Protokoll der Sitzung vom 18.04.2013

Meine Verwaltung hat im März die Hafträume mehrerer Tegeler Gefangener durchsucht, also weit vor der Berichterstattung in der „Bild“-Zeitung. Bei einem Gefangenen wurden schriftliche Unterlagen gefunden – das hatte ich im Rechtsausschuss schon ausgeführt –, die Kontakt zu dem rechtsradikalen Gefangenen in der Justizvollzugsanstalt Hünfeld belegten, der auch durch die Zeitungen ging. Der Gefangene aus Tegel, bei dem der Brief gefunden wurde, hatte zudem, wie wir inzwischen herausgefunden haben, der in München in Untersuchungshaft einsitzenden Beate Zschäpe ein Solidaritätsschreiben zukommen lassen. Anzeichen dafür, dass in diese Kontakte weitere Gefangene der Justizvollzugsanstalt Tegel einbezogen waren, liegen allerdings nicht vor.

Wir haben – und das ist, Herr Lux, die Antwort auf Ihren Einwand – im Berliner Justizvollzug sieben Abonnenten der Zeitschrift „Biker News“. Das ist so eine Rockerzeitschrift, die auch Anzeigen dieses Netzwerks enthielt. Davon zählen wir einen Abonnenten als mit rechtsradikalen Bezügen behaftet. Die Tatsache, dass wir im Moment nicht von einem Netzwerk ausgehen, Herr Lux, schließen wir nicht nur aus unseren eigenen Erkenntnissen, sondern auch daraus, dass in den „Biker News“ 19 Städte genannt werden, in denen sie nach eigener Darstellung Kontaktpersonen haben. Berlin ist mit seinen acht sehr großen Haftanstalten nicht enthalten. Es gibt also zwei Informationsquellen aus beiden Richtungen, dass das nicht der Fall ist.

Diese Untersuchungen finden fortlaufend statt – das ist der Übergang zur zweiten Frage. Wir sind selbstverständlich aufmerksam und wollen jegliche rechtsradikale Aktivität in jeder Erscheinungsform konsequent unterbinden. Wir haben uns sehr für das Verbot der Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene – kurz HNG –eingesetzt, das im September 2011 auch erfolgte. Wir beobachten auch, ob es dafür Nachfolgeorganisationen gibt.

Es finden sehr regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zum Umgang mit rechtsextremen Insassen statt. Dabei arbeiten wir mit Dozenten der Polizei und des Verfassungsschutzes, Experten von Inneres und Sport, die uns da sehr gut unterstützen, und auch mit Privaten zusammen, zum Beispiel

(Senator Thomas Heilmann)

der „mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin“. Dabei geht es darum zu erkennen, wo ideologische Elemente des deutschen Rechtsextremismus vorliegen und wie wir rechtsextreme Erscheinungs- und Ausdrucksformen wie Kennzeichen, Symbole, Kleidung, Musik oder Ähnliches erkennen können. Es gibt eine laufende Abstimmung zwischen den Behörden über die Frage, wie man da weiter vorgehen kann. Es hat allein in diesem Monat vier Veranstaltungen gegeben, die wir justizvollzugsintern gemacht haben.

Der letzte Punkt: Der Sozialdienst der Gefangenen arbeitet mit dem Projekt „Exit“ zusammen, um das Angebot für Ausstiegswillige, gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in rechtsextreme Kreise zu tragen. Wir haben es per Definition mit 4 500 Kriminellen zu tun, und wir verurteilen ja auch regelmäßig Gefangene, weil sie rechtsextreme Straftaten begehen. Aber logischerweise werden die mit Eintritt in das Gefängnis nicht zu pluralistischen Demokraten. Das muss man so sagen. Deswegen wird es da eine laufende Gefahr geben. Aber ich bin sehr froh, dass wir für heute sagen können: Wir haben das gut im Griff. – Aber wir müssen aufpassen, dass das auch in Zukunft so bleibt.

Vielen Dank! – Haben Sie eine Nachfrage? – Bitte schön, Frau Kollegin Möller!

