Ich will noch anmerken: Der ÖBS in der bisher kofinanzierten Form soll nicht deswegen eingestellt werden, weil der Koalitionspartner hier wechselt, sondern weil sich die Bedingungen stark verändert haben.
Zum Schluss noch Folgendes: Letztlich könnten die Bundesagentur für Arbeit und die Bundesregierung auch auf die Idee kommen, dass ein Bundesland, das eigenständig Stellen einrichtet, auf Bundesmittel gänzlich verzichten könnte. Ich glaube nicht, liebe Grüne, dass Sie das wollen. Das wäre mir jedenfalls neu.
Liebe Gesamtgrüne! Die Entschließung hake ich als einen netten, aber erfolglosen Versuch ab, zwischen die künftigen Koalitionspartner einen Keil zu treiben. Das ist Ihnen nicht gelungen. Die Details dazu können wir in den entsprechenden Ausschussberatungen gern vertiefen. Sie können uns dort auch gern darstellen, wie Sie sich die Finanzierung vorstellen. Deshalb plädiere ich für die Ausschussüberweisung und danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke schön, Frau Kollegin Radziwill! Auch an Sie das Lob: Exakt fünf Minuten! – Für die CDU hat jetzt Prof. Dr. Korte das Wort. – Bitte schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Grünen macht den Eindruck, dass die Antragsteller sich bei der Formulierung von der aktuellen Pressemitteilung des Bundesrats inspirieren ließen und auch einige besonders provokante Formulierungen von dort übernommen haben.
Der Antrag zeigt aber vor allem, dass sich die Antragsteller inhaltlich nicht mit dem Bundesgesetz beschäftigt haben und offensichtlich auch nicht die neuen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt kennen.
Um es ganz deutlich zu sagen: Auch wir wollen – so, wie Sie Ihren Antrag überschreiben – bessere Chancen auf Arbeit für Menschen, die schon lange keiner Beschäftigung mehr nachgehen. Sie vermischen aber in Ihrem Antrag locker und leichthin ganz unterschiedliche Problembereiche.
Erstens schreiben Sie, die Reform der Arbeitsmarktinstrumente diene ausschließlich der Kürzung von Haushaltsmitteln.
Das ist falsch! Richtig ist dagegen: Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun. Die Reform der Instrumente für die Arbeitsmarktvermittlung betrifft vor allem den Bereich SGB III, also gerade nicht die langzeitarbeitslosen Menschen. Der Bund ordnet mit dem Gesetz die Instrumente für Arbeitslose, die vom ersten Arbeitsmarkt kommen und dorthin schnell wieder zurückkehren. Dagegen betrifft die Kürzung der Eingliederungsmittel, die Sie beklagen, den Rechtskreis SGB II, also einen ganz anderen Bereich.
In der Sache ist die Instrumentenreform dringend notwendig, um die Wirksamkeit dieser Arbeitsmarktinstrumente zu erhöhen.
Der Bundesrepublik geht nicht die Arbeit aus, aber uns droht der Nachwuchs auszugehen, der diese Arbeit leisten kann. Angesichts des sich abzeichnenden Fachkräftemangels ist deshalb eine effektivere Aktivierung von Arbeitssuchenden unser wichtigstes Ziel.
So ist es beispielsweise richtig, die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im SGB III zu streichen, denn das ist ein Instrument des zweiten Arbeitsmarkts, das in der Hochphase der Arbeitslosigkeit auch für den ersten Arbeitsmarkt eingesetzt wurde. Damit wurden marktnahe Arbeitnehmer in Arbeitsmaßnahmen geparkt. Das ist weder sinnvoll, noch ist es auf Dauer zu finanzieren.
