Da zitiere ich den Kollegen Lux aus der letzten Sitzung: Der Antrag wird das Parlament nicht so verlassen, wie er eingereicht wurde. – Ein super Spruch vom Kollegen Lux! Wir werden ihn jetzt öfter in der Koalition verwenden.
Ich lade daher, auch im Namen der Koalition, alle Fachfrauen und -männer ein, mit uns im Ausschuss über diesen Antrag zu sprechen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Herr Eggert! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Abgeordnete Burkert-Eulitz das Wort.
Noch einmal kurz: Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung. – Das ist die Wiederholung von dem, was Frau Möller schon festgestellt hat. – Dafür sind die zur Förderung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen.
Trotzdem wird an der Jugendförderung in Berlin seit langer Zeit unverantwortlich gespart. Sowohl die Bezirke als auch der Senat stellen in ihre Haushalte für die allgemeine Förderung und Prävention immer nur Krümelsummen ein, während die Kosten für die Folgen verabsäumter rechtzeitiger Förderung immer schneller in astronomische Höhen wachsen. In Zeiten knapper Kassen glauben leider viele, dass man sich gute Brunnendeckel gerade nicht leisten kann. Die Rettungseinheiten mit dem schweren Bergungsgerät müssen wir uns dann allerdings
leisten. Trotzdem werden wir zu viele Kinder und Jugendliche verlieren. Selbst wenn die Folgen der vorenthaltenen Förderung nicht unmittelbar sichtbar werden – wie viele Talente bleiben unentdeckt, wie viele Fähigkeiten, die uns allen nützen würden, können sich nicht entfalten! Hier verschleudert unsere Gesellschaft ihren Reichtum.
Deshalb ist die Forderung, die Finanzierung der Jugendförderung auf solide Füße zu stellen und den Kindern und Jugendlichen in Berlin endlich die Angebote zur Verfügung zu stellen, die ihnen zustehen, richtig. Allerdings brauchen wir mehr als nur ein neues Finanzierungsmodell für gute Kinder- und Jugendeinrichtungen. Die Bezirke sparen nicht aus purer Ignoranz an der Jugendförderung, sondern weil sie mit den vielen zusätzlichen Aufgaben bei gleichzeitigen immer neuen Sparrunden und Personaleinsparungen, die ihnen in den vergangenen Jahren auferlegt worden sind, überfordert sind. Wenn der Prozess einer Neuausrichtung der Jugendförderung dieses Mal nicht wieder scheitern soll, brauchen die Bezirke dazu eine verlässliche Grundlage. Wir brauchen eine ehrliche Debatte über die Schwerpunkte der Politik in Berlin, welche dann auch mit entsprechenden Mitteln untersetzt werden müssen. Dazu gehört eine gründliche Aufgabenkritik, die in Berlin schon lange verschleppt wird, und der Abschied von einigen teuren Prestigeobjekten, die unser Regierender Bürgermeister so gerne noch einweihen möchte.
Die Konzentration auf das Wesentliche ist umso dringender, als die nächsten Finanzdesaster schon unaufhaltsam auf Berlin zurollen und die Lage massiv verschärfen werden. Mit nur wenigen Prozenten der Summe, die jetzt durch das Wunder Nachtragshaushalt und Steuermehreinnahmen auf uns herniederschwebt, um die Fehlleistungen des BER-Aufsichtsrates aufzufangen, hätte man die Jugendförderung in den Bezirken bis zum Ende der Legislaturperiode auf deutlich gesündere Füße stellen können.
Kurz zum Änderungsantrag der Piraten: Was wir nicht brauchen, sind neue Gutachten und Studien. Wir haben bereits eine mehrjährige Debatte hinter uns. Die Fachleute in der Jugendförderung und den Jugendverwaltungen sind sich über Bedarf und Qualitätsstandards längst einig. Die Ergebnisse dieser Fachdebatte konnten nur nicht umgesetzt werden, da die erforderlichen Mittel fehlten, um aus dem Dilemma herauszukommen, dass eine gewünschte Qualitätsverbesserung nur durch eine weitere Einschränkung des bereits jetzt nicht ausreichenden Angebotes möglich wäre.