Ich habe eine Nachfrage: Netzwerke sind ja bekanntlich schwer zu fassen, und ich kann es nachvollziehen, dass das eine sehr aufwendige Beschäftigung ist. Hat denn der Senat aktuell Kenntnisse darüber, ob es sich bei diesem angeblich neu entdeckten Netzwerk, das durch die Medien gegangen ist, um Nachfolgeaktivitäten der von Ihnen erwähnten, 2011 verbotenen HNG handelt? Hat man da einen Zusammenhang erkannt?

Bitte schön, Herr Senator!

Die Antwort ist nein. Wir vermuten, dass das Hünfelder Netzwerk keine Nachfolgeorganisation der HNG ist. Das ist der übergreifende Erkenntnisstand der Justizminister und der Vollzugsanstalten, die sich bundesweit vernetzt haben. Auf dieser Basis haben wir ja schon im März gezielte Durchsuchungen gemacht und es bekämpft, weil wir davon schon wussten.

Aber es gibt eine ganz aktuelle Meldung meines niedersächsischen Kollegen vom heutigen Tag, der sagt, in seinen Gefängnissen gebe es Bestrebungen – er spricht

von sechs Personen –, ein solches Netzwerk aufzubauen. Er hat uns informiert, damit wir nachgucken. Es gibt eine Liste mit 50 Namen, die da eine Rolle spielen können. Heute um 14.09 Uhr gibt es keinen Namen, der nach Berlin gehört. Aber wir sind noch nicht am Ende unserer Untersuchungen.

Herr Kollege Delius hat eine Nachfrage – bitte schön!

Vielen Dank! – Herr Senator! Ich wollte auf das eingehen, was die Kollegin eben angedeutet hat: Finden Sie es nicht überraschend, dass die interessierte Öffentlichkeit von dieser Meldung nicht wirklich überrascht war, Neonazi-Netzwerke in Gefängnissen vorzufinden? Können Sie tatsächlich guten Gewissens und Ihrem Kenntnisstand nach behaupten, dass das eine neue Entwicklung ist? Wenn nein, wie lange beschäftigt sich Ihre Verwaltung schon mit dem Problem?

Ich fange mit der letzten Frage an: Seitdem ich davon weiß, beschäftigen sie sich mit der Frage, weil es leider in 60 Jahren Westdeutschland immer Rechtsradikale – ich hätte beinahe gesagt Spinner – gegeben hat. Insofern ist das eine latente Gefahr, die immer da ist.

Zweitens: Nein, ich bin fest davon überzeugt, nach den Informationen, die mir vorliegen, dass es heute in Berlin kein Netzwerk gibt und auch in der relevanten Vergangenheit keines gab; mir ist jedenfalls von keinem berichtet worden. Aber es ist eine Gefahr, es ist eine gefahrgeneigte Veranstaltung. Wenn Sie Rechtsradikale haben, können Sie nicht ausschließen, dass sie das ständige Bestreben haben, sich zu vernetzen, und wir arbeiten ständig dagegen. Bisher sind wir in der Arbeit erfolgreich gewesen. Ich habe das maßgeblich unterstützt. Sie sehen auch, dass ich die Details auswendig drauf habe, mich also mit der Frage laufend beschäftige. Aber es bleibt eine gemeinsame Aufgabe für uns.

Vielen Dank!

Dann kommen wir jetzt zur Frage Nr. 5 des Kollegen Martin Delius von den Piraten

Katastrophale Baumängel an Berliner Schulen

Bitte schön!

Vielen Dank! – Ich frage den Senat:

1. Wie bewertet der Senat die katastrophalen baulichen Mängel der Hermann-Gmeiner-Grundschule, und welche Möglichkeiten sieht der Senat, um den zuständigen Bezirk Lichtenberg finanziell dabei zu unterstützen, die Mängel zu beseitigen?

2. Was unternimmt der Senat, um neben der finanziellen Förderung von zehn Brennpunktschulen dafür zu sorgen, dass die Sanierungsbedarfe an den restlichen 694 Schulen geprüft und beseitigt werden?

