Dass Sie solche Anträge überhaupt vorlegen und wir uns damit befassen müssen, macht deutlich, dass Sie migrantische Familien am liebsten erst einmal unter einen Generalverdacht stellen. Da ist irgendein Migrant dabei, da kann nicht alles mit rechten Dingen zugehen – das ist Ihre Haltung, Ihre Sicht auf diese Stadt, und das sollten die Menschen auch erfahren!
Das ist ein falscher Ansatz, und ich empfehle Ihnen, Respekt vor diesen Menschen zu haben, Respekt vor jeder Familie, das ist jedenfalls das Motto von Bündnis 90/Die Grünen: Familie ist überall, wo Kinder sind! Kinder sind zu schützen und nicht unter Generalverdacht zu stellen!
[Beifall bei den Grünen, der SPD und der Linksfraktion – Dr. Robbin Juhnke (CDU): So hoch können Sie das Stöckchen gar nicht halten, dass ich nicht darüber springen kann!]
Es bleibt Ihr Geheimnis, warum Sie diesen Antrag gestellt haben – es gibt keinen echten Bedarf dafür, und Sie weisen dazu auch keine Sachkunde vor. Ich kann mir nur vorstellen, dass Sie noch ein Profil suchen – law and order. Ihr Kandidat für das Amt, das er eh nicht erreichen wird, hat das als höchstes Ziel benannt. Das sind Fantasien von Leuten, die keine Ahnung von Verwaltung und keine Ahnung von Familie haben und meinen, eine Gruppe gefunden zu haben, die man besonders verfolgen müsste. Als Mitglied im Innenausschuss erinnert mich das an etwas, womit Herr Trapp schon mal in die Presse gekommen ist: „Intelligenztest für Migranten“. Das alles ist es nicht wert, dass wir uns in diesem Hause damit beschäftigen.
Es gibt nichts zu regeln, das Gesetz gibt es bereits, zuständige Stellen gibt es auch. Ihr Schwerpunkt, das in die Ausländerbehörde geben zu wollen, macht lediglich Ihre Haltung gegenüber multikulturellen Familien klar, und da müssen Sie noch einiges hinzulernen. Ich hoffe und wünsche Ihnen, dass Sie noch mehr Migrantinnen und Migranten in Ihre Reihe bekommen, damit Sie noch etwas durchmischt werden und in dieser Stadt ankommen!
[Beifall bei den Grünen – Dr. Robbin Juhnke (CDU): Darum geht es nicht! Sie haben es nicht begriffen!]
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Bayram! – Es hat nun Frau Abgeordnete Seelig von der Linksfraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Kindschaftsrechtsreform, die 1998 den gesetzlichen Schutzbereich auf soziale Vater-Kind-Verhältnisse erweitert hat, war ein wichtiger Schritt zur Anerkennung der Realität von Familien in unserem Land. Dazu hat dann der Deutsche Bundestag 2008 das Vaterschaftsanfechtungsergänzungsgesetz verabschiedet, wodurch der Kreis der Anfechtungsberechtigten um eine anfechtungsberechtigte Behörde erweitert wurde. So weit, so richtig.
Im Übrigen haben Sie unrecht, wenn Sie so tun, als würde in anderen Bundesländern zentral mit dem Thema umgegangen. Ich habe gerade einmal nachgeschaut: 7 von 16 Bundesländern haben überhaupt eine zentrale Bearbeitungsstelle, und davon sind die wenigsten Ausländerbehörden. Sie haben offensichtlich ein Alleinstellungsmerkmal für nicht gerade ausländerfreundliche Maßnahmen.
Ziel ist es übrigens, mit diesem Ergänzungsgesetz sogenannten Missbrauch zu verhindern, sollte es weder biolo
gische noch soziale Bindungen geben, vorausgesetzt, die Mutter unterliegt dem Ausländerrecht. Meine Fraktion hat mit diesem Gesetz, das grundsätzlich eine Personengruppe unter Generalverdacht stellt, auch grundsätzliche Probleme. So haben mit dieser Begründung die damaligen Oppositionsfraktionen im Deutschen Bundestag dieses Gesetz ebenso abgelehnt wie die Mehrheit der vom Rechtsausschuss angehörten Sachverständigen. Eine spezielle Personengruppe wird unter den Generalverdacht des Missbrauchs von Rechten gestellt, während die Tatsachen, die zu einer Anfechtung führen können, nicht eindeutig festgelegt sind.
