Protokoll der Sitzung vom 17.01.2013

Auch dieser Vorgang belegt: Die Kameraüberwachung ist inzwischen fester Bestandteil unseres Alltags geworden – sei es in öffentlichen Räumen wie Bahnhöfen und Plätzen, sei es bei Behörden, in Betrieben, Banken, Geschäften und Mietshäusern. Selten wissen die so überwachten Beschäftigten, Kunden, Passanten und Mieter, ob die Überwachungskameras und die damit verbundene Überwachung rechtmäßig sind und was mit den erfassten automatisierten personenbeziehbaren Dateien passiert. Zwar gibt es Gesetze, einschränkende Regelungen und Gerichtsurteile, die vorgeben, wer wann was und wo mittels Überwachungskameras aufzeichnen und wie lange speichern kann – aber wer kontrolliert und überwacht die Einhaltung dieser Vorgaben?

In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich die Frage, wie Beschäftigte und Kunden von Geschäften, Banken und Ämtern, Mieter in Wohnhäusern, Passanten in öffentlichen Räumen, Beschäftigte und Kunden bei Bussen und Bahnen darüber informiert werden, dass sie gerade von einer Überwachungskamera erfasst werden bzw. erfasst werden können. Wo und bei wem können die Betroffenen ggf. ihre Rechte geltend machen? Genau diese Problematik greift die Piratenfraktion mit ihrem Antrag auf. Eine Meldepflicht von Überwachungskameras, verbunden mit einem für jedermann einsehbaren Register, kann das sich ausbreitende Unwesen, dass alles und jeder erfasst werden muss, zumindest einschränken und begrenzen.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Eine gesetzliche Meldepflicht für Überwachungsanlagen gibt es übrigens bereits – wenn auch mit einigen Ausnahmen – in Österreich.

Es ist schon erstaunlich – und darauf hat Herr Lauer hingewiesen –, was sich in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Piratenfraktion offenbart. Der Senat hat keinen Überblick darüber, in welcher Anzahl privat betriebene Überwachungskameras im Einsatz sind, die den öffentlich zugänglichen Raum überwachen. Der Senat konnte noch nicht einmal darüber Auskunft geben, wie viele Überwachungskameras – mit Ausnahme bei der BVG – bei den Landesunternehmen im Einsatz sind. Oft wird die Überwachung durch Kameras mit der Wahr

nehmung des Hausrechts und mit präventiven Zwecken begründet. Dabei wird überhaupt nicht berücksichtigt, dass die Kameraüberwachung ein Grundrechtseingriff ist und in die Persönlichkeitsrechte eingreift. Schon deshalb bedarf es restriktiver Regelungen und Kontrollen, solange es diese Kameras gibt!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Die Installation von Überwachungskameras ist immer ein gravierender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und das Grundrecht auf Datenschutz derjenigen, die von den Kameras überwacht werden. Videoüberwachungsanlagen, das sollte man sich noch mal durch den Kopf gehen lassen, haben ständig alle Personen im Blick, die sich im überwachten Bereich aufhalten. Es ist aus meiner Sicht völlig unverhältnismäßig, dass alle Menschen, die sich mehr oder weniger zufällig in öffentlichen oder privaten Räumen aufhalten, per Kameras erfasst werden. Die Kameraüberwachung sollte nur dann zulässig sein, wenn sie der Wahrung eines berechtigten Interesses dient, und auch nur dann, wenn dies auf andere Art und Weise nicht erreicht werden kann.

Jetzt kommt das Problem, das die anderen Kollegen schon angesprochen haben: Die Umsetzung des vorliegenden Antrags der Piraten kann zum dringend notwendigen sensiblen Umgang mit der Überwachung durch Kameras und andere technische Geräte und Einrichtungen beitragen. Allerdings wirft dieses Anliegen auch rechtliche und praktische Fragen auf: Können wir das auf Landesebene insbesondere für die privat betriebenen Kameras überhaupt regeln? Wenn ja, wie? Diesbezüglich freue ich mich auf eine spannende Debatte im Ausschuss. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Doering! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Digitale Verwaltung, Datenschutz und Informationsfreiheit und mitberatend an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

(Vizepräsident Andreas Gram)

lfd. Nrn. 4.2 und 4.3:

Priorität der Fraktion der SPD und Priorität der Fraktion der CDU

Tagesordnungspunkt 30

Überwachung durch Quellen-TKÜ in Berlin rechtssicher und technisch sauber einsetzen

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/0729

Auch hier gibt es wieder eine Redezeit von bis zu fünf Minuten pro Fraktion. Es beginnt die Fraktion der SPD, vertreten durch ihren Kollegen Kohlmeier. – Bitte schön!