Lassen Sie uns im Fachausschuss darüber diskutieren, wie die Jugendförderung in Berlin am besten und schnellsten gesichert und weiterentwickelt werden kann. Wenn wir die Zukunft dieser Stadt nicht verspielen wollen, müssen wir in junge Köpfe investieren, nicht in Beton. Wir brauchen Kinder, die gern lesen, dringender als eine Zentralbibliothek, Jugendliche, die sich gern bewegen, dringender als eine neue Olympiabewerbung und kluge Köpfe, die die Zukunft gestalten, dringender als eine rückwärtsgewandte Verkehrspolitik, die immer noch auf Autobahn setzt.
Vielen Dank, Frau Burkert-Eulitz! – Für die CDUFraktion hat jetzt der Abgeordnete Simon das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag „Kinder und Jugendliche fördern!“ greift etwas auf, was bereits richtigerweise im Koalitionsvertrag festgehalten wurde. Dort steht, dass unser Leitbild die kinder-, jugend- und familiengerechte Stadt ist. Das Kindeswohl steht für uns im Mittelpunkt des Handelns. Alle Kinder und Jugendliche müssen die Chance auf eigenständige Entwicklung ihrer Persönlichkeit haben.
Die CDU-Fraktion kann bei der Förderung von Kindern und Jugendlichen an das Wahlprogramm anknüpfen. Das hatte die Überschrift „Das muss sich ändern – die 100 wichtigsten Probleme Berlins und ihre Lösung“. Schon hier hat die CDU das Problem, dass die Jugendfreizeitpolitik zum Fremdwort geworden ist, thematisiert.
Frau Möller! Sie haben von einem Paradigmenwechsel gesprochen, den wir brauchen. Ich finde, es ist richtig, was Sie sagen. Ich finde aber auch, dass bemerkt werden muss, dass die Fraktion Die Linke jetzt einen Antrag stellt, obwohl sie die letzten Jahre Zeit hatte, in diesem Bereich etwas zu bewegen, aber stattdessen untätig bei der Schließung von 160 Berliner Jugendfreizeiteinrichtungen zugesehen hat.
Das Thema, das Sie aufrufen, ist ein wichtiges, und ich finde, Sie gehen die Sache auch recht vernünftig an. Ich
finde aber auch, dass einiges, was Sie fordern, und einiges, was die Piratenfraktion in ihrem Änderungsantrag fordert, diskutiert werden muss. Wieso ist eigentlich nur das Land in der Pflicht? Was ist eigentlich mit den Bezirken?
Zum Änderungsantrag der Piraten: Muss es unbedingt eine Studie sein? – Frau Burkert-Eulitz hat das thematisiert. Es gibt diese Studie nicht kostenlos. Eventuell sollten wir erst einmal sehen, ob die Kompetenz, die wir – jedenfalls aus meiner Sicht – in der Senatsverwaltung vorhalten, nicht genutzt werden könnte, bevor wir für viel Geld Externe beschäftigen.
Zu beiden Antragsversionen stelle ich mir eine grundsätzliche Frage: Was werden unsere Haushälter in den fünf Fraktionen sagen, wenn alle Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker eine ganz langfristige Verstetigung der Angebote in ihrem Fachbereich anregen? Aber ich will auch klarstellen, dass ich mit den Fragen nicht signalisieren möchte, dass ich es nicht für sinnvoll erachte, Ihren Antrag und den Änderungsantrag gründlich im Ausschuss zu diskutieren. Auf diese intensive Diskussion freue ich mich. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Simon! – Für die Fraktion der Piraten hat jetzt die Abgeordnete Frau Graf das Wort. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Damen und Herren! Die Jugendarbeit in Deutschland besitzt einen Bildungs-, Erziehungs- und Integrationsauftrag. Dieser setzt am Alltag, der Lebenswelt und den Interessen der jungen Menschen an und lebt von Offenheit und der Freiwilligkeit der Teilnahme der Nutzer. Die Jugendarbeit ist breit gefächert: Wir haben Einrichtungen in den Bereichen Natur, Politik, Integration, Gesundheit, Freizeit und vieles mehr. Zudem gewinnen in einer digitalisierten Gesellschaft die Einrichtungen der Jugendarbeit zur Herausbildung von Medienkompetenz an Bedeutung. Die gesellschaftspolitische Tendenz geht in Richtung Vernetzung und Kooperation zwischen Jugendarbeit und Schule.
Jugendliche und ihre Eltern finden im Zeichen von Desorientierung, Sucht und Gewalt in Einrichtungen der Jugendarbeit Beratung; diese leisten hier also Präventionsarbeit. Ein Jugendlicher berichtete auf dem Myfest in Kreuzberg, ein Mitarbeiter in einem Jugendzentrum sei für ihn wie ein Vater gewesen, und ohne ihn wäre er heute im Knast.
