Also Herr Wolf, die Fragestunde geht ja offensichtlich weiter. Ich verweise mal auf unsere Drucksache. Da steht nämlich was drin zu Integration und Kooperation bestehender landeseigener Stromerzeuger. Das bezieht sich zum Beispiel auf ein Müllkraftwerk. Es bezieht sich aber auch auf andere Dinge. Es bezieht sich auf die Berliner
Energieagentur und anderes mehr. Integration und Kooperation sind ausdrücklich im Antrag der Koalition benannt. Und genau das ist der Unterschied zwischen Fragen, die Sie stellen, und Antworten und Konzeptionen, die in dem Antrag der Koalition bereits enthalten sind.
Ich will aber noch einen zweiten Punkt nennen. Wir sind heute in der ersten Lesung dieser Anträge. Keiner wird behaupten, zumindest keiner, der ernsthaft Anträge beraten möchte, dass in der ersten Lesung immer schon alles vollständig ist, und wenn man es ernsthaft betreibt und beraten möchte, automatisch nie etwas während der Ausschussberatungen und in der zweiten und dritten Lesung verändert werden kann. Nehmen wir doch einfach mal für uns insgesamt in Anspruch, dass die Ausschussberatungen, die wir durchführen wollen, dass gegebenenfalls mögliche Anhörungen zu diesem Thema auch noch Erkenntnisgewinne erzielen können und dass wir dann die parlamentarische Beratung auch ernst nehmen. Dazu gehört es, dann aber auch nicht nur Fragen, sondern eine Idee, eine Konzeption zu haben. Und, Herr Wolf, da sind wir in der Koalition deutlich weiter als Sie nach zehn Jahren in Regierungstätigkeit.
[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Der hat doch zu dieser Konzeption Fragen gestellt! Sie antworten nicht! – Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Schäfer. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Melzer! Die Frage von Herrn Wolf haben Sie nicht beantwortet, muss ich schon mal anmerken.
Der Koch sagt Ihnen: Das mache ich nicht. – Und dann kommt der Kellner und sagt: Ah, gucken Sie mal, da drüben ist ein Garten, da sind Kartoffeln, und ein Schwein haben wir auch irgendwo. Aber bezahlen Sie doch bitte schon mal! – So ähnlich geht es im Moment dem Energietisch mit Rot-Schwarz. Der Senat sagt in seiner Stellungnahme: Machen wir nicht. Und RotSchwarz sagt, die Herren Saleh und Graf sagen: Schauen Sie mal, wir haben da zwei unverbindliche Anträge! Bitte hört doch schon mal auf, Unterschriften zu sammeln! Es
ist, glaube ich, klar, dass der Energietisch darauf nicht eingehen konnte und dass er deshalb die Unterschriftensammlung völlig zu Recht gestartet hat.
Gucken wir uns das mal an zwischen Koalition und Senat: Herr Schneider sagte gestern im Hauptausschuss: Wir werden auf das kommunale Selbstverwaltungsrecht, auf Artikel 28 Grundgesetz pochen, und wir werden das Energiewirtschaftsgesetz vor Gericht aushebeln. – Da würde ich gern von Herrn Nußbaum wissen: Sieht der das auch so? – Ich glaube nicht! Ich würde mich freuen, wenn der Senat hier mal den Mumm hätte zu sagen, was er wirklich vorhat. Herr Müller, Frau Yzer! Was haben Sie wirklich vor? Was sind Ihre energiepolitischen Ziele für die Konzession? – Das wollte der Senat gestern auch nicht verraten im Hauptausschuss. Was wollen Sie denn für Investitionen in smarte Netze? Was wollen Sie denn für Investitionen, um Leitungsverluste zu reduzieren? Sagen Sie es uns mal hier! Das würde uns interessieren.
