Protokoll der Sitzung vom 17.02.2011

Zugleich haben wir das Abstimmungsverfahren bei konkurrierenden Vorlagen vereinfacht, indem nunmehr die irritierende Drittfrage weggefallen und jene Vorlage angenommen ist, die die höheren Ja-Stimmenanteile hat. Schließlich müssen im Sinne einer hohen Transparenz finanzielle und Sachspenden ab einem Gesamtwert von 5 000 Euro veröffentlicht werden. Spenden von Fraktionen sowie von Unternehmen der öffentlichen Hand sind ab jetzt untersagt.

Allerdings haben wir zu einem grundsätzlichen Problem keine Einigung finden können. Immer wieder waren Bürgerinnen und Bürger enttäuscht, wenn ein Bürgerentscheid adäquat zu einer BVV-Entscheidung in derselben Sachen nur empfehlende Wirkung hatte. Der Verein „Mehr Demokratie“ hatte deshalb vorgeschlagen, dass Bürgerentscheide zu reinen bezirklichen Angelegenheiten generell verbindliche Wirkung haben sollen.

[Benedikt Lux (Grüne): Wir Grüne auch!]

Der BVV steht nämlich laut Bezirksverwaltungsgesetz ein zweiter Weg zur Verfügung und den Bürgern eben nicht. Nach gründlicher Prüfung wäre die Linksfraktion ebenso

wie die Grünen bereit gewesen, dem zu folgen, aber das war in der Koalition nicht durchsetzbar.

[Benedikt Lux (Grüne): Schade!]

Es gehört aber zur Ehrlichkeit, dass sowohl ein Rechtsgutachten als auch Einschätzungen von Praktikern hierhin eine Überprivilegierung der direkten Demokratie gesehen haben. Wir meinen aber, dass die Koalition ebenfalls einen guten Weg gefunden hat, um Enttäuschungen und Frustrationen bei der Bevölkerung zu vermeiden.

Nachdem das Bezirksamt – so steht es in unserem Antrag – die Bindungswirkung eines Bürgerentscheides festgestellt hat, erhält der Senat die Möglichkeit, diese Feststellung juristisch zu prüfen. Danach sind alle Beteiligten – das Bezirksamt, die BVV, die Trägerinitiativen usw. – ab sofort verpflichtet, auf allen Unterschrifts- und Abstimmungsbögen anzuführen, ob der Bürgerentscheid verbindlichen oder empfehlenden Charakter hat.

[Benedikt Lux (Grüne): Das macht nichts besser!]

Wir denken, dass wir so einen guten Weg gefunden haben, um Enttäuschungen zu vermeiden. Ich bitte Sie also um Zustimmung zu unserem Antrag! Dem Antrag der Grünen können wir leider nicht zustimmen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Zotl! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Gram das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die vorliegenden Anträge wird meine Fraktion abstimmungsmäßig unterschiedlich behandeln. Wir werden den Koalitionsantrag nicht ablehnen, weil wir nach wie vor den Grundgedanken der direkten Bürgerbeteiligung im Interesse einer lebendigen Demokratie bejahen, jedoch auch immer darauf achten, dass die repräsentativen Elemente nicht ausgehöhlt oder zur Seite gedrängt werden. Der Volksentscheid „Wassertisch“ hat uns gelehrt, dass sich auch eher bürgerlich eingestellte Menschen in unserem Land beteiligen wollen, hat aber auf der anderen Seite auch wieder bewiesen, lieber Kollege Lux, dass diejenigen, die sich immer am lautesten für die direkte Demokratie einsetzen, sie dann kleinhalten wollen, wenn es gegen ihre Interessen geht.

[Benedikt Lux (Grüne): Bei uns nicht!]

Nein, insbesondere Linksparteiler Senator Wolf hatte versucht, den Volksentscheid vorher kleinzureden, und sich selbst mit fadenscheinigen Argumenten nicht beteiligt.

[Beifall von Benedikt Lux (Grüne)]

Die politische Ohrfeige, die ihm die Menschen verpasst haben, hat er auch verdient.

[Beifall bei der CDU und den Grünen]

Wie der Regierende Bürgermeister Wowereit versucht hat, diese Niederlage in einen politischen Erfolg umzumünzen, verdeutlicht geradezu die dreiste Ignoranz von einigen Politikern, die den Menschen draußen so sehr auf den Geist geht.

[Beifall bei der CDU und den Grünen]

Jetzt, lieber Kollege Lux, aber die Enttäuschung für Sie: Ihren Antrag werden wir ablehnen. Im Einzelnen begründen wir unsere Haltung wie folgt:

Die Einwohnerfragestunde in den Sitzungen der Bezirksverordnetenversammlungen gibt es bereits in ähnlicher Form. Einen Zwang zur Einführung sehen wir nicht. Dort, wo sie nachgefragt wird, besteht in der Regel eine Einwohnerfragestunde.

Die Senkung der erforderlichen Anzahl von Unterstützern beim Einwohnerantrag wird dem Charakter eines Berliner Bezirks als faktische Großstadt nicht gerecht. Die Zahl von 1 000 Einwohnern – das ist Koalitionsantrag – ist nicht nachvollziehbar und nicht hinreichend begründet. Bezirke in Berlin haben zwischen 220 000 und 360 000 Einwohner. Ohnehin wirkt diese Regelung des Einwohnerantrages auf uns wie ein zwanghaft konstruiertes Recht, das den derzeitigen Bezirksverordnetenversammlungen letztlich unterstellt, keine Bürgerinteressen zu vertreten. Das stimmt nun wirklich nicht, bei so vielen Parteien, die dort vertreten sind.

[Beifall bei der CDU]

Aber wenn mehr Bürgernähe gewollt wird, werden wir uns dem nicht verweigern. Die Zeit wird zeigen, ob es hier klappt oder nicht.

