Protokoll der Sitzung vom 30.08.2012

Die Koalition aus SPD und CDU zeigt, dass sie für eine zuverlässige, bürgernahe Politik steht.

[Beifall bei der CDU]

Es ist wichtig, dass wir heute den vielen direkt Betroffenen Personen auch Planungssicherheit geben. Insbesondere viele ältere Menschen müssen nun im Alter keine unerwarteten, untragbaren Belastungen mehr befürchten. Auch junge Familien, die Eigentum erwerben wollen, haben Sicherheit in Bezug auf die auf sie zukommenden Belastungen. Berlin braucht kein Bürokratiemonster wie das Straßenausbaubeitragsgesetz, dass den Straßenausbau letztlich eher behindert als vorantreibt. Wir wollen stattdessen eine solide Sanierung der Berliner Straßen; denn die Stadt braucht eine gute Infrastruktur. Dabei geht es nicht nur um einen entscheidenden Standortfaktor, sondern auch um Arbeitsplätze für kleine und mittlere Unternehmen, sowie auch darum, welchen Eindruck Berlin als Bundeshauptstadt hinterlässt. Deshalb ist es umso wichtiger, dass ab sofort die Planung und Durchführung der dringend erforderlichen Straßeninstandsetzungen oder -erneuerungen unbürokratischer als vorher und damit auch schneller durchgeführt werden können.

Heute findet eine bürgerfeindliche, ungerechte und untaugliche Regelung des Straßenausbaus ihr Ende. Wir haben unser Wort eingehalten. Die Abzocke wird beendet – versprochen, gehalten. – Herzlichen Dank, meine lieben Kollegen!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Florian Graf! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen macht sich der Kollege Otto auf den Weg, und ich erteile ihm das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben uns ja heute zur Aktuellen Stunde noch gefragt, wo die Fraktionsvorsitzenden der Koalition ihre Prioritäten haben – sie liegen nicht beim BER, nicht beim wichtigsten Infrastrukturprojekt von BerlinBrandenburg, sondern offensichtlich hier, denn Sie, Herr Graf, haben gesagt, das wichtigste Wahlversprechen der CDU sei jetzt erfüllt. Da war natürlich bei uns sofort die Reaktion: Ja, dann treten Sie doch ab!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Es ist bekannt, dass wir als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen es richtig finden, dass wir die Bürgerinnen und Bürger, die an solchen Straßen wohnen, wo grundhafte Erneuerung stattfindet, an den Kosten beteiligen. Die rotrote Koalition hatte sich das im Jahre 2001 vorgenommen. Man hat damals damit gerechnet, dass man ungefähr fünf Millionen Euro pro Jahr einnimmt. Das war die Kalkulation.

Jetzt ist die Abschaffung so schnell gekommen, dass bisher der lange Zyklus von Planen, Bauen und Abrechnen von gar nicht vielen Straßen absolviert werden konnte. Das heißt, die Berechnungen, was die Einnahmen und was die Ausgaben sind, hinken ziemlich. Sie haben sich so beeilt, dass Sie praktisch auf einer Seite sind, wo man in der Verwaltung zwar sehr viel investiert hat, aber noch nicht so viel hereinkommen konnte. Die Begründung, die gelegentlich von den Kolleginnen und Kollegen der CDU gebracht wurde, trägt da nicht.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Wir haben einmal das Faktum, dass noch nicht so viele Verfahren abgeschlossen sind. Das zweite ist noch viel interessanter: Die Bezirke sind plötzlich sparsam geworden. Es hat Bezirke gegeben – Marzahn oder Spandau ist mir da erinnerlich –, die gar nicht mehr gebaut haben. Die haben festgestellt: Eigentlich sind unsere Straßen noch in Ordnung, und sie haben nicht gebaut, um nicht umlegen zu müssen. Wir haben da also faktisch an Investitionsmitteln gespart, die wir woanders ausgegeben oder dem Finanzsenator am Jahresende zur Tilgung von ein paar Schulden übergeben haben.

