Protokoll der Sitzung vom 27.01.2011

das Abgeordnetenhaus als Haushaltsgesetzgeber muss auch in diesem Bereich über die notwendigen Eckdaten verfügen, um zu sachgerechten Entscheidungen und Beschlüssen zu kommen. Verweigern Sie deshalb unserem Antrag nicht Ihre Stimme, und fordern Sie mit uns den Senat auf, im Sinne des Antrags tätig zu werden!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Harant das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Frau Demirbüken-Wegner! Ich glaube, Sie haben etwas verpasst. Der Senat ist bereits tätig. Ich darf noch mal darauf verweisen, dass der Ausbau der Kitas eines der zentralen Projekte dieser Koalition ist.

[Zuruf von Gregor Hoffmann (CDU)]

Wir wollen leistungsfähige Kitas, und wir sind auf einem sehr guten Weg. Wir haben das Bildungsprogramm.

[Zuruf von Elfi Jantzen (Grüne)]

Wir haben die Kitas besser ausgestattet. Wir haben die Entgeltfreiheit. Das sind alles Vorteile, mit denen wir uns sehen lassen können.

[Beifall von Dr. Felicitas Tesch (SPD)]

Und wir haben ein hohes Interesse daran, dass jedes Kind möglichst wohnortnah die Kita besucht. Das ist erst mal etwas Grundsätzliches. Da sind wir uns einig.

[Zuruf von Elfi Jantzen (Grüne)]

Nun wissen wir auch, dass es Bezirke gibt, wo es Schwierigkeiten gibt, Kitaplätze zu finden, weil – ich finde das erst mal erfreulich – in manchen Bezirken mehr Kinder geboren werden, weil mehr Kinder früher in die Kita gehen. Eine Folge ist in der Tat – ich kenne das auch aus meinem eigenen Bezirk –, dass man nach einem Platz suchen muss, dass manche Eltern auch weitere Wege in Kauf nehmen müssen. Das ist für die Familien ein zusätzliches Problem, darum müssen wir uns kümmern, da haben Sie völlig recht.

[Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]

Aber die Senatsverwaltung ist bereits dabei, diese Entwicklungsplanung umzusetzen. Er gab – das wissen Sie vielleicht, vielleicht auch nicht – am 14. Januar eine Auftaktveranstaltung zum Thema Kitaplanung. Dabei wurde bereits die Einrichtung einer temporären Arbeitsgruppe beschlossen. Diese Arbeitsgruppe besteht aus Vertretern der Bezirke, aus der Senatsverwaltung, aus freien Trägern und aus den Kitaeigenbetrieben. Diese Arbeitsgruppe soll die bezirklichen Planungen zusammenfassen und daraus Schlussfolgerungen für die gesamtstädtische Planung ableiten. Außerdem wollen wir die Planung für die ganze Stadt vereinheitlichen – das macht sicher Sinn –, und es

sollen auch Kriterien entwickelt werden, die den Jugendämtern der Bezirke eine Richtung geben.

Sie haben recht, es ist sicherlich eine gesamtstädtische Aufgabe, die Bezirke bei der Kitaplanung fachlich zu unterstützen, Qualitätsstandards festzulegen, auch das vorhandene Datenmaterial zur Verfügung zu stellen. Aber dieser Abstimmungsprozess läuft bereits. Ich denke, damit ist Ihr Antrag überflüssig. Ich möchte Sie noch mal darauf hinweisen – Sie haben es im Grunde selbst gesagt –: Nach § 19 Kitafördergesetz sind die bezirklichen Jugendämter zuständig, und der Senat hat gar keine rechtliche Befugnis für diesen Auftrag.

[Elfi Jantzen (Grüne): Aber eine Verantwortung!]

Die Bezirke vor Ort können am besten steuern, da sind wir uns doch eigentlich einig.

[Mieke Senftleben (FDP): Das ist Unsinn!]

Die Bezirke und die Senatsverwaltung sollen zusammenarbeiten, und jeder soll seinen Teil des Auftrags übernehmen.

Ich bin wie Sie, Frau Demirbüken-Wegner, der Meinung, dass die gestiegene Nachfrage nach Kitaplätzen befriedigt werden muss. Wir wissen auch, dass es Versorgungsengpässe gibt, ich habe es schon gesagt, in bestimmten Bezirken. Diese haben zum Teil übrigens überdurchschnittliche Versorgungszahlen, also da sind mehr Kitaplätze vergeben, als die Nachfrage nach der Bevölkerungszahl eigentlich hergibt. Da muss man mal genauer hinschauen: Bringen Eltern ihre Kinder in bestimmte Bezirke, weil sie dort arbeiten? Das muss alles genau angeguckt werden.

[Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]

Des Weiteren können die Bezirke auch mit den freien Trägern verhandeln, dass diese neue Kitaplätze ausbauen. Ob man Anreize setzen muss, ob Starthilfen gegeben werden müssen, muss auch überlegt werden. Auch eine berlinweite Datenbank – Frau Herrmann hat das gefordert – könnte hilfreich sein. Das muss man alles betrachten.

In diesem Zusammenhang ist ein Problem allerdings bei Weitem nicht gelöst, und damit müssen wir auch umgehen. Es ist das Thema „Personalversorgung“. Die Suche nach Erzieherinnen und Erziehern wird immer schwieriger. Wir brauchen mehr Jugendliche, die sich diesen Beruf aussuchen. Das wird uns aber nur gelingen, wenn wir die Rahmenbedingungen – und da meine ich sowohl die Arbeits- als auch die finanziellen Bedingungen – attraktiv gestalten. Da haben wir noch eine schwierige Aufgabe vor uns. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Harant! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Abgeordnete Jantzen das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der bereits angesprochene Bericht in der Morgenpost „Stadträtin ruft Kitanotstand in Friedrichshain-Kreuzberg aus“ macht deutlich, wie aktuell und notwendig eine gesamtstädtische Kitabedarfsplanung ist.

Frau Harant! Irgendwie frage ich mich, ob Sie sich der Bedeutung bewusst sind, gerade Sie von der SPD, wie kritisch das ist. Es ist nicht nur Friedrichshain, es ist Mitte, es ist Pankow, es ist sogar Lichtenrade, wo die Eltern in die Kitas gehen und keinen Platz finden. Sie möchten gern arbeiten, finden keinen Platz und können deswegen nicht arbeiten. Besonders absurd ist der Fall der Erzieherin, die nicht arbeiten kann, obwohl wir einen Fachkräftemangel in dem Bereich haben. Das heißt, wir könnten sechs Kitaplätze schaffen, wenn diese Erzieherin einen Arbeitsplatz hätte. So etwas darf nicht vorkommen.

[Beifall bei den Grünen]

Es ist erfreulich, dass die Zahl der Kinder gestiegen ist. Wir haben bereits in den letzten Jahren rund 12 000 Kinder mehr in die Kitas gebracht. Gestiegen ist allerdings nicht die Zahl der Kitaplätze, jedenfalls nicht in dem Maß, wie man es braucht.

Genaue Zahlen gibt es allerdings nicht, weil sich der rotrote Senat, obwohl Frau Herrmann und die anderen Städträtinnen und -räte und wir im Landesjugendhilfeausschuss auch seit mindestens einem halben Jahr oder noch länger auf die Problematik aufmerksam gemacht haben, bisher nicht darum gekümmert und die Bezirke mit dem Problem alleingelassen hat. Dass die Senatsverwaltung jetzt arbeitet, ist auch nicht das Verdienst der Senatsverwaltung oder das Verdienst der SPD, sondern das Verdienst des Landesjugendhilfeausschusses, der dazu einen Beschluss gefasst hat. Auch dieser war längst überfällig.

Die Frechheit ist dann der Brief von Herrn Wowereit und Herrn Zöllner, der Eltern auffordert, bei den anderen Eltern auf dem Spielplatz und in der Nachbarschaft für den Kitabesuch zu werben – was wir immer gefordert haben. Aber das so lautstark zu machen mit dem Ergebnis, dass die Eltern in die Kita kommen, ihren Gutschein haben und dann eben keinen Platz finden – da muss man vorher Vorsorge treffen, wenn man das wirklich ernst meint.

[Beifall bei den Grünen]

Wenn durch die Werbung und die Beitragsfreiheit das passiert, was wir uns alle eigentlich wünschen, dann werden massenhaft Eltern vor den Kitas stehen und keinen Platz finden. Das kann nicht Sinn und Zweck der ganzen Aktion sein.