Zweitens: Wenn Sie von Haushaltskürzungen in Höhe von 40 Prozent sprechen, dann streuen Sie den Berlinerinnen und Berlinern Sand in die Augen! Sie suggerieren: Der Bund lässt Berlin allein. Ich will das an der Stelle einmal klarstellen: Wir hatten während der Wirtschaftskrise – also seit dem Jahr 2008 – sehr viel zusätzliches Geld im System. Damit sollten die Auswirkungen der
Krise auf den Arbeitsmarkt gering gehalten werden. Die Wirtschaftskrise ist überwunden, bundesweit gibt es jetzt weniger als 2,8 Millionen Arbeitslose. Die aktive Arbeitsmarktpolitik hat in der Krise dazu beigetragen, auch in Berlin die verfestigte Sockelarbeitslosigkeit erkennbar abzubauen. Für die kommenden beiden Jahre gibt es eine gute Prognose: Der Arbeitsmarkt war so aufnahmefähig wie selten zuvor. Da liegt es auf der Hand, dass wir jetzt, wenn es weniger Leistungsberechtigte gibt, die Finanzmittel optimierter einsetzen. Sie werden auf das vor der Wirtschaftskrise im Jahr 2007 bestehende Ausgabenniveau zurückgeführt. Übrigens – das wird Sie vielleicht überraschen – wird im Durchschnitt das Pro-Kopf-Niveau bei den Eingliederungsmitteln sogar über den Ausgaben von 2007, also über dem Stand vor der Krise liegen. Nichtsdestotrotz müssen wir für den sehr speziellen Berliner Arbeitsmarkt eine andere Arbeitsmarktpolitik machen als andere Bundesländer.
Wir machen es uns hierbei in den Koalitionsverhandlungen nicht einfach. Berlin benötigt ein Konzept, das sich an die langzeitarbeitslosen Menschen in der Stadt richtet und sie in Arbeit bringt. Das hat bisher kein Senat geschafft. Wir brauchen hier überaus flexible Förderansätze für die unterschiedlichen Zielgruppen. Wir wollen eine Abkehr von dauerhaft öffentlich geförderten Beschäftigungsverhältnissen. – Werte Kollegen von der Fraktion der Grünen! Ihre Forderungen nach Jobs im Rahmen eines auf Dauer angelegten gemeinwohlorientierten sozialen Arbeitsmarkts zeigt, dass Sie Ihren Optimismus aufgegeben haben. Ihre Forderung ist nicht modern, sie ist überholt.
Wir wollen dagegen für langzeitarbeitslose Menschen eine intensive Betreuung, ein Coaching und als Ziel ein konkretes Jobangebot auf dem ersten Arbeitsmarkt. Der Erfolg dieses Ansatzes ist übrigens schon jetzt bei der Berliner Joboffensive erkennbar. Bei der Integrationsquote haben sich die Jobcenter der Regionaldirektion BerlinBrandenburg seit Juni 2011 vom letzten Platz zehn auf den vierten Platz vorgearbeitet.
Die CDU-Fraktion ist davon überzeugt, dass das vom Bundestag verabschiedete Gesetz geeignet ist, auf die aktuellen Erfordernisse des Arbeitsmarkts eingehen zu können.
Wir wollen eine intensive Befassung mit dem Thema. Deshalb unterstützen wir die Überweisung in den Ausschuss. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Korte! – Für die Fraktion der Linken hat jetzt die Kollegin Breitenbach das Wort. – Bitte!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Lieber Herr Korte! Ich empfehle Ihnen gleich zu Anfang, sich vielleicht noch einmal mit dem Lieblingsprojekt Ihrer Arbeitsministerin Frau von der Leyen, der Bürgerarbeit, auseinanderzusetzen. Dann werden Sie feststellen, dass die auf Dauer angelegt ist, allerdings zu Niedriglohnbedingungen.
Ansonsten hat die bisherige Debatte eine große Übereinstimmung zwischen der SPD, den Grünen und uns gezeigt. Auch wir halten das schon genannte Bundesgesetz für falsch. Es folgt die Idee, die Sie eben auch noch einmal dargestellt haben: Wirtschaftlicher Aufschwung führt automatisch dazu, dass Arbeitslosigkeit abgebaut wird. Deshalb benötigen wir weniger Beschäftigungspolitik und dafür wird weniger Geld erforderlich. Das ist absurd, das ist eine Milchmädchenrechnung, die niemals aufgehen wird. Das werden Sie noch erleben!
Dieses Gesetz wird auf dem Rücken von Langzeitarbeitslosen umgesetzt. Es wird dazu führen, dass sich ihre Situation weiter verschlechtert.
Deshalb sind die Forderungen im Antrag der Grünen folgerichtig. Wir unterstützen sie fast alle, abgesehen von Punkt 3. Man muss uns – das wird hier niemanden verwundern – auch nicht davon überzeugen, dass ein gemeinwohlorientierter sozialer Arbeitsmarkt, in dem sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse für Langzeiterwerbslose geschaffen werden, der richtige Weg ist. Wir sind in Berlin mit dem ÖBS eben diesen Weg gegangen. Wenn die Grünen das heute auch fordern, dann freut uns das.
