Vielen Dank auch an Sie, Frau Demirbüken-Wegner! – Es folgt von der Linksfraktion Frau Dr. Barth. Sie haben das Wort!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vergleicht man die Angebote von Plätzen in der Kinderbetreuung in Berlin mit denen in anderen Bundesländern, so ist eines klar: Berlin hat bundesweit eine der vorbildlichsten Ausstattungen mit Plätzen in Krippen, Kitas und Horten. Mehr als 90 % aller Kinder im Alter ab drei Jahren besuchen einen Kindergarten, im letzten Jahr vor der Einschulung sind es sogar mehr als 95 %. Damit sind wir im Hinblick auf den Versorgungsgrad spitze im bundesdeutschen Durchschnitt.
Das sagt allerdings noch nichts aus über den Betreuungsumfang und die Qualität. Seit 1995 gibt es den bundesweiten Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz, doch nur für Kinder ab drei Jahren, und nur auf einen Halbtagsplatz. In der Zwischenzeit gab es PISA, die UNICEF-Studie ist auf den Tisch gekommen, und jetzt – ganz aktuell – der Bericht des UNO-Sonderberichterstatters Muñoz – um nur einige zu nennen.
Aber Schlussfolgerungen der Bundespolitik für den Rechtsanspruch sind gleich null, egal ob Rot-Grün oder Schwarz-Rot regiert. Aber in Berlin sind wir dank RotRot schon ein Stückchen weiter.
Berlin hat sich nämlich bereits früh entschieden, auch für die Kinder unter drei Jahren ein Angebot vorzuhalten. 43 % nutzen es. Von dieser Quote träumen andere Bundesländer.
Auch in der Qualitätsentwicklung können wir uns sehen lassen. In der letzten Legislaturperiode wurden zahlreiche Reformen eingeleitet, um das Recht des Kindes auf vorschulische Förderung weiter umzusetzen und die Kita als Bildungseinrichtung auszubauen. Wir haben darüber hier in diesem Hause sehr oft gesprochen. Das Problem besteht nun aber darin, dass nicht alle Kinder gleichermaßen davon profitieren können. Wie können wir diese Situation im Interesse der Kinder verbessern?
Berlin hat immer noch Regelungen, die den Zugang zur Kita begrenzen, obwohl diese im bundesweiten Vergleich immer noch großzügig sind und auch pädagogische, fami
liäre und soziale Gründe für eine mehr als halbtägige Förderung ermöglichen. Die Entscheidung, welchen Betreuungsumfang ein Kind erhält, wird vom zuständigen bezirklichen Jugendamt auf der Grundlage einer Verwaltungsvorschrift getroffen.
Frau Demirbüken-Wegner! Hier muss ich Ihnen allerdings sagen: Nicht die rot-rote Regierung hat den Einfall für diese Verwaltungsvorschrift gehabt, sondern Sie sollten einmal etwas weiter nachblättern. Dann stoßen Sie sicherlich auf ganz andere Leute; vielleicht gehören sie auch Ihrer Partei an. Das nur ganz nebenbei.
Das ist auch schon so lange her, Herr Czaja! Erinnern Sie sich mal, es gab in Berlin eine schwarz-rote Regierung, die genau dieses Verfahren auf den Weg gebracht hat. – Wovon Sie gesprochen haben, das war das Kitareformgesetz. Das haben wir verabschiedet, das ist wohl wahr. Aber die Verwaltungsvorschrift zu diesem Verfahren ist schon ein bisschen älter.
Dabei hat sich erwiesen, dass u. a. durch die vorrangige Koppelung der Entscheidung über den Betreuungsumfang an die Berufstätigkeit der Eltern vor allem die Kinder erwerbsloser Eltern benachteiligt werden. Besonders problematisch ist für uns die befristete Ausweitung des Betreuungsumfangs, wenn Eltern an Maßnahmen der Arbeitsämter oder Jobcenter teilnehmen. Dann geht das Kind z. B. für vier Wochen ganztags in die Kita, danach wieder nur halbtags, wenn überhaupt. Diese Situation ist weder aus bildungspolitischer noch aus sozialpolitischer Sicht zu verstehen. Das Verfahren richtet sich vor allen Dingen gegen die Kinder, die die größte Unterstützung und Förderung benötigen. Wir verlieren damit auch ihre Eltern, für die der Kontakt zu anderen Eltern manchmal die einzige Chance der Teilhabe an der Gesellschaft und damit zur Nutzung anderer Angebote, z. B. der Familienbildung ist. Das ist auch unter dem aktuellen Aspekt des Kinderschutzes völlig unakzeptabel.
