Protokoll der Sitzung vom 26.05.2011

Nein, nein! Das ist schon so, Kollege Gram!

[Zurufe von der CDU]

Ich finde es schon erstaunlich, dass die Schaffung eines gemeinsamen Bundeslandes ausgerechnet für die Konservativen offenbar kein Herzensanliegen darstellt.

[Beifall bei der SPD – Oh! von der CDU – Sven Rissmann (CDU): Ausweichmanöver!]

Kollege Rissmann! Aber wenn der CDU schon die emotionale Begeisterung für dieses Ziel abgeht, dann sollte sie wenigstens aus Vernunftgründen dafür sein, denn die gibt es reichlich. Ich jedenfalls würde mich sehr freuen, wenn wir eines Tages nicht mehr über die Justiz in Berlin und Brandenburg, sondern über die berlinisch-brandenburgische Justiz streiten könnten.

Meine Damen und Herren! Ich bitte um Zustimmung zur vorliegenden Novelle des Richtergesetzes.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Sven Rissmann (CDU): Sehr pflichtbewusst! – Andreas Gram (CDU): Parteisoldat!]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Abgeordnete Dr. Behrendt das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das vorgelegte Gesetz zur Angleichung des Richterrechts der Länder Berlin und Brandenburg führt Hehres im Namen und ist doch ein schlechtes Gesetz. Die sehr lange Zeit der Beratungen der beiden Länder wurde bereits erwähnt. Kollege Rissmann hat darauf hingewiesen. Sie dauern seit mindestens sechs Jahren an – die ersten Vorarbeiten gab es schon vor acht Jahren –, und sie verliefen sehr enttäuschend. Das Gesetz kann deshalb unsere Zustimmung nicht finden.

Herr Kollege Felgentreu! Wenn Sie das als Modellprojekt für die anzustrebende Länderfusion vermarkten wollen, kann ich nur sagen: Diese Rumpeltour, der Weg, wie dieses Gesetz zustande gekommen ist – mit ständigen Unterbrechung, in Brandenburg waren Landtagswahlen –, kann und darf kein Vorbild für eine anzustrebende Vereinigung mit dem Land Brandenburg sein.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wir Grünen haben die Fusion der Obergerichte der Länder Berlin und Brandenburg von Anbeginn unterstützt, und selbstverständlich gehört dazu auch, dass man sich darüber Gedanken macht, das Richterrecht anzugleichen. Weshalb allerdings bei der Angleichung jeweils die schlechtesten Regelungen aus beiden Ländern Pate stehen mussten und gute Regelungen geopfert wurden, erschließt sich auch dem Kundigen nicht.

Der wesentliche Kritikpunkt war von Anbeginn an die völlige Veränderung des Berliner Richterwahlausschusses – immerhin ein Ausschuss, der seit Jahrzehnten seine Arbeit gut erledigt und in der gesamten Berliner Justiz hohes Ansehen genießt. Durch die jetzt angestrebte veränderte Zusammensetzung – also der überwältigenden Mehrheit von Abgeordneten, der nur noch wenige Mitarbeiter der Berliner Justiz gegenüberstehen – wird dieses Ansehen verspielt. Sämtliche Sachverständige – darauf wurde hingewiesen –, selbst die von der Koalition benannten, haben im Rechtsausschuss diese Reform in Bausch und Bogen verdammt.

[Beifall von Andreas Gram (CDU)]

Die Präsidentin der Berliner Rechtsanwaltskammer, Frau Schmid, hat beispielsweise in ihrer Stellungnahme geschrieben – ich zitiere –:

Wir sehen die Gefahr, dass künftig parteipolitische Kriterien für die Auswahl und Beförderung von Richtern einen immer stärkeren Einfluss erhalten.

[Sven Rissmann (CDU): Hört, hört!]

Ziel des Richteramtes sollte jedoch die parteipolitische Neutralität sein.

[Andreas Gram (CDU): Da hat sie recht!]

Wir Grünen lehnen diese parteipolitische Aufladung der Personalentscheidungen in der Justiz ab.

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Andreas Gram (CDU)]

Weitere Kritikpunkte wurden bereits bei der Einbringung des Gesetzes angesprochen, ohne dass das in den Beratungen aufgegriffen wurde. Wir lehnen auch den abgenötigten Planstellenverzicht für diejenigen Richterinnen und Richter ab, die in Elternzeit gehen, denn diese Regelung benachteiligt Frauen krass. Zur Erinnerung: Der Richterbund spricht von einer hier zutage tretenden frauenfeindlichen Haltung. Brandenburg hat übrigens eine solche Regelung nicht.