Zur Beantwortung, Frau Senatorin Scheeres – bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Delius! Meiner Verwaltung ist der bauliche Zustand der Grundschule in Lichtenberg bekannt. Wir sehen hier auch erheblichen Handlungsbedarf, was die Sanierung angeht. Aber wie Sie wissen, liegt das Thema baulicher Unterhalt letztendlich in der Verantwortung des Schulträgers, das ist der Bezirk Lichtenberg. Der Bezirk muss selbst Prioritäten festlegen und sagen, in welchem Umfang er der entsprechenden Schule Sanierungsmittel zur Verfügung stellt. Wir als Land haben einen Schulstättensanierungsprogramm.

Nachdem ich über diese Thematik informiert wurde, habe ich nachgefragt: Die Situation ist die, dass das Bezirksamt mit den Akteuren vor Ort einen Termin macht, also einen Vor-Ort-Termin mit den entsprechenden Gremien, und sich anschaut, welchen Maßnahmenplan man machen kann. Eine Problematik ist z. B. auch der Bereich der Sanitäranlagen, dass man da eben schon punktuell Sanierungen vornehmen kann. Aber das ist, wie gesagt, letztendlich eine Entscheidung des Bezirks.

Sie wissen auch, der Senat stellt Gelder zur Verfügung. Es ist auch intensiv in den letzten Haushaltsberatungen thematisiert worden. Wir haben seit mehreren Jahren ein Schul- und Sportstättensanierungsprogramm. Im Jahr 2012 standen 48 Millionen Euro zur Verfügung, jetzt im Jahr 2013 64 Millionen Euro. In der letzten Legislaturperiode hatten wir auch noch das Konjunkturprogramm. Es ist viel Geld in die Schulsanierung geflossen. Wir wissen alle, dass wir weiteren Sanierungsbedarf haben, aber die Verantwortung liegt hier bei den Bezirken, die Prioritäten festzulegen und zu sagen, mit welchen Schulen und mit welchen Maßnahmen sie beginnen.

Vielen Dank! – Haben Sie eine Nachfrage, Herr Kollege? – Bitte schön, Herr Delius!

Ja, dann machen wir es ganz einfach. Mir sind die Zahlen auch bekannt. Ich nehme an, dass der letzte Teil, der Hinweis auf die 64 Millionen Euro, schon die Antwort auf meine zweite Frage gewesen sein wird. Wie viele von diesen Mitteln sind denn voraussichtlich im Jahr 2013 auch abgerufen worden, oder wenn Sie die Zahlen nicht haben: Wie viele von den Mitteln für das letzte Jahr sind denn tatsächlich von den Bezirken abgerufen worden?

Bitte schön, Frau Senatorin!

Im Detail kann ich das jetzt nicht sagen, aber es ist natürlich schon viel Geld abgerufen worden. Die einzelnen Bezirke haben ihre Prioritätenlisten und stellen die Anträge. Sie interessiert das sicherlich in Bezug auf den Bezirk Lichtenberg. Das müsste ich dann nachreichen. Dazu gibt es sicherlich Informationen.

Vielen Dank! – Für eine weitere Nachfrage hat Frau Kollegin Kittler das Wort. – Bitte schön!

Ja! – Frau Senatorin! Halten Sie den Betrag von 64 Millionen Euro für ausreichend, um den Sanierungsstau an den Berliner Schulen abzubauen?

Bitte schön, Frau Senatorin!

Sehr geehrte Frau Kittler! Das ist ein Betrag, den wir auch in der letzten Legislaturperiode hatten, wo Sie auch mit an der Regierung waren. Das ist ein Betrag, der sehr hoch ist, wenn das Land Berlin in seiner Situation 64 Millionen Euro zur Verfügung stellt. Bei den letzten Haushaltsberatungen haben wir den Betrag verdoppelt. Das wissen Sie auch, dass die Fraktionen in den Haushaltsberatungen hier noch einmal nachgelegt haben. Es gibt einen Sanierungsbedarf in den Schulen, dem nur nach und nach nachgegangen werden kann. Hier legen die Bezirke ihre Prioritäten fest. Sie wissen auch, dass es andere Programme gibt wie EU-Programme oder in der letzten Legislaturperiode das Konjunkturprogramm. Die Situation in den Bezirken hat sich verbessert, das Bild der Schulen hat sich verbessert, aber es gibt weiteren Bedarf, dem nach und nach nachgekommen werden muss.