Im Übrigen, über die Anzahl der Fälle, Herr Juhnke, kann weder die Bundesregierung noch der Senat Auskunft geben, wie die Antworten auf Kleine Anfragen der Linken ergeben haben. Ebenfalls auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Sayan antwortet der Senat zu diesem Thema, dass „das Gesetz unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit und mit Augenmaß vollzogen werden muss und nicht jeder vage Verdacht zur Einleitung eines Anfechtungsverfahrens führen darf.“ Deshalb sind mit gutem Grund in Berlin die Bezirke per Rechtsverordnung dafür zuständig. Nur die Nähe zu den Betroffenen kann doch einen rechtfertigenden Anfangsverdacht begründen.
Nach dem Willen der CDU, die wieder ganz viel Missbrauch vermutet, erahnt oder wie auch immer, soll in Zukunft die Ausländerbehörde zentral zuständig sein. Welche Kriterien hat denn die Ausländerbehörde? Kennt sie den Vater? Weiß sie, wie sich das Kind-VaterVerhältnis entwickelt? – Nein, sie verfügt ausschließlich über eine Tatsache, nämlich dass die Mutter mit der Vaterschaftsanerkennung ein eigenes Aufenthaltsrecht begründet. Das soll dann der Anfangsverdacht sein nach Ihrem Willen. Und so soll ein schlechtes Gesetz noch einmal verschärft werden und der Abschreckung dienen.
Natürlich gibt es da, wo Menschen oft vor aussichtslosen Situationen stehen, auch Missbrauch, keine Frage. Aber es lässt sich doch beispielsweise auch vorstellen, dass ein gut betuchter deutscher biologischer Vater dafür sorgt, dass ein Sozialhilfeempfänger, vielleicht gegen Entgelt, die Vaterschaft anerkennt, damit er in Zukunft keine Alimente zahlen muss. Ist das dann weniger verwerflich? Überprüft das dann auch die Ausländerbehörde oder wer? – Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit plädieren wir dafür, Kompetenz bei den Bezirken zu belassen. Im Gegenteil, wir sind davon überzeugt, dass noch vorsichtiger und mit noch mehr Augenmaß ein so tiefer Eingriff in die Privatsphäre zu rechtfertigen ist. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion tritt dafür ein, den Zuzug in unsere Sozialsysteme zu stoppen. Der Antrag der CDU zeigt auf, dass auch auf Landesebene Schritte unternommen werden können, um dieses Ziel zu unterstützen. Das Problem ist seit einiger Zeit bekannt: Personen, die dauerhaft mittellos sind und für die finanziellen Folgen einer Vaterschaft nicht aufkommen müssen, erkennen oftmals, sicherlich gegen eine entsprechende Bezahlung, die Vaterschaft von im Ausland lebenden ausländischen Kindern an. Eine nähere Beziehung zu Frau und Kind hatten sie nicht, haben sie nicht und wollen sie auch nicht. Das Kind und die Mutter erhalten in der Folge der Anerkennung einen Aufenthaltstitel in der Bundesrepublik Deutschland und lassen sich dann ihren Lebensunterhalt vom deutschen Steuerzahler bezahlen.
Wir können wahrscheinlich nicht erreichen, dass die Scheinväter für ihre Scheinfamilie aufkommen werden, denn einem nackten Mann kann man bekanntlich nicht in die Tasche fassen. Aber wir müssen dafür sorgen, dass der Staat sich von diesen nackten Männern nicht an der Nase herumführen lässt.