Die Grünen fordern ein entsprechendes Landesprogramm. Wir verschließen uns dieser Idee nicht, aber ich möchte daran erinnern, dass wir – noch gemeinsam mit
der SPD – einen Antrag vorgelegt haben, der eine andere Finanzierungsgrundlage möglich macht und der den ÖBS bundesweit einführen könnte. Wir haben mit dem ÖBS in Berlin gezeigt, dass es möglich ist, Langzeiterwerbslosen eine neue berufliche Perspektive zu eröffnen und auch sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze zu schaffen. Richtig ist – das hat Frau Bangert gesagt –, dass wir stets von dem Bundesprogramm abhängig waren. Aber der schon genannte Antrag, den wir vorgelegt haben, hätte die Unabhängigkeit herbeigeführt.
Allerdings fand der ÖBS in Berlin zu Mindestlohnbedingungen statt. Wir haben gezeigt, dass weite Teile der Stadtgesellschaft von dieser Arbeit profitieren. Ich nenne hier noch einmal die Nachbarschaftslotsen, die Kiezlotsen, die immer wieder – auch in diesem Haus – gelobt werden. Ihre Arbeit hat aber etwas mit dem ÖBS zu tun.
Trotz der positiven Erfahrungen, die wir in Berlin mit dem ÖBS gemacht haben, soll er jetzt abgewickelt werden. Die CDU wollte den ÖBS noch nie, dabei ist sie ja auch geblieben. Bei der SPD war der ÖBS nicht immer unumstritten, aber für den Wahlkampf war er offensichtlich gut genug. Jetzt haben sich die Bedingungen geändert, die SPD geht den Weg vom Mindestlohn zurück zum Niedriglohn. Das finde ich sehr schade und einen ausgesprochen großen Skandal!
Es reicht eben nicht, immer nur vom Mindestlohn zu reden, man muss ihn auch dort, wo man es kann, umsetzen. Genau da fehlt die Klarheit in dem Antrag der Grünen. Ich wiederhole noch einmal: Die Menschen im ÖBS in Berlin hatten nicht nur Mindestlohnbedingungen, sondern sie hatten einen Anspruch auf eine tarifliche Bezahlung. Dort, wo es keinen Tarifvertrag gab, gab es 7,50 Euro wie im Berliner Vergabegesetz. Daran wollen wir festhalten. Das sagt auch unser Änderungsantrag. Ich freue mich – wenn ich das richtig verstanden habe –, dass die Grünen ihn unterstützen.
Die neue Koalition hat die Mehrheit. Sie können den ÖBS abwickeln. Sie werden damit mehr als 5 000 Menschen ihre berufliche Perspektive zerstören. Das sollten Sie wissen! Der ÖBS ist ein sinnvolles Instrument sowohl für die Erwerbslosen als auch für die Stadtgesellschaft. Meine Partei und meine Fraktion werden daran festhalten. Wir werden auch in der Opposition für den Erhalt kämpfen. Wir werden das gemeinsam mit den im ÖBS Beschäftigten tun. Die SPD konnte schon einmal erleben, dass die nicht einfach zusehen, wie der ÖBS abgewickelt wird. Das wird hoffentlich auch in der Zukunft so sein. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag hat mir einiges Kopfzerbrechen bereitet. Es ist richtig, dass die Zielrichtung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt die Einsparung von ca. 8 Milliarden Euro bis zum Jahr 2015 durch Streichung von Mitteln der Arbeitsförderung bei der Bundesagentur für Arbeit ist. Die Streichungen bei den Einstiegsqualifizierungen für Jugendliche, die praktische Abschaffung des Zuschusses für Existenzgründer und die Kürzung der Förderdauer des Eingliederungszuschusses für ältere Menschen ab 50 Jahren auf bis zu 12 Monate hätten für Berlin fatale Folgen.
Was sind Langzeitarbeitslose? – Das sind Menschen, die mehr als ein Jahr bei der Bundesagentur als arbeitssuchend gemeldet sind. Jene also, die durch die Hartz-IVGesetze von Rot-Grün vor allem betroffen wurden! Liebe Grüne! Plagt Sie hier vielleicht Ihr schlechtes Gewissen?