Protokoll der Sitzung vom 09.09.2010

Danke schön!

Wir kommen zur Frage Nr. 5 des Kollegen Volker Thiel von der FDP-Fraktion zu dem Thema

Unregelmäßigkeiten im öffentlichen Beschäftigungssektor?

Bitte schön, Herr Thiel!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Wie beurteilt der Senat die Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Arbeitsgelegenheiten auf Entgeltvariante im Jobcenter Mitte, und hat er Erkenntnisse über weitere Unregelmäßigkeiten in anderen Jobcentern und bei anderen Varianten öffentlicher Beschäftigung?

2. Wie will sich der Senat in der Zukunft dafür einsetzen, dass vom Steuerzahler zu finanzierende Arbeitsgelegenheiten nicht mehr ohne hinreichende Prüfung der Rechtmäßigkeit an Arbeitssuchende vergeben werden?

Für den Senat antwortet die Sozialsenatorin, Frau Bluhm. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Thiel! Lassen Sie mich eine Vorbemerkung machen. Bei dem Sachverhalt geht es um die Leistungs

erbringung des Bundes. Deshalb obliegt auch die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Erbringung der Leistung der Bundesagentur für Arbeit, die eine Prüfung in Form einer Innenrevision vorgenommen hat. Der in Rede stehende Prüfbericht liegt dem Senat nicht vor.

Zur ersten Frage: Es ist nach Rücksprache mit dem Jobcenter Mitte bekannt, dass die interne Revision eine Überprüfung aller Instrumente des zweiten Arbeitsmarktes vorgenommen hat. Dabei geht es um eine Rechtmäßigkeitsprüfung. Nach Auskunft des Jobcenters werden alle Maßnahmen, bei denen Unregelmäßigkeiten aufgedeckt werden, in Absprache mit dem Träger verändert. Die Betonung liegt auf „verändert“ und bedeutet nicht „eingestellt“. Die Unregelmäßigkeiten beziehen sich in erster Linie auf Organisationsdefizite, Defizite im Verfahrensablauf und auf den Umgang mit diesen Instrumenten im Jobcenter Mitte selbst. Es gibt keinen generellen Maßnahmestopp. In der Presse ist dies missverständlich wiedergegeben worden.

Nach Auskunft der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg und des Jobcenters wurden bisher lediglich zwei Maßnahmen gestoppt. Dabei handelt es sich um Vergabemaßnahmen, bei denen der Mindestlohn nicht eingehalten worden ist. Vielleicht erinnern Sie sich, dass ich am 1. Juli im Parlament genau über diesen Sachverhalt berichtet und die Prüfung in Aussicht gestellt habe. Regionaldirektion und Senat haben in Bezug auf die Kofinanzierung dieser Maßnahmen sofort nach Bekanntwerden dieser Unregelmäßigkeiten reagiert. Das Jobcenter hat sich entschieden, bereits während des laufenden Prüfverfahrens Veränderungen im Verfahren und bei der Ausgestaltung von Maßnahmen beziehungsweise bei der Zuweisung vorzunehmen. Das begrüßt der Senat ausdrücklich. Maßgeblich wird es durch die neue Geschäftsführung begleitet.

Zur zweiten Frage: Wie ich bereits kurz ausgeführt habe, obliegt die Gewährleistungsverantwortung der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg beziehungsweise der Agentur für Arbeit in Mitte. Aufgrund dieser Verantwortung ist dem Senat versichert worden, dass die festgestellten Mängel umgehend beseitig beziehungsweise die Rechtmäßigkeit hergestellt werden. Der Senat hat als Landesbehörde keinen Einfluss auf interne Angelegenheiten der Einrichtungen der Bundesagentur für Arbeit. Ich gehe jedoch davon aus, dass die bezirklichen Mitglieder der Trägervertretung die Auswertung verfolgen und die notwendigen Konsequenzen ziehen und ihren Einfluss geltend machen werden, um notwendige Veränderungen herbeizuführen.

