Protokoll der Sitzung vom 13.09.2012

Sie müssten bitte zum Schluss kommen, Frau Abgeordnete!

Ich komme zum Schluss; ich bin bei meinem letzten Satz. – Ich hoffe sehr auf die Debatte im Ausschuss und darauf, dass wir dort konstruktiv an diesen Anträgen arbeiten und die entsprechenden Entscheidungen an den Senat weitergeben können, um die Jugendarbeit in Berlin zu stabilisieren. Wir müssen handeln, bevor es zu spät ist, und die Ursachen anstelle der Symptome bekämpfen!

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Frau Graf!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags der Fraktion Die Linke sowie des Änderungsantrags der Piratenfraktion an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie empfohlen. – Gibt es hierzu Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.2:

Priorität der Piratenfraktion

Tagesordnungspunkt 23

Informationelle Selbstbestimmung stärken, Datenhandel stoppen!

Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/0481

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Piratenfraktion. Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dr. Weiß. – Bitte sehr!

Vielen Dank! – Meine Damen und Herren! Am 28. Juni beschloss der Bundestag das Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens. Das ist das Ergebnis eines Gesetzgebungsprozesses, der bis zu diesem Tag wenig öffentliche Beachtung fand, danach dann schon etwas mehr. Darauf werde ich gleich noch zu sprechen kommen.

Etwas zum Hintergrund: Mit der Föderalismusreform wurde das Meldewesen in die Zuständigkeit des Bundes übertragen. Intention der Gesetzgebung war, das endlich auch auf Gesetzgebungsebene nachzuvollziehen und ein einheitliches Bundesmeldegesetz zu schaffen, das das Melderahmengesetz und die Meldegesetze der Bundesländer ablöst. Der Aspekt, um den es hier dabei spezifisch geht, sind die sogenannten Melderegisterauskünfte, also die Auskünfte, die die Meldeämter gegenüber Dritten – Privatpersonen, anderen Behörden, Firmen – geben.

Wir reden, was das angeht, durchaus von einem beachtlichen Umfang an Datenbereitstellung. Um ein paar Zahlen zu nennen: Eine Kleine Anfrage, die ich gestellt hatte, hat ergeben, dass 2011 in Berlin mit Melderegisterauskünften 1,8 Millionen Euro verdient wurden. Recherchen von „Spiegel-Online“, die vor Kurzem veröffentlicht wurden, die verschiedene Städte betreffen, kommen hochgerechnet 2011 auf 21 Millionen Euro Einnahmen bundesweit durch Kommunen allein durch Auskünfte nach Melderegisteranfragen. Statistisch wird aber nur vereinzelt danach unterschieden, welche Anfragen gestellt wurden. Man kann aber ziemlich sicher davon ausgehen, dass es darunter einen relevanten Anteil gewerblichen Adresshandels gibt. Um es mit einer Selbstbezeichnung aus diesem Wirtschaftssektor zu bezeichnen: „Dienstleister für Qualitätsdaten“, der Partnern hilft, „aktive Kunden besser zu verstehen und verlorenengegangene wieder zu erreichen“. – Das klingt sehr nett.

Der ursprüngliche Entwurf der Bundesregierung sah daher auch in § 44 eine sogenannte Opt-In-Lösung für Werbung und Adresshandel vor, das heißt, die Weitergabe von Daten zu Werbungszwecken und Adresshandel ist nur dann zulässig, wenn die betreffende Person dem

explizit zugestimmt hat. – Das ist eigentlich eine sehr sinnvolle Regelung.

Nach den Ausschussberatungen des Bundestags fand sich aber dann eine ganz andere Empfehlung, über die letztendlich abgestimmt wurde, die das nicht nur weit zurücknimmt, sondern sogar ins Gegenteil verkehrt. Da wird nicht nur die sogenannte Opt-In-Regelung zu einer OptOut-Regelung, das heißt, man muss explizit widersprechen, um eine Weitergabe seiner Daten zu verhindern, was jetzt schon weitgehend der Fall ist, es wird sogar noch schlimmer, denn dort findet sich der eigentlich erst einmal relativ harmlos klingende Satz:

Dies gilt nicht, wenn die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden.

