Protokoll der Sitzung vom 13.01.2011

Ich bin mitten im Satz. Danke, dass ich den noch sprechen darf. – Ich weiß nicht, ob Sie sich damit beschäftigt haben. Es stünde Ihnen sehr gut zu Gesicht, denn das ist eine relevante Frage. Da wird sich einiges an neuen Regelungskontexten ergeben. Dementsprechend würde ich vorschlagen, wir warten erst mal die Beratungen in den Ausschüssen ab, bevor wir uns wieder auf einen komischen, halbgaren FDP-Antrag einlassen.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zum Antrag Drucksache 16/3280 empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich gegen CDU und FDP die Ablehnung, auch mit Änderungen. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind FDP und CDU. Wer ist dagegen? – Das sind alle anderen Fraktionen und die Fraktionslosen. Wer enthält sich? – Keine Enthaltung. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Zum Antrag Drucksache 16/3757 empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung und an den Hauptausschuss. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.2:

Erste Lesung

Gesetz zum Schutz personenbezogener Daten im Justizvollzug und bei den Sozialen Diensten der Justiz des Landes Berlin (Justizvollzugsdatenschutzgesetz Berlin – JVollzDSG Bln)

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/3705

Dieser Priorität der SPD schließt sich auch die Linke an. Ich eröffne die erste Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Zunächst hat die Justizsenatorin um das Wort gebeten. – Bitte sehr, Frau Senatorin von der Aue!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem heute in erster Lesung zur Beschlussfassung vorgelegten Gesetz zum Schutz personenbezogener Daten im Justizvollzug und bei den sozialen Diensten in der Justiz des Landes Berlin oder, etwas kürzer, Justizvollzugsdatenschutzgesetz Berlin setzt Berlin seinen Weg einer grundlegenden Reform des Justizvollzugsrechts fort. Seit der Föderalismusreform des Jahres 2006 liegt die Gesetzgebungskompetenz für dieses Rechtsgebiet bei den Ländern. Berlin hat sich nicht damit begnügt, das inhaltlich überholte und auch lückenhafte Bundesrecht als Landesrecht fortbestehen zu lassen. Vielmehr haben wir in den vergangenen vier Jahren konsequent an einer zeitgemäßen gleichermaßen rechtsstaatlichen wie praxistauglichen Gesetzgebung im Justizvollzug gearbeitet. Ich möchte hier zum einen an das Berliner Jugendstrafvollzugsgesetz vom 15. Dezember 2007 und zum anderen an das Berliner Untersuchungshaftvollzugsgesetz vom 3. Dezember 2009 erinnern. Mit diesen Gesetzen haben wir Jugendstraf- und Untersuchungshaftvollzug auf den neuesten Stand gebracht.

Heute kann ich Ihnen mit dem Berliner Justizvollzugsdatenschutzgesetz einen dritten Baustein für ein rundum erneuertes Berliner Justizvollzugsrecht vorlegen. Mit diesem Gesetz wird Berlin unter den Ländern eine Vorreiterrolle einnehmen. Als erstes Land bietet es ein geschlossenes Regelwerk für den Umgang mit personenbezogenen Daten im Justizvollzug. Dadurch wird die Rechtsanwendung ganz erheblich erleichtert werden.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Bisher waren die im Justizvollzug zu beachtenden datenschutzrechtlichen Regelungen lückenhaft und auf eine Vielzahl von Gesetzen verteilt. Dies hat zu einer unübersichtlichen Rechtslage geführt, die für die Betroffenen nur sehr schwer handhabbar war und ist.

[Benedikt Lux (Grüne): Trotzdem menschlicher!]

Zukünftig lassen sich einem einzigen Gesetz sämtliche Regelungen des Datenschutzes für den Vollzug der Strafhaft, der Sicherungsverwahrung, der Untersuchungshaft

bei Freiheitsentziehung gegen Jugendliche sowie zu den Bereichen der sozialen Dienste und der Führungsaufsichtsstelle entnehmen. Damit wird die Rechtsklarheit im Interesse aller Beteiligten wesentlich erhöht.

