Protokoll der Sitzung vom 14.04.2011

[Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Benedikt Lux (Grüne)]

Gerade mit der Präventionsarbeit setzt sie wichtige Akzente für eine transparente und bürgernahe Polizei. Wir leben in einer sicheren Stadt – so sicher, wie eine Großstadt sein kann –, und wir danken dem Polizeipräsidenten und seinen Frauen und Männern, die sich tagtäglich dafür einsetzen. Auch wenn er nicht anwesend ist – ich denke, es wird ihm vielleicht überbracht werden –: Herr Glietsch! Sie haben eine hervorragende Bilanz vorgelegt. – Danke schön, meine Damen und Herren!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Das Wort für die Fraktion der Grünen hat der Abgeordnete Lux. – Bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die öffentliche Sicherheit ist in der Tat Grundlage unserer Gesellschaft und unserer Zivilisation. Sie ist erforderlich, um das Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat und um unsere Freiheiten zu sichern. Wir Grüne – gemeinsam mit Ihnen – werden alles dafür tun, damit dieses Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat weiterhin hoch ist. Deswegen sind wir froh, dass wir leicht sinkende Zahlen in der Kriminalstatistik haben. Dafür gebührt der Berliner Polizei ein herzliches Dankeschön!

[Beifall bei den Grünen und der SPD]

Aber nicht nur den Polizistinnen und Polizisten, sondern auch – Frau Seelig hat es angesprochen – vielen Lehrerinnen und Lehrern, den Familien, den Erzieherinnen und Erziehern gebührt ein Dankeschön, denn letztendlich sind sie es, die zuerst den Respekt vermitteln, der in dieser

Gesellschaft nötig und notwendig ist – nicht nur Respekt, sondern auch Empathie, nämlich die immer wichtiger werdende Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen und darüber nachzudenken, was ein anderer Mensch denkt und fühlt, wenn ich ihm schade, ihn beleidige oder noch krimineller werde. Diese Fähigkeit muss in unserer Gesellschaft immer wieder vermittelt werden. Dazu brauchen wir die Erzieherinnen und Erzieher, dazu brauchen wir die Familien. Auch die gilt es zu stärken.

[Beifall bei den Grünen]

Die Zahlen, die leicht sinken, hin oder her, es sind nach wie vor 76 000 Berlinerinnen und Berliner, die im letzten Jahr Opfer einer Straftat geworden sind. Auch an die gilt es zu denken. Das sind diejenigen, die wir als Gesellschaft nicht schützen konnten. Vielleicht waren auch einige von uns darunter, vielleicht kennen wir alle Menschen, die Opfer einer Straftat geworden sind. Auch hier gilt es immer wieder zu vermitteln: Es kann passieren, absolute Sicherheit wird es nicht geben. Aber bitte, erstens zeigen Sie die Straftat an und zweitens, verlieren Sie nicht das Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat! Wir tun alles dafür, damit es weniger Opfer von Straftaten geben wird.

[Beifall bei den Grünen]

Ich denke, auch gerade am Girls’ Day ist es möglich, die Gendersituation, die Verteilung unter den Geschlechtern, aufzuzeigen. Es sind 40 Prozent Frauen, die Opfer von Straftaten sind, und es sind 60 Prozent Männer. Die Täter allerdings sind zu drei Viertel männlich und nur zu einem Viertel weiblich. Hier wird deutlich, wo wir ansetzen müssen zu arbeiten. Es wird zunehmend ein Thema werden, dass man sich das genau anschaut. Aber es muss auch noch mehr getan werden.

Es ist hier schon gesagt worden, dass die Straftaten an Wegen, Plätzen, Straßen und Grünflächen, kurz gesagt an öffentlichem Eigentum, gesunken seien. Das kommt darauf an, welches Jahr man sich anschaut. Ich nehme einmal das Jahr 2006, fünf Jahre ist es her. Damals waren es 7 000 Straftaten an öffentlichem Eigentum. Keineswegs ging es dabei nur um Graffiti, Frau Seelig, das interpretieren Sie falsch. Graffiti ist eigenständig erwähnt. Dazu kann man unterschiedlicher Meinung sein. Sie kennen unsere Grünenhaltung dazu. Es geht hier eher um Beschädigungen von Straßenschildern, von öffentlichem Straßenland, von Park- und Grünanlagen. Da schauen wir uns an, dass bei diesem Delikt die Zahl um 40 Prozent gestiegen ist, von 7 000 auf über 10 000. Ich glaube, bei der Linkspartei steht am Eingang der Parteizentrale, dass die revolutionärste Tat die ist, die Wahrheit an- und auszusprechen. Ich glaube, das sollten wir hier auch tun.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Wir danken auch schön!]