Danke schön! – Jetzt gibt es eine Nachfrage des Kollegen Thiel. – Bitte schön!

Vielen Dank! – Vielen Dank, Frau Senatorin! Welchen Auswirkungen haben die festgestellten Unregelmäßigkeiten für die Zukunft des öffentlichen Beschäftigungssektors, dessen Grundlage neuerdings die Arbeitsgelegenheiten auf Entgeltvariante bilden?

Frau Senatorin Bluhm – bitte!

Wir müssen bei der Betrachtung des Sachverhalts zwei Dinge auseinanderhalten: zum einen die interne Revision, die stattgefunden hat, wo es einen andauernden Prozess der Veränderung gibt. Wir stehen vor der Aufgabe, die Träger nicht in Mitleidenschaft zu ziehen für offensichtlich nicht rechtmäßiges Verhalten bei der Abwicklung, der Erstellung von Fördervoraussetzungen und deren Bewertung. Das Jobcenter Mitte hat uns in dem Sinne informiert. Darüber hinaus gibt es aber große Probleme für den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, auf andere Instrumente umzustellen und dabei den zwölf Jobcentern weniger Geld zur Verfügung zu stellen. Wir müssen schauen, dass sich beide Prozesse nicht insgesamt negativ auf die Möglichkeiten des öffentlich geförderten Beschäftigungssektors auswirken.

Um Ihrer Frage vorzugreifen: Es gibt im Moment knapp 6 200 Stellen im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor. In dem Fall ist an vielen Stellen die Umwidmung aus einem anderen Instrument, also dem Beschäftigungszuschuss hin in die Arbeitsgelegenheit nach Entgelt oder in den Beschäftigungszuschuss für Ältere, gelungen. Aber an vielen Stellen zeichnet sich in den Jobcentern ab, dass dieser Prozess schwierig ist. Im konkreten Fall, den Sie nachgefragt haben, kommen die Probleme der Innenrevision und die laufende Anpassung an den Förderprozess hinzu. Es gibt aber keinen Maßnahmestopp, wie wir bei konkreten Projekten wie dem Begleitservice für Busse und Bahnen erkennen können. Hier gibt es Förderzusagen in diesem Instrument und für diesen Maßnahmetyp.

Danke schön! – Eine Nachfrage Herr Thiel? – Nein, Sie haben ja schon nachgefragt.

Dann kommen wir zur Frage Nr. 6 von der Kollegin Christa Müller zu dem Thema

Das neue Ausbildungsjahr beginnt: Haben alle Jugendlichen die Chance auf einen Ausbildungsplatz?

Bitte schön, Frau Müller, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich frage den Senat:

1. Wie bewertet der Senat die aktuelle Situation des Ausbildungsmarktes in Berlin, wie viele junge Menschen suchen zurzeit noch einen Ausbildungsplatz; und wie viele unbesetzte Ausbildungsstellen gibt es?

2. Wie unterstützt der Senat junge Menschen, die bisher keinen betrieblichen Ausbildungsplatz gefunden haben?

Jetzt ist die Senatorin Bluhm wieder an der Reihe. – Bitte schön, Frau Senatorin!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Müller! Bislang wurden seit Beginn des Berichtsjahres 17 275 Bewerberinnen und Bewerber registriert. Das sind 10,2 Prozent weniger als im Vorjahr. Im selben Zeitraum wurden 13 093 besetzbare Ausbildungsplätze gemeldet, im Vergleich zum Vorjahr sind das 1 047 mehr. Die Zahl der gemeldeten betrieblichen Ausbildungsplätze erhöhte sich um 315 auf 10 287 Plätze. Durch den Rückgang bei den Bewerberinnen und Bewerbern und dem leichten Anstieg gemeldeter Ausbildungsplätze hat sich die Stellen-Bewerber-Relation im Vergleich zum Vorjahr etwas verbessert. Die leichten Steigerungen an besetzbaren Ausbildungsplätzen gegenüber dem Vorjahr können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in Berlin weiterhin deutlich mehr Ausbildungsplatzsuchende als Ausbildungsstellen gibt. Zum Ende des Monats August gab es noch rund doppelt so viele unversorgte Ausbildungsplatzsuchende wie zu besetzende Ausbildungsstellen. Das bedeutet, Ende August suchten in Berlin noch 5 199 Jugendliche einen Ausbildungsplatz. Zum selben Zeitpunkt waren nur 2 584 Ausbildungsplätze als unbesetzt registriert. Das heißt, es ist weiterhin die Wirtschaft gefragt, ausreichend Ausbildungsplätze bereitzustellen. Investitionen in Ausbildung sind auch eine entscheidende und wichtige Zukunftssicherung für den von uns allen diskutierten Fachkräftemangel, besser gesagt, um ihm vorzubeugen. Insofern muss die Ausbildung junger Menschen auch im ureigenen Interesse Berliner Unternehmen liegen.