Das ist faktisch ein Freibrief für den Adresshandel

[Philipp Magalski (PIRATEN): Skandal!]

und macht den Widerspruch selbst ziemlich zahnlos. Denn das bedeutet erst einmal, dass jeder, dessen Adresse auf welchem Weg auch immer irgendwie in den Handel gelangt ist, damit rechnen kann, dass er da nicht wieder herauskommt, denn die Adresse kann ja jederzeit bestätigt werden. Auch wenn Sie umziehen, wird die Adresse mit einer einfachen Abfrage halt korrigiert. Faktisch ist es sogar so, dass es auch kein großes Hindernis für Neuakquise von Adressen ist, denn einen Ausgangsdatensatz werden sie immer haben, dann schreiben sie halt irgendwas rein, das dann eben „korrigiert“ wird. Das heißt, dass insbesondere bestätigte Daten besonders wertvoll sind, es gibt ja dann Abstufungen, wenn man sich mit dem Thema beschäftigt. – Faktisch ist es in der Form, wie es jetzt von Bundestag verabschiedet wurde, ein Freibrief für den Adresshandel und eine deutliche Verschlechterung des Datenschutzes im Meldewesen, eigentlich ein Geschenk an den Adresshandel.

Jetzt hat das Gesetz den Bundestag verlassen. Nun hat man im Nachhinein festgestellt, dass das vielleicht doch alles nicht so gut ist. Man wundert sich inzwischen ein bisschen, wer eigentlich dafür zuständig ist und wer jetzt dafür die Verantwortung übernehmen will. Irgendwie scheint es so richtig niemand zu sein, die Bundesregierung sowieso nicht, gut, sie hatte den Entwurf so nicht eingebracht. Jetzt muss es der Bundesrat richten.

In dem Sinn fordert unser Antrag den Berliner Senat auf, sich an diesem „Richten“ zu beteiligen und diesen unsäglichen Gesetzesentwurf in der Form scheitern zu lassen und darauf hinzuwirken, dass wir demnächst hoffentlich eine vernünftige Form des Melderechts bekommen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Dr. Weiß! – Für die SPD-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Kleineidam das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als mir vorgestern meine Fraktion mitteilte, ich hätte die Ehre, zu diesem Antrag zu sprechen, und ich mir den näher angesehen habe, war ich zunächst etwas erstaunt: ein Antrag der Piraten, der zum Ziel hat, dass der Ursprungsgesetzentwurf der schwarz-gelben Bundesregierung in Kraft gesetzt wird.

[Uwe Doering (LINKE): Dachte ich auch!]

Nun war ich eine Weile krank, dachte, hat sich hier etwas verändert, ich habe es verpasst, aber nein, nach einem zweiten Lesen hatte ich festgestellt, das ist ein Anliegen, für das es einen ganz breiten Konsens in unserem Land gibt. Wenn ich gerade die Presse nach den Ereignissen damals im Bundestag richtig verfolgt habe, dann ist eigentlich parteiübergreifend Konsens gewesen: So geht es nicht! Die alte Regelung – diejenige, die sich die schwarz-gelbe Bundesregierung einmal erdacht hat – sollte in Kraft treten, nicht das, was der Innenausschuss des Bundestages beschlossen hat.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Herr Lux!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Kollege Kleineidam! Hielten Sie es nicht für richtig, dass zu der Beratung über dieses sehr wichtige und parteiübergreifende Anliegen, ob der Adresshandel so zugelassen werden sollte, auch der zuständige Innensenator hier bei uns im Plenarsaal weilt, damit er der Debatte folgt?

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Lieber Kollege Lux! Wenn ich jetzt die Geschäftsordnung richtig im Kopf habe, ist es Ihnen unbenommen, ihn herbeizuzitieren. Ich begrüße es immer, wenn Senatsmitglieder hier an unseren Debatten teilnehmen.

[Heiterkeit – Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE) und Björn Eggert (SPD)]

Der Innensenator hat öffentlich schon deutlich gemacht, dass er das Anliegen des Antrags der Piraten teilt. Ich gehe davon aus – von den Grünen habe ich es noch nicht explizit gehört, aber es würde mich verwundern, wenn sie dieses Anliegen nicht auch teilen würden –, dass hier Konsens besteht.

