Protokoll der Sitzung vom 17.06.2010

[Beifall von Marion Platta (Linksfraktion)]

SPD und Senatsverwaltung sind anderer Auffassung. Sie riskieren damit die Anfechtbarkeit des Planungsverfahrens. SPD und Grüne haben sich nun aber im Bezirk Mitte auf einen B-Plan-Aufstellungsbeschluss geeinigt, der, zum einen positiv, was wir auch unterstützen, den auch von uns geforderten Ausbau des Mauerparks im ursprünglich geplanten Umfang beinhaltet. Das ist auch ein Erfolg der Hartnäckigkeit der Bürgerinitiativen, aber auch der Grünen in Pankow und der Linkspartei in beiden Be

zirken, aber um den Preis einer dichten Wohnbebauung im Norden, zu deren verkehrlicher Erschließung der halbe denkmalgeschützte Gleimtunnel abgerissen werden soll, und um den Preis einer Einzelhandelskonzentration an der Bernauer Straße, die dort niemand braucht, nur um den Aufkauf der für die Fertigstellung des Mauerparks notwendigen Flächen gegen die Ausreichung von Baurechten und damit Landesmitteln zu ersparen. – Übrigens, SPD, Grüne und Linke sind gegen diese Lösung, Kollegin Haußdörfer!

[Christian Gaebler (SPD): Das stimmt nicht!]

Die SPD wäre bereit, ein FNP-Änderungsverfahren einzuleiten, wenn die Linksfraktion vorab der Zielstellung des B-Plans zustimmte, obgleich Die Linke in Mitte und Pankow dagegengestimmt hat. Eine solche Zusage wäre nicht nur eine Selbstverleugnung, sondern sie würde überdies auch das Erörterungs- und Abwägungsverfahren ad absurdum führen. Insofern ist die Beschlussformel des Grünen-Antrags, die FNP-Änderung einzuleiten, um den FNP an den Beschluss über die Aufstellung des B-Plans durch das Bezirksamt Mitte anzupassen, ebenso fragwürdig, denn ob die vom Bezirksamt Mitte im B-Planverfahren anvisierte Planung Bestand hat und der FNP vom Abgeordnetenhaus mitgetragen wird, muss notwendigerweise offen bleiben, weil es ein Planungsverfahren ist. Der Beschlusspunkt in Ihrem Antrag, lieber Herr Otto, müsste daher lauten:

Der Senat wird aufgefordert, die Notwendigkeit einer FNP-Änderung zur planungsrechtlichen Absicherung der Absichten des Bezirkes Mitte anzuerkennen und diese unverzüglich einzuleiten.

Für eine solche Positionierung des Abgeordnetenhauses sehe ich aber keine Übereinstimmung mit der SPD.

Der Bezirk Mitte wird also nun mit dem Segen der Senatsverwaltung eine Planung umzusetzen versuchen, der Die Linke inhaltlich nicht zustimmt und deren planungsrechtliche Basis wir bezweifeln. Es besteht für uns politisch keine Möglichkeit, die Mitwirkung des Abgeordnetenhauses zu erzwingen. Grüne und SPD werden Denkmalabriss und Einzelhandelskonzentration am südlichen Parkzugang mitverantworten müssen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der Linksfraktion – Zuruf von Andreas Otto (Grüne)]

Danke schön, Herr Kollege Dr. Flierl! – Für die FDPFraktion hat nunmehr der Kollege von Lüdeke das Wort. – Bitte schön!

Bei den Redebeiträgen, gerade beim Redebeitrag von Herrn Dr. Flierl, wurde ja schon deutlich, dass es sich hier um eine Feinschmeckergeschichte handelt. Ich glaube,

dass das Gremium um diese Zeit damit ein bisschen überfordert ist.

[Beifall bei der FDP, der SPD und der CDU]

Das gehört in den Stadtentwicklungsausschuss. Nach dem, was wir heute Abend gehört haben, gerade von der Koalition, freuen wir uns auf die Diskussion. Ich kann den Grünen jetzt schon ankündigen, dass wir ihren Änderungsantrag mittragen werden. Wir wollen mal sehen, wie er aus dem Stadtentwicklungsausschuss wieder herauskommt. Dann können wir vielleicht noch mal reden. – Damit bin ich für heute Abend zu Ende.

[Beifall bei der FDP, der CDU – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Super, Herr von Lüdeke! – Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/3269 an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr. – Dazu höre ich keinen Widerspruch.

