Potenziale nutzen – Migranten und Migrantinnen mit im Herkunftsland erworbenen Berufsabschlüssen eine zweite Chance geben!
Das ist die Priorität der Fraktion die Linke mit der lfd. Nr. 35. – Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP vor, Drucksache 16/3466-1. – Für die Beratung stehen den Fraktionen jeweils fünf Minuten zur Verfügung. – Es beginnt die Linksfraktion, die Kollegin Breitenbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anerkennung von im Ausland erworbenen Bildungs- und Berufsabschlüssen wird mit dem Fachkräftemangel immer mehr zum Thema. Das ist zwar gut, aber es geht dabei nicht allein darum, dem Fachkräftemangel zu begegnen; es geht in erster Linie bei dem Thema auch darum, die Rechte der Menschen zu stärken, die einen Anspruch darauf haben, dass ihr Wissen anerkannt wird und dass sie eine Chance bekommen, Erwerbsarbeit ausführen zu können. Integration durch Partizipation heißt auch, Zugänge in den Erwerbsarbeitsmarkt zu öffnen und Wissen und Ressourcen nicht einfach zu verschleudern.
Da will ich nur mal eine Zahl nennen: 38 Prozent der achtzehn- bis fünfundsechzigjährigen Berliner mit Migrationshintergrund haben Hochschulreife. Das ist mehr als bei den Herkunftsdeutschen, aber bei weitem arbeiten nicht alle auch im hochqualifizierten Bereich. Und man muss feststellen, dass das System zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse und Qualifikationen unübersichtlich ist. So können beispielsweise ein Friseur oder eine Bäckerin, die ihre Fähigkeiten nachweisen, in dem jeweiligen Beruf beschäftigt werden. Ein formaler Abschluss ist dabei nicht nötig. Will die Bäckerin aber als selbstständige Meisterin arbeiten, braucht sie die formale Anerkennung eines Berufsabschlusses. Noch unübersichtlicher ist das alles im akademischen Bereich, auch von der gesetzlichen Lage her. Und die Arbeits- und Sozialminister haben im letzten Jahr auf Initiative von Berlin und Bayern einstimmig einen Antrag zum Thema Berufsanerkennung mit unterschiedlichen Forderungen an die Bundesregierung verabschiedet. Diese hat angekündigt, dazu etwas vorzulegen. Das schreibt ja auch die FDP in ihrem Änderungsantrag, und Sie fordern auf, das zu unterstützen. Und da sage ich Ihnen mal: Das würden wir ja gerne.
Nur leider hat die Bundesregierung bislang noch keinen Gesetzentwurf vorgelegt wie angekündigt, sondern nach wie vor ist es das Eckpunktepapier aus dem letzten Jahr, mehr gibt es leider nicht.
Das ist auch der Punkt, wo wir gesagt haben, wir möchten nicht länger darauf warten, dass die Bundesregierung etwas vorgelegt hat. Wir wollen schon noch mal gucken, dass man auf Landesebene Schritte einleitet, die dazu führen, dass Menschen mit anerkannten Berufsabschlüssen eine zweite Chance erhalten.
Es gibt in Berlin gute Beispiele wie das Projekt „Starke Frauen“ oder in Marzahn-Hellersdorf das Projekt „Arbeit und Integration für russischsprachige Akademikerinnen und Akademiker“. Es gibt aber auch viele andere gute Beispiele in anderen Bundesländern, von denen wir lernen können. Ein Beispiel haben wir genannt, das Weiterbildungsprojekt für Ärztinnen und Ärzte in Brandenburg. Etwas Ähnliches gibt es in Mecklenburg-Vorpommern.
Wir brauchen auch mehr Transparenz im Zuständigkeitsdschungel. Deshalb nenne ich ein weiteres Beispiel. Wenn man einen Blick nach Brandenburg wirft, wird man feststellen, dass die vor Kurzem ein Internetportal eröffnet haben, das Beratungen und Hilfe und Zuständigkeiten deutlich macht und für alle eine Hilfe ist. So etwas bräuchten wir in Berlin auch. Da müssten sich alle beteiligten Senatsverwaltungen zusammensetzen und so etwas schaffen; deshalb unser Antrag. Wir glauben, dass es sehr viele Ideen gibt, die man hier schon einmal umsetzen kann. Wir hoffen weiterhin darauf, dass die Bundesregierung etwas vorlegt, was wir dann auch unterstützen würden. – Danke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anerkennung ausländischer Bildungs- und Berufsabschlüsse ist wirklich seit vielen Jahren ein Problem, insbesondere bezüglich der Tatsache, wer zuständig ist bei der Vergabe der Anerkennung. Ist es der Bund, sind es die Länder, wo kommen die Kammern ins Spiel? usw. Der Beschluss der Integrationsminister der Länder im März des Jahres unterstützte dann auch die Initiative der Bundesregierung für eine verbesserte Anerkennung von ausländischen Abschlüssen. Bezug genommen wird dabei auf 13 Eckpunkte für eine gesetzliche Regelung, die das Bundeskabinett im Dezember des letzten Jahres verabschiedet hat. Die Fakten sind also geschaffen, die Vorgehensweise besprochen, und die zeitliche Schiene bei der Bearbeitung des Einzelfalls ist empfohlen.
