Dann müssen Sie sich das noch einmal anschauen, Frau Pop. – Die Linken sind für eine schnelle und unkomplizierte Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatlichkeit und natürlich für die Abschaffung der Optionsregelung. Das sind Elemente, die Eingewanderten und ihre Nachkommen zu akzeptieren und zu respektieren. – Danke!
Vielen Dank, Herr Taş! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Herr Dregger das Wort. – Bitte sehr!
[Ramona Pop (GRÜNE): An die Bundesratsabstimmung mit Wowereit als Bundesratspräsident erinnern wir uns alle noch!]
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch einmal die Frage stellen, warum dieser Antrag jetzt kommt. Können wir jetzt, sechs Monate vor der Bundestagswahl, etwas bewirken? Oder ist das Politpopulismus? Ist Politpopulismus etwas Sinnvolles im Interesse der Zuwanderer? Ich glaube, die Interessen der Zuwanderer sind zu wertvoll, als dass wir sie zum Gegenstand von Politpopulismus kurz vor einer Bundestagswahl machen sollten.
Worum geht es? – Im Jahr 2000 ist das Staatsbürgerschaftsrecht unter der rot-grünen Bundesregierung geändert worden. Das, was Sie jetzt angreifen, haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, mit kreiert.
Es sind dort einige Veränderungen vorgenommen worden. So ist z. B. die Voraussetzung für eine Einbürgerung, der legale Aufenthalt in Deutschland, von 15 auf
acht Jahre reduziert worden, um sie zu erleichtern. Und es ist diese Optionsregelung eingeführt worden. Das bedeutet, dass Kinder, die ab dem Jahre 2000 in Deutschland geboren worden sind, im Alter von 18 bis 23 eine Entscheidung herbeizuführen haben, die ihre Eltern ihnen nicht abnehmen können. Das ist auch auf diejenigen ausgedehnt worden, die seit dem Jahr 1990 in Deutschland geboren und schon von ihren Eltern eingebürgert worden sind. Das heißt, der Erfahrungsschatz der Fälle, den wir heute haben, ist ein geringer. Momentan sind es etwa 4 000 Fälle pro Jahr deutschlandweit, bei denen Betroffene diese Entscheidung zu treffen haben.
Wie sehen diese Entscheidungen aus? – Alles, was wir von den Zahlen her kennen, zeigt, dass die weit überwiegende Mehrheit der Betroffenen die Entscheidung für die deutsche Staatsangehörigkeit trifft. Ich möchte hier deutlich zum Ausdruck bringen, dass mir das höchsten Respekt abringt, weil es nämlich zutrifft, dass das keine einfache Entscheidung ist.
Die große Zahl der Fälle wird aber noch auf uns zukommen, denn die kommt erst mit den Jahrgängen ab 2018, wenn die hauptsächlich Betroffenen selbst 18 Jahre alt geworden sind. Das heißt, wir besitzen heute nicht die Erkenntnisse, die uns veranlassen könnten, an dem Staatsbürgerschaftsrecht heute etwas zu ändern, nachdem es damals im weitestgehenden Einvernehmen so beschlossen worden ist. Wenn wir aber heute keine neuen Erkenntnisse haben, frage ich mich, ob es nicht klug ist, abzuwarten, wie sich die Zahlen entwickeln werden. Wenn sich die Zahlen so verstetigen, wie sie derzeit sind – aber die mögen noch nicht repräsentativ sein, und deswegen müssen wir das abwarten –, sehe ich persönlich keine Veranlassung, eine Änderung herbeizuführen.
Warum ist die Staatsbürgerschaft überhaupt wichtig? – Die Staatsbürgerschaft ist ja nicht etwas, das man wie ein Oberhemd wechselt, sondern es ist schon eine bedeutsame Entscheidung für jeden Menschen – ganz egal und unabhängig davon, ob man davon eine oder mehrere erwerben darf. Und ich glaube, dass sie doch auch Ausdruck einer Bindung zu einem Gemeinwesen ist. Wir in Deutschland und insbesondere hier in Berlin haben, glaube ich, nicht das Problem, dass wir uns über zu viele Bindungen zu unserem Land beklagen könnten, sondern wir müssen konstatieren, dass wir eine große Vielfalt in dieser Stadt haben, die wir begrüßen und die richtig ist. Aber Vielfalt in einer Gesellschaft funktioniert nur, wenn es auch Bindungskräfte gibt, also Dinge, die die Menschen vereint und die sie gemeinsam haben. Da mag auch die Staatsangehörigkeit einen gewissen Integrationsfaktor darstellen. Deswegen ist es sehr wichtig, sehr sorgfältig zu prüfen, ob und wann man Veränderungen herbeiführt.
