Protokoll der Sitzung vom 22.03.2007

in Verbindung mit

Industriepolitisches Rahmenkonzept zur Sicherung von industriellen Arbeitsplätzen in Berlin vorlegen

Antrag der CDU Drs 16/0344

Das sind die Tagesordnungspunkte 29 und 30. – Für die Beratung steht den Fraktionen eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der CDU. – Bitte, Herr Dietmann!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die wirtschaftliche Situation Berlins ist nach wie vor unbefriedigend, geprägt durch hohe Arbeitslosigkeit, Miniwachstum und Werksschließungen wie z. B. bei JVC oder Samsung. Der durch die Bundespolitik unter Kanzlerin Merkel initiierte Aufschwung ist zwar auch in Berlin spürbar – und das ist gut –, aber der Abstand zu den anderen Bundesländern wird eher größer denn kleiner.

Der Senat und der zuständige Wirtschaftssenator Wolf reden zwar viel über rote Teppiche für Investoren, in Wahrheit aber werden Investoren vor den Kopf gestoßen.

Mit dem roten Teppich bringt man bei diesem Senat allenfalls Wowereits Premieren- oder Party-Auftritte in Verbindung.

[Zurufe von der SPD: Oh! – Unruhe]

Deswegen legen wir Ihnen heute zu zwei wichtigen wirtschaftspolitischen Themen Anträge vor, gewissermaßen als kostenlose Nachhilfestunde.

Stichwort Wirtschaftsförderung: Die Evaluation der Wirtschaftsförderung, die Mummert Consulting 2006 vorgelegt hat, kommt zu folgendem Ergebnis:

Die Neuordnung war grundsätzlich sinnvoll und wirksam.

Das finden wir auch. Dann geht es weiter:

Allerdings bedarf die Berliner Wirtschaftsförderung einer weiteren Entwicklung, insbesondere bei der Organisation der Bestandspflege und der Bestandsentwicklung.

Hier setzt genau unser Antrag ein. Organisationen wie IBB, TSB oder BTM müssen sich dem übergeordneten Ziel einer effektiveren Wirtschaftsförderung unterordnen.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Volker Thiel (FDP)]

Schön, dass das Publikum noch munter ist! – Auch in der Bestandsbetreuung müssen wir besser werden, und deswegen nimmt die CDU-Fraktion gern die Idee von DGB-Chef Dieter Scholz auf, der eine Task Force gefordert hat, und genau diese Forderung finden Sie in unserem Antrag auch wieder.

[Beifall von Gregor Hoffmann (CDU)]

Die rot-rote Koalition hat sich in der Koalitionsvereinbarung auch grundsätzlich auf den Umbau der bestehenden Institutionen und Strukturen der Wirtschaftsförderung verständigt. Dass der Regierende Bürgermeister Wowereit das so interpretiert, dass er die im gemeinsamen Kabinettsbeschluss zwischen Berlin und Brandenburg 2005 vereinbarte Fusion der Wirtschaftsförderungsgesellschaften einkassiert, das hat die CDU allerdings nicht erwartet. Nun äußert sich der Regierende Bürgermeister schon einmal zu wirtschaftspolitischen Fragen, und dann kommt so ein Unfug dabei heraus! [Beifall bei der CDU – Beifall von Volker Thiel (FDP)]

Viele haben diese Absage an die Fusion kritisiert, und Wirtschaftssenator Wolf hat mitgeteilt, er halte an dem Beschluss fest. Darin können wir ihn nur bestärken. Allerdings ist die Durchsetzungsfähigkeit nicht unbedingt Senator Wolfs Stärke, wie man aus der Kapitulation vor seiner zA-Belegschaft weiß, die nicht in das LudwigErhard-Haus ziehen wollte, und wie wir auch bei dem Thema Wassertarife feststellen konnten. Mal sehen, ob Sie sich dieses Mal durchsetzen können, Herr Wolf!

Auch 2006 lag der Regierende Bürgermeister beim Thema Wirtschaftspolitik daneben, als er das postindustrielle Zeitalter in Berlin ausrief. Im Gegenteil: Berlin braucht Wertschöpfung und damit industrielle Arbeitsplätze. Industriepolitik, das sagen UVB bis DGB, muss wieder Priorität gewinnen, und unser Antrag soll dies nterstützen.

n Berlin mit sich.

u Wenn Sie unseren Argumenten nicht folgen, dann vielleicht denen von anderen. In einem Zukunftsprogramm „Berlin“ der IG-Metall finden Sie folgenden Satz:

Am Anfang einer solchen Industriepolitik steht eine realistische Bestandsaufnahme, verbunden mit einer fortlaufenden Entwicklungsberichterstattung. Die Berliner Wirtschaft und Politik leidet teilweise noch immer unter einem Erkenntnisdefizit über die tatsächliche Situation. Viel zu lange hat man Dienstleistung als Entwicklungsselbstläufer für die Stadt beschworen. Erkenntnisse über Entwicklungspotenziale und Entwicklungsmöglichkeiten des Industriesektors waren demgegenüber auch bei verantwortlichen Stellen nur gering ausgeprägt.