Wichtig bei der Debatte aber ist auch, was passiert, wenn Defizite sichtbar werden und sofort nur eine Teilanerkennung möglich ist. Das gilt besonders für Ausbildungsgänge der beruflichen Bildung. Verabredet mit den Kammerverbänden müssen Angebote zur Ergänzung und Anpassungsqualifizierung im Bereich der beruflichen Bildung greifen, mit der Möglichkeit eines erweiterten Abschlusses in aktuellen Berufsbildern, mit danach guten Vermittlungschancen in den Arbeitsmarkt. Zum Thema gehört eine Informationsplattform zu ausländischen Ausbildungsgängen in den Bereich der Wirtschaft hinein. Deshalb ist es erstrebenswert, wenn die Möglichkeiten für Ergänzungs- und Anpassungsqualifizierungen auch berufsbegleitend angeboten werden können. Kriterien sind letztendlich aber nicht nur formelle Abschlüsse, sondern auch die einschlägige Berufserfahrung. In der Begründung zum Antrag wird ein Projekt aus Brandenburg erwähnt, das ich hier auch noch einmal aufgreife, bezüglich zugewanderter Ärztinnen und Ärzte. Hier wurde genau das gemacht, dass langjährige Berufserfahrung ergänzt wurde durch fachliche und sprachliche Komponenten, die Defizite ausgleichen und letztendlich zum Bestehen der Prüfung vor der Ärztekammer führten.
Entscheidend ist, dass wir in Deutschland einfache und einheitliche Anerkennungsverfahren für alle Berufe und alle Zuwanderungsgruppen umsetzen
und damit eine Ressourcenverschwendung vermeiden. Kritisch an Ihrem Antrag ist für mich eine gewisse Sonderstellung bestimmter Einzugsbereiche und die Bezugnahme gerade auf aktuell besonders im Fokus stehende Berufsfelder, wenn es um die Bewältigung des Fachkräftemangels geht. Selbst wenn eine Anerkennungswelle einsetzen sollte, bleiben in diversen Berufsfeldern Unterdeckungswerte in eklatanter Größenordnung. Der Bedarf in den Gesundheits- und Pflegeberufen, den Sie anführen, zusätzlich bei den Ingenieuren, lässt sich mittelfristig nur durch entsprechende Werbung vor Beginn einer Ausbildung und bei Studienanfängern ausgleichen. Dazu erforderlich sind Aktionen des Senats, die ich in ihrer Ernsthaftigkeit deutlich vermisse.
50 000 bis 60 000 fehlende Ingenieure in Deutschland und bis zu 40 Prozent Abbrecher des Studiums zeugen von einer dramatischen Unterdeckung. Dabei – das sage ich als Ingenieur – ist dieser Beruf spannend und kreativ, bietet feste Arbeitsplätze und wird zudem gut bezahlt. Und wenn es um Integration geht, dann ist dieser Beruf international recht ordentlich und gleichmäßig über Bachelor- und Masterstudiengänge bewertet. Ich freue mich über die Diskussion im Ausschuss, der dafür zuständig ist, einschließlich des Änderungsantrags der FDP.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zurzeit gibt es eine breite öffentliche Debatte über Integration. Die Debatte ist wichtig. Jedoch sollte diese notwendige Debatte sachlich und weniger polemisch geführt werden.
Das Thema ist zu wichtig für einfache, plumpe Thesen. Das Thema ist nicht geeignet für Bauchgefühlpolitik und Berufspessimismus. Die Debatte, wie sie zurzeit geführt wird, spaltet Berlin tagtäglich. Die Debatte wirft uns in Deutschland, in Berlin um Jahre zurück. Wir waren mal weiter.
Lassen Sie uns die Probleme klar benennen! Lassen Sie uns aber auch über Erfolge sprechen und dazu beitragen, die Erfolge nicht kleinzureden! Die Integration, das Zusammenleben ist nicht gescheitert, sondern in Berlin hunderttausendfach gelungen, tagtäglich in dieser Stadt.
Wir sind in Berlin auf einem guten Weg, aber wir haben noch einiges vor uns. Der vorliegende Antrag ist ein weiterer wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Im vorliegenden Antrag wird der Senat aufgefordert, ein Konzept zur beruflichen Integration von Menschen mit Migrationshintergrund, deren Berufsabschlüsse bisher nicht anerkannt wurden, auszuarbeiten und in Berlin umzusetzen. Dabei können die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt des brandenburgischen Gesundheitsministeriums wichtig sein. Es geht um Berufe wie Pfleger. Es geht um Berufe für Mediziner. Es geht um Medizintechnik. Es geht im Grunde genommen um all die Berufe, wo wir jetzt schon wissen, dass wir in Deutschland, in Berlin auch kurzfristig, mittelfristig und langfristig auf Zuwanderung angewiesen sein werden.
