Im Ergebnis werden wir nicht darum herumkommen, dass europäische Solidarität nicht nur eine finanzielle ist,
sondern auch eine wirtschaftliche. Wir brauchen das eine Europa, wir brauchen ein starkes Europa. Wir wollen dafür sorgen, dass mit mehreren Aspekten – mit solider Finanz- und Haushaltspolitik und mit Investitionen in Wirtschafts- und Zukunftstechnologien – Europa auch künftig wettbewerbsfähig bleibt. Wenn sich letztlich die Parteien im Deutschen Bundestag zusammen mit der Bundesregierung auf eine Lösung verständigen, die auch einen deutschen Beitrag dazu deutlich macht und die Stabilität in Europa sicherstellt, hat sich diese Debatte hier auch gelohnt. Ich freue mich, wenn wir als Landesparlament dazu einen konstruktiven Beitrag leisten, der diese umfassenden Aspekte berücksichtigt.
Vielen Dank, Herr Kollege Goiny. – Ich erteile jetzt dem Kollegen Harald Wolf das Wort zu einer Kurzintervention. – Bitte sehr! Sie wissen, Herr Wolf, dass Sie drei Minuten Zeit haben.
Herr Kollege! Sie haben nicht verstanden, dass ich nicht dem Schuldenmachen das Wort geredet habe. Meine Befürchtung ist genau, dass Europa mit dem Kurs des von Ihnen unterstützten Fiskalpakts weiter in die Schuldenkrise gerät und die Verschuldung weiter zunehmen wird.
Das Problem, das wir gegenwärtig in der Schuldenkrise haben, ist doch, dass dieser Schuldenkrise ein wirtschaftliches Ungleichgewicht in der Eurozone zugrunde liegt. Die Überschüsse, die Deutschland beispielsweise in der Leistungsbilanz hat, sind die Defizite anderer Länder.
Das sind die Defizite Griechenlands, das sind die Defizite Spaniens, das sind die Defizite Italiens. Diese Defizite können nur über Verschuldung getragen werden, die Verschuldung der öffentlichen Haushalte oder die Verschuldung der privaten Haushalte. In Griechenland sind es eindeutig die öffentlichen Haushalte. In Spanien sind es verstärkt die privaten Haushalte, was durch die Immobilienpreise auch in eine Verschuldung der öffentlichen Haushalte umgeschlagen ist. Das muss man verstehen.
Darauf zu antworten, dass wir diesen Ländern einen rigiden Sparkurs verordnen, ist keine Antwort. Sie wird diese Ungleichgewichte nur noch weiter vertiefen. Wir erleben es doch gegenwärtig. Das, was Sie so erfreut hat, die Tatsache, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland gegenwärtig ein bescheidenes, aber immerhin vorhandenes Wachstum haben, bedeutet gleichzeitig, dass wir in den südeuropäischen Ländern einen wirklichen Einbruch im Wirtschaftswachstum, in der Beschäftigung und ande
Es geht nicht, dass es Deutschland immer besser und anderen Ländern immer schlechter geht. Wir müssen zu einem Ausgleich kommen. Deshalb muss ein Beitrag geleistet werden. Es ist völlig richtig, dass die in Deutschland aufgebauten Vermögen die Schulden der südeuropäischen Länder sind. Worüber ist das denn finanziert worden? Diese Vermögen müssen versteuert und zum Schuldenabbau benutzt werden. Das wäre eine solidarische Lösung.
Dafür werben wir. Wir werben für eine gerechte Konsolidierungspolitik, die an den Ursachen ansetzt und nicht einfach mit der Mentalität der schwäbischen Hausfrau sagt, man könne nur das ausgeben, was man einnimmt. Das weiß jeder; das stimmt nicht. Der Kapitalismus funktioniert unter anderem wegen der Verschuldung. Man muss sie sinnvoll und maßvoll einsetzen, um zu investieren und um damit Wachstum zu genieren. Aber zu sagen, Verschuldung darf es nicht gegen, ist ökonomisches Voodoo oder schwäbische Hausfrauenmentalität, die aber mit Volkswirtschaft nicht zu tun hat.