Die SPD hat das auf ihrer Fraktionsklausur noch getoppt. Sie verspricht mehr Ganztagsplätze und die Abschaffung der Bedarfsprüfung. Abgesehen davon, dass wir das seit Jahren bei verschiedenen Kitagesetzänderungen immer wieder gefordert haben und das an sich auch sympathisch finden – wie, liebe Frau Harant und Kolleginnen von der Koalition und der SPD, wollen Sie dieses Versprechen einlösen? Schon ohne diese Zusage werden bis 2015 ungefähr weitere 12 000 Plätze gebraucht werden. Anstrengungen des Senats, in diese Richtung etwas zu tun, haben wir nicht gesehen, und die sehen wir im Moment immer noch nicht. Eine Bestandsaufnahme zu machen, bringt noch keine neuen Kitaplätze.

Wenn Sie das wirklich ernst meinen, dann müssen Sie jetzt dringend etwas tun. Deswegen sagen wir ganz deutlich: Diese Bedarfsplanung ist überfällig, und sie hätte schon vor einem Jahr da sein müssen. Wir brauchen eine gesamtstädtische Übersicht, was in den kommenden Jahren an Plätzen gebraucht wird, und es werden mehr räumliche und personelle Kapazitäten mit einem entsprechenden finanziellen Mehraufwand notwendig werden. Wenn hier nicht ganz schnell gesamtstädtische Maßnahmen ergriffen werden, dann wird der Kitaplatzmangel da sein, und wir werden den Rechtsanspruch nicht erfüllen können.

Dann möchte ich noch die zwei Problembereiche ansprechen, die gelöst werden müssen. Das ist einmal der Erzieherinnenmangel. Da kann ich nur deutlich sagen: Die Antworten auf Kleine Anfragen und Mündliche Anfragen auch noch in der letzten Zeit machen deutlich, dass auch dieses Problem vom Senat immer noch ignoriert und nicht tatkräftig etwas dagegen getan wird.

Das zweite Problem ist genauso groß. Das ist die Frage der Räume. Die freien Träger finden auch keine Häuser und Gebäude und können nicht so schnell bauen, wie es nötig wäre. Da müssen ganz schnell Anstrengungen unternommen werden. Die Erstausstattung für EKTs ist genannt worden. Da brauchen wir bestimmt noch mal was. Wir müssen aber bei den hohen Gewerbemieten auch überlegen: Wir können wir die unterstützen, damit sie Räume finden und finanzieren können? Es muss dringend dafür gesorgt werden, dass wir aus dem Liegenschaftsfonds abgegebene Einrichtungen gut wieder herausbringen. Da muss jetzt etwas getan werden, und es nutzt überhaupt nichts, wenn Sie hier die Reden halten und ankündigen, was Sie den Berlinerinnen und Berlinern noch versprechen. Es muss jetzt angefangen werden, diese Maßnahmen tatsächlich zu ergreifen, sonst bleiben Sie eine Ankündigungs-SPD und Herr Zöllner ein Ankündigungssenator. Das haben die Familien in dieser Stadt nicht verdient. Ihnen gönne ich das ja.

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Frau Kollegin! – Frau Dr. Barth hat nunmehr das Wort für die Linksfraktion. – Bitte, ergreifen Sie es!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Ich würde mir wünschen, dass Sie in den Bundesländern, wo Sie sozusagen an der Regierung sind, auch diese Probleme so benennen und dafür sorgen, dass das Kinderbetreuungsnetz so ausgebaut wird, wie wir es in Berlin haben. Dass wir in Berlin besondere Bedingungen für unsere Kinder haben, wissen wir alle, und dass wir uns dafür einsetzen, dass auch ausreichend Kitaplätze da sind, ist gar keine Frage.

Dennoch haben wir mit dem vorliegenden Antrag der CDU-Fraktion ein Thema, dem wir uns stellen müssen. Hier besteht auch seit geraumer Zeit Handlungsbedarf. Die CDU hat den Gedanken des Jugendhilfeausschusses aufgegriffen, und insofern werden wir uns im Ausschuss weiter damit auseinanderzusetzen haben.