Aber auch andere Kinder und Eltern sind von dieser Verwaltungsvorschrift betroffen, z. B. Kinder, deren Mütter sich im Mutterschaftsurlaub befinden. Auch diese Kinder dürfen plötzlich nicht mehr den ganzen Tag mit ihren Freunden verbringen, weil ihre Mütter ja jetzt zu Hause sind. Was soll das? – Wir wollen, dass diese Situation unbedingt im Interesse der Kinder verändert wird. Wir wollen, dass sich Eltern unabhängig von einer Erwerbstätigkeit und von bürokratischen Hindernissen für ein Bildungs-, Förder- oder Hilfsangebot ihrer Kinder entscheiden können.
Das Gleiche trifft für die Hortkinder zu. Insofern besteht für uns ein großer Handlungsbedarf. Die Zugangskriterien müssen überprüft und verändert werden, damit mehr Kinder als bisher von den Förderangeboten profitieren können. – Danke schön!
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Dr. Barth! – Für die Grünen hat jetzt das Wort Frau Jantzen. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Dr. Barth! Wenn Sie das, was Sie uns hier sagen, wirklich wollen oder gewollt hätten in der Vergangenheit, hätten Sie in der Tat beim Kitafördergesetz andere Kriterien für das Antragsverfahren annehmen können. Da gab es Anträge aus der Opposition, die dann abgelehnt wurden. Ich begrüße durchaus, dass Sie jetzt einen Schritt weiter sind.
Ich bedauere dann aber auch etwas, dass es dieses angekündigte Regierungsprogramm des rot-roten Senats vom Dienstag nicht gibt. Mich interessiert, was der Senat konkret von den hehren Zielen der Koalitionsvereinbarung zur Verbesserung der Bildung in den Kindertagesstätten und in der Tagespflege umsetzen will. Da sind in den Richtlinien zur Regierungspolitik durchaus einige Bereiche genannt worden, aber im Großen und Ganzen wurde der für die Bildungschancen der Kinder in dieser Stadt doch extrem wichtige Bereich sehr vernachlässigt. Da haben wir zwar den wunderbaren Satz, dass die Kindertagesstätten durch die Kostenfreiheit für alle geöffnet werden sollen. Wie wir jetzt feststellen, reicht das nicht aus. Da steht auch: Kindestagesstätten werden zur vorschulischen Bildungseinrichtung weiterentwickelt und qualifiziert. Ich bin sehr froh, dass wir jetzt mit Frau Scheeres in der SPD und anderen qualifizierte Personen im Hause haben, sodass wir vielleicht mit der Qualitätsentwicklung weiterkommen.
Der Antrag zeigt aus meiner Sicht schon, dass der Senat das, was zwischen den Fraktionen vereinbart wurde, nicht so richtig ernst nimmt. Wir können daher nur begrüßen, dass die Koalitionsfraktionen den Senat auf Trab bringen. Ich hoffe, da wird nicht allzu viel Widerstand kommen. Es ist schade, dass der Antrag, der unter dem vorletzten Tagesordnungspunkt behandelt wurde, die Neuregelung der Sprachförderung vor Schuleintritt, nicht bei diesem Tagesordnungspunkt behandelt wird, denn das ist ein typisches Kindestagesstättenthema. Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass diese Sprachfeststellung nicht nur ein Jahr
Wir können es vielleicht auch Startklasse nennen, Frau Senftleben, aber lieber nicht, denn das klingt mir zu sehr nach Schule. Diese Sprachförderung sollte im letzten Jahr vor der Schule in der Kita stattfinden. Das letzte Jahr ist kostenfrei. Dann sollten diese Kinder – so sie noch nicht in der Kindertagesstätte sind – den Halbtagsplatz schlicht und einfach bewilligt bekommen. Das wäre eine bessere Förderung, wie auch die ganzen Untersuchungen zeigen. Kinder, die längere Zeit in eine Kindertagesstätte gehen, haben einen besseren Sprachstand bei Schuleintritt und damit auch bessere Bildungschancen.
Es ist auch sehr schade, dass Sie nicht gleich den Antrag zur Umsetzung der Koalitionsvereinbarung mit eingebracht haben, der sagt: Wir wollen durch eine Deckungszusage gegenüber den Bezirken die bedarfsgerechte Versorgung mit Plätzen der Kinderbetreuung sicherstellen, um zu vermeiden, dass Bedarfsansprüche aus Kostenerwägungen unterlaufen werden. – Das hätte ich nur konsequent gefunden, wenn dazu eine klare Aussage der Koalition gekommen wäre. Die Probleme sind angesprochen worden. Die Bezirke verfahren sehr unterschiedlich mit der Anerkennung von Bedarfen. Eigentlich ist es ein Unding, wenn ein Kind für zwei oder drei Wochen aus der Kita herausgenommen werden muss, weil die Mutter drei Wochen arbeitslos ist, bis sie ihre nächste Mehraufwandsentschädigung oder sonst was, vielleicht auch eine richtige Stelle hat. Das hätte längst alles passieren können. Dazu brauchen wir diesen Antrag nicht.
