Protokoll der Sitzung vom 22.02.2007

lfd. Nr. 4 e:

Beschlussempfehlungen

Nach dem Karlsruhe-Urteil (III): Verkauf der GSG einleiten!

Beschlussempfehlungen WiTechFrau und Haupt Drs 16/0195 Antrag der FDP Drs 16/0062

Zur Beratung steht den Fraktionen nach unserer Geschäftsordnung eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die FDP-Fraktion. Das Wort hat der Abgeordnete Herr Thiel. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Jetzt geht es um Landeswirtschaftspolitik auf einfacher und verständlicher Ebene.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Dass dies auch die Rentner verstehen?]

Das versteht jeder, der gewillt ist zuzuhören.

[Heiterkeit]

Als wir am 23. November letzten Jahres den Antrag eingebracht haben, die GSG endlich zu verkaufen, gab es eine große Hürde, über die wir in dem Wirtschaftsausschuss und in anderen Beratungen diskutiert haben. Es ging um die Frage: Besteht die Möglichkeit, dass die dort investierten Fördergelder zurückgefordert werden oder nicht? – Am 31. Januar ist diese Frage beantwortet worden: Die Wirtschaftsfördergelder müssen nicht zurückerstattet werden.

Herr Senator Wolf! Wenn ich Sie und Ihre Verwaltung – allen voran Herrn Staatssekretär Strauch – damals richtig verstanden habe, hatten Sie immer signalisiert: Die GSG gehöre nicht so sehr zu dem eigentlichen Kerngeschäft, das der Senat und dieses Land betreiben muss, sondern man könne sich auch sehr gut vorstellen – so hatte sich Herr Strauch eingelassen – zu sagen, man habe nicht das Problem, das es zu wenig Raum gebe, sondern dass es zu wenig Investoren gebe. Insofern war die Option, ernsthaft über einen Verkauf nachzudenken, bei Ihnen positiv ausgeprägt.

In den letzten Monaten – und das ist das Erschreckende – habe ich den Eindruck gewonnen, Sie werden von irgendwelchen Wirtschaftsdilettanten aus den Fraktionen blockiert.

[Beifall von Christoph Meyer (FDP)]

Da gibt es Leute, die mit ganz kruden Gedanken auftreten und meinen, es gehöre zu den Kernaufgaben des Senats und dieses Landes, Wohnraum, der leer steht, weiter leer zu verwalten, ohne dass das Land dafür in irgendeiner Form einen Profit hat.

Es ist einmalig in der Geschichte der letzten Jahre, wie gestern im Vermögensausschuss die Koalition mit Mehrheit einen Besprechungsantrag einer Oppositionspartei schlicht und einfach vertagt hat, und zwar in den März hinein. Wir wissen jedoch alle, dass in sechs Tagen, am 28. Februar, die selbst verlängerte Optionsfrist für den Investor Orco ausläuft. Dann kann er diesen Vertrag aufkündigen.

Was heißt das konkret? – Das heißt konkret: 400 Millionen € stehen zu Buche. Die sollte das Land erhalten. Wie Sie das nachher verteilen, IBB oder Haushalt, werden Sie regeln können. Davon gehe ich aus. Das werden Sie auch vernünftig hinbekommen, aber es handelt sich um 400 Millionen €.

Was steht noch an? – Orco hat zugesagt, eine Beschäftigungsgarantie für alle 80 Beschäftigten auf drei Jahre zu gewähren, mit der Option, die drei Jahre zu prolongieren. Daraufhin hat der Betriebsrat der GSG gesagt: Verkauft uns bitte! Macht das Geschäft, denn hier hätten wir eine Perspektive! – Denn gleichzeitig wurde angeboten, in den nächsten Jahren 10 Millionen € in den Ausbau dieser dann privaten GSG zu investieren. Darüber hinaus will Orco ihren Firmensitz nach Berlin verlagern, um – angesprochen auf die nächsten 20 Jahre – von hier aus ihre Geschäfte durchzuführen. Ich weiß nicht, was man für Probleme hat, solch ein Angebot anzunehmen.

[Beifall bei der FDP]

Ich hatte bereits darauf hingewiesen, dass mir scheint, als wenn einige nicht gerade einflusslose Fraktionäre Ihnen, Herr Senator, sehr in die Quere kommen. Sonst haben Sie sehr klare – wenn auch nicht immer in unserem Sinne – ordnungspolitische Orientierungen und Einschätzungen. Deshalb glaube ich, dass man auch gar nicht so weit auseinander liegt in der Einschätzung, dass die GSG unter

diesen Bedingungen geradezu verkauft werden muss, denn wir wissen nicht, ob wir jemals wieder so ein Angebot erhalten.