Danke, Herr Wolf! – Der Kollege Goiny hat jetzt die Möglichkeit zu erwidern und dafür ebenfalls drei Minuten Zeit. – Bitte!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es sehr bemerkenswert, wenn mir ausgerechnet ein Mitglied der Linksfraktion Vorträge über Wirtschaftspolitik hält. Da haben Sie natürlich jahrzehntelange Erfahrung, aus der Sie schöpfen können.
Ja, das passt Ihnen nicht. Mir ist schon klar, dass es Ihnen unangenehm ist, wenn Sie darauf hingewiesen werden. Man muss aber sehen, dass die Alternative nicht die Fortsetzung einer unbegrenzten Schuldenpolitik sein kann.
haltspolitik wählen. Das ist im Übrigen auch das, was wir unter Ihrer Regierungsverantwortung in Berlin seit fast zwanzig Jahren betreiben. Wir versuchen, unseren Haushalt in Ordnung zu bringen.
Wir brauchen einen Weg, der uns wirtschaftlich wieder auf den Pfad der Tugend zurückführt. Selbst wenn Sie jetzt den Griechen, Spaniern oder Portugiesen keine Sparmaßnahmen auferlegt hätten, hätten Sie doch an der wirtschaftlichen Lage nichts verändert. Wir brauchen beides. Wir müssen sehen, dass wir dort Wachstums- und Zukunftskerne aufbauen, die den Menschen auch wieder eine Perspektive geben. Ein Weg über unbegrenzte Neuverschuldung zieht nicht. Wir brauchen auch noch einen weiteren Punkt, der dafür sorgt, dass wir insbesondere mit der hohen Jugendarbeitslosigkeit in diesen Ländern klarkommen. Was wäre es für ein Signal gegenüber denen in Spanien, Portugal und in Irland, wenn wir sagten, der eine oder andere müsste sich an getroffene Verabredungen nicht halten?
Eurobonds als einen Beitrag zur Lösung dieses Problems zu betrachten, teilen wir ebenfalls nicht. Ich freue mich, dass der parlamentarische Geschäftsführer der SPDFraktion, Herr Oppermann, heute auch noch einmal klargestellt hat, dass Eurobonds auch für die SPDBundestagsfraktion keine Lösung sind. Damit sind wir schon auf einem richtigen Weg. Wir wollen Solidarität.
Wir sollten Solidarität miteinander üben. Wir werden auch nach gemeinsamen Lösungen suchen. Eines ist klar: Es gibt nicht nur die eine Säule, es kann keinen Weg in weitere Verschuldung geben. Es gibt nur einen Weg zu solider Haushaltspolitik.
Der muss allerdings mit unterstützenden Maßnahmen politisch begleitet werden, um jungen Menschen in Europa, gerade in den Mittelmeerländern, eine Perspektive zu bieten. Das ist die Politik, für die die CDU nicht nur in diesem Haus steht. – Vielen Dank!
Ich bedanke mich, Herr Kollege Goiny! – Für die Fraktion der Piraten hat jetzt der Kollege Spies das Wort. – Bitte sehr, Herr Kollege!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt einige Gründe, ESM und Fiskalpakt abzulehnen, schnelle Abschaffung des Euro und Rückkehr zur DM, Griechenland aus der Europäischen Union werfen, die Europäische Union jetzt ganz abschaffen, Thilo Sarrazin zu heißen. Ist Ihnen das zu absurd? Gut, dass Sie alle diese Gründe ablehnen, insbesondere die Linken, die ihre Anträge mit den tatsächlich vorhandenen Mängeln begründet haben. Die Austeritätspolitik, die Sparpolitik wie zu Brünings Zeiten, wurde von „Merkozy“ diktiert. Alternativen wurden nie ernsthaft erwogen. Jede Diskussion wurde im Keim erstickt. Die Verträge führen zu einer Beschneidung des Haushaltsrechts der Parlamente, zudem werden Gremien geschaffen, die weder transparent sind noch einer ausreichenden demokratischen Kontrolle unterliegen.