[Zuruf von Ajibola Olalowo (GRÜNE)]

Vielen Dank!

Dann kommen wir zur Frage Nr. 6 der Kollegin Birgit Monteiro von der SPD-Fraktion zum Thema

Arbeitsgruppe „Menschen mit Behinderung“

Bitte schön, Frau Kollegin!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Wann tagt die Arbeitsgruppe „Menschen mit Behinderung“ das nächste Mal in der Senatsverwaltung Arbeit, Integration und Frauen?

2. Welche Barrieren hat der Senat in den Bereichen Arbeit, Integration und Frauen identifiziert, deren Abbau er prioritär gemeinsam mit den Experten in eigener Sache, den Menschen mit Behinderung, anpacken will?

Bitte schön, Frau Senatorin Kolat!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Abgeordnete Monteiro! Ich messe der Problematik, die Sie mit Ihrer Frage ansprechen, große Bedeutung bei. Selbstverständlich sieht sich mein Haus auch in der Pflicht, den Prozess der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention aktiv zu fördern. Die Arbeitsgruppe „Menschen mit Behinderung“ wird demnächst – im Juni 2013 – tagen. Im Sinn einer inklusiven Gesellschaft wird sich diese Arbeitsgruppe ganz konkret damit auseinandersetzen, dass auch der Arbeitsmarkt inklusiv sein muss. Es ist uns allen bekannt, dass eine der höchsten Barrieren für Menschen mit Behinderung ist, eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erhalten. Die AG „Menschen mit Behinderung“ in meinem Haus wird sich unter Beteiligung zivilgesellschaftlicher Interessenvertretungen deshalb vor allem damit befassen, wie die Arbeitsmarktintegration dieser Bevölkerungsgruppe weiter verbessert werden kann. Dies haben wir auch im Rahmen von „BerlinArbeit“ formuliert.

Ganz konkret haben wir hier gemeinsam mit der Regionaldirektion im Rahmen des jetzt frisch erarbeiteten Rahmenarbeitsmarktprogramms ganz klare Ziele definiert, einen Anteil junger Menschen mit Behinderung in betriebliche Ausbildung zu bringen, und vor allem auch,

die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung, gerade auch bei Älteren, zu erhöhen. Hier haben wir klare Handlungsfelder definiert.

Wenn man sich intensiv mit dem Thema befasst, sehr geehrte Frau Abgeordnete, wird man feststellen, dass man in der Tat Spezialisierungen braucht. Insbesondere im Bereich der Berufsorientierung für junge Menschen in den Schulen, die eine Behinderung haben, muss man sie, was die beruflichen Möglichkeiten angeht, ganz anders ansprechen und aufklären. Auch im Rahmen der Tätigkeiten im Jobcenter muss man Spezialisierungen vornehmen. Auf der Arbeitgeberseite im Rahmen des Arbeitgeberservice geht es darum, Unternehmen konkret zu beraten, wie sie betriebliche Ausbildungsplätze für Menschen mit Behinderung einrichten können: theoriereduziert usw. Da gibt es mehrere Möglichkeiten, wie man einen Ausbildungsplatz behindertengerecht einrichten kann. Dafür bedarf es einer gewissen Spezialisierung. Auf der anderen Seite braucht man auch bei den Vermittlerinnen und Vermittlern in den Jobcentern diese Expertise, um eben die Menschen mit Behinderung anders anzusprechen.

Nach meiner Einschätzung gibt es sogar in den Werkstätten sehr viel Potenzial von Menschen, die durchaus in anderen Unternehmen außerhalb der Werkstätten in eine reguläre Arbeit integriert werden können. Auf den ersten Blick ist die Behinderung ein Hindernis, aber wenn man das intelligent und zielgerichtet macht, dann stecken da auch viele Potenziale.

Vielen Dank! – Haben Sie eine Nachfrage? – Bitte schön, Frau Kollegin!