Protokoll der Sitzung vom 21.02.2013

[Martin Delius (PIRATEN): Aber wir reden jetzt über den Piraten-Antrag!]

Der Piraten-Antrag ist ja ein bisschen eindimensional. Der beschränkt sich ja ausschließlich auf eine Dienstanweisung an die Staatsanwaltschaft und erfasst das Problem in seiner Bandbreite eben nicht in genügendem Maße.

[Sven Kohlmeier (SPD) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Kohlmeier?

Herr Kohlmeier – natürlich!

Bitte, Herr Kohlmeier!

Sehr geehrter Herr Kollege Rissmann! Darf ich Ihnen ein bisschen auf die Sprünge helfen und darauf hinweisen, dass den Anzuhörenden der Antrag der Koalitionsfraktionen ja vorlag und u. a. der Richter – –

Sie müssten eine Frage stellen, Herr Kollege!

Der Richter am Landgericht Ulf Buermeyer sagte: Ich halte den Koalitionsvorschlag für einen sehr guten Schritt, um eine verfassungsrechtlich erfreulichere Umsetzung zu erreichen.

[Zurufe]

Herr Kohlmeier, Sie müssten eine Frage stellen.

Können Sie sich an diese Anhörung und an die Worte des Kollegen Ulf Buermeyer erinnern?

Frau Präsidentin! Lieber Kollege Kohlmeier! Ich danke Ihnen für diese Frage. Sie hilft mir, mich daran zu erinnern, dass u. a. Herr Buermeyer die Vorstellungen der Koalition als sachgerecht gelobt hat – wie im Übrigen ja auch andere Initiativen, zu denen er auch als Anzuhörender benannt worden war.

Die Koalition wird also neben den beiden eben genannten Punkten ferner auch dem Umstand Rechnung tragen, dass es in unserer Stadt viele Menschen gibt, die sich durch solche Ermittlungsmethoden verunsichert fühlen. Dafür habe ich Verständnis. Auch wenn die Angstmacherei, die zum Teil von den Piraten und von den Grünen sowieso betrieben wird – gläserner Bürger, ihr seid alle nackt, was passiert mit euren Daten? – vollkommen unsinnig ist, weil eine Verarbeitung dieser Daten zunächst gar nicht erfolgt, sondern nur dann, wenn weitere Aspekte der Strafverfolgung hinzukommen, findet eine tiefergehende Ermittlung statt, um schwerste Straftaten aufzuklären und damit den Rechtsstaat sicherzustellen.

[Martin Delius (PIRATEN) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Delius?

Noch eine? – Bitte!

Bitte, Herr Delius!

Ist die Idee bzw. die Initiative der Piratenfraktionen, einen umfangreichen Informationsanspruch bei einer erfolgten Funkzellenabfrage zu etablieren, nicht Teil Ihres Änderungsantrags? Finden Sie es im Zuge dessen nicht tragisch, dass heute darüber nicht abgestimmt werden kann bzw. dem nicht zugestimmt werden kann, wenn man jetzt den Piraten-Antrag hier auf der Tagesordnung hat und Sie keinen Änderungsantrag dazu gestellt haben?

[Sven Kohlmeier (SPD): Ihr habt das so gewollt!]

Wenn ich das richtig sehe, wird ja heute über Ihren Antrag abgestimmt. Herr Delius, da kann ich Sie beruhigen. In der Sache wird er wohl keine Mehrheit finden. Damit war auch zu rechnen. Sie haben das aber in der Hand. Sie können Ihnen vertagen, und dann können wir – was eigentlich vernünftig gewesen wäre – im Zusammenhang mit dem Antrag der Linken und der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses – ich habe darauf bereits hingewiesen – das Thema ganzheitlich beleuchten, und dann werden Sie an der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, die die Handschrift der Koalition trägt, sehen, welcher Auffassung wir sind, wie damit vernünftig umzugehen ist. Das ist im Übrigen das, was ich seit schätzungsweise vier Minuten versuche darzustellen, aber wovon ich durch die dritte Zwischenfrage abgehalten werde.

Es ist nämlich der dritte Punkt, dass wir wahrnehmen, dass die Menschen durch neue Ermittlungsmethoden der Strafverfolgungsbehörden zum Teil verunsichert werden. Es sind dort im Einzelfall sicher auch Fehler passiert in anderen Bundesländern, und darum muss man auch die Möglichkeit geben, dort Transparenz herzustellen. Ich finde das, was sich insbesondere Kollege Kohlmeier hierzu überlegt hat und was dann auch Eingang in die Beschlussempfehlung gefunden hat, ist ein sehr gangbarer Weg, diesem Bedürfnis Rechnung zu tragen.