Herzlichen Dank! – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Koalition bringt heute den Antrag in das hohe Haus ein, wie Telekommunikationsüberwachung im digitalen Zeitalter rechtssicher und technisch sauber eingesetzt werden kann. Die Opposition wird wahrscheinlich gleich den Standpunkt vertreten, dass unser Antrag nicht weitreichend genug ist, dass er zu spät kommt, dass er nicht verfassungsgemäß ist. Die Opposition wird bestimmt auch die Begriffe QuellenTelekommunikationsüberwachung und Staatstrojaner durcheinanderbringen und von „big brother is watching you“ als Angstszenario reden. Nichts von dem ist zutreffend, das ist nur typischer Oppositionsreflex. Ich werde Ihnen sagen, warum wir stolz sind, dass wir als große Koalition den Antrag hier einbringen.

Jeder von uns kennt Telekommunikationsüberwachung als strafrechtliches oder polizeiliches Überwachungsmittel. Einfach gesprochen: Telefongespräche dürfen insbesondere zum Zweck der Strafverfolgung abgehört werden, wenn ein Richter dem vorher zugestimmt hat. Keiner in diesem Haus wird diese Ermittlungsmethode ernsthaft infrage stellen. Nun, die Zeiten haben sich geändert. Telefonate werden heute nicht mehr nur per Telefon geführt, sondern über Computer, Chats, allgemein bekannt auch unter dem Begriff Skype-Telefonie. Diese Telefonate müssen an der Quelle, also am PC des Anrufers, überwacht werden. Deshalb spricht man von Quellen-Telekommunikationsüberwachung. Die Sicherheitsbehörden haben selbstverständlich das Interesse, auch diese Telefonate zur Strafverfolgung zu überwachen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer wegweisenden Entscheidung für die Überwachung hohe Hürden gesetzt. Setzt man Quellen-Telekommunikationsüberwachung ein, muss sichergestellt werden, dass gerade kein Staatstrojaner in einen fremden PC eingeschleust wird. Diesen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts entspricht die Koalition mit dem hier vorgelegten Antrag. Die Koalition steht dafür, dass kein Bürger Angst oder Sorge haben muss, dass der Staat seinen PC überwacht. Wir

sagen ganz klar in unserem Antrag: Software zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung, die den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht gerecht wird, wird im Land Berlin nicht eingesetzt – Punkt!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Ich weiß, dass die Opposition diese These nicht akzeptieren will, deshalb habe ich folgende drei Argumente, dass diese Feststellung und unser Antrag der richtige Weg ist.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Delius, lieber Kollege Kohlmeier?

Nein, ich will gar keine Zwischenfrage gestatten. – Erstens: Diese Koalition erkennt die Grundrechtsrelevanz der Telekommunikationsüberwachung von PC-Kommunikation an. Wir beantragen deshalb in diesem Antrag eine Bundesratsinitiative, dass in der Strafprozessordnung eine neue, eigene Rechtsgrundlage für die sogenannte Quellen-TKÜ geschaffen wird. Diese Koalition steht zu der Entscheidung unseres höchsten deutschen Gerichts und beantragt deshalb, eine verfassungsrechtlich einwandfreie Rechtsgrundlage zu schaffen. Wir akzeptieren die Grundrechte der Berlinerinnen und Berliner, stellen aber auch sicher, dass schwerste Straftaten durch die Nutzung neuer Medien verhindert und aufgeklärt werden.

Zweitens: Der Berliner Datenschutzbeauftragte bekommt weitreichende Befugnisse zugestanden. Der Berliner Datenschutzbeauftragte bekommt das Recht, den Quellcode der Überwachungssoftware einzusehen und zu prüfen. Wir wissen auch, dass das Vertrauen in eine solche Überwachungsmaßnahme nur hergestellt werden kann, wenn sichergestellt ist, dass die Software nur dazu eingesetzt wird, wozu sie vorgesehen ist. Das soll der Datenschutzbeauftragte auch unter Hinzuziehung sachkundiger Dritter prüfen. Die Firma darf dabei nicht durch hohe Tagessätze oder einen Sitz im Ausland die Prüfung verhindern. Auch das haben wir festgeschrieben. Diese weitreichende Befugnisse für den Datenschutzbeauftragten sind einmalig in Deutschland, und darauf können wir stolz sein.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Drittens: Wir stärken mit unserem Antrag die parlamentarischen Kontrollrechte. Der zuständige Ausschuss des Abgeordnetenhauses wird zukünftig eingebunden. Auch das ist im Vergleich aller Bundesländer einmalig. Wir schaffen mit unserem Antrag zur Regelung der Telekommunikationsüberwachung eine grundrechtskonforme Regelung, die eine der liberalsten aller Bundesländer sein wird.