Die lfd. Nr. 29 war Priorität der CDU-Fraktion unter der lfd. Nr. 4.1.

Ich komme dann zur

lfd. Nr. 30:

Antrag

Ein Denkmal für die ab Frühjahr 1945 in Berlin geschändeten Frauen

Antrag der CDU Drs 16/3272

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der CDU in Person von Herrn Braun. – Bitte schön, Herr Braun!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werbe hier und heute um Unterstützung für unser Anliegen, für ein Denkmal für die seit Frühjahr 1945 in Berlin vergewaltigten Frauen. Über das Konzept, über Inschriften und die Gestaltung sollten wir offen sprechen und Organisationen wie Opferverbände oder LARA mit einbeziehen.

Lassen Sie mich kurz die Gründe nennen! Warum erst jetzt diese Initiative? – Wir wissen – und wir nehmen das auch zur Kenntnis –, dass Deutschland den barbarischen Krieg begonnen hat, aber das rechtfertigt nicht das an den Frauen begangene Unrecht. Seit zwei Jahren stuft die UNO Vergewaltigung auch in militärischen Konflikten als Kriegsverbrechen ein. Darüber hinaus konnten und wollten viele Frauen über das erlittene Unrecht nicht sprechen.

Aber viele Frauen leiden noch heute unter ihren Verletzungen. Ich werde Ihnen Beispiele nennen. Zunehmend wenden sich Kinder oder Pflegekräfte an Organisationen

wie LARA mit der Begründung, sie hätten Schwierigkeiten, wenn sie Frauen, die in Pflegeheimen sind, anfassen, weil sie hysterisch und sehr ablehnend reagieren. Dann stellen sie oft fest, dass sie es eben nicht verkraften, angefasst zu werden, und dass sie noch heute unter diesem Trauma leiden. – Wir wollen ihnen eine lautlose, aber eine Stimme geben, wollen zeigen, dass wir zu ihnen stehen.

[Beifall bei der CDU]

Das ist nicht selbstverständlich, Solidarität mit diesen Frauen. Viele von ihnen wurden von ihren Männern oder Partnern alleingelassen, mussten sich Totaloperationen unterziehen, Abtreibungen zulassen. Viele von ihnen nahmen sich auch aus Scham das Leben. Seriöse Schätzungen sprechen von mehr als 100 000 vergewaltigten Frauen. Wir wissen, das sind nicht beklagenswerte Einzelschicksale, sondern wir sprechen heute über ein Massenphänomen.

Ich will es an diesem Abend nicht zu lang machen. Ich fordere Sie auf: Lassen Sie uns im Ausschuss seriös darüber reden, wie wir damit umgehen können. Wir wollen das nicht im Parteiengezänk mit Ihnen diskutieren, sondern wir wollen versuchen, mit allen Fraktionen zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen! Ich bitte um Ihre Unterstützung. – Danke schön!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Braun! – Für die SPDFraktion hat jetzt Frau Lange das Wort. – Bitte schön, Frau Lange!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Braun! Sie machen mit Ihrem Antrag auf das Schicksal Tausender Frauen, die zu Kriegsende von alliierten Soldaten vergewaltigt wurden, aufmerksam. Zwar sagen Sie nicht direkt, welche Alliierten Sie genau meinen, aber der Begründung ist zu entnehmen, dass Sie vor allem auf Soldaten der Roten Armee abheben. Das überrascht uns nicht. Ihr reflexhafter Antikommunismus hat bereits so einen Bart, und Ihre reduzierte Wahrnehmung der Geschichte ist uns ebenfalls bekannt.

[Özcan Mutlu (Grüne): Das ist doch unglaublich! – Andreas Gram (CDU): Unterstes Niveau!]

Zu Ihrer Information: Vergewaltigungen wurden als Mittel der Kriegsführung an der Zivilbevölkerung von sowjetischen Soldaten begangen, aber nicht allein von diesen, auch Westalliierte vergewaltigten zu Kriegsende Frauen.

[Heidi Kosche (Grüne): Das macht es nicht besser!]

Sie fordern in Ihrem Antrag ein Denkmal in Berlin. Gleichzeitig sagen Sie, dass Vergewaltigungen nicht nur in Berlin, sondern im gesamten Gebiet des besetzten Deutschlands stattfanden.

[Kurt Wansner (CDU): Berlin ist aber die Hauptstadt!]

