Hierüber werden die Fachausschüsse, insbesondere der Rechtsausschuss als der für den Justizvollzug zuständige Ausschuss zu beraten haben. Allerdings wird sich auch der Unterausschuss Datenschutz mit einigen Details auseinandersetzen müssen.
Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass eventuell viele Konflikte mit dem Datenschutz auf fehlende infrastrukturelle und personelle Ausstattung im öffentlichen Dienst zurückzuführen sind. Hinter den Datenschutzverletzungen steckt nicht immer Böswilligkeit oder fehlende Kenntnis über datenschutzrechtliche Bestimmungen, sondern häufig auch der Versuch, mit den gegebenen Mitteln das vorgegebene Ziel zu erreichen. Deshalb ist es richtig und wichtig, in diesem Bereich Rechtssicherheit herzustellen. Wo Schulungen fehlen und wo Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes auf private Rechner zurückgreifen, können Datenschutzverstöße nicht ausbleiben. Nicht selten wird auch über den kurzen Dienstweg unter Umgehung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen das eine oder andere genutzt, weil personelle und damit auch zeitliche Kapazitäten fehlen. Hieran wird auch ein neues Gesetz nichts ändern, sondern wir sollten gleichzeitig um eine bessere Ausstattung mitkämpfen. – Schönen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Trapp! – Für die Linksfraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Lederer das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu dem hier von der Justizsenatorin eingebrachten Gesetz vier Bemerkungen machen. Erstens: Die Relevanz des Datenschutzes ist unzweifelhaft. Die Debatten um den Arbeitnehmerdatenschutz, die immer noch zu sehr ungenügender Reaktion des Gesetzgebers im Bund geführt haben, die Debatten um Datenschutz im Netz, auch die Diskussion um Google-Street-View zeigen, wie relevant das Thema ist. Leider reagieren die Gesetzgeber in der Regel zögerlich oder überhaupt nicht. Rechtsunsicherheiten, Schutzlücken, Datenmissbrauch und Sammelwut sind die Folge.
Insofern ist jeder Vorstoß, jedes Ansinnen zu loben, das zu einem höheren Maß an Datenschutz und Schutz der persönlichen Sphäre führt. Rot-Rot hat in Berlin immer versucht, den technischen Fortschritt kontrolliert im Interesse der Berlinerinnen und Berliner unter Beachtung der Grundrechte zu nutzen, Vorkehrungen zu treffen – sowohl gegenüber staatlichen Datensammelinteressen als auch bei privatwirtschaftlicher Datensammelwut.
Zweitens: Nirgendwo sind staatliche Eingriffe in Grundrechte so intensiv wie im Strafvollzug – deswegen ist Strafvollzug Ultima Ratio. Was das Bundesverfassungsgericht einstmals in Abgrenzung zum archaischen sogenannten besonderen Gewaltverhältnis feststellen musste, ist heute eine Selbstverständlichkeit: Auch Strafgefangene sind Grundrechtsträgerinnen und Grundrechtsträger. Dennoch beschränken sich die Vorschriften zur informationellen Selbstbestimmung von Strafgefangenen in den einschlägigen Gesetzen auf fragmentarische Zeilen. Unsere Fraktion begrüßt deshalb, dass der Senat von Berlin hier Handlungsbedarf erkannt hat und dass uns heute als erstem Landesparlament in der Bundesrepublik Deutschland ein Justizdatenschutzvollzugsgesetz im Entwurf vorgelegt wurde.
Drittens: Wir haben heute die erste Lesung, und ich glaube, dass das nicht der Rahmen ist, die Details des Gesetzes zu diskutieren. Der Ort hierfür sind die Ausschüsse – der Rechtsausschuss und der Unterausschuss Datenschutz. Zu diskutieren wird sein, ob die im Entwurf vorgeschlagenen Regelungen in jeder Hinsicht die richtige Balance finden. Klar ist doch, Justizvollzugsanstalten werden aus unterschiedlichen Gründen, vor allem aber wegen der öffentlichen Sicherheitsinteressen und -erwartungen, durchaus ein Interesse haben, die Strafgefangenen unter Kontrolle zu haben. Dazu zählt auch das Gewinnen von Informationen über Verhalten, über Kommunikation und Lebensweise der inhaftierten Menschen. Zum Teil ist das sogar nötig, keine Frage. Auf der anderen Seite – Strafgefangene sind der Natur der Sache nach einem Maß an staatlicher Kontrolle ausgesetzt wie kein anderer Teil der Bevölkerung. Auch sie haben das Recht auf Privatheit, das Recht auf kontrollfreie Räume und Lebensregungen. Gerade im Strafvollzug ist der Schutz der Persönlichkeit, der Intimsphäre, der privaten Lebensgestaltung besonders sensibel. Kameras, Bedienstete, Mitgefangene sind dort permanent präsent, Kommunikationsüberwachung hat hier besonderes Gewicht. Hier gilt es, klug und besonnen abzuwägen. Dies zu tun ist unsere Aufgabe, die Aufgabe des Parlaments und der Abgeordneten. Wir wollen kein Datensammelgesetz, wir wollen ein Datenschutzvollzugsgesetz.
