Protokoll der Sitzung vom 18.04.2013

Frau Kollegin Herrmann! Haben Sie eine Nachfrage? – Bitte schön!

Herr Senator Czaja! Wir können mittlerweile eine öffentliche Stellungnahme zu dem Vorgang auf der Facebookseite des Staatssekretärs nachvollziehen. Dort verteidigt er die Deutsche Burschenschaft. Von einem Austritt ist nicht mehr die Rede. Wie bewerten Sie das? Ist diese Mitgliedschaft des Staatssekretärs mit seinem Amt vereinbar? Ist es mit seinem Amt vereinbar, dass er die

Deutsche Burschenschaft, die offensiv nach rechts gerückt ist – was offenkundig keine Privatsache ist – und die eine inakzeptable Nähe zur rechtsextremen Szene hat, verteidigt? Wie bewerten Sie es, dass vom Austritt keine Rede mehr ist? Vertreten Sie weiterhin die Auffassung, dass der Staatssekretär das auf die lange Bank schieben kann? Lassen Sie ihn das aussitzen? Ziehen Sie daraus vielleicht bis zum Ende der Legislatur keine Konsequenzen?

Bitte, Herr Senator Czaja!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kenne die Äußerungen auf der Facebookseite nicht und kann sie daher auch nicht bewerten.

[Zurufe von der LINKEN und den GRÜNEN]

Es folgt Herr Höfinghoff mit einer weiteren Nachfrage!

Herr Senator! Durch das Versprechen des Staatssekretärs Büge ist diese Privatangelegenheit zu einer Angelegenheit von öffentlichem Interesse geworden. Der Staatssekretär hat sich dazu vor geraumer Zeit geäußert. Er hält sein Versprechen nicht ein. Wir warten immer noch auf eine Äußerung seines Vorgesetzen. – Herr Czaja! Unter diesen Gesichtspunkten bitte ich Sie noch mal, Stellung dazu zu beziehen, dass Staatssekretär Büge immer noch nicht aus der Gothia ausgetreten ist.

Könnten Sie das als Frage formulieren?

Wie bewerten Sie die Tatsache, dass Staatssekretär Büge bereits öffentlich Stellung genommen hat, aber sein damals gegebenes Versprechen nicht einhält? Wie bewerten Sie es, dass Staatssekretär Büge immer noch Mitglied der Burschenschaft Gothia Berlin ist?

Das war eine Frage. Die dürfen Sie beantworten, Herr Czaja!

Herr Präsident! Herr Kollege Höfinghoff! Sie haben danach gefragt, wie ich das bewerte. Herr Büge hat es für sich selbst bewertet, indem er gesagt hat, dass er im Dezember eine andere Einschätzung hatte. Seine frühere Mitgliedschaft in der Burschenschaft hat keinen Einfluss auf die Zusammenarbeit in der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales. Wir arbeiten gut zusammen und bringen unsere Themen voran. Daher bedarf es keiner politischen Stellungnahme dazu.

[Beifall bei der CDU – Zurufe von den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Ich rufe jetzt die Frage Nr. 2 des Kollegen Dr. Niels Korte von der CDU-Fraktion auf:

Verwendung des Berliner Anteils des von der SED verschobenen Volksvermögens nach dem Urteil des Schweizer Bundesgerichts gegen die Bank Austria

Bitte schön, Herr Kollege!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Wann und in welcher Höhe wird Berlin nach dem Urteil des Schweizer Bundesgerichts gegen die Bank Austria voraussichtlich den ihm zustehenden Anteil aus dem NOVUM-Vermögen erhalten?

2. Wie wird der Senat sicherstellen, dass auf Grundlagen der Verwendungsvorgaben diese Gelder für Einrichtungen verwendet werden, die der Aufarbeitung der SED-Diktatur dienen?

Bitte schön, Herr Senator Dr. Nußbaum!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Lieber Herr Korte! Zu Ihrer ersten Frage: Die Meldung über das in der Anfrage genannte Urteil des Schweizer Bundesgerichts haben wir mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, denn nach diesem Urteil muss die beklagte Bank rund 128,3 Millionen Euro zuzüglich 5 Prozent Zinsen seit dem 27. Juni 1994 zahlen. Das macht ungefähr 250 Millionen Euro. Das Urteil selbst liegt uns noch nicht vor.