Deswegen müssen wir darauf Rücksicht nehmen, dass sich Menschen in dieser Stadt unsicherer fühlen, weil es starke Zerstörung im öffentlichen Straßenland gibt. Hier muss man darauf aufmerksam machen: Das ist öffentli

ches Eigentum, das gehört uns allen. Das muss respektvoll behandelt und darf nicht zerstört werden.

[Beifall bei den Grünen]

Man hat bei der Linkspartei und der SPD doch den Eindruck – die SPD ist ein bisschen problembewusster, danke schön, Herr Zimmermann –, dass das an ein Gedicht von Christian Morgenstern erinnert,

[Zuruf von Gernot Klemm (Linksfraktion)]

das mit dem Satz schließt: „Weil“, so schließt er messerscharf, „nicht sein kann, was nicht sein darf.“ Das, Frau Seelig, haben Sie hier eindrücklich bewiesen. Bitte, bitte, machen Sie nicht den Unsinn mit, Dinge zu interpretieren, wie die Welt nicht ist! Nehmen Sie auch das subjektive Sicherheitsgefühl der Berlinerinnen und Berliner ernst! Dann können wir auch ernsthaft über diese Kriminalstatistik reden.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Was ist denn das für ein Eiertanz?]

Wir sollten auch ernsthaft darüber reden, welche Personalpolitik der Senat in der Polizei verfolgt hat. Da war das Intensivtäterprogramm gemeinsam mit der Justiz. Gut, das ist der Beweis, dass man bis zehn zählen kann, einen Stempel drauf macht und sich dann die Täterinnen und Täter genauer anschaut. Das ist wichtig. Das ist in meinen Augen aber selbstverständlich.

Was nicht selbstverständlich ist, was auch nicht selbstverständlich sein darf, ist, wie es beim Berliner Modell in der Berliner Polizei passiert ist, dass die Polizei in der Fläche ausgedünnt wird. Es gab die Stellen, die wir mit dem Sparprogramm streichen mussten, wozu die Polizei, wie viele andere Bereiche des öffentlichen Dienstes auch, beigetragen hat. Es kam zu dem Phänomen, dass Abschnitte zusammengelegt worden sind, dass immer weniger Streifen unterwegs sind. Das senkt natürlich das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung. Das war Teil der Berliner Senatspolitik. Das kann zwischendurch passieren, wenn man unter Spardruck steht, aber es kommt etwas hinzu, woran man sieht, dass die Personalpolitik nicht professionell betrieben worden ist. Da ist der Bereich Ausbildung zu nennen. Sie haben einige Zeit viel zu viel ausgebildet. Die vom Land Berlin ausgebildeten Polizistinnen und Polizisten sind in andere Bundesländer abgewandert, wo es attraktiver ist zu arbeiten. Anschließend haben Sie gar nicht mehr ausgebildet. Das war in der Zeit, in der wir als Parlament beschlossen und auch immer wieder darauf hingewiesen haben, dass wir mehr Migrantinnen und Migranten und mehr Frauen in der Berliner Polizei brauchen. Wir brauchen mehr Vielfalt, und wir brauchen mehr junge Polizistinnen und Polizisten. Stattdessen haben Sie eine Ausbildungssperre verhängt. Das hat dazu geführt – was wir einheitlich immer beklagen –, dass die Berliner Polizei gar nicht die Personalstellen zur Verfügung hat, die für sie vorgesehen sind. Das ist der zweite Punkt der schlechten Personalpolitik. Das ist das Chaos, vor dem wir heute stehen.

Der dritte Punkt ist, dass Sie das Zwölf-StundenSchichtmodell auf ein Acht-Stunden-Modell verändert haben. Auch hier gibt es einige Argumente, die dafür sprechen, auf acht Stunden zu verändern. In der Realität herrscht aber Chaos in den Dienststellen, und zwar Chaos auf hohem Niveau. Die Krankenstände sind gestiegen, das Personal ist quasi völlig dagegen, sich auf Acht-StundenSchichten einzulassen, und an Wochenenden wird wie selbstverständlich zwölf Stunden gearbeitet. So kann keine vernünftige Personalpolitik laufen. Auch hierin ist ein Grund dafür zu sehen, dass die Polizei nicht die Mittel zur Verfügung hat, die sie benötigt, um Straftaten zu bekämpfen.