Ich hoffe, das war jetzt richtig, denn mit einem hat er Recht, der Kollege Kohlmeyer: Es ist wirklich ein komplizierter Zungenbrecher.
Viertens und letztens: Ich freue mich auf die Beratungen in den Ausschüssen, begrüße, dass der Senat hier initiativ geworden ist. Ich wäre sehr froh, wenn Berlin tatsächlich das erste Bundesland sein würde, in dem der Schutz der Daten von Strafgefangenen in einem gut durchdachten und abgewogenen Gesetzeswerk den ihm zustehenden Stellenwert erhält. Lassen Sie uns daran gemeinsam arbeiten, vielleicht in einem angemesseneren Austausch als das hier zu Beginn der Rederunde zu den Geschäftsordnungsfragen der Fall war! – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Lederer! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Abgeordneter Lux das Wort.
Danke schön, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst ein Lob: Wir haben in diesem Land eine handlungsfähige Justizverwaltung. Sie ist in der Lage, bestehende Datenschutzregelungen zusammenzufassen und in das neue Justizvollzugsdatenschutzgesetz zu schreiben, die bestehende Praxis zu eruieren und bestimmte Regelungen daraus zu ergreifen. Die Justizverwaltung ist also handlungsfähig, und wir werden uns natürlich sachgerecht mit diesem Gesetzentwurf auseinandersetzen.
Nun sollte man aber nicht vermuten, dass überall wo Datenschutz drauf steht, auch Datenschutz drin ist, denn in Wahrheit ist dieser Gesetzentwurf ein Schritt zurück – es ist viel Justizvollzug und fast gar kein Datenschutz, ein bisschen Datenverarbeitung, aber mit Sicherheit kein Datenschutz im Vergleich zum Status quo. Der Richtervorbehalt wird weitgehend ausgehebelt, so z. B. wenn Mobiltelefone eingesammelt, beschlagnahmt, überwacht und ausgewertet werden sollen – da gibt es standardmäßig einen Richtervorbehalt in der Strafprozessordnung, hier aber bei Gefangenen nicht. Wenn Sie schon mehr unter staatlichem Gewahrsam sind, wie der Kollege Dr. Lederer zu Recht gesagt hat, dann müsste der Richtervorbehalt hier doch erst recht gelten.
Der zweite Punkt: Auch bei der Videoüberwachung gibt es keinen Richtervorbehalt. Die Videos können quasi uferlos mitschneiden, was die Inhaftierten machen. Da mahnt schon das Bundesverfassungsgericht 1972, dass auch die Grundrechte von Inhaftierten nicht ins Unbestimmte relativiert werden dürfen. Das, Frau Senatorin, hat Ihre Verwaltung hier vorgelegt, und darüber wird man noch einmal reden müssen. Übrigens ist das nicht nur eine Ansicht von irgendwelchen grünen Bürgerrechtlern, sondern sie wird von der Rechtsanwaltskammer geteilt und vom Vollzugsbeirat des Landes Berlin, deren Stellungnahmen Ihnen vorliegen. Sie sollten die ernst nehmen und hier nicht so tun, als hätten Sie ein Gesetz entworfen, das den Datenschutz der Inhaftierten berücksichtige – Sie
haben tatsächlich die Kontrollbefugnisse ausgedehnt, und das verdient nicht den Namen Datenschutzgesetz. Man kann sich im Einzelnen ja darüber unterhalten, ob es nötig ist, das zu machen, ich finde aber nicht, dass das das Ticket Datenschutz verdient hat, erst recht nicht, wo Datenschutz in dieser Zeit eine besondere Geltung hat. Sie streuen der Bevölkerung und vor allem den Inhaftierten Sand in die Augen, und auch die hier diskutierenden Abgeordneten haben nicht ganz verstanden, was in diesem Gesetz noch drinsteckt.
Ja, aber nur, wenn er die Grünen nicht wieder mit einem bestimmten Berufsstand vergleicht, wie er es in der letzten Debatte gemacht hat.