Deshalb möchte ich Ihnen vorschlagen: Lassen Sie uns im Innenausschuss darüber beraten! Ich bin mir relativ sicher oder würde es begrüßen wenn wir es schaffen, einen Änderungsantrags zu Ihrem Antrag zu formulieren, der von allen fünf Fraktionen getragen wird. Änderungen sind an ein paar Punkten erforderlich. Der letzte Absatz gehört nach meinem Empfinden eher in einen Begründungsteil als unbedingt in den Antragstext, aber das sind eher Formalien und einzelne Formulierungen, wo ich der Überzeugung bin, da finden wir einen Konsens. Ich glaube, das wäre der Sache auch angemessen, wenn alle fünf Fraktionen einheitlich sagen, das wollen wir nicht, was der Innenausschuss des Bundestags da beschlossen hat. Wir wollen die Rechte der Bürgerinnen und Bürger gestärkt wissen.

Jetzt haben Sie heute die Sofortabstimmung beantragt. Dafür gibt es auf den ersten Blick auch einen guten Grund, weil der Bundesrat nämlich nächste Woche Freitag dieses Gesetz schon auf der Tagesordnung hat. Wenn man sich aber die Beschlussempfehlungen des federführenden Innenausschusses und des Rechtsausschusses ansieht, dann empfehlen die dem Bundesrat für nächsten Freitag die Einberufung eines Vermittlungsausschusses. Auch dort wird das Problem genauso gesehen, wie wir es hier sehen. Und ehe dann im Vermittlungsausschuss diskutiert wird, schaffen wir es auch im Innenausschuss, uns in Ruhe auf eine Formulierung zu verständigen, die in 14 Tagen hier gemeinsam abzustimmen, sodass da keine Zeit verloren geht. Ich glaube, wir sollten uns die Zeit nehmen, um zu einer gemeinsamen Formulierung zu kommen, weil es nicht sein kann, dass der Verbraucherschutz so vernachlässigt wird, dass die Bürgerinnen und Bürger hier an Adresshändler verkauft werden, sondern wir sollten – hoffe ich jedenfalls – gemeinsam deutlich machen, das wollen wir nicht. Damit wollen wir unserem Senat, den Rücken stärken, der zwar öffentlich schon seine Position deutlich gemacht hat, der Innensenator und auch andere haben schon gesagt, dass sie das auch nicht wollen. Wir wollen dem Senat Rückendeckung geben, dass er sich auf Bundesebene entsprechend einbringen kann. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Kleineidam! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Herr Abgeordnete Lux das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich würde mit meiner Rede gerne erst beginnen, wenn der zuständige Senator für Inneres hier ist, und bitte deshalb darum, dass man ihn zitiert.

Der Antrag müsste von der Fraktion gestellt werden.

[Lars Oberg (SPD): Er ist doch die Fraktion!]

Sie beantragen das im Namen Ihrer Fraktion, ich verstehe. Wird die Aussprache hierüber gewünscht? – Das ist nicht der Fall, dann stimmen wir jetzt ab. Ich bitte um das Handzeichen zur Zustimmung für die Zitierung des zuständigen Senators. – Das sind die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, die Fraktion Die Linke und die Piratenfraktion. Ich bitte um das Handzeichen zur Gegenprobe. – Das sind die Fraktionen der SPD und der CDU und der fraktionslose Abgeordnete. Enthaltungen? – Ich sehe eine Enthaltung.

[Zuruf von den PIRATEN: Auszählen! – Joachim Esser (GRÜNE): Wird immer doller hier! Das hatten wir bisher auch noch nicht! – Zuruf: Hammelsprung!]

Wir sind uns an dieser Stelle nicht sicher, was jetzt die Mehrheit war.

[Philipp Magalski (PIRATEN): Antrag auf Auszählung!]

Ah, da ist der Herr Senator; wunderbar! Ich glaube, wir haben das Problem so geklärt. – Herr Abgeordneter Lux, Sie können fortfahren in Ihrer Rede – bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Innensenator! Ich bin sehr froh, dass Sie entgegen dem Votum Ihrer Koalitionsfraktionen der Forderung meiner Fraktion und der Oppositionsfraktionen gefolgt sind. Das zeigt, dass der Senat auch manchmal zu Recht über die Haltung der eigenen doch manchmal sehr blocktreuen Regierungsfraktionen hinweggeht. Das ist in diesem Fall sehr anständig von Ihnen, denn ich weiß, dass Sie wahrscheinlich gerade sehr virulente Neuigkeiten zu verhandeln haben. Ich habe die Polizeivizepräsidentin auf dem Weg ins Plenum gesehen. Es geht wahrscheinlich um den Skandal,