Das ist bisher passiert. Ich will noch einmal daran erinnern, was wir Bündnisgrünen vorgeschlagen haben: Wir hätten uns gewünscht, dass man das Gesetz novelliert. Es gibt eine Praxis, da lernt man. Da guckt man, wo die Schwachstellen sind und was funktioniert hat. Hier kann man sagen: Die Bürgerbeteiligung hat funktioniert. Ganz viele Leute haben sich mehr Gedanken darüber gemacht, was in ihrer Straße ist.

Funktioniert hat auch, dass Luxusumbauten eingestellt wurden. Wenn sofort Leute auf der Matte stehen und sagen, die Straße muss gar nicht so breit sein und wir

brauchen gar nicht so viele Parktaschen, dann baut der Bezirk die auch nicht. Das also hat auch funktioniert, und ich fürchte, dass das in Zukunft wieder ausufert.

Es gibt noch ein paar andere Punkte. Man hätte sich auch über Alternativen Gedanken machen können. Zum Beispiel gibt es in einigen Bundesländern das Prinzip wiederkehrender Beiträge. Dadurch kommt man von diesen einmalig hohen Summen weg. Da sagt man: O.K.! Im Jahr zahlt ihr, die ihr alle in einem Quartier wohnt, für die Instandsetzung oder den Ausbau der Straßen so und so viel. – Das hätte man machen können.

Man hätte sich auch Gedanken darüber machen können, wie es eigentlich mit den Nutzern ist. Warum bezahlen nur die Grundstückseigentümer etwas? Man hätte einmal überlegen können, mehr die Nutzer einzubeziehen. Da kommen wir in die Richtung einer Mautdebatte. Vielleicht sollten auch die Leute, die die Straße benutzen, mehr herangezogen werden. Das könnte man auch überlegen. All das wären Möglichkeiten gewesen. Sie haben sich jetzt entschlossen, dass einfach abzuschaffen.

Herr Graf! Sie sind ja eigentlich Haushälter. Deshalb habe ich vermisst, dass Sie sagen, wie wir das finanzieren. – Er kann gerade nicht.

[Joachim Esser (GRÜNE): Mit dem Flughafen!]

Da sehen Sie: Es gibt keine Antwort.

Gucken Sie sich einmal die Sitzung heute nach der Tagesordnung an! Wir haben über den Flughafen gesprochen. Wir müssen da nach heutigen Stand mindestens 400 Millionen Euro draufhauen. Dann haben wir über das Sozialticket gesprochen. Da wünschen sich ganz viele – und wir wünschen uns das auch –, dass das ein gutes Sozialticket ist und den Leuten nützt. Das kostet Geld – Flughafen kostet Geld, Sozialticket kostet Geld. Der Kollege Wolf hat uns vorhin gesagt, er wolle nicht, dass an sozialer Infrastruktur gespart wird. Das möchte keiner so gerne. Aber das kostet alles Geld, Leute! Jetzt haben wir über das WLAN gesprochen. Da ist uns noch nicht so ganz klar, ob das die öffentliche Hand etwas kostet.

Wir machen heute einen Tag der Geldausgaben, und das sage ich durchaus auch für meine Fraktion. Auch wir sind nicht ganz frei von Überlegungen, wo wann mehr Geld ausgeben muss. Und da kommen Sie mit Ihrem Gesetz und verzichten auf fünf Millionen Euro Einnahmen pro Jahr! Das ist nicht in Ordnung. Deswegen können wir dieser Aufhebung nicht zustimmen.

Ich sage Ihnen noch eins: Spätestens dann, wenn wir hier über die Schuldenbremse noch intensiver sprechen, wird diese Thematik wieder auf den Tisch kommen. – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Otto! – Für die Fraktion der SPD erteile ich jetzt der Kollegin Spranger das Wort. – Bitte schön!

Sehr herzlichen Dank! – Verehrter Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Es wurde schon gesagt: Der Bauausschuss hat sich sehr einheitlich – die Grünen haben sich enthalten; ich weiß nicht, ob Sie nachher dagegen stimmen – entschieden, die Aufhebung des Straßenausbaubeitragsgesetzes heute mit Dringlichkeit einzubringen.