Bisher war es nicht möglich, dass derjenige, der vorne steht, die Fragestellung eines anderen unter einen Vorbehalt stellen kann, aber möglicherweise wird es zukünftig ja so sein.
Herr Kollege! Da Sie ja alles besser machen wollen und Ihrer Spitzenkandidatin de facto folgen, alles werde besser, ohne konkret zu sagen, was denn eigentlich besser werden soll und ohne konkrete Vorschläge zu machen – –
Sie müssen einfach zuhören! – Sie sprachen über Handys im Vollzug – können Sie mir erklären, was Handys im Vollzug bei Strafgefangenen zu suchen haben?
Handys haben bei Strafgefangenen nach gegenwärtiger Rechtslage überhaupt nichts zu suchen, die Frage ist nur, wer bestimmt, dass die Mobiltelefone ausgewertet werden.
Nein, der Gesetzgeber bestimmt das nicht, in der Regel bestimmt so etwas ein Richter. Bei jeder strafprozessualen Handlung, die zur Auswertung technischer Mittel geeignet ist, gibt es einen Richtervorbehalt, darüber gibt es
umfangreiche bundesverfassungsgerichtliche Rechtssprechung, Herr Kohlmeier, und das wissen Sie selbst, da gibt es standardmäßig einen Richtervorbehalt. Selbst bei der Blutentnahme im Straßenverkehr gibt es einen Richtervorbehalt. Ich frage mich, was treibt die Justizsenatorin dazu, die – anders als unsere Spitzenkandidatin – noch nie in einem Knast gearbeitet hat und – anders als Frau Künast, die seit Jahrzehnten den Alltag in Berliner Justizvollzugsanstalten kennt – den Alltag nicht kennt, sie kommt aus Brandenburg und kennt dort den Rechnungshof. Hier spielt sie eine ganz andere Rolle, und ich frage mich, weshalb sie meint, bei so einem Standardgesetzentwurf reden zu müssen, den ich von jeder Justizverwaltung erwarte. Was treibt sie dazu, so ein kleingeistiges Gesetz vorzulegen und das auch noch zur Priorität von SPD und Linksfraktion zu machen? – Wir Grüne haben noch einen anderen Anspruch an Ihre Regierungsverantwortung, dem Sie hier mal nachkommen sollten. Wenn das alles ist, dann tut es mir wirklich leid um die Sozialdemokratie.
Ich wollte noch ein Beispiel nachschieben: Die Briefkontrolle, wie sie momentan nach dem Justizvollzugsgesetz des Bundes uferlos möglich ist, wird beibehalten. Hier haben Sie sich gänzlich um die Frage gedrückt. Sie haben sich auch um die Frage Kernbereich privater Lebensführung gedrückt, Sie haben sich davor gedrückt, bestimmte Daten zu kategorisieren wie es das Bundesverfassungsgericht schon seit mehreren Jahrzehnten macht, nämlich in Intimsphäre, Privatsphäre und sonstige Sphäre. Das passiert in Ihrem Gesetzentwurf nicht – auch hier wird nachzuarbeiten sein, genauso wie die neue spannende Frage ungeklärt ist, was eigentlich mit Therapiedaten passiert. Wir diskutieren bei der Sicherungsverwahrung darüber, ob wir dort mehr Therapie machen können oder sogar mehr Therapie machen müssen, Sie haben aber keine Vorstellung davon, ob Therapeuten überhaupt Berufsgeheimnisträger sind oder ob das nur die Ärzte, Strafverteidiger und bestimmte Geistliche und Seelsorger sind. Keine Antwort darauf in Ihrem Gesetz – während Sie sich auf der anderen Seite immer dafür aussprechen und sich mit Vorschlägen nach vorne wagen, mehr Therapie zu machen.
Hier ist der zweite Schritt deutlich vor dem ersten Schritt getan worden, indem Sie meinen, ein Justizvollzugsdaten(schutz)gesetz zu machen, bevor Sie überhaupt ein Landesjustizvollzugsgesetz machen. Wieso kommt das denn nicht als Erstes? Wieso regelt man nicht als Erstes den Vollzug, den Anspruch auf Betreuung, auf vorbereitende Entlassung, wo Berlin übrigens ganz weit am Ende steht? Warum regelt man das nicht alles,
bevor man den Datenschutz dort regelt? – Das zeigt doch eigentlich, in welch desolater Lage Sie sind, wie verlegen Sie sind und meinen, wir könnten mal als Erstes einen Schritt nach vorne machen im Konzert der Länder.
