Protokoll der Sitzung vom 21.02.2013

Es ist unbestritten, dass die angestellten Lehrkräfte ein Anrecht besitzen, tarifvertraglich bezahlt zu werden.

[Özcan Mutlu (GRÜNE): Das ist aber neu!]

Damit einher geht selbstverständlich die tarifrechtliche Eingruppierung der angestellten Lehrkräfte. Sie wissen, dass Berlin seit Beginn des Jahres wieder Mitglied der TdL ist und im Rahmen der aktuell laufenden Tarifverhandlungen die Eingruppierung der Lehrkräfte eine große Rolle spielt.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Delius?

Nein! Aus meiner Sicht ist es dringend geboten, in diesen Verhandlungen eine tarifrechtlich gesicherte Eingruppierungslösung zu finden. Das ist auch notwendig. Die vom Senat gewährte Zulage ist zwar bis 2017 gesichert – und das ist schon ein Erfolg für die Bildungssenatorin –, basiert aber dennoch auf einer außertariflichen Grundlage. Im Sinne der geltenden Mitbestimmungsrechte angestellter Arbeitnehmer ist es erstrebenswert, dass es eine tarifrechtlich gesicherte Bezahlung gibt.

Wenn man sich also gegen die Verbeamtung von Lehrkräften entscheidet, muss man sich überlegen, wie man das Angestelltenverhältnis für Lehrkräfte attraktiver gestalten kann. Zu den Privilegien von Angestellten gehört es gemeinhin, sämtliche Aspekte der Gestaltung der Arbeit in freien Tarifverhandlungen zu vereinbaren. Na

türlich führen Verhandlungen immer zu Kompromissen und sind kein Wunschkonzert für eine der beiden Seiten. Wenn wir uns aber für angestellte Lehrkräfte entscheiden, müssen wir diesen auch in Tarifverhandlungen auf Augenhöhe begegnen und ihre Vorstellungen ernst nehmen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Tarifverhandlungen entwickeln.

In den Tarifverhandlungen wird zu klären sein, wie eine Eingruppierung von angestellten Lehrerinnen und Lehrern erreicht werden kann. Hierbei handelt es sich um eine bundesweite Regelung. Darüber hinaus befindet sich Berlin aber zusätzlich in einer Sondersituation, denn viele Bundesländer verbeamten Lehrkräfte nach wie vor. Aufgrund dieser Tatsache steht Berlin vor der Aufgabe, diese Attraktivität des Lehrerberufs zu steigern, um den Lehrerbedarf auch in Zukunft decken zu können. Im Zuge dessen spielt auch die Gerechtigkeit der Bezahlung eine Rolle.

Die Sicherung der Bildungsqualität ist ein zentrales Anliegen der SPD-Fraktion. Der Berliner SPD ist daran gelegen, dass auch die in unserer Stadt ausgebildeten Kräfte eine angemessene Wertschätzung erhalten.

Kommen Sie bitte zum Ende!

Wir werden unseren Beitrag zur Sicherung der Schul- und Bildungsqualität in Berlin leisten. Wir als Parlament führen nicht die Tarifverhandlungen. Wir werden aber als SPD solidarisch die Verhandlungen begleiten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Kollege Mutlu das Wort.

[Björn Eggert (SPD): Wie lange ist es noch bis zur Bundestagswahl? – Dr. Uwe Lehmann-Brauns (CDU): Ist doch schon weg! – Uwe Doering (LINKE): Wird solidarisch begleitet!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal ist es richtig und wichtig, dass wir die Mehrklassengesellschaft in Berliner Lehrerzimmern aufheben und der Vergangenheit angehören lassen. Dazu müssen wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen, ohne Frage. Deshalb war auch der Protest der Lehrkräfte und der Erzieher letzte Woche als Signal richtig und wichtig. Wir solidarisieren uns auch mit ihnen. Aber man darf hier nicht so