Wir haben in der Vergangenheit immer wieder gesagt, dass es absurd und bürokratisch ist, diesen großen Aufwand mit dem Antragsverfahren zu betreiben. Durch die Kostenbeteiligung wird eine Hürde beim Zugang gesetzt. Es wäre konsequent, den Betreuungsbedarf zu genehmigen, den die Eltern anmelden. Die Modularisierung im Hortbereich mit den vielen Modulen – von Früh- bis Spätbetreuung, mit Teilzeit, ganztags und darüber hinausgehenden Zeiten – führt zu einem riesigen Berechnungsaufwand, den die Kindertagesstätten und die Verwaltung zu machen haben. Es wäre einfacher zu sagen: Kita ist eine Bildungseinrichtung, und dann sind sechs bis sieben Stunden als Bildung für alle Kinder da, erst einmal im Alter von drei bis sechs, bis zum Schuleintritt. Und dann auch für die Jüngeren, um auf Bundesebene den Rechtsanspruch für Kinder unter drei zu unterstützen, auch wenn wir hier in Berlin bereits ausreichend Plätze haben. In den anderen Bundesländern ist das noch nicht so. Geld, das eventuell vom Bund käme – die Grünen haben das Modell der Kinderbetreuungskarte, womit Geld in die Kommunen transferiert werden könnte –, können wir in Berlin sehr gut gebrauchen, –
ich bin beim Schluss! – um die Qualität der frühkindlichen Bildung und Erziehung noch entscheidend zu verbessern. – Danke!
Vielen Dank, Frau Jantzen! – Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Dragowski das Wort. – Bitte sehr!
Der Senat wird aufgefordert, die Verordnung über das Antragsverfahren, die Planung und den Nachweis von Plätzen in Tageseinrichtungen und der Tagespflege zu ändern, dass ein bezirksübergreifend standardisiertes Antrags-, Planungs- und Bewilligungsverfahren möglich wird.
Über vier Jahre später kommt die Koalition mit einem fast identischen Antrag, der genau dieses Problem anspricht, das wir schon vor Jahren hätten lösen können. Da frage ich mich: Wie langsam schalten die Genossen von SPD und Linksfraktion?
Im Rahmen der Ausschusssitzung am 11. März gab die Vorsitzende noch zu verstehen, dass es bald zu der von uns geforderten Umstellung kommen werde. Das war am 11. März 2004. Mit dieser Begründung haben Sie dann, werte Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen der SPD, der PDS und der Grünen, unseren Antrag abgelehnt. Nun – drei Jahre und unzählige Mündliche und Kleine Anfragen später – kommt die Koalition endlich dazu, den Senat zur Überarbeitung der rechtlichen Regelung aufzufordern. Erstaunlich, werte Kolleginnen und Kollegen von SPD und Linksfraktion, wie lange Sie für die Formulierung dieser zwei notwendigen Sätze gebraucht haben!
Ja, gut Ding will Weile haben! – Wir haben mittels Kleiner Anfragen feststellen müssen, dass beispielsweise im Bezirk Pankow Eltern teilweise mit Verweis auf den Bearbeitungsstau ohne Prüfung des Bedarfs vom Jugendamt abgewiesen wurden, Eltern mit der Erklärung abgewiesen wurden, dass Gutscheine nur zum Ersten des Monats ausgestellt würden, auf einen Monat befristete Gutscheine ausgegeben wurden, im Fall einer Veränderung der familiären Situation Eltern abgewiesen wurden, dass in den Bezirken Neukölln und Mitte ein erweiterter Betreuungsbedarf nur beim Nachweis eines Arbeitsverhältnisses anerkannt wurde, dass in mehreren Bezirken Kinder mit nichtdeutscher Herkunftssprache maximal einen Halbtagsplatz zugebilligt bekamen und bekommen. Darauf haben wir den Senat immer wieder aufmerksam gemacht. Die Antwort des damals zuständigen Staatssek
retärs Härtel vom 18. Mai 2006 lautete: Wir lösen diese Probleme. Wir machen uns an der einen oder anderen Stelle auch darüber Sorgen. Wir können garantieren, dass die Eltern, die Ansprüche geltend machen, einen adäquaten Platz bekommen. – Schöne Worte ohne Substanz! Die Koalition ist nach Jahren tiefen Schlafes wachgerüttelt worden und hat das Problem entdeckt. Bravo! Wir schütteln den Kopf darüber, dass es so lange gedauert hat.
Inhaltlich können wir diesem Antrag nur zustimmen. Ein ernstes Problem, das es nach Jahren des Verzögerns endlich zu lösen gilt! – Vielen Dank!
Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie, wozu ich keinen Widerspruch höre.