Wir wollen auch das Gemauschel um die Stellenbesetzungen in Berlin beenden, und wir wollen, wie es in der übrigen Verwaltung und übrigens auch im Land Brandenburg üblich ist, die Stellen in der Berliner Justiz ausschreiben.

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Andreas Gram (CDU)]

Und wir haben eine Idee der Anzuhörenden aufgegriffen: Wir wollen eine Evaluierung des Gesetzes nach fünf Jahren. Wir sind der Meinung, es gehört zu einer mo

dernen Gesetzgebung dazu, dass man nach einem bestimmten Zeitraum überprüft – sich die Verpflichtung auferlegt, das selbst zu überprüfen –, ob die mit dem Gesetz verbundenen Erwartungen erfüllt wurden oder ob man nachsteuern muss. Deshalb haben wir mit unserem Änderungsantrag eine Evaluierungsklausel vorgeschlagen.

Die von der Koalition hingegen vorgenommenen Änderungen greifen die geäußerten Kritikpunkte nur unzureichend auf. An einer Stelle ist es tatsächlich eine Verbesserung. Sie ermöglichen in Zukunft, dass die Fraktionen wie bisher Nicht-Abgeordnete in den Richterwahlausschuss entsenden dürfen. Das muss man anerkennen. Es ist die einzige kleine Verbesserung. Sonst beschränken sich die von Ihnen vorgenommenen Änderungen, Kollege Felgentreu, im Wesentlichen auf redaktionelle Änderungen und die Ausbesserung von Fehlern, die in der Senatsverwaltung für Justiz gemacht wurden.

Deshalb möchte ich um Unterstützung für unseren Änderungsantrag werben. Würde dieser verabschiedet, erhielte Berlin ein gutes und modernes Richterrecht. – Ich danke Ihnen.

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Behrendt! – Für die Linksfraktion hat jetzt der Abgeordnete Dr. Lederer das Wort.

[Sven Rissmann (CDU): Jetzt bin ich mal gespannt!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben mit dem Land Brandenburg gemeinsame Fachobergerichte gebildet. Wir haben auch in anderen Bereichen die Kooperationen der Justiz zwischen beiden Bundesländern voran getrieben. Es ist überfällig, dass sich Berlin und Brandenburg auf ein gemeinsames Richterrecht einigen. Das ist umso mehr zu begrüßen, als es vor dem Regierungswechsel in Brandenburg unmöglich war, sich mit mehreren verschlissenen christdemokratischen Justizministerinnen auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf zu einigen. Das ist erst einmal der Ausgangspunkt, vor dem wir die ganze Debatte führen.

Zweitens: Wir haben tatsächlich zügig und gründlich gearbeitet, wobei für meine Fraktion sehr wichtig war, dass das zwischen den Justizverwaltungen geschnürte Paket nicht wieder völlig geöffnet wird. Aber von Durchpeitschen, lieber Kollege Rissmann, kann wirklich nicht die Rede sein. Wir haben zwei Anhörungen durchgeführt, wir haben insgesamt drei Beratungen im Ausschuss zu diesem Vorgang stattfinden lassen. Eines ist klar, dass keine der Fraktionen, die die Vorbereitungsarbeiten mitgetragen haben, ein Interesse daran hatten, dieses Vorhaben dem Diskontinuitätsgrundsatz verfallen zu lassen,

wenn sich eine Legislaturperiode dem Ende neigt. Das ist völlig normal. Das liegt auf der Hand. Ich kann mich erinnern, dass die CDU-SPD-Koalition in Brandenburg mit dem gemeinsamen Richtergesetz so lange getrödelt hat, bis die Legislaturperiode zu Ende war. Danach konnte man wieder bei null anfangen. Das ist auch keine Art, wie man gemeinsame Justizpolitik betreibt. Daran möchte ich an dieser Stelle noch einmal erinnern.

[Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Dr. Fritz Felgentreu (SPD)]

Ich weiß, dass es immer nicht ganz unproblematisch ist, wenn Gesetzesvorhaben zwischen zwei Bundesländern gestaltet werden. Das erinnert ein wenig an die Situation wie bei Staatsverträgen. Man befindet sich am Ende immer in der Situation, dass man sich mit dem Verhandlungsergebnis auseinanderzusetzen hat. Danach kann man noch an der einen oder anderen Stelle drehen und sagen, dass man dieses gut findet und anderes nicht gefällt. Aber man ist ein Stück weit in den Korridoren drinnen, die durch die vorherigen Verhandlungen geöffnet wurden. Dazu kann ich sagen, dass für mich mit diesem Gesetz auch nicht alle Blütenträume reifen, aber doch, dass ein solides Stück Arbeit geleistet worden ist.