Haben Sie den Mut, Ihre Koalition mit Ihren Plänen zu konfrontieren? – Das gäbe nämlich ein böses Erwachen, Herr Buchholz, wenn Sie das hier mal referiert bekommen, was der Senat vorhat. Ich weiß nicht, ob Sie sich den Verfahrensbrief zur Gaskonzessionsvergabe mal im Datenschutzraum angeguckt haben. Daraus geht hervor: Der Senat will noch nicht mal auswählen können, welchen Partner für Berlin-Energie er nimmt. Selbst das ist ausgeschrieben. Das heißt, das Verfahren ist so, dass wir ganz viele Kooperationsangebote bekommen – von China State, von Envia, von Vattenfall – und die werden dann auch in einem „objektiven“ Verfahren ausgewertet. Und am Ende – das sage ich Ihnen jetzt schon – dieses angeblich objektiven Verfahrens kommt das heraus, was Herr Wowereit schon immer wollte, nämlich Vattenfall oder, wenn es denn sein muss, Vattenfall plus Land Berlin. Und das ist dann wieder eine dieser schönen Lösungen: 51 Prozent Land, 49 Prozent privat. Und was da herauskommt, das haben wir bei den Wasserbetrieben gesehen, Herr Melzer! Vattenfall hat als langjähriger Netzbetreiber einen Informationsvorsprung Ihnen gegenüber. Die werden Sie gnadenlos über den Tisch ziehen. Die werden die Verluste rekommunalisieren und die Gewinne reprivatisieren.
Die laufen nämlich dann über die Servicegesellschaften von Vattenfall, an denen Sie nicht beteiligt sind, schön wieder in den Mutterkonzern. Das ist aber die Lösung, auf die Sie hier zusteuern. Das ist völlig unverständlich und unakzeptabel, dass Sie so ein Verfahren wählen. Ich bitte Sie wirklich, hier mal dazu Stellung zu nehmen.
Zu dem Stadtwerk: Herr Melzer, ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihr Angebot, dass Sie sagen, wir werden die parlamentarischen Beratungen hier ernst nehmen.
Das sollten wir immer machen, da stimme ich Ihnen zu. An uns soll es nicht scheitern. Wir haben bei diesem Stadtwerkskonzept einige Änderungsvorstellungen, die wir Ihnen detailliert darlegen wollen. Zum einen stört uns in Ihrem Antrag der Satz:
Die Aufgabe des Unternehmens ist es, ausschließlich erneuerbare Energien zu produzieren und diese selbstproduzierte Energie am Berliner Markt zu vertreiben.
Wie viele Kunden wollen Sie denn erreichen mit diesem Konzept? Wie viel Strom stellen Sie denn da her? Gucken Sie sich doch mal an, was die Ausbauziele des Senats für erneuerbaren Strom sind! Wind und Sonne sollen in Berlin 2020, und zwar von allen Anbietern zusammen, einen Anteil von 1,5 Prozent haben. 1,5 Prozent! Und das ist nicht, was das Stadtwerk hat, sondern was alle Erzeuger hier in Berlin haben. Wie viele Leute wollen Sie denn als Kunden erreichen mit diesem Konzept? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! – Da wollen wir ran. Wir wollen kein Miniunternehmen, das eine Nische bedient, sondern schon ein richtiges Stadtwerk.
Das Zweite ist die Konzeption als BSR-Tochter. Auch das empfinde ich als Fehlkonstrukt. Ich glaube, wir brauchen hier ein eigenes, selbständiges Unternehmen. Die BSR produziert Strom in der Müllverbrennungsanlage. Aber ich sehe noch nicht, dass das der Schlager sein wird am Berliner Markt. Kauft den Müllstrom von BerlinEnergie! – Das glaube ich nicht, dass Sie oder wir damit viele Kunden gewinnen. Das ist kein tragfähiges Konzept. Wir brauchen einen eigenständigen Energieerzeuger, der uns auch die Möglichkeit gibt, andere Kompetenz, die wir im Land haben, mit reinzunehmen, etwa in den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, etwa, wenn das geht, von der Berliner Energieagentur, wenn die sich freimachen von ihren privaten Anteilseignern. Ich glaube, da liegen die Erfolgschancen. Die größte, einfachste und beste Maßnahme, den Energiemix zu verändern als Land, nämlich indem wir die öffentlichen Gebäude auf Vordermann bringen – auch damit wollen wir dieses Stadtwerk betrauen. Und das kann es nicht als BSR-Tochter.
