Der Bundesgesetzgeber ist der Auffassung, mit der Einführung der elektronischen Fußfessel die Einhaltung aufenthaltsbezogener Überweisungen überwachen und im Nachhinein eine eventuell begangene Straftat leichter aufklären zu können. Der Bundesgesetzgeber verspricht sich von der Einführung der elektronischen Fußfessel die Einhaltung einer spezialpräventiven Wirkung, indem die Hemmschwelle des Probanden für die Begehung einer neuen Straftat aufgrund des ihm bewusst gestiegenen Entdeckungsrisikos erhöht wird.
Nun – ob sich diese Erwartungen des Bundesgesetzgebers im vollen Umfang erfüllen werden, wird die Zukunft zeigen. Auch in meiner Fraktion gibt es diesbezüglich berechtigte Zweifel, einige denen ähnlich, wie von meinem Vorredner gehört. Meine Fraktion wird auch deshalb die Zweckmäßigkeit der elektronischen Fußfessel evaluieren, sobald die Zeit dafür gekommen ist. Die bestehenden Zweifel jetzt zu diskutieren, ist allerdings müßig. Das Gesetz ist bereits seit Januar 2011 in Kraft, und jede Strafvollstreckungskammer, auch in unserer Stadt, kann also schon jetzt diese Weisungen beschließen. Aber durchführen können wir sie bis jetzt noch nicht. Insoweit erklärt sich auch die gebotene Dringlichkeit.
Der Rechtsausschuss hat mit den Stimmen der Mitglieder der Koalition das Zustimmungsgesetz bei Enthaltung der Mitglieder der Oppositionsfraktionen angenommen. Aufgrund dieses Abstimmungsverhaltens der Mitglieder der Opposition im Rechtsausschuss gehe ich davon aus, dass es in diesem Haus niemand wünscht, dass wir in Berlin in eigener Regie die technische und fachliche Überwachung dieser Weisungen durch Schaffung einer eigenen Berliner Überwachungszentrale mit einem 24-Stunden-Bereitschaftsdienst wollen. Die Synergieeffekte im Hinblick auf Personalaufwand und -kosten, die Schaffung von gemeinsamen Strukturen und einheitlicher Standards für die Aufenthaltsüberwachung durch die länderübergreifende Zusammenarbeit sind offenkundig. Die Länder BadenWürttemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hessen haben sich bereits für die Einrichtung einer gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder entschieden. Auch das Land Brandenburg beabsichtigt, diesem Staatsvertrag beizutreten. Dies wird die Zusammenarbeit mit unserem Nachbarland befördern.
Soweit im Rechtsausschuss Kritik an dem bereits bestehenden Staatsvertrag geäußert wurde, betraf dies die Verteilung der Kosten auf die vertragsschließenden Länder. Die für die Einrichtung und den Betrieb der gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder anfallenden Personal- und Sachkosten werden von den teilnehmenden Ländern anteilig getragen. Es wird das Verhältnis der Bevölkerungsanteile zugrunde gelegt, und das ist auch gut so. Soweit im Ausschuss vorgeschlagen wurde, die Kosten nach den anfallenden konkreten Fallzahlen zu verteilen, dürfte dies wohl eher keinen Sinn machen. Zum einen sind die wesentlichen Kosten der gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder aufgrund der 24Stunden-Bereitschaft relativ konstant und werden nicht durch die Anzahl der Fälle wesentlich beeinflusst. Zum anderen ergibt sich die Anzahl der Fälle aus der Anzahl der Beschlüsse der Strafvollzugskammern, die in richterlicher Unabhängigkeit beschlossen werden, und diese sind, Gott sei Dank, nicht im Vorwege bestimmbar. Da also die Bestimmung der Fallzahlen im Vorwege nicht möglich ist, wäre auch die Planung der anfallenden Kosten nicht möglich.
Bei der Kostenverteilung nach dem Verhältnis der Bevölkerungsanteile profitieren eher die kleinen Bundesländer. Insoweit kann ich einen Nachteil für das Land Berlin nicht erkennen.
Auch diese Diskussion ist eigentlich müßig, denn dieser Staatsvertrag ist bereits in Kraft. Man kann ihm beitreten oder auch nicht. Die Vorteile für unser Land Berlin überwiegen, und deshalb bitte ich Sie, diesem Zustimmungsgesetz zuzustimmen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem der Kollege Henkel vorhin aus Twitter zitiert hat, will ich sicherheitshalber und mit Augenzwinkern gegenüber dem Kollegen Prieß klarstellen: Wir reden nicht über die elektronische Aufenthaltsüberwachung von Abgeordneten, sondern von Menschen, die schwerste Straftaten begangen haben.