Sie haben eine ganz Menge Hausaufgaben nicht gemacht, Frau Senatorin, und das merkt man auch an ganz vielen anderen Debatten, z. B. darüber, warum wir einen überflüssigen Knast bauen, warum wir bei den Entlassungsvorbereitungen immer noch Letzter sind, das merkt man daran, dass Sie den offenen Vollzug heimlich abwickeln, indem Sie keine neuen Plätze schaffen, obwohl sie nachgefragt sind. Das merkt man an dem sehr, sehr hohen Krankheitsstand der Bediensteten, um den Sie sich kein bisschen kümmern. Ich meine den Krankenstand in der JVA für Frauen, in der JVA Moabit. In anderen Justizvollzugsanstalten liegt der Stand bei 85 Prozent und ist damit sehr hoch im Landesvergleich. Kein Wort dazu, keine Priorität bei der SPD und den Linken. Sie meinen hier, ein Datenschutzgesetz machen zu müssen, das keines ist. Es ist viel Vollzug, viel Datenverarbeitung, aber kein Datenschutz. Da müssen wir nacharbeiten. – Ich danke für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Lux! Dass ein solches Gesetz zur Priorität wird, kann man ganz leicht erklären: Wenn man als Koalition keine Anträge für eine Plenarsitzung stellt, dann muss man eben das zur Priorität erklären, was übrig bleibt. Daran sehen wir die Arbeitsweise dieser Koalition.
Die FDP begrüßt es ganz ausdrücklich, dass ein eigenes Datenschutzgesetz für den Justizvollzug geschaffen wird. Das zeigt auch deutlich, dass Datenschutz ein zentrales Anliegen und eine zentrale Materie für viele Lebenssachbereiche ist. Es ist letztendlich auch ein modernes Verständnis der Gesetzgebung, wenn wir für verschiedene Lebenssachbereiche zugehörige Datenschutzkonzeptionen schaffen. Das ist der Weg in die Zukunft. Eine allgemeine Datenschutzregelung, wie wir sie bisher haben und die für alle Bereiche gilt – etwa für Polizei, Feuerwehr, Justiz oder Private –, ist nicht ausreichend. Ein solches Regelungssystem ist letztendlich überfordert, und deswegen ist es richtig, für Lebenssachverhalte, die wir hier als Landesgesetzgeber regeln, auch in Zukunft entsprechende Datenschutzkonzepte mitzuliefern.
Allerdings ist Ihr Justizvollzugsdatenschutzgesetz in einigen Bereichen kein Datenschutzgesetz. Herr Lux hat das herausgearbeitet. Ihr Gesetzentwurf enthält eine Reihe von Regelungen über Eingriffsbefugnisse, insbesondere die Paragrafen 17 bis 26. Wir sind der Ansicht, dass Regelungen über Eingriffsbefugnisse in die speziellen Vollzugsgesetze gehören, etwa in das Untersuchungshaftvollzugsgesetz, in das Jugendstrafvollzugsgesetz, in ein all
gemeines Strafvollzugsgesetz und in noch zu schaffende Regelungen für die Sicherungsverwahrung. Wir haben hier verschiedene Lebenssachbereiche, die eine Differenzierung erfordern, und die Eingriffsbefugnisse in die verschiedenen Gesetze hineinzuschreiben, würde erst eine Differenzierung erlauben.
Von einem Datenschutzgesetz erwarten wir eher Regelungen über die Art und Weise der Datenerhebung, über die Speicherung, Löschung und Weitergabe von Daten und über das Akteneinsichtsrecht. Das regeln Sie zwar auch in diesem Gesetzentwurf, aber ich finde, dass gerade die Eingriffsbefugnisse, die Sie hier mit hineinschreiben, mit Datenschutz nichts zu tun haben und deswegen in andere Gesetze gehören.
Die Vermischung, die Sie hier vorgenommen haben, Frau von der Aue, ist deshalb kein Beitrag zur Rechtsklarheit, als den Sie selbst den Entwurf gerade dargestellt haben. Sie bewirken damit letztendlich einen systematischen Bruch.
Wir werden in der Ausschussberatung verschiedene Dinge abzuarbeiten haben. Inhaltlich möchte ich dazu sagen, dass Herr Lux bereits entsprechende Fragestellungen etwa hinsichtlich des Richtervorbehalts aufgeworfen hat. Wir werden sehen, wie sie zu bewerten sind. Wir werden in der inhaltlichen Beratung insbesondere auch prüfen müssen, ob die globalen Regelungen, die hier für alle Vollzugsbereiche vorgenommen worden sind, bestimmt genug sind, und ob sie bezüglich der unterschiedlichen Anforderungen für diese Vollzugsbereiche auch wirklich auf das Verhältnismäßige beschränkt sind.