Zu Ihrem Beiratsmodell möchte ich anmerken: Man muss dem Energietisch mindestens anbieten, dass es verbriefte Rechte gibt – zumindest bei der Entscheidungsvorbereitung. Wenn man gewissen Quoren an Zustimmung erreicht, über Internet oder Versammlungen, dann sollte mindestens sichergestellt sein, dass sich der Vorstand dieses Unternehmens mit dem Anliegen en détail auseinandersetzt. Ich glaube, das ist die absolute Untergrenze, und noch nicht einmal die sehe ich in Ihren Gesetzentwurf garantiert.
Was ist hier mit dem Senat? – Der Senat will doch gar kein Stadtwerk. Es gibt im Koalitionsvertrag einen Prüfauftrag. Der Senat muss prüfen, ob ein Stadtwerk in Berlin errichtet werden kann. Wer hat sich dieses Prüfauftrags angenommen? Sie, Herr Müller? – Nein! Sie, Frau Yzer? – Nein! Herr Nußbaum? – Nein! Keiner hat das geprüft, weil Sie es nicht wollen. Ich wette, Sie wissen noch nicht einmal, wer von Ihnen dafür zuständig ist. Herr Müller, Sie sind nur für die Netzgesellschaft BerlinEnergie zuständig, für das Stadtwerk ist es Frau Yzer.
Herr Schäfer! Sie erwähnten, dass die Berliner Energieagentur für Sie als Partner nur infrage käme, wenn sie sich von den privaten Anteilseignern freimachen würde. Warum? Die Berliner Energieagentur macht seit 20 Jahren mit den privaten Partnern eine hervorragende Arbeit.
Wissen Sie: Uns geht es auch darum, mit einem Stadtwerk einen neuen Spieler in Berlin zu etablieren, der in dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung, virtuelle Kraftwerke und Energieeffizienz investiert. Wir machen das doch nicht, weil wir finden, dass das im Moment bei Vattenfall und GASAG toll gemacht wird, sondern im Gegenteil: Wir finden, dass das nicht gut gemacht wird. Es ist das Ziel des Stadtwerks, besser zu werden. Da sind Vattenfall und GASAG nicht die richtigen Partner.
Der Senat möchte kein Stadtwerk. – Das ist dem Energietisch sehr bewusst. – Er hat in seiner Stellungnahme zum Volksbegehren gesagt: Nein, das wollen wir nicht. Er hat in seiner mittelfristigen Finanzplanung keinen Cent eingestellt, um ein Stadtwerk auszustatten. Es ist nicht der Wille des Senats. Im Moment erleben wir: Die Koalitionsfraktionen machen den good guy und reden mit dem Energietisch, und der Senat sagt einfach gar nichts, enthält sich jeder Äußerung, lässt Sie machen und denkt: Lass die doch von ihrer Rekommunalisierung träumen! Wir werden es exekutiv komplett anders machen. – Auch, wenn Sie sagen, Sie machen ein Gesetz: Diesen Senat mit Klaus Wowereit an der Spitze interessieren energiepolitische Gesetze nicht. Er ignoriert sie. Wir haben ein Gesetz, wonach der Senat einen Maßnahmenplan mit Klimaschutzmaßnahmen, die er macht, vorlegen muss. Das
hätte er 2010 machen müssen. Er liegt bis heute nicht vor. Das ist Gesetz, und es wird ignoriert. Von den Koalitionsfraktionen kommt noch nicht einmal Kritik daran. Das ist der Skandal.
Wir haben ein Gesetz, wonach der Senat jährlich Bericht erstatten muss über seine energiepolitischen Erfolge und Misserfolge. Auch das tut er nicht. Wir sind vor das Verfassungsgericht gegangen, weil dieser Senat Klimaschutzgesetze ignoriert. Ruhen Sie sich nicht zu sehr auf den Gesetzen aus, die Sie verabschieden wollen! Sie müssten den Senat zur Mitarbeit zwingen. Es ist das Ziel unseres Antrags, diesen Senat endlich dazu zu bewegen, sich einmal zu positionieren und eine Meinung zu äußern.