Das Gesetz führt aber nicht nur zu erheblichen praktischen Vorteilen. Es wird vielmehr durch die umfassende gesetzliche Regelung des Umgangs mit personenbezogenen Daten im Justizvollzug erstmals dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung auch von Gefangenen in gebührendem Umfang Rechnung getragen. Damit verabschiedet das Gesetz noch verbliebene Restbestände der Lehre von den besonderen Gewaltverhältnissen endgültig in den wohlverdienten rechtsgeschichtlichen Ruhestand.

Zugleich stellt es den notwendigen Umgang der am Justizvollzug beteiligten Behörden mit den Daten der Gefangenen auf eine sichere rechtliche Grundlage. Hierbei werden erstmals die rechtlichen Parameter für den Umgang mit personenbezogenen Daten im Justizvollzug einerseits und im Rahmen der Bewährungshilfe und der Führungsaufsicht andererseits aufeinander abgestimmt. Dadurch wird die Zusammenarbeit dieser Behörden beim Übergangsmanagement, also bei der Begleitung der Gefangenen aus dem Vollzug in die Freiheit, erheblich erleichtert. Ein effektives Übergangsmanagement ohne Reibungsverluste und ohne Informationsdefizite zwischen den beteiligten Behörden ist ein zentraler Baustein bei der Resozialisierung von Gefangenen und dient damit unmittelbar dem Schutz der Allgemeinheit vor der Begehung neuer Straftaten.

Auch zur Übermittlung personenbezogener Daten an externe Stellen finden sich Regelungen.

[Benedikt Lux (Grüne): War vorher auch schon so, meine Güte!]

Richtig, das war es vorher schon. Das haben wir auch berücksichtigt. Damit kann beispielsweise verhindert werden, dass ein Gefangener nach der Inhaftierung weiterhin Leistungen bezieht, obwohl sein Anspruch durch die Vollzugsanstalt entfallen ist.

Darüber hinaus finden sich auch für weitere datenschutzrechtlich relevante Sachverhalte aus dem Bereich des Justizvollzugs ausgewogene Bestimmungen. So ist beispielsweise geregelt, wann eine Videoüberwachung innerhalb einer Justizvollzugsanstalt oder in deren Umfeld zulässig ist und unter welchen Voraussetzungen Datenspeicher, insbesondere von Handys, ausgelesen werden dürfen. Auch das Recht der Gefangenen, in ihre Personalakten Einsicht zu nehmen, ist im Einzelnen normiert.

[Benedikt Lux (Grüne): Ohne Dolmetscher!]

Uns war es wichtig, ein aus sich heraus verständliches und praxistaugliches Gesetzeswerk zu schaffen, das das Recht der Gefangenen auf informationelle Selbstbestimmung wahrt und dabei zugleich dem Informationsbedürfnis der am Justizvollzug beteiligten Stellen genügt. Der vorliegende Entwurf wurde von der Senatsverwaltung für Justiz in intensiver Zusammenarbeit insbesondere mit den

Praktikern aus den Justizvollzugsanstalten und dem Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit erarbeitet. Ihnen allen und den engagierten Mitarbeitern meiner Verwaltung möchte ich an dieser Stelle noch einmal herzlich für ihre Mitwirkung an dem Gesetzesvorhaben danken und Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten, um Ihre Zustimmung für dieses, wie ich meine, gelungene Gesetz bitten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Senatorin! – Das Wort für die SPDFraktion hat der Kollege Kohlmeier.

[Benedikt Lux (Grüne): Eigentlich hat doch die CDU das erste Wort, wenn der Senat redet!]

Ich warte jetzt noch, bis die Geschäftsordnungsdebatte des Geschäftsführers mit dem Kollegen Benedikt Lux geklärt ist.

Herr Kollege Kohlmeier! Beginnen Sie!

Okay, wenn Sie das so sagen, Herr Präsident, werde ich beginnen. – Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die rot-rote Koalition arbeitet für ein sicheres Berlin. Dafür brauchen wir eine funktionierende Justiz. Dafür brauchen wir auch einen gutorganisierten Strafvollzug. Dabei achten wir die Bürgerrechte, und genau darüber sprechen wir heute.