Damit Sie in Ihrer Entscheidung auch gestützt werden – nun ist der Regierende Bürgermeister leider nicht anwesend, aber es wird ihm vielleicht auch überbracht werden können –, könnte der Regierende Bürgermeister einmal sehr konstruktiv Wirtschaftspolitik betreiben: Er hat seit dieser Legislaturperiode die Richtlinienkompetenz, und ich fordere ihn auf, davon Gebrauch zu machen. Innerhalb der nächsten sechs Tage – inklusive Wochenende – ist es noch Zeit, die GSG zu veräußern. Dann wären wir alle einen großen Schritt weitergekommen. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Thiel! – Für die SPD hat jetzt der Abgeordnete Jahnke das Wort. – Bitte!

[Dr. Martin Lindner (FDP): Jetzt kommt die wirtschaftspolitische Kompetenz der SPD!]

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben den Antrag: „Nach dem Karlsruhe-Urteil (III): Verkauf der GSG einleiten!“. Die FDP scheint wieder eine neue Serie aufzulegen wie in der letzten Legislaturperiode. Für die Neuen muss man hierzu sagen, dass es da hieß: „Weniger Staat – mehr Berlin“, und bis Teil 85 oder so ähnlich vorangetrieben wurde. Wir haben hier also noch Einiges vor uns.

Wie man an der Begründung des Antrages und den Ausführungen von Herrn Thiel sehr schnell merkt, ist das Karlsruher Urteil für die FDP dabei ein Aufhänger für das, was sie ohnehin wirtschaftspolitisch für geboten hält. Die SPD-Fraktion kann diesem Exempel liberaler Kurzsichtigkeit nicht folgen, bei dem mit der augenblicklichen Marktlage begründet wird, die GSG zu verkaufen. So kann man keine strategische Entscheidung darüber herbeiführen, welches Instrument der Wirtschaftsförderung wir längerfristig noch benötigen.

Die FDP wähnt sich doch sonst immer in einem angeblich besonderen Verhältnis zu den mittelständischen Unternehmen. Fragen Sie dort doch einmal nach, was die entscheidenden Punkte aus Sicht der mittelständischen Unternehmen sind, auf die es ankommt! Da werden Sie an erster Stelle hören: günstige Gewerbemieten. Das ist für mittelständische Unternehmen ein ganz entscheidender Faktor. Im Gewerbemietenbereich – ich weiß, wovon ich rede – kann man keinerlei gesetzliche Regelung finden wie im Mietwohnungsbereich etwa Vergleichsmieten, Mietpreisbindungen oder Ähnliches. Das heißt, die einzige Möglichkeit, die das Land Berlin hat, dämpfend auf Gewerbemieten zu wirken und Standortpolitik für kleine

und mittlere Unternehmen aktiv zu betreiben, ist es, selber an öffentlichem Gewerberaum Eigentum zu haben.

[Beifall bei der SPD]

Genau dafür steht die GSG seit mehr als vier Jahrzehnten. Sie hat einen wichtigen Beitrag geleistet, um den wahrhaft nicht einfachen Strukturwandel – –

Entschuldigen Sie Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Lüdeke?

Ja, gut! Heute haben wir Zeit. – Bitte!

Herr Jahnke! Reden Sie doch nicht so lange um den heißen Brei herum! Beantworten Sie uns doch einfach eine Frage: Wollen Sie die GSG verkaufen oder nicht?

Darüber rede ich gerade! Ich wollte Ihnen gerade erklären, dass die GSG in den vergangenen vier Jahrzehnten einen entscheidenden Beitrag zur Standortpolitik geleistet und den wahrhaft nicht einfachen Strukturwandel in der Berliner Industrie begleitet hat. Denken Sie einmal an die ehemaligen Produktionsstätten der AEG in Wedding oder des Fernsehwerkes Telefunken in der Osloer Straße oder die OSRAM-Fabrik in Charlottenburg und die vielen kleinen Höfe in Friedrichshain-Kreuzberg – über vierzig sind es in Berlin –, die von der GSG sehr gut hergerichtet wurden und an kleine und mittelständische Unternehmen vermietet werden!

Deshalb gibt es aus – –

[Zuruf von Klaus-Peter von Lüdeke (FDP) – Christian Gaebler (SPD): Lassen Sie ihn doch ausreden!]