Sinnvoll ist dann wenigstens die angestrebte Regelung in § 45 Abs. 2, derzufolge dem Bürger bei Bürgerbegehren klarzumachen ist, ob der angestrebte Bürgerentscheid letztlich bindend oder nur empfehlend ist.

Sinnvoll sind auch die konkreteren Anforderungen an die Unterstützer eines Bürgerbegehrens. Ich meine hier insbesondere die Unterschriftsleistungen. Eine wesentliche Forderung meiner Fraktion, nämlich dass es bei Unterschriftsleistungen nicht zu Unredlichkeiten kommen darf, ist damit erfüllt.

Richtig finden wir auch – das haben wir stets betont – eine Fragestellung, die nur mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden kann. Je klarer die Fragestellung, desto bereiter wird der Bürger sein, sich zu engagieren. Aber es darf eben nicht zu unterschiedlichen Deutungen des Frageziels kommen.

Mein Lieblingsthema: das Zustimmungsquorum. Wenn wir nun schon eines einführen – bislang hatten wir ein Beteilungsquorum. Ich weiß, Herr Lux, Sie sind maßgeblich daran beteiligt –, dann muss ich zu Ihrem Entsetzen sagen: 10 Prozent sind uns wirklich zu gering. In anderen

Bundesländern sind es bis zu 25 Prozent, und ich finde, das ist eine durchaus angemessene Größe.

Dann spielt noch die Höhe der Einzelspenden eine Rolle, die hier mit 5 000 Euro angegeben wird. Das ist uns zu niedrig. Wir haben immer eine Anbindung an das Parteiengesetz gefordert. Das wäre weitaus sinnvoller gewesen, weil dann nämlich grundlegend eine Ober- oder Untergrenze gilt.

[Beifall bei der CDU]

Die Spendenverbotsregelung für Unternehmen halten wir auch für sinnvoll. Wir wollen nicht, dass öffentlich geführte Unternehmen mit prall gefüllter Kasse Einfluss auf Politik nehmen.

Ganz kurz zu dem Antrag der Grünen: Es kommt selten vor, dass Dr. Felgentreu und ich einer Meinung sind, aber hier sind wir es mal. Wir halten die Möglichkeit, dass das politische Bezirksamt in Ihrem Kopf herumspukt, durchaus für gegeben. Das politische Bezirksamt haben wir im Haus nicht gewollt, und dem müssen auch die Grünen nun endlich mal Rechnung tragen!

Der Rat der Bürgermeister hat allein die Verwaltungsaufgabe, den Senat und andere im Rahmen der Gesetzgebung und der Verwaltung zu beraten und seine Sicht einzubringen. Ihn nun mit einem Vetorecht auszustatten, käme einer zweiten Kammer gleich. Eine solche zweite Kammer kennt die Berliner Verfassung nicht, sie ist nicht gewollt – auch nicht von meiner Fraktion.

[Beifall bei der FDP]

Aus diesem Grund lehnen wir den Antrag der Grünen ab, beim Koalitionsantrag werden wir uns allerdings enthalten. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Gram! – Für die SPDFraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Felgentreu das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kein Bereich des öffentlichen Lebens in Berlin hat so viele Erfahrungen mit den neuen Instrumenten der direkten Demokratie gesammelt wie die Bezirke. In einer Vielzahl von Begehren und Entscheiden haben die Berlinerinnen und Berliner die neuen Möglichkeiten ausprobiert, Erfahrungen gesammelt und dabei festgestellt: Hier bewegt sich was!

[Zuruf von Benedikt Lux (Grüne)]

Auch ohne Mandat kann ich mitreden, kann ich mitentscheiden – wenn ich ein Thema habe und auch bereit bin, mich persönlich zu engagieren. Die SPD-Fraktion freut sich uneingeschränkt über diese Entwicklung.

[Benedikt Lux (Grüne): Tut aber nix!]

Das, Kollege Lux, sage ich im vollen Bewusstsein der Tatsache, dass wir uns deshalb noch lange nicht über jedes Ergebnis von Bürgerentscheiden gefreut haben und künftig auch nicht freuen werden.

[Benedikt Lux (Grüne): Geht uns auch so!]

Wenn wir die Abläufe der direkten Demokratie verbessern und erleichtern wollen, dann tun wir das nicht, weil wir uns unkritisch erfolgreiche Bürgerentscheide wünschen. Ob ich mir den Erfolg eines Bürgerentscheids wünsche, kann ich nur im Einzelfall entscheiden. Nein, wir wollen, dass sie überhaupt stattfinden können und dass aus ihnen gute und belastbare Ergebnisse für den ganzen Bezirk hervorgehen. Diese politische Absicht setzen wir mit der Novelle des Bezirksverwaltungsgesetzes um. Drei Punkte sind dabei aus unserer Sicht entscheidend.

[Benedikt Lux (Grüne): Ganz schön mager!]

Erstens: Wir wollen von einem Beteiligungsquorum zu einem Zustimmungsquorum übergehen. So erhalten wir ein gleiches Verfahren auf Landes- und Bezirksebene und machen die Abläufe für die abstimmungswilligen Bürgerinnen und Bürger leichter verständlich.

[Benedikt Lux (Grüne): Das war eine grüne Idee!]

Zugleich schaffen wir ein Paradoxon aus der Welt, denn wer gegen einen Bürgerentscheid ist, der sollte einfach hingehen und mit Nein stimmen. Bei einem Beteiligungsquorum kann aber auch seine Nein-Stimme zum Erfolg des Entscheids beitragen, weil sie die Gesamtbeteiligung erhöht.

[Benedikt Lux (Grüne): Haben wir Sie überzeugt?]