tun, als ginge es den Lehrerinnen und Lehrern und den Erzieherinnen und Erziehern nur um Geld. Es ging ihnen nicht nur ums Geld, sondern sehr wohl darum, dass sie bessere Arbeitsbedingungen bekommen, dass sie auch vernünftige Arbeitszeiten haben und dass es wieder einmal gute Bildung in den Berliner Schulen gibt. Ich finde dahin gehend haben sie alle unseren Beifall und unsere Solidarität verdient.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Aber viel mehr, denke ich, braucht man jetzt an dieser Stelle nicht zu sagen, weil dieser Antrag der Linken gut gemeint ist, ohne Frage, aber es laufen Tarifverhandlungen zwischen den Parteien. Und die nächsten Gespräche finden im März statt. Ich weiß nicht, ob ein Antrag mit ganz konkreten Forderungen, der eine bestimmte Gruppe herausnimmt, die Lehrerinnen und Lehrer, und der sagt, so muss das sein und nicht anders, uns dem Zusammenhang und in dieser Zeit weiterbringt. Ich finde, wir sollten sehr wohl lieber auf beide Seiten, die gerade aufeinander zugehen, die auch bestrebt sind, Lösungen zu finden, warten, als dass wir jetzt mit solchen Anträgen die Gespräche eventuell behindern. Ich habe vorgestern lesen können, dass auch der Senat Interesse hat, den Forderungen der Lehrkräfte entgegenzukommen. Ich hoffe, dass es zur Zufriedenheit der Lehrkräfte ist.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kittler?

Wir werden diesen Antrag sicherlich im Ausschuss noch behandeln. Bis dahin haben wir auch hoffentlich erste Ergebnisse von den Gesprächen. Wenn es so kommt, dass der Senat sich nicht bewegen möchte, dann müssen wir ihn als Abgeordnetenhaus dazu treiben, hoffentlich mit Mehrheit des gesamten Hauses, aber so weit sind wir noch nicht. Deshalb sage ich: im Ausschuss beraten und dann abwarten, was kommt! …

[Beifall bei den GRÜNEN]

Danke schön, Herr Kollege Mutlu! – Für die Fraktion der CDU erteile ich jetzt dem Kollegen Schlede das Wort. – Bitte sehr, Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie sehen hier einen ausgewiesenen Tarifpolitiker vor sich.

[Uwe Doering (LINKE): Hui! – Martin Delius (PIRATEN): Was Sie alles können!]

Es ist ja interessant, welche Redner hier ans Pult geschickt werden, die angeblich etwas von Tarifpolitik verstehen – oder auch nicht. Aber ich stehe wohl nicht ganz allein da, verehrte Linke.

Frau Kittler! Was Sie hier dargestellt und formuliert haben, ist leider von der tarifpolitischen Betrachtung her, glaube ich, ganz schwierig zu realisieren. Sie haben drei Punkte genannt. Eine Forderung ist eine auf die Tätigkeit und die Ausbildung bezogene Eingruppierung der Lehrkräfte. Mit dem, was im Lehrerbildungsgesetz formuliert ist, sind wir weit darüber hinaus, denn es soll eben nicht mehr nur um die Ausbildungsvoraussetzungen gehen, sondern im Wesentlichen um die Tätigkeitsmerkmale.

Im zweiten Unterpunkt fordern Sie dann eine schulformunabhängige Eingruppierung. Das ist überhaupt gar nicht zu realisieren.

Und das Dritte ist dann eine einheitliche Eingruppierung aller Lehrerinnen und Lehrer in Ost und West. Das ist dann noch das Naheliegendste und Nachvollziehbare, weil da Defizite bestehen, die – sagt ja selbst Herr Bullerjahn – eventuell bis zu 25 Prozent Differenz im Gehalt bedeuten, etwa zwischen einem Lehrer in Sachsen und einem in Baden-Württemberg. Da haben Sie fraglos recht. Daran ist sicherlich noch zu arbeiten.

Jetzt aber die Vorstellung, dass dieses in dieser Tarifrunde realisiert werden kann, wo es noch nie einen Flächentarifvertrag für Lehrer für die deutschen Bundesländer gab und die Lehrer in allen Bundesländern völlig unterschiedlich bezahlt werden bis zum heutigen Tage, das diesen jetzigen Tarifverhandlungen anzuheften, nur weil Verdi so schlau war, die Lehrer sozusagen auf die Straße zu schicken, das ist die falsche Vorstellung. Das wird nicht realisierbar sein.

Herr Kollege! Frau Kollegin Kittler hat eine Zwischenfrage.

Danach gerne.

Also am Schluss Ihrer Rede?