Vernünftig wäre es vielleicht – und das mögen die Zwischenfragen gezeigt haben, verehrte Kollegen der Piratenfraktion –, wenn wir zukünftig wieder dazu übergehen, ein Thema auch nur einmal wirklich zu besprechen. Es bringt doch nichts: Jetzt passiert in zwei Wochen noch mal das Gleiche. Im Ergebnis wird sich da nichts ändern, vermute ich. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Sven Kohlmeier (SPD)]

Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Abgeordnete Herr Dr. Behrendt. – Bitte sehr!

Kollege Rissmann! Sie geben mir Gelegenheit, weil Sie gesagt haben, unser Antrag sei heute erst eingebracht worden und unterscheidet sich überhaupt nicht vom Antrag der Koalition, außer in der Nennung des Antragstellers, dazu noch drei Sätze zu sagen.

Punkt 1: Der Antrag ist Gegenstand der Beratung im Rechtsausschuss gewesen. Sie können sich sicher daran erinnern, dass wir dort über die interessante Geschäftsordnungsfrage gesprochen haben, ob man einen Änderungsantrag zu einem Änderungsantrag – das ist für mich

weiterhin eine ungeklärte Frage – stellen kann. Das war genau dieser Antrag, den Sie heute angeblich zum ersten Mal gesehen haben. Ich frage, wo Sie eigentlich bei der Befassung im Rechtsausschuss waren.

Punkt 2: Ich möchte darauf hinweisen, dass es sehr wohl Unterschiede gibt. Wir werden es beim nächsten Mal durch Fettdruck oder Unterstreichung kenntlich machen. Ich möchte die Punkte hier aber wenigstens genannt haben. Die Überschrift des Antrags der Koalition lautet: Grundrechtsschutz durch Beschränkung der Funkzellenabfrage auf das erforderliche Maß. Die Überschrift unseres Änderungsantrags lautet: Grundrechtsschutz durch Beschränkung der Funkzellenabfrage auf das rechtsstaatliche und bürgerrechtskonforme Maß. Das ist durchaus etwas Anderes, wenn man insbesondere Ihren ersten Satz liest, wonach es quasi unerlässlich für die Aufklärung von Autobrandstiftung in Berlin ist, die Funkzellenabfrage zu nutzen. Es ist weiterhin nicht der Nachweis geführt, dass auch nur eine einzige Autobrandstiftung in Berlin durch das Mittel Funkzellenabfrage aufgeklärt werden konnte.

Punkt 3: Sie haben hier selbst eben gesagt, Sie wollen es nur bei den schwersten Straftaten. Das steht leider in Ihrem Antrag nicht drin. Wenn Sie sich den Katalog in der Strafprozessordnung ansehen, geht es bei der mittleren Kriminalität los. Wir wollen – das steht ausdrücklich in unserem Antrag – die Funkzellenabfrage nur zur Verfolgung schwerster Straftaten und nicht für die einfache und mittlere Kriminalität. Wir wollen die Nachrangigkeit, die auch in der Strafprozessordnung enthalten ist und die Funkzellenabfrage erst dann, wenn andere Ermittlungsverfahren zu nichts geführt haben, deutlicher betonen, weil es in der Praxis umgekehrt stattfindet, wie uns die Sachverständigen erklärt haben. Wir wollen die Zweitverwertung unter Richtervorbehalt stellen, dazu habe ich in meinem Redebeitrag schon etwas gesagt. Wir wollen ein Verwertungsverbot für rechtswidrige Funkzellenabfragen, und wir wollen es – das ist uns ein wichtiger Punkt; dazu hat sich die Koalition bislang überhaupt noch nicht verhalten – insbesondere wegen der Sensibilität bei Versammlungen und der berechtigten Sorge der Leute, die an Versammlungen teilnehmen, dass vom Staat gespeichert wird, wer auch an womöglich kritischen Versammlungen teilnimmt. Ich weiß, der Weg der Koalition geht dort in Richtung mehr Überwachung. Sie wollen nicht nur Funkzellenabfragen, sondern auch Videografie von Versammlungen. Das halten wir für den falschen Weg. Das verkennt den zentralen Gehalt und die Wichtigkeit der Versammlungsfreiheit. Deswegen sagen wir: Keine Videografie auf Versammlungen und auch keine Funkzellenabfrage. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank! – Herr Rissmann, möchten Sie antworten? – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Verehrter Kollege Dr. Behrendt! Die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses – materiell betrachtet –, die Vorstellung der Koalition, kann nicht so schlecht gewesen sein. Wie war denn das Stimmenverhalten der Grünen? – Es war nämlich ein ganz Ungewöhnliches; Sie haben sich enthalten. Dazu gehört auch viel, dass sich die Grüne-Fraktion bei einer Quasi-Initiative der Koalition enthält. Ansonsten habe ich bereits in meinem ersten Beitrag eingeräumt, dass es ein paar redaktionelle Punkte gab. Die Kernaussagen haben Sie übernommen und einfach dem Kind einen anderen Namen gegeben. Ich weiß nicht, ob Ihnen das etwas hilft.