Ich bin von Herrn Höfinghoff zitiert worden, der gesagt hat, ich hätte in der Parlamentssitzung bei der Einbringung gesagt, es sei eine Vernunftentscheidung gewesen. Bei dieser Aussage bleibe ich selbstverständlich auch. Denn das Straßenausbaubeitragsgesetz war in Berlin immer umstritten. Das wissen wir. Aber schon bei der Einführung durch Rot-Rot haben wir es mit klaren Bedingungen belegt und gesagt, dass alle Bundesländer bis auf Baden-Württemberg Straßenausbaubeiträge in Form von Kommunalabgaben erheben. Auch haben wir gesagt, wir müssten die finanzielle Situation des Landes Berlin beachten, und haben es deshalb eingeführt.

Herr Otto! Was Sie nicht wussten, was wir aber in der rot-roten Regierung immer dabei gesehen haben, war, dass es evaluiert werden muss, weil es für uns neu war, und dass wir insbesondere darauf schauen mussten, wie der Verwaltungsaufwand ist. Es ist nun einmal so: Die Beteiligung der Betroffenen war im Grundsatz natürlich völlig richtig, Herr Otto hat es schon gesagt. Sie hat in der Praxis zu Augenmaß bei Ausbaumaßnahmen geführt. In den bezirklichen Bauämtern ist besonnener abgewogen worden, was Ausbaumaßnahmen und was Maßnahmen zur Unterhaltung und Instandsetzung sind.

Eine neue Regierung, ein neuer Haushaltsgesetzgeber hat evaluiert. Dem Bauausschuss lag eine entsprechende Vorlage vor, die gezeigt hat, dass die Einnahmen aus dem Straßenausbaubeitragsgesetz im Hinblick auf das Investitionsvolumen im Bereich Straßenausbau eher als gering einzustufen sind. Von 2008 bis 2011 wurden nämlich genau 675 000 Euro vereinnahmt, so dass wir völlig richtig wegen des Verwaltungsaufwands und des Ärgers, der bei den Bürgerinnen und Bürgern entstanden ist, diese politische Entscheidung korrigiert haben. Die SPDFraktion steht zu dieser Korrektur der Entscheidung.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Uns ist sehr, sehr wichtig, ist, dass alle, die Beiträge eingezahlt haben, diese wieder zurückbekommen. Dann werden wir selbstverständlich auch nicht die Bezirke mit den Mindereinnahmen allein lassen. Über Basiskorrektur wird es den Ausgleich der bis jetzt 675 000 Euro geben.

Insofern glaube ich: Es ist eine völlig richtige Entscheidung. Die Einnahmevorgaben, die wir ursprünglich einmal gemacht haben, wären nicht gekommen. Deshalb ist es so: Das arme Berlin und das reiche BadenWürttemberg bilden nun die Ausnahme, und dazu steht die SPD-Fraktion. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Kollegin Spranger! – Kollegin Lompscher hat jetzt für die Fraktion Die Linke das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gegenüber der letzten Rederunde am 10. Mai zum selben Sachverhalt gibt es wenig Neues zu berichten – außer ein bisschen mehr Pathos und ein bisschen mehr Prominenz seitens der CDU.

[Heiterkeit bei den GRÜNEN]

Ich kann noch einmal bestätigen: Wir sind auch für die Aufhebung des Straßenausbaubeitragsgesetzes und für die vollständige Rückerstattung der bisher erhobenen Beiträge. Wir haben einen eigenen Antrag gestellt, den Sie erstaunlicherweise abgelehnt haben. Die Linke wollte das Gesetz bekanntlicherweise schon seit längerer Zeit abschaffen.

[Joachim Esser (GRÜNE): Und vor längerer Zeit einführen!]

Die SPD hat das seinerzeit strikt abgelehnt. Die Grünen sind bis heute dagegen. Ich wiederhole – das habe ich beim letzten Mal schon gesagt, damit keine Legendenbildung aufkommt –: Die Linksfraktion steht zu ihrer Verantwortung. Sie hat mit der Zustimmung zu diesem Gesetz damals einen Fehler gemacht. Es ist aber entscheidend, Fehler zu korrigieren. Das schafft Glaubwürdigkeit.