Ja, gerne. – Ich will ein Beispiel nennen, das allen hier im Haus augenfällig macht, wo wir heute in Berlin eigentlich stehen. Wenn Sie es genau betrachten, haben wir sechs Sorten Lehrer, zum Teil in einem Kollegium vereint. Da haben wir den alten Westberliner Beamten. Hinzu kam dann der Beamte Ost. Dann kam der Beamte, der bei

spielsweise von Nordrhein-Westfalen nach Berlin t im Austauschprogramm aus familiären Gründen gewechselt is; der wird nach nordrhein-westfälischen Gesichtspunkten bezahlt. Dann kam der vierte Beamte, den wir haben wollten, mit Zulagen, weil er ein Mangelfach unterrichtet. Dann haben wir den Angestellten alter Sorte von 2003 bis 2009, der nämlich nicht gleich die Zulage von 1 200 Euro bekommen hat. Und dann haben wir den Angestellten nach 2009, der nun tatsächlich die Zulage bekommt. – Sechs Sorten! Stellen Sie sich das einmal vor in einem Hundert-Mann-Kollegium: Sechs Lehrer, die Deutsch unterrichten an einem Gymnasium, und so unterschiedlich werden sie dotiert! Das stinkt zum Himmel, keine Frage!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Das ist ja jedem klar, das können wir auf Dauer sicher auch den Lehrern nicht zumuten. Ich halte uns und unseren Senat bloß für völlig überfordert, wenn Sie jetzt sagen:

[Beifall bei den PIRATEN]

Erst zuhören, dann klatschen! –

[Heiterkeit]

Berlin sollte da vorangehen. Dass ausgerechnet der Kostgänger der anderen Bundesländer – ich will jetzt nicht in besonderem Maß auf den Länderfinanzausgleich eingehen –

[Martin Delius (PIRATEN): Sind Sie aber gerade!]

sich vor die Pferde werfen soll, um allen anderen Bundesländern klarzumachen, dass sie unseren zurzeit gültigen Tarifvorstellungen folgen sollen: Woran glauben Sie denn? Wovon träumen Sie denn nachts?

[Christopher Lauer (PIRATEN): Oho! – Regina Kittler (LINKE): Das sage ich Ihnen nicht!]

Das sagen Sie mir nicht, keine Frage. – Das können Sie uns doch beim besten Willen nicht zumuten. Da wirken wir in unserer Situation wenig glaubwürdig.

Ich will deshalb zum Ausdruck bringen, dass wir darüber gerne noch im Einzelnen im Ausschuss beraten können, aber jetzt mitten in den Tarifverhandlungen – Kollege Mutlu, da stimme ich Ihnen ausdrücklich zu – zu glauben, ich könnte hier fertige Lösungen präsentieren, die die Mehrheit der deutschen Länder, an der Spitze der Verhandlungsführer Finanzminister Bullerjahn, SPD, letztlich umsetzen soll, ist nach meinem Dafürhalten völlig unvorstellbar, grenzt an Absurdität. – Jetzt Ihre Frage, Frau Kittler!

Bitte, Frau Kollegin!

Ist Ihnen bekannt, dass es in dem Antrag eben nicht um die Beamten, sondern um die angestellten Lehrerinnen und Lehrer geht und dass gerade die überhaupt keinen Tarifvertrag haben? Darum geht es hier.

[Heiterkeit bei Martina Michels (LINKE)]

Ich habe nicht verstanden, warum das inhaltlich nicht gehen soll. Sie behaupten das, dann begründen Sie das bitte einmal!

Liebe Frau Kittler! Gut, dass Sie die Frage gestellt haben. Dann kann ich nämlich noch ein Problem loswerden, das ich bisher nicht erwähnt habe. Nun habe ich eine Erleuchtung bekommen. Sie wissen doch genauso gut wie ich, dass die Beamten in allen Bundesländern in der Regel dem Tarif folgen, der von den Angestellten erst einmal ausgehandelt ist. Das ist ein ehernes Gesetz in allen Bundesländern, so gemeinde ich sie mit ein, auch wenn ich feststelle, dass von unseren Lehrern in Deutschland – rund 800 000 – derzeit nur 200 000 angestellt sind. Aber genau die Beamten werden als Nächstes über die Länderparlamente in der Regel folgen. – Schönen Dank!