Fordern Sie ein Denkmal für alle diese Frauen? Ihr Antrag ist in diesem Punkt nicht klar.

Abgesehen von solchen handwerklichen Mängeln finde ich Ihren Antrag auch inhaltlich empörend unbedarft und im Ansatz schon dem Thema nicht angemessen. Ihr Antrag ist ein populistischer Vorstoß, mit dem Sie eine zweifelhafte Geschichtsdeutung betreiben. Sie instrumentalisieren Opfer von Vergewaltigungen, um Ihrer Geschichtsdeutung ein Denkmal zu setzen. Denn worum sollte es eigentlich gehen? Die betroffenen Frauen können zum großen Teil bis heute noch nicht über das ihnen Angetane sprechen, sind bis heute traumatisiert und leiden ihr ganzes Leben. Aber Aufgabe der Politik, Aufgabe von uns kann es nicht sein, ein Denkmal für erkannte Missstände zu setzen. Unsere Aufgabe ist, Missstände zu beheben.

Was genau sollte die Aussage eines solchen Denkmals sein? Wäre es nicht wichtig, die Unfähigkeit unserer eigenen Gesellschaft zu dokumentieren, mitzufühlen mit den individuellen Schicksalen, um die gesellschaftliche Dimension der Tabuisierung zu erkennen, das Schweigen in den 50er- und 60er-Jahren, die peinliche Berührtheit bei dem Thema bis heute und der Unfähigkeit, Vergewaltigung wie sexuelle Nötigung generell als mehr anzusehen als einen harmlosen Annäherungsversuch?

[Andreas Gram (CDU): Wer tut denn das? Was reden Sie denn da?]

Wenn wir vergewaltigten Frauen Gerechtigkeit widerfahren lassen wollen, hilft es nicht, sie als Opfer zu würdigen. Auf diese Weise würden wir uns elegant der eigentlichen Fragen entledigen. Mit einem Denkmal würde die Opferrolle wiederholt und zementiert. Den Frauen ist nicht damit geholfen, dass wir ihrer einmal im Jahr per Blumengebinde gedenken. Ziel muss sein, sie von der Opferrolle zu befreien, sie zu ermächtigen, Herrin über ihr eigenes Schicksal zu sein, individuell, weder als Opfer noch als Heldin, einfach als Mensch.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Deshalb lehnen wir Ihren Antrag auch im Ausschuss ab. – Lassen Sie mich abschließend noch einmal wiederholen: Es ist nicht nur ärgerlich, sondern wirklich empörend und einer christlichen Partei unwürdig, wie Sie verkürzt mit geschichtlichen Vorkommnissen umgehen. Sie demonstrieren eine oberflächliche Absicht, den Menschen Gutes zu tun, aber es geht Ihnen nur darum, die Geschichte in ihrer eigenen Weise zu interpretieren und die Folgen der Geschichte zu verdrängen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Andreas Gram (CDU): Die schlechteste Rede, die ich seit Langem gehört habe! – Kurt Wansner (CDU): Für diese Rede würde ich mich schämen!]

Danke schön, Frau Kollegin! – Frau Ströver hat jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was vielleicht ein wichtiges Anliegen ist, weil ein Tabuthema einer breiteren Öffentlichkeit zugeführt wird, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ist noch lange nicht in der Form eines Denkmals mit dem richtigen Mittel gewürdigt, ein bisher viel zu wenig beachtetes Thema aufzugreifen und darauf hinzuweisen. Deswegen sagen wir: „Ein Denkmal für die ab Frühjahr 1945 in Berlin geschändeten Frauen“ – ich zitiere die Überschrift Ihres Antrags – findet unsere Zustimmung eher nicht.

Einige Argumente: Ein Denkmal in einer künstlerischen Ausdrucksform – das hat Frau Lange auch schon gesagt – ist keine geeignete Form, auf die Vergewaltigung von Frauen nach dem Zweiten Weltkrieg hinzuweisen. Es ist ganz schwer, dafür eine künstlerische Formensprache zu finden. Mit welcher Aussage wollen Sie das machen? Wollen Sie Frauen als leidende Opfer darstellen, Soldaten als Täter?

Zweites Argument: Es ist kein landespolitisches Thema. Es ist eine wichtige Frage, die aber nicht mit einem auf Berlin bezogenen Kontext, wie es Ihr Antrag suggeriert, zu beantworten ist.