Die Vermittlung in Ausbildung läuft für das bereits begonnene Ausbildungsjahr– wie wir es auch aus den vergangenen Jahren kennen – in der Regel noch bis Dezember 2010 und Januar 2011. Die diesjährige Nachvermittlungsaktion von IHK, Handwerkskammer und Regionaldirektion Berlin-Brandenburg findet im Rahmen der Jugendmesse YOU am 1. und 2. Oktober auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof statt. Sie hat in Berlin in den vergangenen Jahren Erfolge hinsichtlich des

Abbaus der Zahl der unversorgten Bewerberinnen und Bewerber für eine Berufsausbildung gebracht.

Zur zweiten Frage: Auch 2010 haben wir mehr Bewerberinnen und Bewerber als Ausbildungsplätze in den Unternehmen. Deshalb müssen wir wieder umfangreiche und auch teure Alternativen, nämlich öffentlich geförderte und voll finanzierte Ausbildungsmöglichkeiten und Ausbildungsplätze anbieten, um allen Ausbildungswilligen und -fähigen eine Chance zur Berufsqualifizierung zu vermitteln. Dazu gehören vor allem unser APP-plus-Programm mit 1 400 Plätzen, die vollschulischen Berufsausbildungsangebote mit bis zu 6 000 Plätzen und das Richtlinienprogramm des Senats zur Förderung der Berufsausbildung. Für Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationshintergrund gibt es die entwickelten Programme „Ausbildung in Sicht“, „Berlin braucht dich!“ und das Aktionsprogramm „Integration – Ausbildung“. Und es gibt das Förderprogramm aus dem SGB II von der Regionaldirektion für benachteiligte Jugendliche mit einer Platzzahl von 2 000.

Kollegin Müller hat das Wort zu einer Nachfrage. – Bitte!

Vielen Dank, Frau Senatorin! – Die Crux ist hierbei immer wieder, dass viele Jugendliche noch nicht als richtig ausbildungsreif bezeichnet werden. Deshalb meine Frage: Wie unterstützt der Senat ausbildungswillige Betriebe dabei, Jugendlichen mit Defiziten in der Ausbildungsreife eine Chance zu geben?

Frau Senatorin Bluhm – bitte!

Ich hatte die Programme, die der Senat auch unterstützt, begleitet und initiiert hat, noch mal genannt. Darüber hinaus gibt es eine sehr gute Idee, nämlich die Einstiegsqualifizierung, die die Möglichkeit bietet, sowohl den zukünftigen Auszubildenden als auch den zukünftigen Ausbildungsbetrieb vor Abschluss eines Ausbildungsvertrages in Form von Qualifizierungsmaßnahmen zusammenzubringen. Die Unternehmen sind gut beraten, wenn sie von dieser Möglichkeit zahlreicher Gebrauch machen. Das soll auch durch die Regionaldirektion BerlinBrandenburg unterstützt werden. Wir haben diesen einen sehr notwendigen, zusätzlichen Weg auch in der Sonderkommission für Ausbildungsplätze und zur Verhinderung eines Fachkräftemangels besprochen. Es ist ein wichtiger Weg, dass schon eine Bindung zwischen einem Jugendlichen und einem Unternehmen hergestellt wird, auch wenn von beiden Seiten der endgültige Entschluss zur Übernahme bzw. zum Eingehen eines Ausbildungsverhältnisses nicht feststeht. Die Testphase ist für beide Seiten sehr

wichtig, und bei den Projekten, die schon auf diesem Weg sind – unter dem Label Einstiegsqualifizierung – und die wir beobachten konnten, haben wir sehr gute Erfolge erzielt.