Der Chaos Computer Club, der nun wirklich nicht im Verdacht steht, dieser Koalition besonders nahe zu stehen, hatte vor einigen Wochen seinen regelmäßigen Chaos Communication Congress.

[Martin Delius (PIRATEN): Ich war da!]

Dann haben Sie ja vielleicht gehört, was Constanze Kurz zu diesem Antrag gesagt hat. – Sie hat unseren Koalitionsantrag vorgestellt und sagte wörtlich:

Das sind doch Blaupausen, die so schlecht nicht sind.

[Martin Delius (PIRATEN): Ja, aber nicht umsetzbar!]

Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht, hat auf dem selben Kongress unseren Antrag und die Quellcodeprüfung gelobt und sagte wörtlich:

Es ist nicht toll, wenn Trojaner eingesetzt werden, aber wenn schon, dann wenigstens sauber.

Ich finde, dass ist eine gute Ausgangslage, um über unseren Antrag zu diskutieren.

Wir stellen mit unserem Antrag sicher, dass kein Berliner Sorge haben muss, dass Berliner Behörden seinen PC überwachen oder mithören. Aber jeder Straftäter muss auch wissen: Die Justiz ist nicht zahnlos. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Kohlmeier! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Abgeordnete Dr. Behrendt das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werter Kollege Kohlmeier! Es wäre ja schön, wenn das, was Sie hier alles beschrieben haben, in Ihrem Antrag auch drinstehen würde.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Zunächst stellt sich mal die Frage, was Sie eigentlich wollen. Wollen Sie nun, dass der Bund eine Regelung in der Strafprozessordnung schafft? Darauf deuten die ersten beiden Ziffern hin, wonach die Quellen-TKÜ ermöglicht wird. Oder aber – darauf deutet die dritte Ziffer hin, wo es um den Verfassungsschutz geht – wollen Sie die Möglichkeit für den Berliner Verfassungsschutz schaffen, die Quellen-TKÜ zu nutzen? Dann sollten Sie hier einen Gesetzesentwurf einbringen, um unser Verfassungsschutzgesetz entsprechend zu ändern. Aber so, wie es da drinsteht, macht der Punkt 3 überhaupt keinen Sinn,

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

denn die gesetzliche Grundlage für den Berliner Verfassungsschutz schaffen immer noch wir über eine Bundesratsinitiative und nicht der Bund. Da bin ich gespannt auf die Diskussion in den Ausschüssen, was Sie eigentlich konkret wollen.

Es wäre auch hilfreich und sinnvoll, wenn Sie einen konkreten Textvorschlag beibringen, wie die StPO geändert werden soll. Dann kann man auch darüber mal ins Gespräch kommen. Wolkige Formulierungen, das solle verfassungskonform gestaltet werden, reichen an der Stelle nicht, sondern wir müssen spätestens im Bundesrat Farbe bekennen. Was für einen konkreten Gesetzestext wollen Sie? Soll sich das an 201i BKA-Gesetz orientieren? Oder wollen Sie darüber hinausgehend grundrechtlichen Schutz einführen? Das steht im Antrag nicht drin.

[Sven Kohlmeier (SPD): Ziffer 1!]

Zunächst würde ich aber auch gerne noch einmal über das Ob reden. Herr Dregger hat ja eben in der Debatte gesagt, die Sicherheitsorgane brauchen mehr oder weniger jede Befugnis, um die Kriminalität zu bekämpfen. Ich würde gerne darüber reden, ob wir die Quellen-TKÜ tatsächlich brauchen. Immerhin gibt es die Internettelefonie ja schon ein paar Jahre. Viele Bundesbürger nutzen Skype ohne Überwachung. Sie sind in der Bringschuld, einmal darzulegen, welche Straftaten nicht aufgeklärt konnten, weil es keine Quellen-TKÜ, keine technischen und rechtlichen Voraussetzungen zur Überwachung dieser Form der Kommunikation gibt. Da ist Ihr Antrag sehr dünn.

[Beifall bei den GRÜNEN]