Eingangs aber will ich auf etwas Bezug nehmen, was der große Strafrechtswissenschaftler Franz von Liszt gesagt hat, nämlich: Die beste Kriminalpolitik ist immer noch eine gute Sozialpolitik. – Diese Bemerkung erinnert uns daran, dass Strafrechtspolitik zunächst die Erfüllung der Vorgaben des Grundgesetzes ist, dass Sozialstaatlichkeit das zentrale Moment für eine gute und soziale Prävention darstellt.
Was hat das mit unserem Thema zu tun? – Das hat eine Menge mit unserem Thema zu tun, denn die Frage ist natürlich nicht immer nur, welche Instrumente wir einsetzen, ob wir nach höheren Strafen schreien oder versuchen, die Ermittlungsbefugnisse auszuweiten, sondern die Frage ist, welche Resozialisierungsmaßnahmen im Vollzug stattfinden, in welcher Art und Weise spezialpräventiv auf Straftäterinnen und Straftätern eingewirkt wird, damit sie ein Leben ohne Straftaten führen können.
Nun gibt es Fälle, in denen die Justiz tätig werden muss, und in solchen Fällen hilft auch der Verweis darauf nicht, dass möglicherweise die Sozialstaatlichkeit versagt hat oder dass der soziale Zusammenhalt in unserer Gesellschaft leidet und das möglicherweise in erhöhte Gewalt- und Straftaten mündet. Wir wissen um die begrenzte Wirkung der Abschreckung durch das Strafrecht. Hier bedarf es spezialpräventiver Strategien. Und an dieser Stelle sind ein Strafvollzug mit Ausrichtung auf den Behandlungsvollzug, vernünftige Sozialtherapie und Resozialisierungsarbeit geboten. Wenn dann noch ein kleiner Prozentsatz übrigbleibt, für den die Legalprognose negativ ist, dann gibt es die Möglichkeit der Führungsaufsicht, die ja nicht nur Kontrolle, Melden und Vorgaben zu Kontaktverboten beinhaltet, sondern am Ende auch mit spezialpräventiven Hilfemaßnahmen, Übergangsmanagement und Begleitung verbunden ist.
Da hat der Kollege von der SPD-Fraktion natürlich recht: Wir reden hier nicht über die Frage, ob die elektronische Aufenthaltsüberwachung in Berlin durchgeführt wird oder nicht. Seit dem 1. 1. 2011 ist auch die elektronische Aufenthaltsüberwachung, besser bekannt als Fußfessel, Teil des Instrumentariums des bundesdeutschen Strafrechts und muss insofern von der Justiz, von Richterinnen
und Richtern auf die Anwendung hin überprüft werden. Demzufolge sind wir in der Situation, dass wir uns als Land überlegen müssen, wie wir das umsetzen. Ich finde es zunächst wichtig festzuhalten, dass der Kreis derjenigen, auf den die elektronische Aufenthaltsüberwachung angewendet werden kann, sehr rigide durch das Gesetz geregelt ist. Richterinnen und Richter müssen prüfen, ob der Einsatz der Überwachung zur Vorbeugung von schwersten Straftaten erforderlich ist.
Trotzdem bleiben kritische Anmerkungen: Man soll an die elektronische Fußfessel keine zu hohen Erwartungen haben. Vor zehn bis fünfzehn Jahren ist sie ja noch als so etwas wie ein Wunderheilmittel zur Entlastung des Vollzugs immer wieder in aller Munde gewesen. Natürlich gibt es auch in der Strafrechtswissenschaft und in der Strafrechtspolitik Debatten über die exzessive Ausweitung von Überwachungsstrategien. Ich finde das hochproblematisch. Fußfesseln für Hooligans oder ähnlicher Unsinn, der in dieser Debatte gepredigt worden ist – das ist mit uns nicht zu machen und darf auch nicht gemacht werden.
Wenn überhaupt, dann darf die Fußfessel nur ganz beschränkt eingesetzt werden, und es muss sehr genau hingeguckt werden, was da passiert.
