Protokoll der Sitzung vom 09.06.2011

Ich finde, dass sich nur Ihr dritter Punkt einem wirklich offenen Problem zuwendet, nämlich wie wir zügig zu geeignetem neuen Personal kommen. Aber genau da verharren Sie – zu meiner Verblüffung – ziemlich fantasielos auf dem Transferprinzip des Profifußballs. Sie wollen mehr Geld, um Spitzenkräfte woanders einzukaufen. Niemand kann zwar heute exakt wissen, welche neuen technischen Möglichkeiten in den nächsten Jahren die Kernprozesse der Verwaltung umwälzen werden und welcher Personalbedarf daraus entsteht, aber da, wo wir es wissen, haben wir – das ist schon mehrfach erwähnt worden, wie bei Polizei, Feuerwehr und Schule – Einstellungskorridore geschaffen. Sicherlich müssen diese hier und da ausgedehnt werden. Vielleicht müsste es für eine Übergangsphase auch personelle Über- und Doppelaus

stattungen geben. Vielleicht müssten Wirtschaft und Verwaltung noch mehr um differenzierte Technikprognosen ringen, und eventuell sollten – adäquat zur Praxis in großen Unternehmen – im größeren Stil zielgerichtete und finanziell geförderte Studiendelegierungen und Absolventenübernahmen vereinbart werden. Möglicherweise muss man auch das Transferprinzip noch zielgerichteter ausbauen und die Einkommensstruktur überdenken, aber das kostet alles viel Geld. Andere zu finanzierende Aufgaben werden ja nicht geringer. Und die Schuldenbremse – mit Verlaub –, die haben Sie erfunden, nicht wir.

[Björn Jotzo (FDP): Gott sei Dank!]

Und so stehen wir immer vor dem Zwang, bei Mehrausgaben für den öffentlichen Dienst die Finanzierung sozialer und kultureller Herausforderungen möglicherweise zu reduzieren. Wollen Sie das?

[Björn Jotzo (FDP): Wir wollen den öffentlichen Dienst reduzieren!]

Würden Sie bitte zum Schlusssatz kommen!

Jawohl! – Offensichtlich wollen Sie es! Nein, hinter den wohlgesetzten Worten Ihres Antrags verbindet sich einerseits eine ziemlich Arroganz gegenüber der erreichten Realität und der noch anstehenden Aufgaben –

Herr Kollege! Ich bitte Sie, jetzt zum Schluss zu kommen. Sonst muss ich wie Herr Momper verfahren und Ihnen den Saft wegnehmen.

Mein letzter Satz – sowie die Unwilligkeit, die Dinge in ihren komplexen Zusammenhängen zur Kenntnis zu nehmen. Wir lehnen Ihren Antrag ab.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Vielen Dank! – Das Wort in einer Kurzintervention für die FDP hat der Kollege Schmidt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sowohl Frau Flesch als auch Herr Dr. Zotl haben mich zum Thema Verwaltungsreformkompetenz im Zusammenhang mit diesem Antrag angesprochen. Ich denke, dass da wesentliche Dinge drin sind, die der Senat eben nicht tut, denn die entscheidende Frage ist: Wo kann man Personal sparen? Der Punkt, in dem Sie überhaupt kein Personal sparen, das sind die Hauptverwaltungen. Das ist ein wesentlicher Teil dieses Antrags. Sie reden von Konzepten, die

richtig sind – Shared-Services und Ähnliches –, aber Sie sparen dort nicht. Wenn Sie in den Hauptverwaltungen nur annähernd so die Schrauben anziehen würden, wie Sie es bei den Bezirken gemacht haben, sind dort mindestens 20, 25, 30 Prozent der Beschäftigten zu viel, die nur Akten schieben und für die Bürger keine erkennbaren Leistungen erbringen. Das ist ein wichtiger Teil der Verwaltungsreform, und die müssen wir durchziehen.

[Beifall bei der FDP]

Zum Thema Bürokratieabbau: Ja, Vieles, was Sie unter sozial und ökologisch packen, ist überflüssige Bürokratie – das Vergabegesetz ist ein Beispiel. Ökologische Kriterien kann man mit oder ohne das Vergabegesetz in der Ausschreibung unterbringen, das geht. Deshalb ist es völlig sinnlos, das zu machen und zusätzlich dort wieder Leute hinzusetzen, die das prüfen. Auch dort haben Sie unter dem Stichwort „ökologisch und sozial“ zusätzliches Personal, das Dinge prüft, die eigentlich keiner prüfen müsste. Insofern sind einige Vorschläge, die wir machen, wie man Personal reduzieren könnte, ganz konkret. Es wäre wichtig, wenn der Senat gerade in den Hauptverwaltungen damit anfangen würde. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Das Wort zur Erwiderung hat der Abgeordnete Dr. Zotl, und danach sind Sie dran, Herr Senator. – Bitte, Herr Dr. Zotl!

