Protokoll der Sitzung vom 24.05.2012

[Martina Michels (LINKE): Wir mit Ihnen! – Unruhe bei der LINKEN]

Auch da habe ich hier manchmal Reden gehalten, wo ich erklären musste, warum Bestimmtes noch nicht so läuft, weil Sie noch nicht so weit waren.

Heute kann ich jedenfalls sagen: Es ist ein guter Tag für die Auftragsvergabe in Berlin, denn wir werden hier jetzt gerechte Löhne einführen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege Jahnke! – Ich erteile jetzt dem Kollegen Harald Wolf das Wort zu einer Kurzintervention. – Bitte sehr, Herr Kollege!

Meine Damen und Herren! Um der historischen Wahrheit willen muss das eine oder andere festgehalten werden.

[Beifall bei der LINKEN]

Erstens: Wir haben natürlich in der rot-roten Koalition Kompromisse gemacht, Herr Jahnke, aber nicht wir haben Ihnen Kompromisse abgenötigt, denn dann hätten wir schon bei der Beschlussfassung über das Vergabegesetz 8,50 Euro dringehabt, sondern es ist damals an der SPD gescheitert.

[Beifall bei der LINKEN]

Und es ist über die gesamte Legislaturperiode an der SPD gescheitert, weil es nicht vorangegangen ist.

Zweitens, Kontrollgruppe: Es gab mehrere Anläufe zur Kontrollgruppe. Es ist an der Mitzeichnung durch die Senatsverwaltung für Finanzen gescheitert, geführt von einem Senator, der von der SPD benannt worden ist, mit dem Argument, dass eine Personalausstattung von zehn Beschäftigten – für die Vielzahl von Vergabestellen, die hier auch noch mal genannt worden ist – zu viel sei. Daran ist es gescheitert. Es lag nicht daran, dass wir nicht gearbeitet hätten, sondern an der Blockadehaltung.

[Beifall bei der LINKEN]

Nun noch zur Zukunft, denn die ist wichtig, alles andere ist ja vergossene Milch: In dem Änderungsantrag, den Sie hier vorgelegt haben und den Sie jetzt feiern, weil jetzt die 500-Euro-Grenze gilt bei dem 8,50 Euro-Vergabemindestlohn, haben Sie vergessen – darauf weise ich Sie ausdrücklich hin –, dass unter die 500-Euro-Grenze nicht die tariflich vereinbarten Mindestlöhne, die in das Entsendegesetz aufgenommen sind, fallen. Das heißt, an

dieser Stelle haben Sie eine riesige Lücke bei dem, was Ihnen als Sozialdemokraten doch ein Anliegen ist, nämlich dass tariflich vereinbarte Mindestlöhne in dem Vergabegesetz aufgenommen werden. Ich bitte Sie, noch einmal zu überlegen, ob Sie da nicht einen schweren Fehler gemacht haben. Manchmal ist es ja ein Problem, wenn man ein Gesetz im parlamentarischen Verfahren durch einen Änderungsantrag ändert, ohne sich die Systematik anzuschauen. Gucken Sie sich das noch einmal an, sonst machen Sie einen schweren Fehler!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Danke, Herr Kollege Wolf! – Der Kollege Jahnke möchte nicht erwidern. Dann erteile ich jetzt dem Kollegen Schäfer für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jeden Tag – auch heute – gibt es in Berlin durchschnittlich 500 Vergaben durch die öffentliche Hand. Die meisten fallen unter die Wertschwelle von 10 000 Euro. Seit 1995 gab es ökologische Vergabekriterien. Die waren bis 2010 gültig. Jetzt soll es neue geben, und die wollen Sie jetzt aushebeln. Sie fallen hinter den Stand von 1995 zurück. Das ist Ihre Politik.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Sie tun das mit einer Begründung, die an Absurdität grenzt. Herr Melzer! Ich frage Sie: Haben Sie schon einmal einen Lack gekauft, der den Blauen Engel trägt? Haben Sie schon einmal einen Computer gekauft, der den Energy-Star hat? Haben Sie schon einmal einen Kühlschrank mit einer hohen Effizienzklasse gekauft? War es ein sehr hoher Bürokratieaufwand, das zu kaufen? War damit sehr viel Aktenarbeit verbunden? Genauso sind die Vergaberichtlinien konzipiert. Es kann einfach auf gängige Symbole wie das Faire-Trade-Zeichen, den Blauen Engel und den Energy-Star geschaut werden. Dann muss die Verwaltung zwei Werte in eine Tabelle eingeben, um die Lebenszykluskosten zu berechnen, nämlich den Kaufpreis und den Durchschnittsverbrauch, beispielsweise eines Computers.