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Es ist auch auf dem Weg zur Einbringung des Gesetzentwurfs ins Parlament schon das Eine oder Andere abgeräumt worden, beispielsweise, lieber Kollege Behrendt, die Kritik zur Frage des Planstellenverzichts. Diese ist durchaus im Verfahren teilweise aufgegriffen und aufgenommen worden. Wir mussten uns im Ausschuss bei den Beratungen schon gar nicht mehr in dem Maß auseinandersetzen. Das sollte zumindest auch anerkannt werden.

Eine Änderung, die meiner Fraktion ziemlich wichtig war, ist zum einen die, dass in den Richterwahlausschuss nicht nur Abgeordnete und ausschließlich Abgeordnete gewählt werden können, soweit es um die Besetzungsrechte des Abgeordnetenhauses geht. Wir wissen, dass es in Brandenburg die Tradition hochgradiger Parlamentarisierung des Richterwahlausschusses gab. Es haben auch über Jahre die CDU-Justizministerinnen nichts daran geändert. Es schien ihnen also gefallen zu haben. Ich verstehe nicht, warum die Berliner Union an der Stelle ein so großes Problem damit hat. Ich sage persönlich, dass mir die Berliner Regelung auch lieber gewesen ist. Ich hätte mich gefreut, wenn wir sie hätten einbringen und erhalten können. Ich weiß, dass es der Koalitionspartner nicht in jeder Hinsicht so sieht. Unterschiedliche Sichtweisen gehören aber zu einem solchen Verfahren dazu.

Nun sind wir in einer Situation, dass wir nach dem neuen, jetzt hier zu beschließenden Gesetz auch kundige Personen, die auf Vorschlag der Fraktionen in den Richterwahlausschuss gewählt werden, entsenden können. Das ist für mich ein ganz erhebliches Stück Verbesserung. Ich habe in erster Lesung darauf hingewiesen, dass mir das wichtig ist. Das ist jetzt aufgenommen worden.

Was auch ein wenig unterschlagen wurde, ist – das hat es in Berlin nie gegeben –, dass Versetzungen auf der Ebene der Gerichtspräsidentinnen und -präsidenten sowie ihrer Vize künftig in Berlin der Entscheidung des Richterwahlausschusses unterworfen werden. Das ist eindeutig ein Fortschritt. Den muss ich an dieser Stelle würdigen. Darüber freue ich mich auch sehr.

Alles Andere sind Petitessen. Auch an der Stelle haben wir nachgebessert. Lieber Herr Kollege Rissmann! Erst aufzurufen, dass sich alle Anzuhörenden mit großer Verve gegen den Gesetzentwurf gewandt haben, und dann am Ende eineinhalb Minuten über den Gottesbezug zu reden, anstatt die säkulare Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in den Ländern Berlin und Brandenburg zur Kenntnis zu nehmen, ist einigermaßen grotesk und albern. An der Stelle versuchen Sie nichts anderes, als überkommene Privilegien der Großkirchen aufrecht zu erhalten. Mit moderner Rechtspolitik hat das nichts zu tun.

[Beifall bei der Linksfraktion – Sven Rissmann (CDU): Dazu stehe ich!]

Ich habe kein Problem damit, wenn Leute den Gottesbezug in ihre Eidesformel aufnehmen wollen. Ich habe aber ein Problem damit, wenn einer Mehrheit der Bevölkerung durch Gesetz vorgeschrieben werden soll, diesen Gottesbezug zu verwenden oder sich dagegen aussprechen zu müssen. Das ist schlichtweg Unsinn. Das ist das, was Sie wollen. Das ist Quatsch.

Wenn sich viele Beteiligte sich einigen müssen, wird es immer etwas schwieriger.

[Sven Rissmann (CDU): Stimmt doch nicht!]

Vor diesem Hintergrund zählt für mich mehr, dass wir es geschafft haben. Das freut mich ausgesprochen. Wir werden in den nächsten Jahren verfolgen müssen, wohin die Tendenz geht. Ein wenig mehr Selbstverwaltung der Justiz, auch stärkere Evaluierung, hätte ich mir an dieser Stelle durchaus wünschen wollen. Hier bin ich etwas mehr auf der Linie des Kollegen Behrendt. In Brandenburg ging es auch. Nichtsdestotrotz wird meine Fraktion dem jetzt zustande gekommenen Gesetzentwurf heute die Zustimmung geben.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Lederer! – Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Dr. Kluckert das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Dramaturgie der rot-roten Gesetzgebungstätigkeit ist bemerkenswert: Das Schlechteste zum Schluss. Dieses Gesetz ist neben dem Integrationsgesetz ziemlich das Schlechteste, was Sie hier eingebracht haben.

[Beifall bei der FDP und der CDU]