Protokoll der Sitzung vom 10.11.2011

Ich komme zu

lfd. Nr. 8:

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/0024

Gesetz zu dem Staatsvertrag zwischen dem Land Berlin und dem Land Brandenburg über die Errichtung und den Betrieb der Justizvollzugsanstalt Heidering

Erste Lesung

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort hat der Abgeordnete Behrendt. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die heutige Vorlage des Gesetzes zum Staatsvertrag zum Betrieb der Justizvollzugsanstalt Heidering gibt Anlass, an ein Beispiel grandioser Fehlplanung und sinnloser Geldverschwendung dieses Senats zu erinnern. Für immerhin 118 Millionen Euro baut Berlin gegenwärtig auf der grünen Wiese in Brandenburg eine völlig überflüssige Haftanstalt.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Die aktuellen Gefangenenzahlen, die herangezogen wurden, um das zu rechtfertigen, rechtfertigen diesen Neubau nicht im Ansatz. In Tegel, einer der größten deutschen Haftanstalten, kommen momentan auf gut 1 500 Haftplätze weniger als 1 250 Gefangene. Im geschlossenen Männervollzug, für den die Anstalt Heidering gedacht ist, sind mit Stand letzter Woche 450 Haftplätze frei. Für welchen Bedarf 650 weitere Haftplätze gebaut werden sollen, erschließt sich niemandem.

Die Entwicklung der Gefangenenzahlen kommt nicht zufällig – wir haben einen bundesweiten Trend. In Hamburg stehen seit Langem wesentliche Haftkapazitäten leer, in Brandenburg sind auch seit einigen Jahren nur zwei Drittel der Haftanstalten ausgelastet. Dieser Trend wird sich fortsetzen – auch in Berlin. Stichwort: Brandenburg – Frau Senatorin von der Aue hat vor der Sommerpause zur Sicherungsverwahrung zum wiederholten Male gezeigt, dass sie zu einer sinnvollen Kooperation mit ihrem Kollegen Schöneburg nicht in der Lage ist. So stellt sich das auch bei diesem Anstaltsneubau dar. Brandenburg hatte angeboten, Berlin Haftkapazitäten zur Verfügung zu stellen – das wurde abgelehnt. Frau Senatorin von der Aue hat halsstarrig an diesem Neubauprojekt festgehalten, und jetzt haben wir die eigenartige Situation, dass Brandenburg in den nächsten Jahren zwei seiner Anstalten – immerhin alles Neubauten oder frisch sanierte Gebäude – schließen wird und Berlin mehr oder weni

ger direkt daneben eine neue Anstalt baut. Das ist weder dem Brandenburger noch dem Berliner Steuerzahler zu erklären.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Der Staatsvertrag und die neue Anstalt wird die drängenden Probleme des Berliner Vollzugs kaum lösen. Wir haben weiterhin das Problem mit den Altbauten in Moabit und Tegel, für die weiterhin kein Sanierungsplan vorliegt, wo Strafvollzug in Anstalten aus dem vorletzten Jahrhundert stattfindet. Wir wissen auch nicht, Frau Senatorin, mit welchem Personal sie diese neue Anstalt auf der grünen Wiese betreiben wollen. Den Auszubildenden, die dafür eingestellt wurden, haben Sie in der Sommerpause mitgeteilt, dass sie leider nicht übernommen werden können, sodass wir vermutlich, wenn die Anstalt in Betrieb geht, ein halbgefülltes Haus mit einer minimalen Personalbesetzung haben werden.

Auf zwei Merkwürdigkeiten sei noch hingewiesen. Bisher war geplant, diese Anstalt für den geschlossenen Männervollzug zu nutzen. In der Begründung zum Staatsvertrag ist aber ausdrücklich enthalten, dass Sie dort offensichtlich auch jugendliche Gefangene unterbringen wollen. Das ist nur verwunderlich, denn bisher war das nicht geplant. Die Frage ist, ob hier die Katze aus dem Sack gelassen wird und künftig die Berliner Jugendlichen auf der grünen Wiese Brandenburgs versauern werden. Artikel 4 des Staatsvertrags enthält eine etwas eigenartige Ewigkeitsgarantie. Da ist geregelt, dass das nur gemeinsam geändert werden kann. Es erschließt sich mir überhaupt nicht, warum dieser Vertag ewig gelten soll und nur einvernehmlich geändert werden kann. Interessant ist, warum hier keine reguläre Kündigungsmöglichkeit vorgesehen ist.