Der Bund hat seine Aufgaben dafür bereits gemacht und ein behördliches Anfechtungsrecht geschaffen. Unsere Aufgabe als Land Berlin ist es, dafür zu sorgen, dass das Anfechtungsrecht auch ausgeübt wird,
wenn gesicherte Anhaltspunkte für eine Scheinvaterschaft zum Nachteil des deutschen Sozialwesens vorliegen.
Dabei erscheint es sinnvoll, Frau Bayram, eine zentrale Zuständigkeit für diese spezielle Materie zu schaffen. Diese erlaubt es, Erfahrung und Know-how zu bündeln und eine entsprechende Sachkompetenz aufzubauen.
[Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Es gibt auch eine Schein-Sachkompetenz! – Canan Bayram (Grüne): Unanständig!]
Der CDU-Antrag ist sehr verwaltungstechnisch. Wir werden uns im Ausschuss darüber unterhalten, ob genau dieser Vorschlag eine optimale Lösung des Problems darstellt. Der Antrag geht ohne Zweifel in die richtige Richtung.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss
für Inneres, Sicherheit und Ordnung und mitberatend an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung vorgeschlagen. – Ich höre keinen Widerspruch, dann verfahren wir so.
Das ist die Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit Tagesordnungspunkt 6. Ich eröffne die zweite Lesung hinsichtlich der beiden Gesetzesanträge und schlage vor, die Einzelberatung der jeweils zwei Artikel miteinander zu verbinden. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe auf die Überschriften und die Einleitung sowie die jeweiligen Artikel I und II, Drucksachen 16/2799 und 16/2800. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Frau Herrmann hat das Wort – bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kaum ein anderer Vorgang in diesem Haus ist so bemerkenswert. Seit fast zwei Jahren begleitet uns das Thema Wahlalter 16. Was ist in dieser Zeit passiert? – Es hat eine Anhörung im Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie gegeben, in der sich alle Experten für das Wahlalter 16 ausgesprochen haben. Das Hauptargument der Gegnerinnen und Gegner lautet, Sechzehn- und Siebzehnjährige seien nicht reif genug, eine Wahlentscheidung zu treffen. Professor Hurrelmann hat aus wissenschaftlicher Sicht sehr deutlich aufgezeigt, dass Sechzehn- und Siebzehnjährige diese nötige Reife besitzen.
Alle historischen Wahlrechtserweiterungen, das Frauenwahlrecht oder die Absenkung des Wahlalters von 21 auf 18 Jahre, sind gegen das Argument mangelnder Befähigung durchgesetzt worden – zum Glück. Heute wird wohl niemand mehr behaupten, dass Frauen oder Achtzehnjährige zu dumm zum Wählen seien.
Sie sind nahezu vollständig abhängig von politischen Entscheidungen anderer und gleichzeitig von der Frage der politischen Zukunftsgestaltung häufig am stärksten betroffen. Wer muss den Schuldenberg abbezahlen? Wer muss den Klimawandel ausbaden? Und wer erlebt die Bildungspolitik täglich am eigenen Leib? Es ist höchste Zeit, ihnen ein Wahlrecht nicht länger vorzuenthalten.
Das sieht auch der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle so. Ein breites Bündnis, Netzwerk Wahlalter 16, hat sich in Berlin gegründet und überparteilich für das Wahlalter 16 geworben. Das Jugendforum hat sich für das Wahlalter 16 ausgesprochen. Ein SPD-Parteitag hat mit fast 80-prozentiger Mehrheit für das Wahlalter 16 zu dieser Wahl im September gestimmt. Damit haben sowohl SPD als auch die Linke in Berlin eine klare und deutliche Position pro Wahlalter 16. In Bremen werden am Sonntag in einer Woche das erste Mal 16- und 17-Jährige auf Landesebene wählen dürfen, eingeführt durch Rot-Rot-Grün. In NRW steht das Wahlalter 16 im rot-grünen Koalitionsvertrag. In Hamburg stehen SPD und Linke der grünen Initiative nach einer Wahlaltersenkung positiv gegenüber. So sagt der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion: Eine Senkung des Wahlalters kann damit auch eine höhere Identifikation mit der Hamburger Kommunal- und Landespolitik schaffen. – So viel zu Hamburg.