Auf der anderen Seite schreien die grünen Haushälter hier im Parlament, der Senat spare nicht genügend. Das passt nicht zusammen, liebe Grüne! Sie können nicht vielen vieles versprechen. Wir sind gespannt, wie Sie es einhalten wollen.
Also, liebe Kolleginnen und Kollegen der Bündnisgrünen, gehen Sie in Ihre Sprechstunden und sagen Sie dort, der Berlin-Pass stehe allen Leistungsberechtigten nach dem SGB II und dem SGB XII vollständig zur Verfügung! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Radziwill! Es wäre vielleicht besser gewesen, einfach nichts dazu zu sagen, wie in den Ausschüssen! Was Sie von sich gegeben haben, finde ich infam.
Ich empöre mich wirklich selten, das wissen Sie. Aber es ist ein Unding, Menschen, die aufgrund ihres Widerstands in der DDR berufliche Benachteiligung erlitten haben, was heute zu wirtschaftlicher, sozialer und Einkommensschwäche führt, weiter dafür zu bestrafen. Dass Sie das mitmachen und so begründen, finde ich beschämend, Frau Radziwill!
Und nun zu dem Vorwurf, wir würden uns auf Kosten der Menschen profilieren wollen! Sie haben offensichtlich noch nie mit diesen Menschen geredet. Nicht wir haben diesen Antrag initiiert, weil wir händeringend nach irgendwas gesucht haben, sondern sie sind mit diesem Wunsch an uns herangetreten. Wir sind gebeten worden, diesen Antrag auf den Weg zu bringen, weil bei Ihnen offensichtlich niemand Gehör dafür gefunden hat.
Das ist geschehen, nachdem man zum 20. Jahrestag des Mauerfalls den Regierenden Bürgermeister gehört hat, der die Opfer geehrt hat, wo man sich erhofft hat, dass er das auch ernst meint und sich das in irgendwas politisch niederschlägt. Die Menschen sind an uns herangetreten, um zu sagen: Wir wollen gern den Berlin-Pass haben, weil viele von uns aufgrund der biografischen Brüche einkommensschwach sind und von Hartz IV leben. Sie wollten diese Anerkennung eben nicht als SGB-IILeistungsempfangende haben, sondern als Opfer des DDR-Regimes. Da ist der Status wichtig, aber für diese Feinheiten scheinen Sie von der SPD offenbar kein Gefühl mehr zu haben.
Zum Schluss ein einziger Satz zum Thema Haushalt! Vielleicht bringen Sie die Daten durcheinander, Frau Radziwill!
Der 20. Jahrestag des Mauerfalls, als die Rede von Herrn Wowereit stattgefunden hat – übrigens am Alexanderplatz, zur Eröffnung der Ausstellung, die Sie bereits wieder haben entfernen lassen –, war am 9. November, und das war gegen Ende der Haushaltsberatungen. Insofern hätten wir das gar nicht in die Haushaltsberatungen einbringen können.
Dieser Wunsch wurde an uns herangetragen. Wir haben ihn in einen Antrag gegossen. Dass Sie das so ablehnen, finde ich beschämend für Sie, aber es wird auf Sie zurückfallen und nicht auf jemand anderen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Begründung, die Frau Radziwill hier abgeliefert hat, von Rot-Rot auch noch Beifall zu bekommen – das zeigt einiges und zeigt vor allem, dass Sie offenbar überhaupt kein Verständnis für diejenigen haben, die gelitten haben und die in einer Situation sind, die viel mehr Anerkennung und Würdigung verdient hätte.
Es ist auch eine Schande, wie mit dem Antrag in den zuständigen Ausschüssen verfahren wurde. Er wurde ohne Aussprache durchgewinkt und abgelehnt, obwohl der Inhalt in seiner menschlichen wie politischen Dimension uns alle angehen müsste.
Um wen und was geht es? – Es geht um die Aufnahme einer Bedürftigengruppe in den Berlin-Pass, die unser aller Anerkennung und ein Stück weit auch den Dank verdient.