[Zuruf von Sven Kohlmeier (SPD)]

Nun ist der Bau zwar relativ weit fortgeschritten, das haben wir vorhin im Rahmen der Fragestunde bereits erörtert. Es ist aber weiterhin möglich, die Kapazität zu reduzieren, und das wäre auch sinnvoll. Reduzieren Sie schleunigst die Kapazität von 650 auf 350 Haftplätze – damit können wir Geld sparen und verhindern den Leerstand dieses Neubaus. Machen Sie sich dringend Gedanken über den geschlossenen Männervollzug in Berlin, Frau von der Aue, denn ein Konzept für den geschlossenen Männervollzug muss jedenfalls anders aussehen, als überflüssige Haftanstalten zu bauen. Ihr halsstarriges Festhalten an diesem Neubau zeigt deutlich, dass Sie nicht in der Lage sind, die Probleme des Berliner Strafvollzugs wirklich sinnvoll anzugehen. Hier ist ein Umsteuern dringend erforderlich. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Das Wort für die Fraktion der SPD hat der Abgeordnete Kohlmeier.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich weiß gar nicht, worüber der Kollege Behrendt gerade gesprochen hat. Nach der mir vorliegenden Tagesordnung soll das Gesetz zum Staatsvertrag zwischen Berlin und Brandenburg über die Errichtung und den Betrieb der Justizvollzugsanstalt Heidering in erster Lesung beraten werden. Dazu habe ich von Ihnen nichts gehört. Möglicherweise haben Sie heute Morgen die falsche Rede gegriffen.

[Beifall von Daniel Buchholz (SPD)]

So einfach, wie es heute erscheint, hat sich der lange Prozess in der politischen Diskussion in den vergangenen Jahren leider nicht gestaltet. Mit dem Gesetz, das heute in der ersten Lesung vorliegt, ratifizieren wir den Staatsvertrag und machen den Weg für den Betrieb einer Vollzugsanstalt frei, die einem modernen Strafvollzug gerecht wird und die die Kapazitäten in den anderen Haftanstalten im Land Berlin entlasten wird. Überalterte Haftanstalten aus der Kaiserzeit in Moabit und Tegel mit teilweise verfassungswidrigen Hafträumen werden endlich der Vergangenheit angehören. Wie in der Vergangenheit auch, reagieren die Grünen reflexartig allein auf das Wort JVA Heidering. Was des Ratzmanns A 100 ist, ist des Behrendts JVA Heidering.

[Zuruf von Heiko Thomas (GRÜNE)]

Die starken Männer der Grünen tragen ihre Themen wie ein Phallussymbol vor sich her und sagen: nein!

[Beifall bei der SPD und der CDU – Heiterkeit bei den PIRATEN]

Das ist rechtspolitischer Irrsinn und macht deutlich, warum Sie dort hinten und nicht hier vorne sitzen.

Der Staatsvertrag ist notwendig, um für die auf Brandenburger Gebiet, auf ehemaligen Berliner Stadtgütern liegende Haftanstalt verbindliche Regelungen zwischen beiden Bundesländern zu schaffen. Mit fünf Artikeln ist der Staatsvertrag auf das notwendige Maß beschränkt und regelt abschließend das anzuwendende Landesrecht, die gerichtlichen Zuständigkeiten und die Kosten der Unterhaltung der Haftanstalt.

An dieser Stelle gilt mein Dank der Justizverwaltung, die in der Abstimmung mit dem Land Brandenburg dafür gesorgt hat, dass es zu keinen inhaltlichen Unstimmigkeiten kam und dass wir als Parlament und als Rechtsausschuss stets über den aktuellen Stand des Abstimmungsprozesses informiert worden sind. Herzlichen Dank dafür, Frau Senatorin!

Es ist richtig, dass wir heute in der ersten Lesung darüber beraten und die Beschlussfassung über diesen Staatsvertrag so schnell wie möglich auf den Weg bringen wollen. Brandenburg hat bereits im September in erster Lesung darüber beraten und beabsichtigt, noch in diesem Jahr den

Gesetzesbeschluss herbeizuführen. Wir haben ein Interesse daran, das Gesetz parallel zu den Beratungen in Brandenburg möglichst schnell zu verabschieden.

Der Bau der JVA Heidering wurde von der übergroßen Mehrheit in diesem Haus stets befürwortet. Lediglich die Kolleginnen und Kollegen der Grünen, allen voran der Kollege Behrendt – wie eben gezeigt –, waren dagegen und nutzten die Diskussion zur eigenen Profilierung.