Die Berichte, die wir jetzt über die Senatsarbeit kriegen – – heute ist wieder einer von der Agentur für Erneuerbare Energien herausgekommen. Es ist ein Bundesländervergleich mit 50 Indikatoren, Herr Wowereit. Auf welchem Platz sind wir?
[Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Raten Sie mal, wie viele Windkraftwerke wir haben! Deswegen sind wir hinten! Stellen Sie sich das mal vor! Haben Sie mal daran gedacht, dass wir nicht auf dem platten Land sind, wo die aufgestellt werden können?]
Genau auf diese Antwort, Herr Wowereit, hatte ich gehofft. Der Bericht mit diesen Indikatoren misst nämlich den Ausbau am Potenzial, das ein Land hat. Auch gemessen am Dachflächenpotenzial, das wir haben, sind wir auf dem letzten Platz. Das sind wir unter Ihrer Führung, Herr Wowereit: auf dem letzten Platz! Wir waren vor zwei Jahren auf dem letzten Platz und sind noch abgerutscht, denn wir haben uns noch mehr vom vorletzten Platz entfernt. Wenn wir 30 Bundesländer hätten, wären wir auf dem dreißigsten Platz, Herr Wowereit!
Auch bei Indikatoren wie „Ansiedlungsstrategie für erneuerbare Energien“ sind wir ganz hinten. Bei den Beschäftigten, den Arbeitsplätzen – das sollte Ihnen zumindest Sorgen machen – sind wir das Land mit den wenigsten Arbeitsplätzen in diesem Bereich.
Ich finde, wir sollten heute Ernsthaftigkeit zeigen. Wir sollten uns auf einen Fahrplan – Herr Melzer, das Angebot nehmen wir gerne auf – zur Antragsberatung verständigen, die besten Leute in den Ausschüssen anhören und
die besten Konzepte vergleichen. Dann können wir eine gute Entscheidung treffen. Wir sollten den Senat zur Mitarbeit zwingen, und vor allem sollten wir dem Energietisch heute zeigen, dass er dem Abgeordnetenhaus vertrauen kann. Das heißt, die Kostenschätzung, die der Senat für das Volksbegehren gemacht hat – wo Frau von Obernitz damals bei Vattenfall angerufen hat, die haben drei Milliarden genannt, das war dann die Senatkostenschätzung, die man auf jede Unterschriftenliste setzen sollte –, muss durch eine richtige Schätzung ersetzt werden. Das beinhaltet der Antrag, der gleich zur Sofortabstimmung steht. Ich appelliere an Sie: Zeigen Sie dem Energietisch, dass sie es ernst meinen! Zeigen Sie, dass Sie fair spielen wollen! Das können Sie heute bei dem Antrag tun. Ich rechne mit Ihrer Unterstützung. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Schäfer! – Das Wort für die SPDFraktion hat der Abgeordnete Buchholz. – Bitte sehr!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sehen an den bisherigen Wortbeiträgen: Es ist eine wahre Herkulesaufgabe, die Energiezukunft des Landes Berlin zu gestalten. Wenn wir uns allein die Dissonanzen anschauen, die wir hier zwischen Linken, Grünen und Piraten haben – bei den Piraten hören wir das gleich noch –, und ich mir anschaue, was es an gemeinsamen vermeintlichen Initiativen der Opposition gibt, dann kann ich nur sagen: Ein Glück, das SPD und CDU das Heft in die Hand genommen haben, regieren und zeigen auch, dass sie in der Energiepolitik gestalten können.
Schauen wir uns an, was heute wirklich zur Verabschiedung auf dem Tisch liegt! Es gibt einen Antrag von SPD und CDU, der heißt: Grundsätze eines neu zu gründenden integrierten Energiedienstleisters als Tochtergesellschaft der BSR. Dann gibt es eine Änderung der Landeshaushaltsordnung – eines der höchsten Gesetze, die wir haben! Wir haben eine sehr klare Positionierung. Wir wollen diese Energietochter für das Land Berlin haben.