Kollege Schmidt! Niemand hat bezweifelt, dass eine Reihe von Fragestellungen auf reale Probleme hinweisen. Das habe ich gesagt, und die Kollegin Flesch hat das auch gesagt. Das Gesamtbild, das Sie vermitteln, das heißt: Es ist nichts passiert. Sie haben die Realität mit schwarzer Tünche schwarzgemalt, und das ist der Punkt, von dem wir ausgehen. Das ist nicht hilfreich. Und an dem einzigen Punkt, bei dem wir sogar gemeinsam Handlungsbedarf sehen – das ist der Punkt 3 –, da bleiben Sie völlig blass.

Und Ihre letzte Bemerkung, was die Hauptverwaltung betrifft, so ist das auch ein Bild, das längst nicht mehr der Realität entspricht. Auch die Zahl von 30 Prozent in der Hauptverwaltung, die Sie einfach so locker in den Raum stellen: Sie sind doch unser Ausschussvorsitzender, wir sitzen doch manchmal sechs Stunden zusammen und führen die Haushaltsdebatten zu technischen Lösungen. Immer wieder steht am Anfang die Frage: Ist das notwendig? Was soll damit verändert werden? Was soll damit aufgelöst werden? Also diese Aufgabenkritik findet doch genau, Punkt für Punkt statt. Das ist der Punkt, Herr Schmidt, wo ich meine, dass auch Sie unter Ihren Möglichkeiten bleiben und nicht ganz real sind.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Das Wort hat Herr Senator Körting!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, auch als Mitglied des Senats muss man sich nicht permanent Unrichtigkeiten anhören.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, Herr Kollege Schmidt – Sie können das anhand der Zahlen überprüfen –, dass die Hauptverwaltungen des Landes Berlin prozentual im gleichen Umfang wie die Bezirke Personal abgespeckt haben.

Vielen Dank! – Für die Fraktion der Grünen hat nunmehr der Kollege Schruoffeneger das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Zotl hat uns aufgefordert, die Realitäten zur Kenntnis zu nehmen. Also befassen wir uns mal mit der Realität von rot-roter Bilanz in der Personalpolitik seit 2001.

[Beifall bei der FDP]

Herr Körting! In der Hauptverwaltung abgebaut seit 2001: 9 800 Stellen, das sind 10 Prozent des Personalbestands der Hauptverwaltung.

[Björn Jotzo (FDP): Hört, hört!]

Das geht aus der Vorlage der Personalstatistikstelle an den Hauptausschuss von vergangener Woche hervor. In den Bezirken abgebaut: 24 000 Stellen, das sind 50 Prozent der bezirklichen Stellen. Jetzt können wir uns darüber streiten, was davon verlagert worden ist.

[Senator Dr. Ehrhart Körting: Das sind die Kitaleute! Das wissen Sie doch!]

Aber dass das ein Ungleichgewicht ist, ist trotz der Kitaleute unbestritten.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Ihr Motto war: Wir stärken die Dienstleistungen für die Bürger statt den Verwaltungsüberbau. Das Gegenteil ist dabei herausgekommen. Wenn Frau Flesch in Richtung FDP sagt, sie nehme die Verwaltungsrealität nicht wahr, wir hätten doch Einstellungskorridore bei Polizei und Feuerwehr – ja, Frau Flesch! Aber Sie nehmen nur die halbe Wahrheit wahr, denn wir haben zum Beispiel eine dreijährige Debatte über den Zielstellenplan im Gesundheitswesen, im öffentlichen Gesundheitsdienst gehabt. Anschließend haben wir das, was drei Jahre erarbeitet wurde, nicht umgesetzt, keinen Einstellungskorridor gemacht. Das ist eben auch die Realität und auch die in den Jugendämtern!

[Beifall bei den Grünen]

Wir können weitergehen. Beamte: 6 700 Beamtenstellen, das sind 8,5 Prozent der Beamtenstellen. Angestellte, Arbeiter: 28 000 Stellen, das sind 38 Prozent der Angestellten und Arbeiter. Nach außen: Wir wollen nicht weiter verbeamten. Da wird dann ein Exempel an den Lehrerinnen und Lehrern statuiert, aber in allen anderen Bereichen geht es weiter wie bisher. Es ist eher noch schlimmer geworden.