[Beifall bei den Grünen – Zuruf von Gernot Klemm (Linksfraktion)]

Sie haben daran geglaubt, dass Personalabbau auf den Bahnhöfen mit mehr Videoüberwachung zu mehr Sicherheit führen wird. Das hat es offenkundig nicht getan. Darin sind wir uns heute mittlerweile alle einig. Jetzt reden wir darüber, wie wir mehr Geld für Personal investieren können. Dieser Fehler hätte aus Grünensicht damals gar nicht gemacht werden dürfen. Auch hier stehen wir vor einem Scherbenhaufen rot-roter Politik. Das, was der Regierende Bürgermeister dazu beigetragen hat, und woran man hier immer wieder erinnern muss, ist, wenn die Beamtinnen und Beamten zu Recht höhere Gehälter einfordern und zumindest darüber reden wollen, wann man die Gehälter in der Berliner Polizei wieder an das Bundesniveau angleicht, dass der Regierende Bürgermeister hingegangen ist und gesagt hat: In 200 Jahren können Sie gern wiederkommen. – So wird hier vom Senat mit der Polizei umgegangen. Traurig, traurig, kann ich da nur sagen!

Die Kontrolldelikte sind gesunken, das ist bereits angesprochen worden. Ein Bereich sind hierbei die Umweltdelikte. Hierzu einige Zahlen: Im Jahr 2001 gab es 3 200 festgestellte oder kontrollierte Umweltdelikte, im Jahr 2010 sind es nur noch 674 gewesen. Auch hier zeigt sich, dass die Berliner Polizei keine Kapazitäten für Kontrollen hat. Auch das ist fatal.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Trapp von der CDU-Fraktion?

Ja, bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Lux! Sie haben gerade die BVG angesprochen. Halten Sie es für notwendig, dass man das E-Kommando BVG, das im Jahr 2003 abgeschafft worden ist, wieder einführt?

Ich halte es für notwendig, dass die Polizei mehr im öffentlichen Nahverkehr unterwegs ist, dass es nicht auf die Tickets umgeschlagen wird. Ich halte es für notwendig, dass sich Uniformträger ohnehin mehr im öffentlichen Personennahverkehr blicken lassen, dass es Anreize gibt, dass diese das Auto zu Hause stehen lassen und den öffentlichen Nahverkehr benutzen.

[Beifall von Claudia Hämmerling (Grüne)]

Herr Trapp! Sie wissen, dass ich überzeugter Bus- und Bahnfahrer bin. Ich habe zurzeit noch nicht einmal ein Fahrrad. Deswegen ist es mir sehr wichtig, dass im öffentlichen Nahverkehr Sicherheit herrscht. Dazu können Uniformträger beitragen.

[Beifall bei den Grünen]

Nächster Punkt: Die organisierte Kriminalität scheint in dieser Polizeilichen Kriminalstatistik gar nicht zu interessieren. Herr Zimmermann hat selbst angemahnt, dass die Wirtschaftskriminalität stärker bekämpft und verfolgt wird. Hier müssen Kapazitäten geschaffen werden, hier muss auch mehr Know-how in die Berliner Polizei und Staatsanwaltschaft, denn das sind Delikte, von denen einige wenige einen sehr hohen Anteil am volkswirtschaftlichen Schaden haben. Diese Polizeiliche Kriminalstatistik hat überhaupt keinen Sonderbereich organisierte Kriminalität mehr, Frau Seelig. Auch hier würde ich von Ihnen von Rot-Rot gern wissen – das haben wir im Innenausschuss diskutiert –: Was sagen Sie dazu, dass es dazu keinen gesonderten Bericht gibt? Glauben Sie, die organisierte Kriminalität ist auf einmal weg? Oder machen Sie da einfach Augen-zu-und-durch?

Wir müssen uns heute auch die Frage stellen: Wie soll die öffentliche Sicherheit in 20 und 30 Jahren aussehen? Es kann deshalb nicht sein, dass man kurzfristig auf mehr Polizei setzt, sondern eben auf mehr Prävention, auf ein steigendes Anzeigeverhalten. Wir nehmen die öffentliche Sicherheit in der Metropole ernst. Denn wir leben in einer der sichersten Metropolen weltweit.

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Zimmermann?

Ja, gern!