[Beifall bei der LINKEN]

Frau Spranger hat schon darauf hingewiesen, warum das Gesetz 2006 beschlossen wurde: Es ging letztlich nur um die Erfolgaussichten der Klage in Karlsruhe. Es ging um den Druck auf Berlin, der insbesondere seitens CDU/CSU-geführter Länder ausgeübt wurde. Das ist alles Geschichte. Sie ist bekanntlich weitergegangen. Wir haben in Karlsruhe verloren. Die Anwendung des Gesetzes war offensichtlich mehr als suboptimal. Man könnte zusammenfassen: Es hat offensichtlich mehr gekostet, als es gebracht hat. Insofern sind die Haushaltsrisiken der Abschaffung überschaubar.

Es ist dem Senat zu keinem Zeitpunkt gelungen, ein berlinweit einheitliches Handeln der Bezirke zu erreichen. In der jüngsten Ausschusssitzung berichtete der Senator, dass das Gesetz nur in sechs Bezirken angewendet wor

den sei. Ich finde es bedenklich, wenn die halbe Stadt ein rechtsfreier Raum ist. Die Vorschriften zu Transparenz und Bürgerbeteiligung sind höchst unterschiedlich interpretiert und umgesetzt worden. Allerdings haben sie dazu geführt, dass mit Augenmaß gebaut wurde. Ich hoffe, dass das auch so bleibt.

Ausführungsvorschriften wurden übrigens erst 2009 erlassen, wichtige Korrekturen sind erst 2010 erfolgt. Alles in allem bleibt es also bei unserem Fazit: Das Gesetz hat den Stresstest nicht bestanden und muss deshalb weg.

[Beifall bei der LINKEN]

Im Übrigen werden wir – das haben wir im Ausschuss auch schon gesagt – darauf achten, dass diejenigen, die einen Anspruch auf Rückzahlungen haben, diesen auch geltend machen können. Senat und Bezirke sind gefordert, umfassend und breit zu informieren, denn die Rückzahlung soll nur auf Antrag erfolgen. Uns wurde wortreich erklärt, dass das notwendig sei, damit man einen ordentlichen Verwaltungsvorgang hinbekomme. Das heißt dann aber auch, dass jeder, der gezahlt hat, eine Information bekommen muss, damit er den Antrag stellen kann. Es wäre ein Unding, wenn die Behörden auf geringere Ausgaben spekulierten, nur weil der eine oder andere nicht mitbekommen hat, dass er einen Anspruch auf Rückzahlung hat. Diesbezüglich hat Herr Senator Müller in der letzten Ausschusssitzung Zusagen gemacht. Auf deren Einhaltung werden wir pochen.

[Beifall bei der LINKEN]

Dass die finanziellen Folgen der Gesetzesaufhebung nicht an den Bezirken hängen bleiben, ist auch uns ein wichtiges Anliegen. Vor diesem Hintergrund nehme ich Sie beim Wort, dass das auch so passieren wird. Dass auch nach der Abschaffung des Gesetzes überdimensionierte oder unnötige Straßenbauvorhaben ausgeschlossen werden, wäre uns ebenfalls ein wichtiges Abliegen. Vor diesem Hintergrund wäre es außerordentlich nützlich, wenn sich der Senat im Dialog mit den Bezirken dazu entschließen könnte, dass die Informationspflichten, dass die Pflichten des Bauträgers, eine Vorzugsvariante und eine kostengünstige Alternativvariante vorzulegen, und dass die Zustimmungspflicht der BVV erhalten blieben. Das alles sind Errungenschaften, hinter die wir nicht zurückgehen sollten. In diesem Sinne: Lassen Sie uns dieses Gesetz endlich abschaffen! – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN]

Danke schön, Frau Kollegin Lompscher! – Für die Fraktion der Piraten hat nun der Kollege Prieß das Wort. – Bitte sehr!

Danke schön, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Anwesende! Ich will es kurz machen. Wir haben an diesem Gesetz nicht mitgewirkt. Im Grunde ist es eine Geschichtsbewältigung für die Fraktionen, die vorher im Abgeordnetenhaus waren.