Zum Thema „Diskriminierung von Nicht-EU-Staatsangehörigen“ ein kurzer Satz: Das trifft nicht zu. Der Sinn dessen, dass EU-Staatsangehörige die doppelte Staat
sangehörigkeit erwerben können, liegt darin, dass wir die europäische Staatsangehörigkeit entwickeln wollen. Das ist ein politisches Ziel, das nur für Angehörige der EUStaaten Anwendung findet und das deswegen nicht eine Beurteilung als Diskriminierung der Nicht-EU-Staatsangehörigen begründen kann.
Ihr Antrag enthält dann noch zwei andere Punkte, die meinen Widerspruch hervorrufen: Sie wollen die Einbürgerungstests abschaffen, und Sie wollen die Anforderungen in Bezug auf die Sprachfähigkeiten – die Deutschkenntnisse – reduzieren. Ich bitte Sie, noch einmal eindringlich darüber nachzudenken, ob das für den Erwerb der Staatsangehörigkeit das richtige Signal ist. Ich glaube, es ist eine Gunst, die deutsche Sprache zu erwerben, und wir sollten alles tun, damit sie erworben wird und damit sie beherrscht wird. Denn nur dann haben die Menschen wirklich eine Chance in unserem Land, und das ist es doch, was wir wollen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Dregger! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat die Abgeordnete Frau Pop. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Dregger! Dass Sie uns hier beschuldigen, Bundesratsinitiativen auf den Weg zu bringen, kann ich nicht ganz nachvollziehen – bzw. irgendwie schon. Kein Wunder, dass Sie keine machen, denn CDU und SPD haben kein einziges gemeinsames bundespolitisches Thema, das Sie im Bundesrat befördern könnten!
Zweiter Punkt – die Geschichtsklitterung, die Sie hier zusammen mit dem Kollegen Taş zum Thema rot-grünes Einwanderungsgesetz betrieben haben –: Ja, dieses rotgrüne Einwanderungsgesetz auf den Weg zu bringen, war ein Meilenstein in der deutschen Politik, und dazu stehe ich bis heute.
Es hat zum ersten Mal Deutschland als das benannt, was es ist, als ein Einwanderungsland. So allerdings, wie das Gesetz heute da steht – mit dem Optionszwang –, hat es der Bundesrat mit seinen Veränderungen gebracht. Das wissen wir hier auch alle, wie in der damaligen Hessenwahl Roland Koch Unterschriftenlisten ausgelegt hat unter dem Motto: Wo kann ich hier gegen Ausländer unterschreiben? – Dann kippte Hessen, und dann kippte auch der Bundesrat. An die Abstimmung erinnern wir uns
alle. Sie wurde live im Fernsehen übertragen. Wir erinnern uns daran, wie der damalige Bundesratspräsident Klaus Wowereit diese Abstimmung durchgeführt hat, bei der das Gesetz dann gekippt ist, weil es in Brandenburg dann zum Schluss eine Enthaltung gegeben hat. Das ist die Wahrheit, und bitte keine Legendenbildung hier an der Stelle!
Dritter Punkt: Der Optionszwang, den Sie hier so hart verteidigen, ist weltweit einzigartig. Und das ist Quatsch, sage ich Ihnen ganz deutlich.
Das soll integrationsfördernd sein, dass man jungen Menschen sagt: Du bist zwar hier geboren und Deutscher, aber nur unter Vorbehalt, bis du 18 wirst, und dann musst du dich gefälligst entscheiden. – Das soll Integration fördern? – Erzählen Sie mir doch nicht so was!
Nun zu der letzten Frage, der Frage der Loyalitätskonflikte, die Sie so gern hier anbringen: Ja, ich habe zwei Staatsbürgerschaften, Herr Dregger. Ich habe eine rumänische und eine deutsche Staatsbürgerschaft. Ich habe eine doppelte Staatsbürgerschaft wie 2 Millionen Spätaussiedler in diesem Land und 3 Millionen EU-Bürgerinnen und EU-Bürger. Und ich sage es Ihnen ganz deutlich: Ich bin Deutsche. Ich bin hier aufgewachsen. Ich habe hier die Möglichkeit gehabt, Abitur zu machen und zu studieren. Ja, und ich bin stolz darauf, einen deutschen Pass zu haben. Aber ich habe auch eine Herkunft, die ich nicht verleugnen möchte, denn die gehört genauso zu mir wie mein jetziges Leben, und das beides zusammen stürzt mich keineswegs in Loyalitätskonflikte, sondern macht mich zu dem Menschen, der ich heute bin.