Danke schön! – Herr Lux! Sind Sie denn nicht mit mir der Meinung, dass die Defizite bei der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität weniger bei den Ermittlungsbehörden Berlins liegen, sondern bei den fehlenden Rechtsgrundlagen, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Anwendbarkeit des Untreuetatbestandes so weit eingeschränkt hat?

Das ist ein Sowohl-als-auch, Herr Zimmermann. Einerseits könnten uns bundesgesetzliche Grundlagen weiterhelfen, auch die zu Einziehung und Verfall, auch die zur Gewinnabschöpfung bei organisierter Kriminalität. Aber ich erwarte auch, dass dieser Bereich gesondert ausgewiesen wird in der Berliner Polizeilichen Kriminalstatistik. Das hatten wir letztes Jahr. Dieses Jahr wird dazu nichts gesagt. Es kann nicht sein, dass so getan wird, als gäbe es so etwas wie organisierte Kriminalität nicht mehr. Deswegen erwarte ich auch von Ihnen, dass im nächsten Jahr in der Berliner Polizeistatistik wieder etwas zu organisierter Kriminalität gesagt wird, zu den hohen Schäden, die das verursacht und zu dem, wie man dem auch auf Landesebene begegnen will.

[Beifall bei den Grünen]

Wir stehen vor dem Problem, dass wir uns mehr Personal und höhere Gehälter insgesamt nicht werden leisten können, dass wir aber öffentliche Sicherheit trotzdem ernst nehmen wollen. Deswegen ist das Wichtigste, das hier heute von der Rederunde ausgehen soll, dass wir die öffentliche Sicherheit ernst nehmen, wieder mit den Ermittlungsbehörden reden und sie nicht, wie Herr Wowereit, in die Wüste schicken, sondern alle Beschäftigten ernst nehmen und alles dafür tun, damit die Sicherheit in dieser Stadt weiterhin auf relativ hohem Niveau bleibt. – Danke schön!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Kollege Jotzo.

[Stefan Zackenfels (SPD): Sagen Sie einmal etwas zu Plagiatsdelikten!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da die Anforderung besteht, hier etwas zu Plagiatsdelikten zu sagen, kann man hier vielleicht gleich damit beginnen. Diese Polizeiliche Kriminalstatistik ist ähnlich wie ein Plagiat. Sie unterscheidet sich nämlich kaum vom Original des letzten Jahres. Deswegen erstaunt es auch umso mehr, dass Sie diese Aktuelle Stunde unter den Titel gestellt haben: Weniger Verbrechen in Berlin – Schlussfolgerungen aus der jüngsten Kriminalitätsstatistik. Diese Behauptung trifft einfach nicht zu, ebenso wenig wie Sie, Herr Zimmermann, und Sie, Frau Seelig, zu dieser jüngsten Kriminalitätsstatistik an dieser Stelle Stellung genommen haben.

[Beifall bei der FDP]

Was bringt uns die PKS? – Es ist immer dieselbe Frage, die sich jedes Jahr stellt. Es sind auch immer wieder dieselben Argumente, die im Innenausschuss diskutiert werden und die auch an dieser Stelle, weil Sie das heute zur Aktuellen Stunde erkoren haben, diskutiert werden müs

sen. Sie wissen selbst, die Polizeiliche Kriminalstatistik kann immer nur ein Anhaltspunkt sein. Sie kann auch immer nur ein Bild der Hellfeldkriminalität bieten, die tatsächlich entdeckt wird. Der PKS kann nicht entnommen werden, wie sich die Kriminalität in einem bestimmten Jahreszeitraum entwickelt hat. Das wissen wir alle.

Ich komme auf Ihr Thema im Rahmen der Aktuellen Stunde zurück: Weniger Verbrechen in Berlin. Das ist dieser PKS auf keinen Fall zu entnehmen. Ich darf darauf hinweisen, dass der Rückgang von der letzten zu dieser Polizeilichen Kriminalitätsstatistik 12 000 Delikte sind. Die gliedern sich im Wesentlichen in 6 000 Delikte im Bereich der Schwarzfahrerkriminalität auf – da kann man natürlich sagen: Wenn keine S-Bahn fährt, kann man auch schwer schwarzfahren – und 6 000 Sachbeschädigungen – dazu hat Herr Lux schon Stellung genommen –. Diese 12 000 Delikte sind beileibe keine Verbrechen. Es handelt sich hier um Vergehen. Deswegen haben Sie mit Ihrer Aktuellen Stunde auch das Thema verfehlt.

[Beifall bei der FDP]