Herr Melzer! Sie haben die Öffentlichkeit falsch informiert. Ich bitte Sie, das richtigzustellen. Sie haben gesagt, man solle für einen Laptop nicht mehr 20 Seiten ausfüllen müssen. Das ist überhaupt nicht der Fall. Es wird ein Blatt beigelegt, auf dem steht, dass das Gerät die Kriterien erfüllen muss, wenn es den Energy-Star hat. Dann muss man einen Wert für den Verbrauch im Normalbetrieb angeben, und ein Beamter ermittelt mit einer Excel-Tabelle und zwei Zahlen die Lebensverbrauchskos

ten. Sie nennen es Bürokratieabbau, wenn das verhindert wird. – Das ist absurd, denn das kostet das Land auch Geld. Allein im Computerbereich haben wir Energieeinsparungen von bis zu 80 Prozent durch energieeffiziente Geräte, Herr Melzer.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Jetzt zu unserem Spezialisten Herrn Schneider: Die CDU hat die Anhebung des Mindestlohns auf 8,50 Euro schon vor Ihren Verhandlungen zu diesem Gesetzesentwurf unterschrieben. Das steht in Ihrem Koalitionsvertrag. Dafür haben Sie schon einen Preis bezahlt. Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag nämlich nicht unterschrieben, dass Sie dafür Ökologie-, Frauenförderungs- und Fair-Trade-Kriterien aushebeln. Jetzt verhandeln Sie mit der CDU dieselbe Sache ein zweites Mal und zahlen einen zweiten Preis für dieselbe Sache.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Herr Schneider! Sie können es nicht. Wer doppelt bezahlt, sollte die Finger vom Vergaberecht lassen, gerade davon.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Letztes Mal war es die Ernst-Busch-Schauspielschule, heute ist es das Vergaberecht. Ihre Kollegen freuen sich schon darauf, was der „nächste Schneider“ im Parlament sein wird.

[Zuruf: Der Tapfere!]

Tapfer vielleicht, aber Sie verhandeln unter Ihren Möglichkeiten. Sie bringen in solche Verhandlungen noch nicht einmal die Fachkompetenz Ihrer Fraktion ein. Sie geben es noch nicht einmal Ihrer Verwaltung, um einmal drüberzugucken, was die Konsequenzen eines solchen Gesetzentwurfs sind. Man muss doch wissen, was man da beschließt. Sie können das Handwerk nicht. Ihr Job ist es, für die SPD anzugreifen. Sie aber machen die SPD angreifbar.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Ihr konstruierter Gedanke zum Bürokratieabbau ist völlig absurd. Wenn Sie beim Mindestlohn wieder auf 500 Euro heruntergehen, was ist das bürokratischste Umsetzungskriterium? – Das ist die Sache mit dem Mindestlohn. Das heißt, Ihnen geht es gar nicht um Bürokratieabbau. Ihnen geht es einfach um irgendein Symbol, das Sie hier finden wollen. Wenn es Ihnen wirklich um Bürokratieabbau gegangen wäre, hätten Sie beim Mindestlohn hart bleiben müssen. Das will ich aber gar nicht vorschlagen, denn es ist gut, dass Sie sich zumindest da bewegt haben. Aber da werden nachher fünf Prozent der Betriebe umfangreich geprüft. Darin steckt richtig viel Bürokratie. Die Öko- und Fair-Trade-Kriterien sind mit einfachen Siegeln und ohne Bürokratie umsetzbar. Sie erzählen ein Ammenmärchen, das kontrafaktisch ist und haben der Öffentlichkeit

mit Ihrem Beispiel der Laptop-Beschaffung nicht die Wahrheit gesagt.

Ich fordere Sie deshalb auf, diesen Schwellenwert – jetzt, wo er beim Mindestlohn gestrichen ist – ganz zu streichen! Es ist weder für ökologische noch für Fair-Trade-Kriterien ein Mehr an Bürokratie zu erwarten. Nehmen Sie bitte auch gleich das Entsendegesetz wieder rein! Das ist jetzt auch kein großer Mehraufwand mehr. Streichen Sie einfach diesen Punkt! Er ist Quatsch.

Sie müssen zum Ende kommen!

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion! Sie haben schon dafür bezahlt. Sie sollten für die Anhebung des Mindestlohns nicht noch einmal zahlen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Andreas Baum (PIRATEN)]

Vielen Dank, Herr Kollege Schäfer! – Der Kollege Melzer hat nun für die CDU-Fraktion das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Grünen und die Linken, Herr Schäfer vornweg, überschlagen sich darin, laut, aber im Kern substanzlos über die Neuregelung zu wettern.

[Beifall bei der CDU und der SPD – Oh! von der LINKEN]

Inhaltlich hat sich die Opposition aus dieser Debatte verabschiedet.

[Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN]

Die von der SPD und CDU vorgelegte Novelle des Ausschreibungs- und Vergabegesetzes ist ein Modell für gerechte Löhne, und es ist ein Modell für Entbürokratisierung. Die öffentliche Auftragsvergabe wird damit erheblich vereinfacht, ohne dass sich der politische Wille verändert. Auch dafür steht die Novelle unserer Koalition.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir haben vor Einbringung unser Änderungen intensiv mit der Praxis diskutiert,

[Wolfgang Brauer (LINKE): Aha!]

denn Politik beginnt auch hier mit dem Anerkennen der Realität. Wir haben in Gesprächen mit Vergabestellen, dem Arbeitskreis Öffentlicher Auftraggeber im BME, mit

mittelständischen Unternehmen und Verbänden den Änderungsbedarf festgestellt.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Matuschek?

Nein, darauf würde ich gerne verzichten.

[Zurufe von der LINKEN]

Bitte, meine Damen und Herren!