Natürlich ist der Einsatz der elektronischen Fußfessel auch eine Stigmatisierung, die wiedereingliederungshemmend sein kann. Deswegen kommt es umso mehr darauf an, dass wir – und das ist das, was wir tatsächlich in Berlin tun können – eine vernünftiges Entlassungsmanagement haben, dass wir eine vernünftige Vorbereitung der Wiedereingliederung haben und dass wir tatsächlich dafür Sorge tragen, dass die Fußfessel kein Ersatz, sondern bestenfalls eine Ergänzung des regulären Vollzugsinstrumentariums ist, das auf Resozialisierung setzt.
Wir entscheiden heute nicht über das Mittel selbst, sondern über die konkrete Ausgestaltung der Umsetzung von Bundesrecht. Ich finde, dass der Einsatz der elektronischen Fußfessel so, wie er augenblicklich geregelt ist, prinzipiell eine vertretbare Lösung ist. Aber es gibt offene Fragen, deren Klärung im Vertrag nicht ausreichend Berücksichtigung gefunden hat. Diese Fragen sind eher praktische Fragen. Die Grünen haben sie im Rechtsausschuss mit dem Ergänzungsantrag thematisiert. Ich finde, sie sind dort gut zusammengefasst. Sie betreffen die Evaluation und die Datenschutzaufsicht, die Sicherung des entsprechend erforderlichen Begleitprogramms und den Umgang des Personals mit den Herausforderungen dieser Form von Führungsaufsicht. Mein Eindruck ist derzeit: Es ist nicht garantiert, dass dieser Einsatz so funktioniert, wie ich ihn mir wünsche und wie er langfristig rechtsstaatlich unbedenklich erfolgt.
Ich sehe auch, dass der Kurs, der bei der Ausstattung des Vollzugs mit Personal derzeit gefahren wird, die Gefahr mit sich bringen könnte, dass dieses Instrument irgendwann als Ersatz für Vollzug zur Entlastung des Vollzugs verlockend erscheint. Deswegen haben wir uns entschlossen, uns bei der Abstimmung über diesen Staatsvertrag zu enthalten. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es geht heute in der Tat nicht um die Frage, ob man den Einsatz der Fußfessel grundsätzlich gut oder schlecht findet. Diese Frage hat der Deutsche Bundestag bereits mehrheitlich entschieden, indem er die genannte Rechtsgrundlage geschaffen hat. Der Kollege Özkaraca hat in seiner Rede darauf hingewiesen, und auch der Kollege Dr. Lederer hat dargestellt, dass wir diese Grundsatzfrage gar nicht zu beantworten haben. Insofern ist diese Rederunde, lieber Kollege Behrendt, wahrscheinlich wirklich überflüssig.
Es geht wirklich nur darum, das Wie zu regeln. Das sind der Staatsvertrag und das heutige Zustimmungsgesetz. Es geht also in der Sache darum, ob das, was bundesgesetzlich geregelt ist, in der Praxis auch umgesetzt werden kann. Das geschieht durch die gemeinsame Überwachungsstelle der Länder. Das ist zu bejahen, da andernfalls eine richterliche Anordnung nach 68b Abs. 1 Nr. 12 StGB nicht oder nur schwer umgesetzt werden könnte. Insofern kann man der Vorlage nur zustimmen. Viel mehr kann man dazu eigentlich nicht sagen.
Da ich aber ein bisschen mehr als eine Minute meiner Redezeit ausschöpfen will, kann ich in Richtung Grüne und Linke formulieren, dass man natürlich so ein neues Projekt, ein neues Instrument im Bereich des Strafvollzugs oder überhaupt der Maßnahmen nach dem StGB auch wissenschaftlich begleiten muss. Natürlich muss man das evaluieren und überprüfen, wie das anschlägt und was man vielleicht besser machen kann. Sie haben versucht, im Rechtsausschuss dazu etwas vorzulegen. Das war verfahrensrechtlich ein bisschen schwierig. Wir als Koalition werden das mit Interesse beobachten und sind für Gespräche offen. Dieser Vorlage kann man nur zustimmen. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde es interessant, dass hier einmal eine Rederunde im Plenum zu einem rechtspolitischen Thema stattfindet, in der ich allen meinen Vorrednern inhaltlich zustimmen kann.
Man könnte es sich bei dem Thema insofern ganz leicht machen, indem man sagt: Die Gesetzesgrundlage gibt es auf Bundesebene seit 2011. Über den Einsatz in der Praxis entscheidet im Einzelfall ein Gericht, und das tut es aus gutem Grund unabhängig. Trotzdem lohnt es sich, beide Seiten der Gleichung noch einmal ein bisschen näher anzugucken.
