Protokoll der Sitzung vom 21.02.2013

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kohlmeier! Ihre Rede war überraschend inhaltsarm.

[Beifall bei den GRÜNEN – Zurufe von den PIRATEN]

Insbesondere zur Biografie – wenn man es so nennen will – des Antrags ist nur ein leichter Klick auf unser verdienstvolles Parlamentsdokumentationssystem nötig, um zu erkennen, wie die Beratung der Anträge war. Ich glaube, die Koalition ist hier in eine gewisse Beklemmung,

Verdrückung gekommen, weil sie eben keinen eigenen Antrag zu dieser Sache gestellt hat – ich meine, das ist hier aufzuklären –, sondern, dass sie einen Antrag der Linken gekapert hat – an der Grenze der Zulässigkeit im Hinblick auf die Geschäftsordnung – und dann eben die Piraten – was ihr völliges Recht ist – auf eigenständige Beratung ihres heutigen Antrags gedrungen haben und somit die Koalition mit ihrem Änderungsantrag heute nicht auf der Tagesordnung gelandet ist.

Ich hatte gedacht, Sie würden dieses Problem lösen, indem Sie jetzt einfach Ihren Änderungsantrag umswitchen und zum Änderungsantrag gegen den Piratenantrag machen. Dann hätte man das heute beraten können. Ich weiß nicht, warum Sie das nicht gemacht haben.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Da fehlt die Erfahrung!]

Die Geschäftsordnung hätte das hergegeben. Dann hätten Sie, Kollege Kohlmeier, nicht so einen Redebeitrag halten müssen, der so ein bisschen eigenartig in der Luft hing, weil er sich auf einen Änderungsantrag bezog, der heute gar nicht Gegenstand ist, sondern hätten die interessante Frage erörtern und sich dem Inhalt widmen können, den ich eigentlich erwartet hätte, nämlich das gemeinsame Bemühen, wie wir es schaffen, in Berlin rechtmäßige Zustände erst einmal herzustellen. Das ist es doch, was die Prüfung von Herrn Dr. Dix uns aufgibt.

Herr Dr. Dix hat die Berliner Praxis der Funkzellenabfrage erfreulicherweise sehr umfangreich einer Untersuchung unterzogen und kommt zu dem Ergebnis, dass eigentlich die gesetzlichen Vorschriften der Strafprozessordnung an allen Punkten gebrochen werden, wo sie gebrochen werden können. Er führt aus, dass es gravierende Mängel in der Berliner Praxis gab, und das ist auch keine Kleinigkeit, denn es gab in den letzten Jahren – – Ich glaube, Kollege Kohlmeier wünscht, eine Zwischenfrage zu stellen, was auch in Ordnung ist.

[Heiterkeit]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kohlmeier?

Ja! Aber nur eine kluge!

Bitte sehr!

Herr Behrendt! Sie sind ja Richter und in dieser Funktion dürfen Sie selbstverständlich darüber entscheiden, ob

meine Frage klug oder wenig klug ist. Sie haben ja gerade von der Inhaltsleere des Antrags der Piraten gesprochen

[Dirk Behrendt (GRÜNE): Nein!]

und meiner ebenso inhaltsleeren Rede. Was unterscheidet denn meine Rede von dem, was Sie die ganze Zeit gerade erzählen? Ich habe noch nicht gehört, dass Sie in Ihrer Rede auf den Antrag der Piraten eingehen.

Ich habe nicht den inhaltsleeren Piraten-Antrag kritisiert – das war Teil Ihres Redebeitrags –, sondern ich habe die Inhaltsleere Ihres Redebeitrags kritisiert und gerade versucht, unser Bemühen darzustellen, was uns einen sollte, dass die Berliner Staatsanwaltschaft nur noch rechtmäßige Anträge auf Funkzellenabfrage stellt und dass die Berliner Gerichte auch nur noch solche genehmigen und dass die Berliner Polizei in Ausführung dessen auch nur noch rechtmäßige Funkzellenabfragen macht, denn genau das macht sie gegenwärtig nicht, wie der Bericht von Dr. Dix, auf den ich gerade zu sprechen gekommen bin, ergeben hat.

Wir haben in Berlin in den letzten Jahren rund 1 400 Funkzellenabfragen gehabt. Dabei wurden 6,6 Millionen Datensätze erhoben. Also alle, die heute auf dem Weg ins Abgeordnetenhaus mit dem Handy in der Tasche durch die Stadt gelaufen sind, sind vielleicht durch eine Funkzelle gelaufen, wo sie erfasst wurden. 6,6 Millionen Datensätze, das würde zumindest statistisch bedeuten – die Touristen mal außen vor gelassen –, dass jeder Berliner, jede Berlinerin zweimal Gegenstand einer Funkzellenabfrage in den letzten Jahren gewesen ist. Wir wissen, dass das in den Innenstadtbereichen stärker angewandt wurde und dass dort entsprechend mehr Menschen von Funkzellenabfragen betroffen waren.