Die Justizsenatorin legt uns heute ein Gesetz vor, das den Datenschutz in Gefängnissen regelt. Es klärt aber auch, wie Daten zwischen den Behörden ausgetauscht werden können, nicht irgendwie, sondern mit klarer gesetzlicher Grundlage.

Der Name des Gesetzes wird für die meisten Bürger ein Zungenbrecher sein – Justizvollzugsdatenschutzgesetz. Hinter dem Zungenbrecher verbirgt sich aber ein richtiges und wichtiges Anliegen. Berlin ist das erste Bundesland – das hat die Senatorin gerade dargestellt –, das alle Datenschutzregeln für Gefängnisse in einem Gesetz zusammenfasst. Bisher war der Datenschutz im Strafvollzug in verschiedenen Gesetzen geregelt, für die Praxis war das wenig tauglich. Mit dem Gesetz ist die Hauptstadt rechtspolitisch vorbildlich, sowohl beim Datenschutz als auch beim Vollzug.

Ich bin mir sicher, dass wir Fachpolitiker uns über dieses Gesetz dann im Ausschuss auch bestimmt streiten werden, aber liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, Sie haben heute auch die Chance, menschliche Größe zu

beweisen. Ich finde, Sie könnten Frau Senatorin von der Aue ausnahmsweise mal loben. Schließlich ist der Senat deutschlandweit der erste, der ein solches Gesetz vorlegt.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Als Datenschutzpolitiker ist mir besonders wichtig, dass der Landesdatenschutzbeauftragte von Anfang an in die Gesetzeserarbeitung einbezogen wurde. Der vorliegende Gesetzentwurf ist das Ergebnis harter Arbeit in der Verwaltung und wird den Justizvollzug wieder ein bisschen besser machen. Ich erlaube mir daher, einige besonders wichtige Punkte des Gesetzes anzusprechen.

Wir wollen klare Rechtsgrundlagen schaffen, wenn Daten an andere Stellen übermittelt werden. Der Datenaustausch beispielsweise zwischen Bewährungshilfe und Vollzug ist besonders wichtig. Als Datenschützer möchte ich am liebsten keinen Datenaustausch. Als Justizpolitiker weiß ich aber, dass er notwendig ist. Der Gesetzentwurf löst dieses Problem, indem er einerseits den notwendigen Austausch von Daten zulässt, andererseits legt er klare Zweckbindungen fest. Er klärt, wann Daten übermittelt werden dürfen und wer für die Sicherung der Daten zuständig ist, denn diese Klarheit brauchen wir. In der Praxis wird Datenschutz oft als etwas aufgefasst, das die Arbeit behindert. Dies konnten die Senatorin und ich im letzten Herbst bei einem Besuch einer Einrichtung in Hellersdorf erleben. Die Mitarbeiter haben uns dort zwei Probleme genannt. Erstens: Es ist zu wenig Geld da.

[Peter Trapp (CDU): Und zu wenig Personal!]

Das konnten wir vor Ort nicht klären. Der zweite Punkt, der sehr bemerkenswert war, ist: Sie haben den Datenschutz angesprochen. Sie baten darum, dass Daten schneller und besser übermittelt werden. Genau in diese Richtung werden wir mit diesem neuen Gesetz gehen. Wir schaffen klare Rechtsgrundlagen für die Ermittlung und Verwendung personenbezogener Daten.

Ich möchte weitere Punkte dieses Gesetzes heute betonen. Das Gesetz wird regeln, wie weit Videoüberwachung im Vollzug gehen darf. Wir stellen mit dem Gesetz sicher: Gefängnisse werden auch in Zukunft keine RTL-II-BigBrother-Container sein. Dieses Gesetz wird z. B. auch die Rechtsgrundlage für das Auslesen von Mobiltelefonen beinhalten. Mobiltelefone haben im Gefängnis nichts zu suchen, denn sie stellen ein Sicherheitsrisiko dar.