Was braucht eine qualitativ hochwertige Jugendarbeit? – Ganz kurz: hinreichend Personal und Sachmittel. Und genau darum geht es heute ja auch in den Anträgen.
Wir haben den Antrag der Linken noch etwas konkretisiert, erklärt und ergänzt. Ich freue mich auch auf die Debatte im Ausschuss darüber. Wieso, weshalb, warum wir das gemacht haben, das können Sie gern nachlesen, und falls Sie Fragen haben, sich an mich wenden.
Im SGB VIII heißt es, dass von den für die Jugendhilfe bereitgestellten Mitteln ein angemessener Anteil für die Jugendarbeit zu verwenden ist. Doch was ist in diesem Fall „angemessen“? Lustigerweise hat das das Land Berlin bereits festgelegt, und zwar in seinen Ausführungsvorschriften zum SGB VIII in § 45, Abs. 2 der AG KJHG. Dort werden 10 Prozent der Mittel für Jugendhilfe als angemessen betrachtet. Da habe ich mich natürlich erst einmal gefreut – es ist ja schön, wenn das da steht. Doch beim Betrachten der Zahlen der vergangenen Jahre ist mir die Freude ganz schnell wieder verflogen. Statt 10 Prozent der Mittel für die Jugendhilfe waren es 2004 6,1 Prozent und 2009 5,1 Prozent. – Frau Scheeres! Wie viel sind es eigentlich momentan?
In einer Kleinen Anfrage aus der letzten Legislaturperiode erklärte der damalige Senat, dass § 45 des AG KJHG eine eigene, objektiv-rechtliche Selbstbestimmung des Landes Berlin sei. Das ist ja erst einmal eine großartige Formulierung. Nur leider ergibt sich daraus kein Rechtsanspruch. Auch Herr Zöllner sprach von einer fachpolitischen Selbstbindung und nicht von einem Rechtsanspruch. Frau Klebba sagt Ähnliches am 27. März in ihrem Grußwort zur Veranstaltung des Landesjugendrings. So redet sich der Senat nun Jahr für Jahr hinaus, und die Vorgabe des AG KJHG wird marginal und bedeutungslos. Ich kann jetzt schon in manchen Ihrer Köpfe lesen, dass es um Haushaltsnotstand geht und wir knappe Kassen haben – und das, obwohl wir nun plötzlich 444 Millionen für den Bau eines Flughafens inklusive Abschiebeknast haben!
Die Frage, die sich mir stellt, ist: Will der Senat die Jugendarbeit ausfinanzieren und fördern? – Das ist eine Frage an Sie, Frau Scheeres. Wollen Sie überhaupt, dass die Jugendlichen in Einrichtungen der Jugendarbeit hinreichend beraten, erzogen und gebildet werden?
Ich sehe momentan zwar von Ihnen, Herr Eggert, und von Ihnen, Herr Simon, sehr viel politischen Willen. Allerdings frage ich mich, warum der Senat hier noch nicht die Initiative ergriffen hat.
Ich höre seit Jahren die gleichen wiederkehrenden Ausflüchte, und wenn Sie sagen, die hören nicht auf Sie, dann hören Sie die vermutlich auch!
Letztlich führt das zu einer Vernachlässigung des Bildungs-, Erziehungs- und Integrationsauftrags der Jugendarbeit und dazu, ihn nicht ernst zu nehmen. Die daraus entstehenden Folgen sind verheerend: Wir haben zu wenig Sozialarbeiter in den Einrichtungen, weniger Erzieher, weniger Fachkräfte. Wir haben es mit prekären Beschäftigungsverhältnissen, befristeten Einstellung und Honorarverträgen zu tun. – Ich habe in meinem Manuskript ganz viel, ich muss etwas überspringen, ich habe zu wenig Zeit.
Einrichtungen werden geschlossen. Einrichtungen für Kinder und Jugendliche, die an Übergewicht leiden und später Kosten im Gesundheitswesen verursachen – Herr Czaja ist leider nicht anwesend, ihn würde das mit Sicherheit auch interessieren – werden nicht hinreichend finanziert. Ähnliches gilt für die Bereiche Cybermobbing, Medienkompetenz, und auch Einrichtungen gegen Rassismus und Antisemitismus werden schließen, etwa die Einrichtung der „Falken“.