Die Heimlichkeit führt dazu, dass sie es nicht wissen. Das ist ein weiteres zentrales Problem in dem Bericht von Dr. Dix. Das Gesetz schreibt ausdrücklich vor, dass die Betroffenen zu informieren sind, wenn die Maßnahme abgeschlossen ist. Herr Dr. Dix hat festgestellt, dass in keinem einzigen Fall diese Information erfolgt ist. Auch dieses – Stichwort Grundrechtsschutz durch Verfahren: man kann sich nur gegen eine Maßnahme wenden, wenn man von ihr erfährt – ist ein eklatant unerträglicher Zustand in Berlin. Wir wollen hier unbedingt schleunigst rechtmäßige Zustände herbeiführen: eine rechtmäßige Anwendung der Berliner Funkzellenabfrage. Dafür geht der Antrag der Piraten genau in die richtige Richtung.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Wir können uns auch noch weitere Punkte vorstellen. Wir haben – Herr Kollege Kohlmeier hat es angesprochen – eine, wie ich finde, sehr ertragreiche Anhörung zu diesem Problem im Rechtsausschuss durchgeführt. Da sind noch ein paar Gesichtspunkte angesprochen worden, die ich

hier nur stichpunktartig einführen möchte, weil wir in der nächsten Plenarsitzung voraussichtlich anhand der anderen von mir schon erwähnten Anträge dazu kommen können.

Wir können uns sehr gut vorstellen, dass man bei Demonstrationen gänzlich auf die Funkzellenabfrage verzichtet. Das ist ja Auslöser dieser Dresdner Datensammelwut, wo diejenigen, die dort gegen Nazis demonstriert haben, was ihr gutes Recht ist, und auch die anwesenden Politiker und Journalisten alle durch die Bank erhoben wurden. Das halten wir für sehr schwer erträglich vor dem Hintergrund der Versammlungsfreiheit, und deswegen sagen wir: In Berlin wollen wir keine Funkzellenabfrage auf Demonstrationen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Wir wollen auch den Richtervorbehalt für die sogenannte Zweitverwertung. Auch das zeigt der Dresdner Fall, dass dort zunächst eine Datenerhebung stattgefunden hat, die dann – – Für die Zweitverwertung wollen wir den Richtervorbehalt. Ich muss es kurz machen, denn die Zeit läuft davon.

[Sven Rissmann (CDU): Sie ist abgelaufen!]

Ihr letzter Satz, bitte!

Und wir wollen ein Verwertungsverbot bei rechtswidriger Anwendung der Funkzellenabfrage. Wie gesagt, wir werden beim nächsten Mal noch darüber sprechen, aber der Antrag der Piraten führt zu mehr Grundrechtsschutz und ist deswegen richtig. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Für die CDU-Fraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Rissmann. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie so oft in der Politik sprechen wir nicht darüber, was in der Sache richtig und geboten ist, sondern unterhalten uns und streiten uns über Verfahrensfragen und darüber, wer jetzt eigentlich der geistige Urheber ist und recht hatte. Lieber Kollege Behrendt! Ich frage mich, warum Sie keinen Änderungsantrag zu Tagesordnungspunkt 7, zu dem Antrag der Piraten, eingebracht haben, wenn Sie so weitgehende inhaltliche Vorstellungen haben. Das haben Sie

gerade der Koalition vorgeworfen. Das passt nicht ganz zusammen.

Ich muss den Verfahrensgang nicht ganz wiederholen, sondern ich versuche nur fair darzustellen: Mit dem Thema haben sich die Linken, die den Antrag eingebracht haben, und die Piraten beschäftigt – der Antrag ist heute zu besprechen –, und Sie haben sogar einen Besprechungspunkt im Rechtsausschuss angemeldet, und wir haben das alles zusammengepackt und das alles gemeinsam beraten. Der Rechtsausschuss hat dann in seiner Mehrheit erkannt, dass auf Grundlage des Antrags der Linksfraktion dieser abzuändern ist, und das hat auch eine Mehrheit gefunden.