Sie sprachen davon, dass die – wie Sie es nennen – massenhaften Funkzellenabfragen in Berlin kaum einen Beitrag geleistet haben, schwere Straftaten aufzuklären.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Autobrandstiftungen!]

Das stimmt nicht. Sie wissen ganz genau, dass es schlimme Fälle von Sexualdelikten gab, beispielsweise die Schulhofvergewaltigung im Bezirk Mitte, im Ortsteil Wedding, wo der Täter sehr schnell nach der Tat – das Opfer war nach meiner Erinnerung minderjährig – dank der Funkzellenabfrage ermittelt und man seiner habhaft werden konnte.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Einverstanden!]

Herr Lux ist wach geworden.

[Beifall von Sven Kohlmeier (SPD)]

Schön! Guten Morgen, Herr Lux! Geht es Ihnen gut? Schön. – Sie haben die Eingangsrede von Herrn Lauer gehört, der sich darüber echauffiert hat. Der junge Abgeordnete Lauer hat sich darüber aufgeregt, dass dies hier alles ein Jahr gedauert hat. Dazu kann ich Ihnen nur sagen, Herr Lauer, dass es Dinge gibt, die manchmal im Parlamentarismus viel länger dauern. Das ist leider so. Manchmal trägt auch die Opposition dazu bei, wenn sie viel Papier produziert und auf parlamentarische Rechte Wert legt.

Ich muss Sie doch auch unter dem Aspekt der Einheit der Opposition fragen, warum das erst jetzt kommt. Sie haben ein Jahr lang Zeit gehabt, Ihre Änderungsvorstellungen einzubringen.

[Beifall von Sven Kohlmeier (SPD)]

Herr Lauer, was sagen Sie eigentlich dazu? Warum haben die Grünen ein Jahr gebraucht, sich an diesem inhaltlichen Diskurs zu beteiligen? – Vielen Dank!

Vielen Dank, Herr Rissmann! – Das Wort zu einer zweiten Kurzintervention hat der Abgeordnete Herr Lauer. – Bitte sehr!

Ich bedanke mich ganz herzlich für die Frage. Herr Behrendt hat darauf hingewiesen, wogegen die Grünen sind. Worauf er nicht hingewiesen hat, worauf ich aber gern hinweisen kann, ist, dass die Grünen-Bundestagsfraktion entsprechende Anträge eingereicht hat. Ich glaube, sie scheitern auch an der CDU im Bund. Dann kann sich jeder denken, was er will.

Ihre Sprache entlarvt Sie, Herr Rissmann, wenn Sie hier darüber sprechen, dass die Opposition auf parlamentarischen Rechten beharrt und Sie das so despektierlich darstellen. Damit wird deutlich, wes Geistes Kind Sie sind.

[Heiko Melzer (CDU): Das ist ja bei Ihnen ganz anders!]

Die Aussage, dass in anderen Bundesländern Dinge bei der nicht individualisierten Funkzellenabfrage nicht richtig gelaufen wären, ist schlichtweg falsch. Auch dort hat Herr Behrendt auf das Gutachten des Landesdatenschutzbeauftragten hingewiesen, der dezidiert dargestellt hat, was hier schief gelaufen ist, dass es Straftaten gab, bei denen die nichtindividualisierte Funkzellenabfrage gar nicht hätte angewendet werden dürfen. Doch das wischen Sie so einfach lapidar weg.

Ich darf Sie daran erinnern, Herr Behrendt hat auch die Übersichtsaufnahmen bei Demonstrationen angesprochen. Hier möchte die Koalition einen Antrag in Windeseile durchprügeln, was dank der Anstrengung der Opposition gelungen ist, ein wenig zu verlängern.

[Sven Kohlmeier (SPD): Zum Thema!]

Der Punkt ist einfach, dass Sie sich hier bewusst ein Jahr lang Zeit gelassen haben und jetzt hier in der Debatte den Eindruck erwecken wollen, dass unser Antrag ungeeignet wäre, das Problem zu beheben. Ich zitiere hier den eben schon erwähnten Ulf Buermeyer, der hier in Berlin Richter ist und auch von der SPD