Protokoll der Sitzung vom 24.11.2011

Wenn aber sowohl im Abgeordnetenhaus als auch im Senat Lobbyismus vorkommt, dann müssen wir vor dem Hintergrund der Gewaltentrennung gemeinsame Anstrengungen unternehmen. Es hat wenig Sinn, zwei Register einzuführen.

Da treffen wir auf ein verfassungsrechtliches Problem. Was da die richtige Vorgehensweise ist, sollten Senat und Abgeordnetenhaus miteinander besprechen. Insofern glaube ich, dass der Rechtsausschuss die erste Runde ist, dass man sich dort auf Eckdaten verständigt und danach in konkrete Kooperation darüber eintreten muss, wie man die Stelle errichtet. Es ist selbstverständlich, dass das auf Datenbasis passiert und keine Aktenordner in Schränken geführt werden. Das ist moderne Verwaltung, das müssen wir nicht extra in den Antrag schreiben, das gehört dazu. – Vielen Dank! Alles Weitere in den Beratungen in den Ausschüssen!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags sowie des Änderungsantrags an den künftig für Recht zuständigen Ausschuss vorgeschlagen. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Für die lfd. Nr. 2.5 ist keine Priorität benannt worden. Ich komme also zur

lfd. Nr. 3:

Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/0010

Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung der Stiftung „Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen“

Erste Lesung

Ich eröffne hiermit die erste Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Die Linke. Das Wort hat der Abgeordnete Brauer. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Mit Wirkung vom 1. Juli 2000 wurde vom Abgeordnetenhaus von Berlin die rechtsfähige Stiftung öffentlichen Rechts „Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen“ errichtet. Die Errichtung dieser Stiftung war zehn Jahre nach der Her

stellung der deutschen Einheit überfällig. Die von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stiftung geleistete Forschungs- und Vermittlungsarbeit ist, bei aller Umstrittenheit, in manchem Detail, das darf ich hinzufügen, für das historische Gedächtnis unserer Stadt unverzichtbar. Die Gründung der Stiftung stellte deren Arbeit endlich auf stabile Füße. Insbesondere gelang es seinerzeit, den Bund zur Übernahme auch finanzieller Mitverantwortung für die Einrichtung zu gewinnen, für eine Einrichtung, deren kulturpolitische Bedeutung über das Land Berlin weit hinausgeht.

Diese Entscheidung halten wir nach wie vor für richtig und stehen auch dazu. Allerdings – und das ist der Haken an der Sache; deshalb haben wir Ihnen heute diesen Antrag vorgelegt – erfolgte die Stiftungsgründung in der damaligen Zeit in einem landespolitischen Klima, das einigermaßen schwierig war. Ich darf Sie daran erinnern: Es war gerade die Zeit des Beginns der politischen Agonie der großen Koalition. Wie so oft, zeigt sich so etwas zuerst im Kultusbereich. Der CDU ging nach 100 Tagen eine fähige Kultursenatorin verloren. Deren Fehler bestand einfach darin, dass sie zählen und rechnen konnte. Die Senatorin stellte damals fest, dass ihr Zuständigkeitsbereich auf eine erbärmliche Weise unterfinanziert war. In einem anderen Bundesland wurde sie dann ob ihrer Fähigkeiten des Zählens und Rechnens eine erfolgreiche Wirtschaftsministerin. Die Schlussfolgerung ihres Nachfolgers und der ihn damals stützenden Koalition von SPD und CDU bestand darin – Herr Wowereit, Sie werden sich erinnern! –, die Haushaltslücken teilweise durch den Griff in die Taschen der Beschäftigten zu schließen. Das ist aber nicht so einfach. Wir hatten und haben im öffentlichen Dienst ein geltendes Tarifrecht. Also kam man auf die Lösung: Wir gründen Landesbetriebe einfach weiter aus, suchen weiter andere Rechtsformen jenseits der LHO-Betriebsstrukturen und passen bei künftigen Errichtungsgesetzen einfach besser auf als seinerzeit bei der Errichtung der Stiftung „Zentral- und Landesbibliothek“, für die die Anwendung des öffentlichen Tarifrechts zwingend ist. – So geschah es dann auch.

§ 8 des Errichtungsgesetzes sagt aus, ich zitiere:

Für die Stiftung ist die Anwendung des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes ausgeschlossen.

Lassen Sie sich das bitte auf der Zunge zergehen: Der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes schließt für seine Zuständigkeit die Anwendung des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes aus – bei eigenen Betrieben! Unseres Erachtens ein Skandal sondergleichen! Deswegen hatten wir damals noch versucht, das Errichtungsgesetz zu ändern. Aber, wie gesagt, es war die Zeit der Agonie der großen Koalition. Ich verstehe das ja, damals war man sachlichen Erwägungen nur schwer zugänglich. Es wurde abgelehnt.