Auch wenn das jetzt ein Allgemeinplatz ist: Die Aufenthaltsüberwachung mit einer Fußfessel ist ein schwerwiegender Grundrechtseingriff – sicher nicht so schwer wie ein Gefängnisaufenthalt, aber unterschätzen sollte man das nicht. Das zeigt auch die Erfahrung anderer Länder. Die psychologische Wirkung einer solchen Maßnahme hat die gleiche Größenordnung, insbesondere wenn damit noch Restriktionen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit verbunden sind. Gleichzeitig kann man sagen: Wenn wir in der Lage sind, Repressionsmaßnahmen, Grundrechtseingriffe feiner abzustufen, dann ist das erst einmal ein Vorteil, denn dann kann man den niedrigsten möglichen Eingriff wählen, und damit ist etwas gewonnen. Das ist ja der Sinn solcher Maßnahmen. – So weit, so korrekt! Aber genau da muss man aufpassen, dass solche Maßnahmen, weil sie in der Intensität weniger schwerwiegend sind, nicht auf einmal in größerem Umfang eingesetzt werden.
Dafür gibt es Praxisbeispiele. Ein Bereich, wo dieses Phänomen in entsprechenden Statistiken gut zu sehen ist, weil es dort die Entwicklung schon einige Jahre länger gibt, ist der der sogenannten nichttödlichen Waffen. Da hat man die Idee verfolgt, in Polizeieinsätzen weniger Todesfälle zu haben, indem man nichttödliche statt tödliche Waffen benutzt. Natürlich muss man aufpassen, dass sich, wenn diese Waffen nicht nur als Ersatz genutzt werden, ein neuer Bereich öffnet. Wenn man ein solches Mittel anwendet, hat man gegebenenfalls wieder ein anderes Problem. Das ist ein Punkt, wo man in der Praxis hingucken muss.
Richtig ist aber auch, dass die große Erwartung, man bekomme damit die Gefängnisse leer, damit nicht verbunden werden kann. Das hat hier auch niemand formuliert, und der Senat hat das nicht als Zielvorgabe genannt.
Die gesetzlichen Regelungen beziehen sich auf die Führungsaufsicht. Was das bedeutet, wurde schon dargelegt. Es spielen auch Sicherheitsfragen eine Rolle, und man muss sich fragen, was eine Fußfessel in der Praxis verhindert bzw. wie viel Sicherheit sie schafft. Im Vergleich zu einem Gefängnisaufenthalt stellt sich die Frage, um wie viele Fälle es konkret geht. Das entscheiden die Gerichte, aber man sollte sich da nicht herausnehmen.
Eine Evaluation sollte unter verschiedenen Aspekten stattfinden: sicherlich unter sicherheitstechnischen und allgemeinen technischen Aspekten und unter Kostenaspekten. Ohne Frage ist – wie vorhin schon angedeutet – auch eine Evaluation unter wissenschaftlichen Kriterien angebracht: was das überhaupt bedeutet, z. B. für die Resozialisierung, welche Auswirkungen es auf die Betroffenen hat usw., was es in der Kriminologie bedeutet. Sie wissen, was ich meine.
Ich finde es schade, dass wir es im Rechtsausschuss aus formalen Gründen nicht geschafft haben, noch den Ergänzungsantrag der Grünen zu beraten, der einige wichtige Punkte aufgegriffen hat. Dadurch, dass das jetzt noch ein bisschen offen ist, muss ich sagen, dass ich für mich im Moment die Enthaltung für richtig halte. Wir werden sehen, dass wir den Ergänzungsantrag noch einmal im Rechtsauschuss beraten und hoffentlich auch einen Beschluss fassen.
Vielen Dank, Herr Dr. Weiß! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung empfiehlt einstimmig – bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen – die Annahme der Vorlage. Wer der Gesetzesvorlage zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und der CDU. Gegenstimmen? – Keine! Enthaltungen? – Das sind die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Linksfraktion und die Piratenfraktion. Dann ist das so angenommen.
Gesetz zur Errichtung eines gemeinsamen Landesgremiums nach § 90a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales vom 12. November 2012 und Dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 21. November 2012 Drucksache 17/0661
Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der acht Paragrafen miteinander zu verbinden und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Paragrafen 1 bis 8 der Drucksache 17/0535. Eine Beratung wird nicht mehr gewünscht.