Wir haben die Potenziale mitten unter uns, Menschen, Hochqualifizierte, die nicht die Berufe oder ähnliche Strukturen der Berufe ausüben dürfen, die sie erlernt haben. Meine Kritik geht daher auch ganz stark in Richtung der CDU-Integrationsbeauftragten im Bund. Warum redet sie immer wieder bei Sonntagsreden über die Notwendigkeit, in dem Bereich zu handeln, tut es aber bislang nicht? Ich denke mir, dass überall in Deutschland, nicht nur in Berlin, sondern in vielen Städten, in vielen Bundesländern unseres Landes gerade Brachflächen liegen, Ressourcen, die nicht genutzt werden für das Gemeinwohl, für die wirtschaftliche Stärkung unser aller Interessen. Es gibt Menschen, Hochqualifizierte, die von Arbeitslosengeld leben, die eigentlich im Grunde genommen Leute sind, die einwandern müssten für das Allgemeinwohl der Stadt, die aber in ihrer Arbeitszeit
Taxifahrer sind oder andere Berufe machen, weil sie nicht in die Lage gebracht werden, in ihren Berufen oder in ähnlichen Berufen zu arbeiten, die sie erlernt haben. Das ist ein Jammer, weil wir damit Potenziale und Ressourcen verschenken und verschwenden.
Gerade die Zukunftsstrukturen brauchen auch Menschen mit Mehrsprachigkeit. Wir wissen alle, dass die Gesellschaft älter wird, auch die Menschen der ersten Gastarbeitergeneration, die damals hierher kamen und gedacht haben, dass sie irgendwann später nach Hause gehen werden, bleiben am Ende hier und beenden hier auch ihren Lebensabend. Im Bereich Pflege werden wir auf Mehrsprachigkeit angewiesen sein. Wir brauchen Menschen, die neben den verschiedenen Sprachen auch die kultursensible Pflege einbringen können. Das ist ein riesengroßes Ressort, ein riesengroßes Potenzial. Wir sind da erst am Anfang bei dem, was wir am Ende an Qualifizierung brauchen. Ich sage es noch mal, wir haben die Qualifizierung mitten unter uns. Wir müssen danach nur greifen.
Jetzt schon wissen wir, dass der Mangel an guten Leuten, an Hochqualifizierten für uns am Ende eine Bedrohung sein kann. Wir brauchen Einwanderung. Die Debatte, die wir gerade führen, kann dadurch versachlicht werden, dass man so einen Antrag voranbringt. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Saleh! Wenn man Ihre Rede so hört, dann fragt man sich: Wer regiert hier? Für wen haben Sie die gehalten? – Seit Jahren hätten Sie die Möglichkeit. Und Sie hätten auch die Möglichkeit gehabt, vor etwa einem Jahr unserem Antrag zuzustimmen, in dem wir genau das gefordert haben, diesen Brainwaste nicht fortzusetzen,
sondern das, was uns hier interessiert, nämlich Menschen, die mit Qualifikation in unser Land einreisen, so aufzustellen, dass sie ihre Fähigkeiten, ihre Potenziale hier voll nutzen können.
und warum solche Anträge dann eben in der Form vorliegen, wie sie hier vorliegen. Da muss ich wirklich noch mal sagen: Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen! Es ist ein Antrag, der in seiner Aufforderungsstrategie sehr verhalten ist. Sie sagen, da soll irgendein Konzept gemacht werden, und dann soll irgendwie dafür gesorgt werden. Da gab es schon wesentlich konkretere Anträge, die aber von Ihnen abgelehnt wurden.
Gerade Frau Breitenbach, Sie waren eine, die gesagt hat, das Land wird nicht alleine tätig werden, wir warten auf den Bund. Dann stellen Sie sich heute, fast ein Jahr später, hierhin und sagen, wir warten jetzt irgendwie, warum auch immer, doch nicht mehr oder wir warten zwar schon, aber vielleicht machen wir vorher noch ein bisschen. Bei allem Frust, den Sie hier auch in die eine oder andere Richtung äußern, muss man Sie an dem messen, was dieser Senat auf den Weg gebracht hat und was Sie mit zu verantworten haben, und das ist eben wirklich nichts, letztlich gar nichts. Das Land Brandenburg hat es Ihnen in Teilen vorgemacht und dem haben Sie nichts entgegenzusetzen. Deswegen müssen Sie das hier auch ständig zitieren. Es ist tatsächlich so, dass wohl mittlerweile damit gerechnet wird, dass erst 2011 eine Konzeption kommen soll, die breiter angelegt sein soll. Beruhigend ist für mich dann schon zu wissen, dass die Bündnis 90/GrüneFraktion im Bundestag einen detaillierten Antrag dazu formuliert hat, wie so etwas funktionieren sollte.
Nur damit Sie dann auch wissen, wie es hier gehen könnte, will ich Ihnen kurz einige Punkte nennen. Es muss eine One-Stop-Agency dafür geben,
wo die Leute sich hinwenden und wo die Anträge bearbeitet werden, um zu vermeiden, dass die Leute von Hü nach Hott rennen müssen und am Ende mit leeren Händen dastehen.