Und der IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder hat heute Folgendes gesagt – und dies ist bei „ddp“ nachzulesen: Eder betonte, dass ein Industriearbeitsplatz im Durchschnitt drei andere Arbeitsplätze nach sich zieht. Darum wünschen wir uns ein klares Bekenntnis aller Senatsmitglieder für den Industriestandort und vollen Einsatz bei der Akquise von Unternehmen, womit sich der Kreis wieder schließt.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Die CDU-Fraktion will keine reaktive Industriepolitik, die wartet, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist, sondern eine aktive, neue Industriepolitik für Berlin. Auch in diesen beiden wichtigen wirtschaftspolitischen Fragen wollen wir Sie, in dieser lahmen rot-roten Koalition, mit beiden Anträgen gern unterstützen und Ihnen Beine machen. Ich freue mich schon jetzt auf eine lebhafte Diskussion in den entsprechenden Ausschüssen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank an Sie, Herr Kollege Dietmann von der CDU-Fraktion! – Das Wort hat jetzt der Kollege Jahnke von der Fraktion der SPD. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Industriepolitisches Rahmenkonzept, Neuordnung der Wirtschaftsförderung – die beiden Anträge, die die CDU-Fraktion vorlegt: Fangen wir bei dem Positiven an! Industriepolitik und Wirtschaftsförderung sind zwei Dinge, die zusammen gesehen werden müssen. Zu lange wurde in Berlin über das postindustrieelle Zeitalter philosophiert, und zwar nicht von dem Regierenden Bürgermeister, wie Sie gerade unterstellt haben,

[Uwe Goetze (CDU): Von wem denn sonst?]

sondern in Zeiten der großen Koalition von Wolkenschiebern wie Hassemer, Pieroth usw!

In den 90er-Jahren hat dieses Leitbild hier in Berlin den Schaden herbeigeführt, dass die Industrie einen Niedergang erfahren hat, wie wir ihn zuvor noch nicht erlebt haben.

[Beifall bei der SPD]

Dieser Senat und diese Koalition haben das Ruder herumgerissen,

[Heiterkeit bei der CDU und den Grünen]

die Stadt wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Ihr Antrag zur Neuordnung der Wirtschaftsförderung liest sich so, als hätten Sie ihn aus der letzten Legislaturperiode aus Anträgen

der Koalitio

hrieben. [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vieles davon ist jetzt realisiert.

Das industriepolitische Rahmenkonzept – wieder so ein typisches Beschäftigungsprogramm für die Bürokratie: Man liest es schon an den Begriffen, die Sie verwenden wie Bestandsaufnahme, Analysen, regelmäßige Berichtsaufträge. Wirklich erforderlich ist jedoch – und dieser Senat, Senator Wolf zum Beispiel, tut dies auch – der Industriedialog, mit den Leuten vor Ort zu sprechen, mit Kammern, Gewerkschaften, mit und in den Unternehmen.

[Beifall bei der SPD]

Der Senator hat Industriegespräche initiiert im SiemensDynamowerk, bei Alstom, demnächst bei Stadler, bei MAN. Ich habe dort nie irgendeinen CDU-Abgeordneten getroffen. Vielleicht wissen Sie deshalb so wenig, was dort eigentlich läuft und dass die Politik schon Folgen zeitigt, beispielsweise der Hafen bei Borsig, damit die Fertigprodukte von der MAN Turbo AG, von Borsig, abtransportiert werden können, was über die Straßen schwieriger war. Es gibt weitere Beispiele.

Entschuldigen Sie, Herr Jahnke! – Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Goetze?

Nein! Jetzt nicht. – Der Glaube an Vater Staat ist in der CDU offenbar ungebrochen und jener in den Dialog mit den Unternehmen nicht vorhanden. Wie ist ansonsten Ihr Spiegelstrich zu verstehen, dass der Senat eine Ansiedlungsstrategie für junge Unternehmen zur Festigung des Industriestandortes durchführen muss? Solche Unternehmen kann das Land Berlin nicht mit einer noch so ausgefeilten Strategie ansiedeln, sondern muss Bedingungen dafür schaffen, dass Unternehmen aus Universitäten, aus Forschungseinrichtungen ausgegründet werden. Das geschieht bereits in ganz erheblichem Maße und bringt eine Neubelebung der Industrielandschaft i

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Im Umfeld von Adlershof, im Umfeld der TU und anderswo können Sie das sehen.

Auch bei den Bestandsunternehmen, bei den großen Bestandsunternehmen, sieht es nicht schlecht aus. Ich weiß nicht, ob Sie Zeitung lesen? Gestern waren durchaus erfreuliche Zahlen von Siemens zu lesen. Auch BerlinChemie baut permanent auf. Hier greift bereits die Kompetenzfeldstrategie, die Wirtschaftsförderung, Bestandsunternehmen zu fördern. Dies tut der Senat, und hier haben wir bereits erste Erfolge zu verzeichnen.

Sie wollen dies alles kleinreden, mit Beispielen wie JVC, Samsung oder auch die höchst unerfreuliche Entwicklung, dass unser einziges DAX-Unternehmen an der Börse aufgekauft wurde. Dies sind keine Dinge, die mit der Wirtschaftsförderung in Berlin zusammenhängen. Dies sind Dinge, die auf dem Weltmarkt geschehen sind und die wir von hier aus nicht verhindern konnten. Hier sind die Entscheidungen zum Teil in Asien gefallen und anderswo.

Nie ist etwas so gut, dass keine Verbesserung mehr vorstellbar ist. Ich finde beispielsweise die Aufstellung der IBB noch nicht optimal.