Inzwischen, spätestens seit dem 1. November 2010, gilt aber ein Tarifvertrag zur Angleichung des Tarifrechts des

Landes Berlin an das Tarifrecht der Tarifgemeinschaft deutscher Länder. Nach dem Inkrafttreten dieser tarifrechtlichen Bestimmungen wandten sich die Beschäftigten der Stiftung „Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen“ an uns, auch an die Fraktion der SPD, wenn ich mich recht entsinne, und baten darum, das Errichtungsgesetz der Stiftung endlich so zu verändern, dass die entsprechende Regelung in § 8 anzupassen ist und das Tarifrecht des öffentlichen Dienstes auch auf die Stiftung „Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen“ angewendet wird.

Die Fraktion Die Linke unterstützt diese Forderung nachhaltig, und ich möchte Sie herzlich bitten: Schließen Sie sich unserer Position in der anstehenden Ausschussberatungen an! Das steht übrigens - es sei mir gestattet, das noch hinzuzufügen – in einer guten gewerkschaftlichen, sozialdemokratischen Tradition. Meine Kollegin Brigitte Lange wird das bestimmt bestätigen können. Wie gesagt, hier steht das Land in der Verantwortung. Es geht um eine Stiftung öffentlichen Rechts. Wer neue Institute aufmachen will, Herr Regierender Bürgermeister, der sollte erst einmal Sorge dafür tragen, dass die bestehenden ausreichend finanziert sind! Ich denke, Sie können das nachvollziehen. Ich glaube, hier kommen wir sehr schnell zu einer einvernehmlichen Lösung und können den bundesdeutschen Rechtsstandard herstellen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Brauer! – Für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Lange das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Wolfgang Brauer! Sie haben gesagt, dass der Kulturhaushalt vor 2001 unterfinanziert war. Ich glaube, wir können uns gemeinsam an die Brust heften, dass dieses jetzt nicht mehr der Fall ist und dass wir auch auf diesem Level zumindest bleiben, dass der Kulturhaushalt ganz gut aussieht.

Sie haben es eben schon gesagt, die Anwendung des öffentlichen Tarifrechts für die Gedenkstätte BerlinHohenschönhausen wurde durch die Vorgaben des Berliner Abgeordnetenhauses bei der Stiftungsgründung 2000 ausgeschlossen. Die gleiche Situation gibt es bei der Stiftung „Berliner Mauer“. Auch hier wird das öffentliche Tarifrecht nicht angewandt –

[Wolfgang Brauer (LINKE): Schlimm genug!]

vielleicht wussten Sie das nicht. Zur Wahrheit gehört auch: Bei beiden Einrichtungen sollte mit dem Ausschluss des öffentlichen Tarifrechts eine größere Flexibilität erreicht werden, die den speziellen Anforderungen

der Einrichtungen entsprechen soll. Dies hat sich für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits bewährt, da der Senat die Gehaltsabsenkung, die im Rahmen des Anwendungstarifvertrages für die Beschäftigten des Landes Berlin galt, in der Gedenkstätte Hohenschönhausen nicht angewandt hat, was auch als Anerkennung der Leistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gedenkstätte zu bewerten ist. Vor allem dieser Leistung ist es zu verdanken, dass die Gedenkstätte Hohenschönhausen einen großen Besucherzuwachs verzeichnet. Im Oktober dieses Jahres sind 43 000 Besucher gezählt worden. Das sind acht Prozent mehr als im Oktober 2010.

Grundsätzlich ist aber zu sagen, dass die Gestaltung der Arbeitsverträge der Gedenkstättenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter in der Verantwortung des Leiters der Gedenkstätte liegt; dies natürlich auch in den Grenzen des allgemeinen Besserstellungsverbotes und des Haushaltes der Gedenkstätte.

Mir und uns ist auch unklar, warum Sie sich in Ihrem Antrag nur auf Hohenschönhausen beziehen, –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Abgeordnete?

Nein. – denn wie anfangs ausgeführt, gilt der Ausschluss des Tarifrechts für beide Einrichtungen: Stiftung Mauer und Stiftung Gedenkstätte Hohenschönhausen. Wenn wir über eine Angleichung der Personalkosten reden, müssen wir auf jeden Fall über beide Einrichtungen sprechen. Klar ist allerdings, dass dies auf jeden Fall zu erheblichen Mehrkosten führt. Das dürfen wir auch nicht vergessen. Ich denke, wir werden uns mit diesem Thema im Kulturausschuss noch ausgiebig beschäftigen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank! – Für eine Kurzintervention hat jetzt der Abgeordnete Brauer das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank! – Frau Kollegin Lange! Ich möchte Sie nur fragen, ob Sie das Schreiben des Personalrates der Gedenkstätte Hohenschönhausen vom 28. März 2011 kennen. Entgegen Ihrer Aussage, dass dort alles zum Besten bestellt sei, teilen uns die Kolleginnen und Kollegen mit, ich zitiere:

Dagegen stagniert bzw. sinkt die aktuelle Einkommenssituation für die zwölf Stellen der fest angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Dann kommen Sie uns, wenn Sie das kennen, jetzt bitte nicht daher und teilen uns wider besseres Wissen mit, dass hier alles in Ordnung sei. Der Einwand, dass es nicht nur Hohenschönhausen betreffe, sondern auch die Stiftung Berliner Mauer, ist korrekt, aber ich denke, wir könnten und sollten die Probleme für beide lösen. – Vielen Dank!

Frau Lange! Möchten Sie antworten? – Bitte!

Sehr geehrter Herr Kollege Brauer! Ich habe nicht gesagt, dass alles zum Besten bestellt ist, sondern ich habe gesagt, dass gerade die Mitarbeiter in der Gedenkstätte Hohenschönhausen nicht unter die Gehaltsabsenkung gefallen sind, die im Rahmen des Anwendungstarifvertrages für die Beschäftigten des Landes Berlin galt. Ich bitte Sie, jetzt hier kein großes Fass aufzumachen, sondern lassen Sie uns das im Kulturausschuss diskutieren!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Abgeordnete Esser das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Brauer! Frau Lange! Das Thema passt sehr gut zu dem, was wir vorhin beim Mindestlohn diskutiert haben. Es ist eine richtige Initiative, an einer solch symbolträchtigen Gedenkstätte wie Hohenschönhausen zu thematisieren, wie dort die Gehaltssituation ist. Aber das greift deutlich zu kurz. Das hört auch nicht bei der Stiftung Mauer auf. Tatsache ist doch, dass die gesamte Gehaltssituation bei den Dienstleistern – sozialen, kulturellen – des Landes Berlin ein Problem ist,

[Beifall von Wolfgang Brauer (LINKE)]

und zwar in den Größenordungen von etwa einer Viertelmilliarde Euro. Das wissen wir doch.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Da gehen die SPD und die CDU hin und machen einen Koalitionsvertrag zur Haushaltspolitik, und dann kommt das Problem nicht darin vor.

Rot-Rot hat uns einen Haushalt hinterlassen, in dem man zum Beispiel im Kultureinzelplan beim Titel Zuschuss an den Friedrichstadt-Palast Betriebsgesellschaft mbH Folgendes findet: Dort gibt es ein Mehr von 100 000 Euro wegen der Gewährleistung der Zahlung von Löhnen auf Basis des gesetzlichen Mindestlohns und ein Mehr von

200 000 Euro wegen Tariferhöhungen. Ich gönne das den im Friedrichstadt-Palast beschäftigten Kolleginnen und Kollegen. Aber gilt denn irgendetwas dieser Art für irgendein Sozialprojekt, für irgendein Jugendprojekt, für irgendeine Kita freier Träger, für irgendeine freie Schule? – Nein! Zehn Jahre lang hat sich da gar nichts bewegt. Das ist dann die Post, die wir bekommen, das werden andere im Vorfeld des Wahlkampfs auch bekommen haben. Das lese ich Ihnen mal vor, unter anderem die Firma Tandem. Da schreibt der Betriebsrat:

Seit nunmehr zehn Jahren wurden die Gehälter nicht mehr erhöht, es gelten noch immer in Ost und West getrennte Tarifgebiete. Ursache hierfür ist der Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen Senatsverwaltung und TandemSH …

Die machen Schulhilfe. –

Dies bedeutet inzwischen Gehaltseinbußen von etwa zehn Prozent. Für all diejenigen von uns, die im ehemaligen BAT-Ost-Bereich arbeiten, ist der Unterschied weit größer! Während sich der Senat einerseits auf die Fahnen schreibt, in seinen Aufträgen Auftragnehmer auf Tariftreue zu verpflichten, schreibt er TandemSH im Geschäftsbesorgungsvertrag vor, unter geltendem Tarif zu zahlen. Betreuerinnen und Betreuer, die an den Schulen mit entsprechender Aufgabenbeschreibung arbeiten, aber direkt beim Senat angestellt sind, werden inzwischen nach TVL-Berlin bezahlt …

Die Frauenprojekte schreiben durch das Berliner Frauennetzwerk nach der Wahl:

In den Frauenprojekten sind hochqualifizierte Frauen seit Jahren engagiert tätig, viele jedoch ohne ein tarifgerechtes Entgelt. Wir fordern mit Nachdruck, dass auch in den Frauenprojekten endlich angemessene Tarife gelten und die dafür nötigen Mittel zur Verfügung gestellt werden.