Es sind die Opfer des DDR-Regimes, die wegen ihrer politischen Haltung mit Drangsalierung, Verfolgung, Freiheitsentzug, Einweisung in die Psychiatrie, langjährigen Haftstrafen, Zwangsarbeit und Berufsverbot belegt worden sind. Das muss man offenbar in Erinnerung rufen. Viele dieser Menschen leider auch heute noch, nach 20 Jahren deutscher Einheit, an den Spätfolgen der Repressalien des SED-Staates. Diese Menschen, meine Damen und Herren von der SPD und der Linken, leben überwiegend in bescheidenen materiellen Verhältnissen. Sie befinden sich zudem aufgrund ihrer Gewalterfahrung und ihrer vielfach gebrochenen Biografien in einem äußerst schlechten Gesundheitszustand und können nicht am Erwerbsleben teilnehmen. Eine Studie des thüringischen Sozialministeriums ergab, dass 38 Prozent aller SEDOpfer im Vergleich zu den anderen Menschen ihrer Altersgruppe über ein unterdurchschnittliches Haushaltsnettoeinkommen verfügen. 10 Prozent leben mit einem Einkommen unter 500 Euro in Armut, und nur 20 Prozent zählen zu den Normal- und Besserverdienenden.
Nun höre ich schon als erstes Gegenargument, da gebe es doch eine Opferrente. Das ist richtig, doch auch diese orientiert sich an der wirtschaftlichen Bedürftigkeit und
führt nicht dazu, dass den Betroffenen mehr zur Verfügung steht als den Menschen, die von Hartz IV leben.
Das zweite Gegenargument ist der Hinweis, dass man doch gar nicht wisse, wie viele Personen es in Berlin betreffe. Darauf ist man schon eingegangen. Dem kann ich auch gern noch mal abhelfen: Das Landesamt für Gesundheit und Soziales teilte am 13. August dieses Jahres mit, dass es 7 275 Anträge genehmigt habe und noch 300 offen seien. Was bedeutet das für den Berlin-Pass? – Das bedeutet die Erweiterung eines Berechtigtenkreises von 700 000 Personen um ca. 7 500 Personen. Das ist, da bin ich ganz der Meinung von Frau Pop, eine verkraftbare Größe.
Da wird als Gegenargument vorgetragen, es gebe keine finanziellen Möglichkeiten. Vor dem Hintergrund, dass die Sozialsenatorin in ihrer Presseerklärung vom 5. Januar dieses Jahres verbreiten ließ, dass es ihr persönliches Ziel sei, noch mehr Anbieter und Nutzer für das Projekt Berlin-Pass zu begeistern, verwundert das. Offensichtlich blieb die Begeisterung gerade für diesen speziellen Personenkreis der SED-Opfer aus. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!
Deswegen appelliere ich von dieser Stelle aus an Sie, an die Mehrheit der Abgeordneten dieses Hauses: Wenn Sie nicht wollen, dass ein völlig falsches Signal an die Öffentlichkeit geht, dann überdenken Sie Ihr Abstimmungsverhalten noch einmal! Lassen Sie nicht zu, dass die Ablehnung dieses Antrags als schäbiges Verhalten und Doppelmoral gegenüber den Opfern der SED in die Berliner Parlamentsgeschichte eingeht! Machen Sie aus den Lippenbekenntnissen Ihrer Feiertags- und Gedenkreden Taten, und stimmen Sie diesem Antrag zu! Wir werden ihm auch zustimmen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Pop, Sie haben das Wort infam benutzt. Ich finde es infam, was Sie hier abziehen! Sie benutzen ein wichtiges Anliegen, um einfach auszukeilen. Da geht es Ihnen nicht um diese Opfergruppe, denn wenn Sie das wollten, dann müssten Sie als Sozialpolitikerin ganz genau wissen, wofür dieser Berlin-Pass geeignet ist. Sie wissen ganz genau, warum er und für welche berechtigten Gruppen er eingerichtet worden ist.
Sie hätten es wissen können, wenn Sie im Hauptausschuss gewesen wären. Frau Breitenbach ist übrigens nicht die sozialpolitische Sprecherin. Sie hat dort nicht von dieser Summe gesprochen, das kommt aus der Finanzverwaltung.
Ich finde es politisch unredlich, wenn Sie mit diesem Antrag wider besseres Wissen so tun, als sei es politische Ablehnung und Geringschätzung des Anliegens, wenn wir diesem Antrag nicht zustimmen.
Schreien Sie nicht so dazwischen, das ist ja fürchterlich! Das versteht man hier vorn sowieso nicht! – Es ist ein Akt von Transparenz, wenn wir den Berlin-Pass klar beschreiben und wenn diejenigen, die ihn haben, auch genau wissen, wie sie damit umgehen müssen.
Sie müssen ihn übrigens alle halbe Jahre oder zwölf Monate neu beantragen, denn er gilt immer nur so lange, wie Ihre Berechtigung gilt. Wollen Sie das für diese Opfer auch haben?
Wer wirklich helfen will, der sollte sich von populistischen Forderungen, die unberechtigte Hoffnungen wecken, fernhalten.