Genau! Herr Jahnke hat das Wort!

Mit Nostalgie, die Sie in Bezug auf den Flughafen Tempelhof ansprechen, hat das bei der GSG nichts zu tun. Der Flughafen Tempelhof ist Nostalgie pur, aber hier haben wir es mit einem wirtschaftspolitischen Instrument zu tun. Aus unserer wirtschaftspolitischen Sicht gibt es keinen vernünftigen Grund, die GSG zu verkaufen.

Deshalb findet sich in der Koalitionsvereinbarung der Hinweis, dass wir den Verkauf unter finanzpolitischen Aspekten prüfen. Anders als die FDP machen wir Haushaltskonsolidierung nicht zum Aufhänger, sondern es ist

für uns ein wichtiges Politikfeld. Dort haben wir in den letzten fünf Jahren Erfolge erzielt, die kaum jemand für möglich gehalten hätte. Die wären Ihnen und der CDU mit Sicherheit nicht geglückt.

[Beifall bei der SPD]

Wir haben Haushaltskonsolidierung betrieben und wollen sie weiter vorantreiben. Deshalb prüfen wir unter haushaltspolitischen Aspekten, ob der Verkauf der GSG genug in die Landeskasse bringt, um auf ein solches wirtschaftspolitisches Instrument, einen solchen Vermögenswert, verzichten zu können. Diese Prüfung wird zügig erfolgen, denn für das Geschäft der GSG ist es selbstverständlich schlecht, wenn sich das Verfahren endlos hinzieht. Wir werden nicht in Hektik verfallen, wie es der Antrag der FDP möchte. Wir sind nicht dermaßen in Zeitdruck, wie Sie uns glauben machen wollen. Wir werden die Angelegenheit sachgemäß entscheiden. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jahnke! – Für die Fraktion der CDU hat der Abgeordnete Dietmann das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Jahnke! Ich bin wirklich gespannt, was bei Ihnen „sachgerecht, in Ruhe prüfen“ heißt. Das kann eigentlich nur heißen: verschieben auf den Sankt-NimmerleinsTag. Das kann auch nur die einzige Begründung dafür sein, warum Sie im Vermögensausschuss eine Diskussion mit den Stimmen der rot-roten Koalition verhindert haben. So sollte man mit einem so wichtigen Thema nicht umgehen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Deshalb ist es gut, dass wir heute im Parlament noch einmal über die GSG reden, denn wann immer eine Entscheidung zum Verkauf von Vermögenswerten getroffen wird, gibt es Für und Wider.

Aber – lassen Sie mich das gleich vorweg sagen – in Abwägung von Für und Wider überwiegt für uns deutlich das Für. Wir haben eben von Herrn Thiel gehört, was es für Zusagen gibt: Firmensitz zwanzig Jahre in Berlin. Orco ist ein Immobilieninvestor, keine böse Heuschrecke, wie es immer wieder suggeriert wird. Die Mitarbeiter erhalten eine Beschäftigungsgarantie. Die jetzigen Mieter haben das Angebot, bei gleichen Konditionen ihr Mietvertragsverhältnis zu verlängern. Am Ende des Tages macht das Land Berlin einen guten Schnitt, nämlich 400 Millionen €.

Ich bin der Auffassung, dass die Konditionen, die Orco angeboten hat, gute sind, von denen „man nicht weiß, ob man sie so noch einmal bekommt“. Dieser Spruch ist – da

brauchen Sie nicht den Kopf zu schütteln, Herr Jahnke – nicht von mir, sondern das ist ein Zitat von Herrn Wolf aus dem Wirtschaftsausschuss am 11. Dezember 2006. Ich stimme ihm ausdrücklich zu, was nicht sehr häufig vorkommt.

Was können denn nun die Gründe sein, die gegen einen Verkauf sprechen? – Sie haben eben damit argumentiert, dass wir den Verlust eines wichtigen Förderinstruments in Berlin zu befürchten hätten. Weit gefehlt, Herr Jahnke, denn weder der Wirtschaftssenator noch Berlin Partner GmbH noch andere Akteure, die sich ernsthaft mit Wirtschaftförderung in Berlin auseinandersetzen, benutzen die GSG als wichtiges Förderinstrument. Insofern ist dieser Hinweis absoluter Quatsch und kommt aus dem Wunschdenken, das möglicherweise in der Wirtschaftskompetenz Ihrer Fraktion liegt, hat aber mit der Realität absolut nichts zu tun.