Letztes Stichwort: Mehr Indianer statt Häuptlinge, so sagt doch Rot-Rot immer. Stelleneinsparungen im höheren und gehobenen Dienst: 11 000 Stellen gleich 16 Prozent, im mittleren und einfachen Dienst: 22 000 Stellen gleich 31 Prozent. Auch hier das Gegenteil dessen, was nach außen immer formuliert wird. Das ist die Bilanz.

Selbst die IHK hat in ihrer Pressekonferenz in der letzten Woche festgestellt, dass es zahlreiche „Fehlsteuerungen“ – so ist das Zitat – in der Personalpolitik und „unzureichendes Personalmanagement“ gibt. Da wird festgestellt, dass es Personalmangel in vielen Bereichen der Verwaltung und in anderen Bereichen Überausstattungen gibt. Personalmangel: Dies Wort aus dem Munde einer IHK, die sonst eher den Personalabbau fordert. Da schreibt dann die IHK in einem eigenen Absatz über Einnahmeausfälle durch unsinnige Zeitverträge bei den Ordnungsämtern. In welcher Welt leben wir eigentlich? Die IHK muss einen rot-roten Senat daran erinnern, dass seine Zeitvertragspraxis in den Ordnungsämtern über zwei Jahre unsozial war, unwirtschaftlich war und überhaupt nicht zu einer effizienten Verwaltung beigetragen hat. Das aus dem Mund der IHK – da müsste sich Rot-Rot schämen!

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Volker Thiel (FDP) – Björn Jotzo (FDP): Absurd ist das!]

Die nächste Zwischenüberschrift der IHK: Bezirke besonders vom personellen Kollaps durch Überalterung betroffen – „Kollaps“ schreibt eine IHK, nicht Verdi, nicht der DGB, sondern eine IHK. Und der Senat nickt oder nickt auch nicht – tut nichts.

Letztes Stichwort: In der letzten Woche hat die Stadtkonferenz des DGB stattgefunden – DGB, Deutscher Gewerkschaftsbund, für die, die es vergessen haben sollten. Die FDP war nicht da,

[Björn Jotzo (FDP): Was?]

in der entscheidenden Arbeitsgruppe zum öffentlichen Dienst – Entschuldigung! Das habe ich auch nicht anders erwartet. Herr Goiny war für die CDU da. Für Die Linke war ein Mitarbeiter da – immerhin. Ich war auch da. Die SPD war in der Arbeitsgruppe des Deutschen Gewerkschaftsbundes zur Zukunft des öffentlichen Dienstes leider nicht anwesend.

So wundert es denn nicht, dass sich alle Gewerkschaftsvertreter dort zwar auch über die Tarifsituation, auch über die Stellenzahlen beschwert haben, dass aber die Hauptargumentation und die Hauptsorge immer wieder festge

macht wurde an den Fragen Missachtung, Wertschätzung der Mitarbeiter, ernst nehmen der Mitarbeiter, an der Kritik, dass es keine klaren Strukturen für die Personalführung gibt. Es fiel das Wort, motivieren statt Mobbing wäre angesagt – ja, das Verhalten des Senats gegenüber den Mitarbeitern wird oftmals als Mobbing empfunden, ob zu Recht oder nicht, empfunden wird es so.

Was wir bräuchten, ist eine aufgabenorientierte Personalausstattung, gleichzeitig aber auch eine politisch gesetzte Aufgabendefinition hier im Haus, die sich an den möglichen finanziellen Ressourcen für eine Personalausstattung orientiert und nicht an irgendwelchen Wunschträumen. Was wir bräuchten, ist eine individuelle Personalentwicklung mit dem Aufzeigen beruflicher Perspektiven für die einzelnen Mitarbeiter und eine Personalplanung, die auch eine Nachwuchsplanung und dafür den entsprechenden Einstellungskorridor enthält. Das haben Sie in zehn Jahren nicht ansatzweise zu Papier oder in die Realität gebracht, und das muss sich dringend ändern!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Kollege Schruoffeneger! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Zum Antrag Drucksache 16/4056 empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich gegen die FDP bei Enthaltung von CDU und Grünen die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die FDP. Wer ist dagegen? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich? – Das sind die Fraktionen der CDU und der Grünen. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich komme zu Tagesordnungspunkt 4.3. Das ist die Priorität der Fraktion der SPD, die bereits zusammen mit Tagesordnungspunkt 4.1 behandelt wurde.

Ich rufe auf