Wir bringen technische Möglichkeiten, Sicherheitsbedürfnisse und Bürgerrechte in Einklang. Das ist unsere rot-rote Justizpolitik. Sicher wird auch bei diesem Gesetzentwurf, liebe Frau Senatorin, das strucksche Gesetz gelten: Kein Gesetz verlässt das Parlament so, wie es herein gekommen ist. – Ich gehe z. B. davon aus, dass wir über den Umfang der erkennungsdienstlichen Maßnahmen für Besucher noch diskutieren werden. Hier freue ich mich auf eine offene und faire Fachdiskussion. Ich persönlich finde den vorgelegten Entwurf überzeugend und weitestgehend zustimmungsfähig. Einzig der Name ist zu lang. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Benedikt Lux (Grüne): Datenschutz kann man streichen!]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kohlmeier! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Trapp das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass es in Berlin bislang kein einheitliches Gesetz zur Verwendung personenbezogener Daten im Justizvollzugsdienst gab, hat eine Vielzahl von Gründen, die zu vermeidbaren Konflikten geführt haben. Das Datenschutzgesetz gilt meines Erachtens auch für Inhaftierte, sodass es in der Gesetzesbegründung immer wieder darauf hinausläuft, dass sich auch verurteilte Straftäter auf das Datenschutzgesetz berufen können. Obwohl ich die Analyse teile, dass es immer wieder zu datenschutzrechtlichen Konflikten kommt, wage ich die Frage zu stellen, ob dies wirklich durch ein neues Gesetz behoben werden kann, das für einen Regelungsinhalt mit 80 Paragrafen doch „sehr dick“ ist, wie Friedrich der Große sagen würde. Allerdings gilt auch für verurteilte Straftäter das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Der Datenschutz ist in Deutschland durch das Bundesdatenschutzgesetz umfassend geregelt und wird auch durch das Berliner Datenschutzgesetz in sinnvoller Weise konkretisiert und präzisiert. Es basiert auf den Grundsätzen Datenvermeidung, Datensparsamkeit und vor allen Dingen keine Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Daten ohne Einwilligung oder wenn, dann nur aufgrund einer klaren Rechtsgrundlage, was jetzt hier vorgelegt wurde. Man sollte meinen, dass es bei der Beachtung dieser Grundsätze möglich wäre, Konflikte mit den Belangen des Datenschutzes zu vermeiden, ohne dass es eines weiteren Gesetzes bedurfte. Sicherlich ist es auch richtig, dass ein einheitliches Gesetz über die Verwendung personenbezogner Daten im Justizvollzug für alle Beteiligten Klarheit bringt. Insofern begrüßen wir den Ansatz, mit dem dieser Gesetzentwurf Rechtssicherheit für die Dienststellen und für die Inhaftierten herstellen soll.

Die CDU-Fraktion nimmt auch positiv zur Kenntnis, dass der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in die Vorbereitung dieses Gesetzentwurfes eingebunden wurde. Wir halten es für wichtig, dass auch bei einer weiteren Behandlung dieses Gesetzes eine enge Zusammenarbeit mit ihm stattfindet und die Hinweise, die er bei der Beratung des Gesetzes geben wird, sich auch in diesem Gesetz wiederfinden.

Es wird zu prüfen sein, ob das dann Gesetz den Ansprüchen in der Praxis gerecht wird. Dazu gehört, dass es in Zukunft einwandfreie und verständliche rechtliche Ermächtigungen zur Datenverarbeitung gibt.

Das Gesetz muss auch aus dem Informationsfreiheitsgesetz folgende Ansprüche beachten. Da der Strafvollzug und die damit verbundenen Maßnahmen der Resozialisierung dienen sollen, darf es bei diesem Gesetz den Austausch zwischen der Justiz und den beteiligten Behörden nicht erschweren. Der Datenschutz ist in einem angemessenen Rahmen anzuwenden und darf nicht zum Hemmschuh einer nachhaltigen Resozialisierung führen. Er darf auch nicht dazu führen, dass der Opferschutz hinter dem Täterschutz zurücksteht.

[Beifall bei der CDU]