Sie kritisieren alle Verfahren und alle Herangehensweisen der anderen Fraktionen, und offenbar haben es einzig und allein wieder mal die Grünen richtig gemacht, die heute als Tischvorlage einen Änderungsantrag vorlegen – im Übrigen zu Tagesordnungspunkt 8 und nicht zu Tagesordnungspunkt 7, über den wir gerade jetzt reden. Dieser Änderungsantrag ist bemerkenswert, denn er entspricht bis auf ein paar redaktionelle Kleinigkeiten voll und ganz der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, wo mit der Mehrheit der Koalition aus SPD und CDU ein Ergebnis gefunden wurde. Ich sehe nur einen großen Unterschied, nämlich dass dort drübersteht: Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Das ist der einzige materielle Unterschied. Wenn Sie das brauchen, Herr Behrendt, bitte, dann mag es so sein.

Kollege Lauer! Ich halte es weder für sinnvoll noch für sachdienlich oder hilfreich, dass wir im Vorfeld dieses Spielchen haben, wonach wir heute in der Sache über das gleiche Thema reden wie wahrscheinlich in zwei Wochen, wenn der Antrag der Linksfraktion nach der Vertagung auf der Tagesordnung steht. Nur weil Sie sagen, Sie wollen zwei Mal zum gleichen Thema reden: Es wird ja keine Veränderung herbeibringen, es werden keine neuen Argumente ausgetauscht werden. Wir haben eine Anhörung im Rechtsausschuss gemacht, die ein Wortprotokoll von mehr als 30 Seiten mit sich brachte. Sehr lesenswert! Sie sind ja nicht im Rechtsausschuss, aber ich hoffe, Sie haben das dennoch gemacht und sich mal zugeführt, was Experten dazu sagen.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Ich war bei der Anhörung dabei!]

Das habe ich vergessen. Ist ja schön. Sie waren dabei.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Ich helfe Ihnen mal auf die Sprünge!]

Gestehe ich Ihnen zu. Ich achte nicht so auf Personen, sondern eher auf Inhalte. Sie sind dort auch nicht so aufgefallen. Aber gut, ist ja okay!

[Beifall bei der CDU und der SPD – Heiterkeit]

Die Anhörung hat mit sich gebracht, dass alle Anzuhörenden, die unter Umständen auch unterschiedliche politische Hintergründe oder Herangehensweisen haben, den Ansatz der Koalition, den wir in Form des Änderungsantrages zum Ausdruck gebracht haben, unterstützen. Das heißt, die Koalition aus SPD und CDU bekennt sich ganz klar zur Funkzellenabfrage als notwendige Ermittlungsmaßnahme, und damit unterscheiden wir uns meinetwegen von Ihnen. Wir sagen: Strafverfolgung muss möglich sein. Ausrufungszeichen!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir sagen aber auch, dass dies seine Grenzen findet in einer rechtsstaatlichen Anwendung, was nach unserem Dafürhalten bedeutet, dass eine eigene Rechtsgrundlage geschaffen werden soll. Darum haben wir den Aspekt der Bundesratsinitiative mit aufgenommen.

[Martin Delius (PIRATEN) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Delius?

Herr Delius – ja, bitte! – Ich weiß jetzt aber nicht, wer alles bei der Anhörung war. Das brauchen Sie also nicht zu fragen.

[Heiterkeit]

Nein, nein! – Aber weil Sie die Anhörung erwähnten: Ich war ja nicht da, aber Sie können mich vielleicht darüber informieren, um welchen Antrag – – Ich frage mal andersherum: Gab es den Änderungsantrag, den Sie jetzt zum Antrag der Linken gestellt haben, schon während der Anhörung, sodass auch klar gewesen sein kann, dass die Anzuhörenden diesem Antrag zugestimmt haben? Oder war es nicht vielleicht eher so, dass die Anzuhörenden der Initiative der Piratenfraktion zugestimmt haben?

Das Gute ist ja, dass das nachlesbar ist, lieber Kollege Delius. Das Protokoll liegt sogar auf meinem Tisch. Nach meiner Erinnerung ist es so, dass die Vorstellung der Koalition, wie wir mit dem Phänomen der Funkzellenabfrage – ich nenne es mal so – umgehen und wie wir das handhaben wollen, natürlich auch Gegenstand der Expertise der Anzuhörenden war und formuliert war. Ob das in Form von bedrucktem Papier oder durch Redebeiträge von Herrn Kohlmeier und mir oder anderen Mitgliedern der Koalition geschehen ist, kann ich Ihnen jetzt nicht

mehr mit Gewissheit sagen. Jedenfalls war das natürlich Gegenstand, zumal sich ja auch die Gedanken, die sich die Koalition gemacht hat, zum Teil in der Initiative der Linken wiederfinden. Das bestreite ich gar nicht. Ich finde es übrigens auch gar nicht schlimm, so etwas einzuräumen. Nur weil da „Linke“ drübersteht, muss ich ja nicht mit Nein stimmen, wenn es da vernünftige Aspekte gibt.

[Martin Delius (PIRATEN): Aber wir reden jetzt über den Piraten-Antrag!]