Die der bezirklichen Kitaplatzbedarfsplanung zugrunde liegenden Bevölkerungsentwicklungsprognosen decken sich offensichtlich nicht mit der tatsächlichen Nachfrage nach Kitaplätzen, eine Entwicklung, die auch nach unserer Kenntnis mittlerweile mehrere Bezirke betrifft und von verschiedenen Aspekten bestimmt wird. Dazu gehört z. B., dass eine nicht unerhebliche Anzahl von Familien aus Stadtrandbezirken oder aus den jeweiligen Nachbarbezirken Kinder in anderen als ihren Wohnortbezirken zur Kita anmelden. Das aus guten Gründen gesetzlich verankerte Wunsch- und Wahlrecht der Eltern erlaubt über die Entscheidung über den Standort einer Kita hinaus vor allem auch das Wahlrecht bezüglich der Trägerschaft der jeweiligen Einrichtung. Eltern sind also weder örtlich noch hinsichtlich der Zugehörigkeit einer Einrichtung an das eigene Platzangebot der Berliner Jugendämter gebunden. Dass zwei Drittel der Berliner Kitaplätze von bezirksunabhängigen Trägern, von Verbänden und Vereinen angeboten werden, macht bereits die jeweilige innerbezirkliche Planung nicht leichter, geschweige denn die ebenfalls gesetzlich geforderte überbezirkliche Abstimmung.

Beachten Sie in diesem Zusammenhang, dass mit der Übertragung der Mehrzahl der Berliner Kitaplätze an freie Träger die Gewährleistungsverantwortung bzw. -verpflichtung, also die Sicherung des Rechtsanspruchs der Berliner Familien auf Bereitstellung einer ausreichenden Anzahl von Kitaplätzen, dennoch in vollem Umfang, also zu 100 Prozent, beim öffentlichen Träger verblieben ist! Die sich in manchen Bezirken und Ortsteilen abzeichnenden Abweichungen zwischen Prognosen und realer Entwicklung lassen also absehbar werden, dass in den kommenden Jahren vielerorts auch hier ein Platzmangel vorhanden sein wird, wenn wir nicht rechtzeitig gegensteuern. Im November 2010 hat der Landesjugendhilfeaus

schuss auf dieses Problem aufmerksam gemacht, und wir werden uns damit weiter befassen.

Nun zum vorliegenden Antrag der CDU-Fraktion! Ich will auch hier deutlich sagen: Der Senat ist nicht zentral verantwortlich für die Kitaplatzbedarfsplanung. Diese ist mit gutem Grund nach § 19 des Kindertagesförderungsgesetzes Aufgabe der Bezirke und sollte dies mit Blick auf die von Stadtteil zu Stadtteil sehr unterschiedlichen Wohnort- und Lebensbedingungen der Familien und ihrer Kinder auch bleiben. Dennoch ergibt sich aus meinen bisherigen Ausführungen, dass auch die Linksfraktion dringenden Abstimmungsbedarf erkennt, bei der der gesamtstädtischen Jugendhilfeplanung in Verantwortung der für Jugend zuständigen Senatsverwaltung eine koordinierende Funktion zukommen muss. Entgegen der Forderung nach einer gesamtstädtischen zentralistischen Steuerung, wie Sie sie in Ihrem Antrag verankert haben, haben wir eine ganze Reihe von zusätzlichen Fragen. Wir werden uns mit diesen Fragen in der zuständigen Ausschusssitzung befassen, und ich gehe davon aus, dass wir unter Einbeziehung dieser Ergebnisse dann auch einen überarbeiteten Antrag formulieren können. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der Linksfraktion]

Danke schön, Frau Kollegin Dr. Barth! – Frau Senftleben hat nunmehr das Wort für die FDP-Fraktion. – Bitte schön, Frau Senftleben!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Als ich dieses vom Regierenden und vom Senator für Bildung unterschriebene Schreiben kürzlich gesehen habe, fühlte ich mich ein bisschen an Weihnachten erinnert nach dem Motto: „Ihr Kinderlein kommet, oh kommet doch all’ in die Berliner Kita, möglichst früh und umsonst auch noch.“ Und wer hat es erfunden? – Klar, wir, die Berliner rot-rote Regierung, so hörte und las man allerorten.

[Beifall von Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion)]

Und nun haben wir den Salat: Es fehlen Plätze, es fehlt Personal – der offene Brief der Stadträtin aus Friedrichshain-Kreuzberg spricht Bände. Und der Senat – leider ist nun wirklich keiner von den Verantwortlichen mehr da, aber egal –, der blicket stumm von seinem Platze aus herum, Ideen hat er keine, Gelder schon mal gar nicht, aber wirklich brisant ist: Er weiß nicht, wie viele Plätze es nun wirklich sind.