Als vor drei Jahren die griechische Krise begann, wurde dieses Drama von Merkel zunächst ignoriert. Dabei wäre es an der Zeit gewesen, die notwendigen Reformen der Währungsunion anzustoßen, um in einem transparenten, demokratisch legitimierten Prozess bestehende Mängel zu beseitigen. Stattdessen wurden dann, immer in letzter Minute, sogenannte Rettungsschirme aufgespannt und als alternativlos durch alle Gremien gepeitscht. Ein verantwortungsvolles Krisenmanagement sieht anders aus. Das Makabere ist, dass diese Schirme allein der Rettung von Banken unter dem Deckmantel der Eurorettung dienen. Statt sich Gedanken über ein nachhaltiges Wirtschafts- und Währungssystem zu machen, wurden die Probleme nur weiter vergrößert und in die Zukunft verschoben. Damit wurde die Krise verschärft und die Zukunft Europas aufs Spiel gesetzt.
2011 lagen Griechenland mit 165,3 Prozent, Italien mit 120,1 Prozent, Irland mit 108,2 Prozent, Portugal mit 107,8 Prozent, Belgien mit 98 Prozent, Frankreich mit 85,8 Prozent, Großbritannien mit 85,7 Prozent, Deutschland mit 81,2 Prozent, Ungarn mit 80,6 Prozent, Österreich mit 72,2 Prozent, Malta mit 72 Prozent, Zypern mit 71,6 Prozent, Spanien mit 68,5 Prozent und die Niederlande mit 65,2 Prozent über der Defizitgrenze von 60 Prozent. Polen lag mit 56,3 Prozent, Finnland mit 48,6 Prozent, Slowenien mit 47,6 Prozent, Dänemark mit 46,5 Prozent, die Slowakei mit 43,3 Prozent, Lettland mit 42,6 Prozent, Tschechien mit 41,2 Prozent, Litauen mit 38,5 Prozent, Schweden mit 38,4 Prozent, Rumänien mit 33,3 Prozent, Luxemburg mit 18,2 Prozent, Bulgarien mit 16,3 Prozent und Estland mit 6 Prozent darunter.
Die Mehrheit von 14 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, darunter Deutschland und die meisten großen Industrienationen, haben die Maastricht-Kriterien im letzten Jahr nicht erfüllt. Während Merkel die Sparkommissarin gibt, verletzt Deutschland auch weiterhin die Defizitgrenze. So etwas nennt man „öffentlich Wasser predigen und heimlich Wein trinken“.
Was aber wirklich fehlt, ist eine nachhaltige Wirtschafts- und Finanzpolitik, die sowohl den industriellen Zentren als auch der Peripherie nützt. Es nützt auf Dauer wenig, Industrieprodukte auf Pump zu verkaufen, wie das griechische Beispiel deutlich zeigt.
Das Dilemma: Werden ESM und Fiskalpakt jetzt blockiert, hat das unabsehbare Folgen für die Zukunft des Euro und der Europäischen Union. Eine Fortsetzung der durch diese Verträge zementierten Austeritätspolitik wird Europa aber an den gleichen Abgrund führen. In jedem Fall ist es notwendig, die Währungsunion zu reformieren und durch eine europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik zu ergänzen. Es braucht aber Jahre – die durch „Merkozy“ sinnlos verspielt wurden –, um das auf demokratischem Wege, unter Einbeziehung der Parlamente, zu erreichen. ESM und Fiskalpakt sind zumindest dazu geeignet, diesen notwendigen Schritt jetzt unverzüglich einzuleiten. Eine Blockade hätte nur weitere Verzögerungen und einen möglichen Zusammenbruch der Europäischen Union zur Folge.
Es ist bereits jetzt klar, dass das merkelsche Krisenmanagement gescheitert ist. In den nächsten drei Monaten wird über das Schicksal der Europäischen Union entschieden. Wie immer es auch ausgeht – ESM und Fiskalpakt in der jetzigen Form werden dann bereits Geschichte sein und in ihrer jetzigen Strenge ebenso wenig zur Anwendung kommen, wie Merkel die deutsche Schuldenbremse einhalten wird. Bankenrettung ist eben alternativlos.
Fazit: Wir werden im Ausschuss vielleicht eine Lösung finden, wie man die Bundesregierung auffordern kann, ESM und den Fiskalpakt vernünftig zu gestalten.