Sehr geehrte Frau Kollegin Pop! Ich höre alle Argumente, und ich kann Ihnen versichern, dass ich sie ernst nehme. Aber es gefällt mir nicht, wenn man den Zuwanderern in diesem Lande einredet, sie seien diskriminiert, weil sie die doppelte Staatsangehörigkeit nicht erwerben können. Das ist nämlich Quatsch. Wenn Sie zwei Staatsangehörigkeiten haben, könnte man das auch als Privilegierung betrachten. Diese Möglichkeit steht mir nämlich nicht offen.
Ich glaube, dass Sie mit Ihren Anträgen zur Bewusstseinsbildung beitragen. Deswegen sollten Sie sehr vorsichtig sein, ob Sie mit Ihren Anträgen, aber auch mit Ihren Reden desintegrierend oder integrierend wirken. Darüber bitte ich noch einmal nachzudenken.
[Fabio Reinhardt (PIRATEN): Das sagt der Richtige! – Oliver Höfinghoff (PIRATEN): So ein Schwachsinn!]
Ansonsten sehe ich das auch, dass diese Optionsregelung eine sehr ungewöhnliche Regelung ist. Ich möchte aber versuchen, Ihnen zu vermitteln, worum es uns geht. Wir wollen den Menschen nichts Unsittliches abverlangen. Wir wollen nur etwas erzeugen, was die Menschen gemeinsam haben.
Gemeinsinn! Vielfalt – und dazu gehört Gemeinsinn! Was ist in einer Welt des Individualismus, in der jedem alles offen steht, eigentlich das, was die Menschen verbinden kann? Gibt es überhaupt etwas, was uns verbindet, oder sind wir nur noch Menschen voller Egoismen? – Ich wünsche mir das nicht.
Ich möchte auch, dass es gemeinsame, verbindende Elemente gibt, und dazu mag auch die Staatsangehörigkeit gehören. Es gibt ja leider nicht so viele. Sie können ja gern ein paar aufzählen, wenn Sie darüber nachdenken. Uns geht es nicht darum, Menschen zu benachteiligen, sondern uns geht es darum, Menschen zu verbinden und Gemeinsinn zu erzeugen.
Wir können gern darüber streiten, ob das ein geeignetes Mittel ist oder nicht, aber ich bitte doch, diese Grundintention zu respektieren. – Vielen Dank!
[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Joachim Esser (GRÜNE): Geht es hier um den Glauben? Das ist die gleiche Diskussion wie 1938! Unverändert! – Weitere Zurufe von den GRÜNEN]
Nachdem auch die Grünen und die CDU wieder ein bisschen zur Ruhe gekommen sind, begrüße ich Sie herzlich zu meiner dritten Rede. Ich begrüße auch das verehrte Präsidium. Ich werde auch gleich noch etwas zu Ihnen
Ich fange mal vorne an: Seit der Novellierung des Staatsbürgerschaftsrechts im Jahr 2000 erwerben in Deutschland geborene Kinder nicht deutscher Eltern mit der Geburt neben der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern automatisch auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Auf Antrag der Eltern wurde diese Regelung rückwirkend auf Kinder ausgedehnt, die in den Jahren 1990 bis 1999 geboren wurden. Allerdings müssen sich diese Optionskinder, sobald sie volljährig werden, in der Regel für eine der beiden Staatsangehörigkeiten entscheiden. Dazu haben sie fünf Jahre Zeit. Treffen sie keine Entscheidung, wird ihnen die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen. 2013 läuft diese Frist erstmals ab. Betroffen sind rund 3 300 junge Erwachsene, die 1990 geboren wurden. Vom drohenden Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit sind dann bis zu 40 000 Kinder jährlich betroffen. Das sind mehr als fünf Prozent eines Jahrgangs.
Die größte Gruppe der Betroffenen sind Jugendliche mit türkischem Migrationshintergrund. Als Erstes traf es eine junge Frau aus Hanau, die in Hessen geboren und aufgewachsen ist. Weil sie zu spät beantragt hatte, aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen zu werden, konnte sie den deutschen Behörden zu ihrem 23. Geburtstag noch keinen Bescheid aus der Türkei vorlegen. Darum wurde ihr automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt.
Die Optionspflicht – das haben wir schon gehört – geht auf die Reform des deutsche Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 2000 zurück. Es war ein politischer Kompromiss – und zwar ein schlechter.