[Thomas Birk (GRÜNE): Wir hatten recht!]

Sie hatten möglicherweise nicht recht. Wie ernst Sie es mit dem Strafvollzug meinen, zeigt ein Blick in Ihr Wahlprogramm. Das Wort Justizvollzugsanstalt kommt darin tatsächlich einmal vor. Wenn das Ihr Ansatz für einen modernen Strafvollzug im Land Berlin ist, dann kann man nicht von einem verantwortungsvollen Umgang mit dem Thema sprechen.

[Heidi Kosche (GRÜNE): Haben Sie denn bei sich nachgeschaut?]

Damit zeigen Sie, dass Sie keine sinnvollen Lösungen anbieten können. Ich habe mir auch die Mühe gemacht, Ihre alten Reden nachzulesen und Ihre Wahlprüfsteine durchzuschauen.

[Heidi Kosche (GRÜNE): Da haben Sie etwas gelernt!]

Dort steht:

Wir werden unmittelbar nach der Wahl überprüfen, ob der Neubau in Großbeeren gestoppt werden muss.

Gleiches haben Sie eben gerade wieder erzählt. Wie haushaltsrechtlich inkompetent muss man eigentlich sein, einen so weit fortgeschrittenen Bau, bei dem das Richtfest gefeiert worden und in den bereits erhebliche Steuermittel geflossen sind, einstellen zu wollen?

[Joachim Esser (GRÜNE): Was baut ihr denn dann ab?]

Das hat nichts mit verantwortungsvoller Politik zu tun. Der Kollege Behrendt hat dem Senat regelmäßig Vorhaltungen über den Bau gemacht – das kann man alles in den entsprechenden Protokollen nachlesen –, er macht das Gleiche in dieser Legislaturperiode wieder. Jahrelang dürfen wir uns die gleichen Reden von ihm anhören. Wenn man sich die Berichterstattung der letzten Wochen über den Zustand der Grünen ansieht, scheint auch Ihre eigene Fraktion davon genug zu haben.

Wir haben bewiesen, dass wir durch die JVA Heidering für das Land Berlin verantwortungsvoll für einen modernen und würdigen Strafvollzug handeln. Ich bin froh, dass wir in den Koalitionsverhandlungen mit der CDU diesbezüglich Einigkeit herstellen konnten, und bitte um Zustimmung zu dieser Vorlage nach deren Beratung im zuständigen Ausschuss. – Vielen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Dr. Florian Graf (CDU) – Heidi Kosche (GRÜNE): Jubel bei der SPD!]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Rissmann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Kohlmeier! Nur eine Ergänzung: Wir hatten schon Einigkeit in Bezug auf dieses Thema, bevor wir in Koalitionsverhandlungen eingetreten sind.

[Oh! von den GRÜNEN – Uwe Doering (LINKE): Da hatten Sie schon eine Meinung? Donnerwetter!]

Sie werden sich daran erinnern, dass die Union Heidering immer konstruktiv unterstützt hat. Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, haben wir in der vergangenen Wahlperiode vier Mal an dieser Stelle über Heidering gesprochen. Es werden Dutzende Male im Rechtsausschuss gewesen sein. Die Argumente sind ausgetauscht, die Sache ist entschieden. Insofern nutzt der Kollege Behrendt diese Plenarsitzung und diesen Tagesordnungspunkt – wie leider so oft – zur Fortsetzung von Wahlkampf. Ich habe es vor den Wahlen am 18. September noch verstanden, dass man vielleicht gegenüber der grünen Basis eine bestimmte Haltung formulieren möchte, jetzt wird wahrscheinlich ein anderer Wahlkampf gemacht und dafür ist offenbar das Aufrufen dieses Themas erforderlich.

In der Sache hat der Kollege Kohlmeier all das gesagt, was richtig und zutreffend ist. Ich mache mir das ausdrücklich zu eigen und werbe um Zustimmung. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat der Kollege Dr. Lederer das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich mir die Vorlage angesehen und den Redebedarf der Grünen vernommen habe, habe ich kurzzeitig überlegt, weshalb die eigentlich darüber reden wollen. So viel ist es ja wahrscheinlich nicht. Es ist klar, wenn man eine Justizvollzugsanstalt in einem anderen Bundesland errichtet und sie dann auch noch betreiben will, braucht man dafür irgendeine Form von Staatsvertrag. Über alles andere könnte man sich dann im Rechtsausschuss unter