Danke, Frau Senatorin! – Ich möchte noch einmal ohne Ansehen einer Person darauf hinweisen, dass man sich erst mit einer Frage einloggen kann, wenn die Senatorin oder der Senator mit der Antwort beginnt. Vorher nicht, denn es sollen Nachfragen zu der Beantwortung der Fragen sein!

Herr Wansner, Sie haben nun das Wort zu einer Nachfrage. – Bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident, dass Sie so verfahren! – Frau Senatorin! Wie hoch ist der Anteil von Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die immer noch einen Ausbildungsplatz in dieser Stadt suchen? Ist dieser Anteil geringer wie im letzten Jahren, oder steigt dieser Anteil so, wie wir es ein bisschen befürchten, noch weiter an?

Frau Senatorin Bluhm – bitte!

Wenn wir als Grundlage für die Beantwortung Ihrer Frage die 17 275 gemeldeten, unversorgten Bewerberinnen und Bewerber nehmen, so sind davon 2 425 ausländischer Nationalität und davon mehr als die Hälfte türkischer Nationalität. Also das ist der Anteil, der in diesem Zusammenhang zu benennen ist. Darauf haben wir auch in besonderer Weise mit dem Programm „Berlin braucht dich!“ reagiert. Die Wirtschaft hat sich dieser Idee mit ihrer Initiative „Berlins Wirtschaft braucht dich!“ angeschlossen. Wir sehen, dass diese persönliche Ansprache einer Gruppe von Jugendlichen und dieses Signal sehr hilfreich ist: Du wirst wirklich gebraucht, und es geht dir nicht so, wie in deiner Geschwistergeneration zu beobachten ist, dass eine Bewerbung mit einer Ablehnung beendet wird, sondern die Plätze sind vorhanden, die Möglichkeiten bestehen, nutze Sie! – Das sind Programme, die sich sehr sinnvoll auswirken, und ich wünsche mir, dass davon in der Stadt noch in größerem Maß Gebrauch gemacht wird, und zwar auf beiden Seiten.

Nun hat der Abgeordnete Wansner das Wort zu seiner der Anfrage über

Missbrauch von staatlicher Rückkehrhilfe durch serbische und mazedonische Staatsbürger

Ich frage den Senat:

1. Wird durch die Berliner Ausländerbehörde seit Jahresbeginn eine Zunahme freiwilliger Rückkehrer nach Serbien und Mazedonien beobachtet, die staatliche Rückkehrhilfe beantragen?

2. Wenn ja, was unternimmt der Senat gegen diesen offensichtlichen Missbrauch von Geldmitteln in erheblicher Höhe, u. a. 250 Euro Benzinkosten, 200 Euro Reisebeihilfe pro Person, 400 Euro Starthilfe pro Person?

[Frank Zimmermann (SPD): Woher wissen Sie das? – Weitere Zurufe von Özcan Mutlu (Grüne) und Benedikt Lux (Grüne)]

Der Innensenator, Herr Dr. Körting, hat dazu das Wort – bitte!

Herr Kollege Wansner! Zu Frage 1: Nein! – Zu Frage 2: Entfällt.

[Beifall und Heiterkeit bei der SPD, den Grünen und der Linksfraktion – Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Danke für die Antwort!]

Herr Kollege Wansner! Haben Sie eine Nachfrage?

Herr Senator! Ihre Antwort ist so, wie wir es von Ihnen immer erwartet haben.