemokratischer Regierungspolitik, dass hier Bürokratie nicht vor den Wünschen Betroffener steht.
Schon 8 Prozent aller Pflegebedürftigen leben in Wohngemeinschaften. Dieser Trend wird sich fortsetzen. Bewohner haben eine Abneigung gegen Heime. Drei bis zwölf Demenzerkrankte gemeinsam in einer Wohngemeinschaft mit einem eigenen Zimmer, mit gemeinschaftlichen Wohneinrichtungen ermöglichen auch, dass aktiviert wird, wo man im Alter noch Potenziale hat. Das sollten Sie doch eigentlich auch ganz gut wissen.
24-Stunden-Rundum-Sorglospflege, hauswirtschaftliche Betreuung sind auch mit den Komplexpauschalen möglich, die Sie eben genannt haben. Sie von den Grünen behaupten ein massives Pflegedefizit. Sie behaupten, die mangelnde Kontrolle der Pflegeleistungen ist darauf zurückzuführen, dass es für den ambulanten Bereich bisher
noch keine ordnungspolitischen Grundlagen gibt. Ja, meine lieben Freundinnen und Freunde, schauen Sie doch einmal in die Beschlusslagen dieses Hauses hinein. Wir haben inzwischen ein Wohnteilhabegesetz beschlossen.
Ich lasse keine Zusatzfragen zu. – Wir haben inzwischen das Wohnteilhabegesetz verabschiedet. Dieses ist in Kraft. Erstmalig haben wir auch im Ordnungsrecht auch die ambulanten Wohngemeinschaften als Gegenstand staatlichen Handelns einbezogen.
Berlin ist hier Spitze. Nur Bayern und Hamburg haben annähernd ähnliche Regelungen. Nehmen Sie dieses zur Kenntnis, statt mit Symbolpolitik den Vorwahlkampf zu eröffnen.
Weitere Meilensteine sind erfolgreich von diesem Senat im Ordnungsrecht mit dem Wohnteilhabegesetz verankert worden. Wir haben eine Transparenz- und Veröffentlichungspflicht über das Spektrum der Leistungsanbieter, die Sie hier pauschal verunglimpfen. Wir haben eine Pflicht zur Veröffentlichung der Ergebnisse der Heimprüfungen und auch der Prüfungen, wo sie im ambulanten Wohnbereich stattfinden.
Wir haben eine Meldepflicht – nicht nur Statistiken von einzelnen Kassen wie der AOK, die feststellen, dass wir um die 260 Wohngemeinschaften unter Umständen haben können. Wir haben eine Meldepflicht, die erstmalig die ordnungsrechtliche Schließung, Begehung und Prüfung ermöglicht, wer transparent ist und wer Heime betreibt. Ich bin sicher, dass es spannend sein wird zu sehen, wo sich hier auch private Pflegedienstanbieter von den doch häufig gemeinwohlorientierter handelnden Unternehmungen unterscheiden. Das ist auch gut so.
Lassen Sie mich noch ganz klar sagen: Unser Konzept ist eine umfassende demokratische Strategie. Hier reden wir auch über Beratungsinfrastruktur. Wir reden auch über das Einbringen der Koordinierungsstellen im Alter in die neuen Pflegestützpunkte. Wir reden darüber, dass wir mit dem Wohnteilhabegesetz ebenfalls die fachlichen Anforderungen an die Leistungserbringer in den nächsten Monaten in den Rechtsverordnungen erarbeiten werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von Grünen! Bleiben Sie fachlich, diskutieren Sie mit uns über die Kriterien dieser Rechtsverordnung, statt eine Symbolpolitik zu machen! Seien Sie sicher, die SPD in Berlin ist der beste Anwalt für die Senioren und Verbraucherinnen im Parlament! – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Isenberg! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Hoffmann das Wort.
Würden Sie sich bitte das nächste Mal auf Ihrem Platz eindrücken? Dann haben wir auch eine bessere Übersicht. Sie haben jetzt das Wort für eine Kurzintervention.
Herr Kollege von der SPD! Ich glaube, das war Ihre Jungfernrede. Trotzdem haben Sie mich nicht nur nicht beeindruckt, sondern mich entsetzt.
Ich habe gehört, dass Sie beruflich mit der Verbraucherschutzzentrale zu tun haben. Dort arbeiten Sie am Tage. Wenn Sie Verbraucherschützer sind, steht es schlecht um unsere Zukunft, vor allem um die Menschen, die pflegebedürftig werden und vom Schutz abhängig sind.
Nichts von dem, was Sie hier gesagt haben, ändert etwas an der Situation, dass die Wohngemeinschaften, die gleiches Geld bekommen, vielleicht sechs Menschen, andere aber nur zwei Menschen einstellen. Es gibt nachts für einige Wohngemeinschaften eine Person, die nachschaut. Das alles ändert sich nicht durch Ihre Argumente. Darum geht es doch aber überhaupt. Ich habe nicht gesagt, dass das Wohnteilhabegesetz nicht ein Schritt in die richtige Richtung war. Dazu stehe ich. Es ist aber nicht ausreichend. Sie müssten wissen, dass eine gute Qualitätskontrolle auf vielen Standbeinen stehen muss. Ein Standbein muss sein, dass man richtige Verträge abschließt und Verträge an Qualitätsansprüche gebunden sind. Nur dann hat man eine Möglichkeit zu sagen, dass es so nicht geht, vor allem bei Menschen mit Demenz, die unseren besonderen Schutz brauchen, insbesondere wenn sie keine Angehörigen haben. Es würde Ihnen viel besser stehen, wenn Sie sich dafür einsetzen würden. – Danke!
Wissen Sie, Ihre persönlichen Einlassungen diskutieren wir einmal bei Gelegenheit, bei einem Bierchen oder beim Tee, was immer Sie am liebsten trinken. Ansonsten komme ich noch einmal zur Sache zurück. Jeder Fall eines Skandals ist ein Fall zu viel, wo auch immer er auftaucht, sei es im Heim oder im ambulanten Bereich. Da sind wir auch Schutzmacht der Betroffenen, verlassen Sie sich darauf.