(Senator Dr. Ulrich Nußbaum)

Nach Mitteilung durch die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderlasten bedeutet dieses Urteil aber noch nicht, dass diese Mittel nun endgültig zur Verteilung an die Länder zur Verfügung stehen, denn die beklagte Bank hat hier in Deutschland weitere Klagen auf Rückzahlung erhoben. Wir meinen – wie auch die BvS –, dass diese beiden Klagen nicht erfolgreich sein werden, aber erst, wenn das abgeurteilt worden ist, können die Mittel über die entsprechenden Verwaltungsvereinbarungen mit den neuen Bundesländern und Berlin über die Abrechnung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR – kurz PMO-Vermögen – an die Länder ausgekehrt werden. Wenn es bei diesem Betrag bleibt, betrüge der Berliner Anteil 8,11 Prozent, also rund 20 Millionen Euro. Wann und ob das der Fall sein wird, kann ich Ihnen heute leider noch nicht sagen.

Zur zweiten Frage: Wie Sie wissen, sind die Mittel aus dem Vermögen der Parteien und Massenorganisationen der DDR, die sog. PMO-Mittel, nach dem Parteiengesetz der DDR und den darauf basierenden Verwaltungsvereinbarungen zwischen dem Bund als Treuhänder einerseits und den neuen Bundesländern andererseits zugunsten gemeinnütziger Zwecke einzusetzen. Dabei sind diese Mittel insbesondere – hier zitiere ich –

für investive und investitionsfördernde Maßnahmen der öffentlichen Hand für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zwecke im Beitrittsgebiet

zu verwenden. Die BvS – und damit der Bund – legt auf den zweckentsprechenden Einsatz der Mittel ausdrücklichen Wert. Wenn wir das Geld haben, werden wir dem Abgeordnetenhaus sowohl darüber als auch über den Einsatz der PMO-Mittel unverzüglich berichten. – Vielen Dank!

Danke schön! – Herr Korte, haben Sie eine Nachfrage?

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Senator! Sie haben bereits das neue Berliner Klageverfahren erwähnt, mit dem die Bank die Zahlung dieses dreistelligen Millionenbetrags aus dem Altvermögen der früheren SED, der heutigen Linkspartei, doch noch abzuwenden versucht.

[Zurufe von der LINKEN]

Wird es nach Ihrer Einschätzung zu einer gerichtlichen Entscheidung kommen, oder wird es Bemühungen seitens der Bundesrepublik Deutschland geben, dieses Verfahren auf dem Einigungsweg zu beenden?

Herr Senator, bitte schön!

Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wie ich Ihnen bereits sagte: Wir haben vor dem Schweizer Bundesgericht gewonnen, und die beklagte Bank hat in Berlin schon Ende 2011 vor dem Landgericht Klage erhoben mit dem Ziel, die zuvor genannten Gelder zumindest teilweise wieder zurückzuholen. Dieses Verfahren wurde hier beim Landgericht bis zur Entscheidung des Schweizer Bundesgerichts ausgesetzt. Wie werden jetzt sehen, wie das Landgericht urteilt und welche Rechtsmittel eingelegt werden. Es gibt eine weitere Klage der AKB-Bank, diesmal vor dem Verwaltungsgericht in Berlin, und sie richtet sich gegen den Widerspruchsbescheid der BVS, mit dem der Widerspruch der AKB gegen die Zustimmung der BVS zu den im Vergleich mit den ehemaligen Geschäftsführern der DDR-Außenhandelsgesellschaft enthaltenen Tilgungsbestimmung zurückgewiesen worden ist. Wir haben also zwei Verfahren: einmal vor dem Verwaltungsgericht, andererseits vor dem Landgericht. Das kann noch etwas dauern. Wir werden dann berichten. – Vielen Dank!

Danke schön! – Für eine weitere Nachfrage hat jetzt Herr Kollege Otto das Wort.

Herr Nußbaum! In der Vergangenheit haben wir immer beobachtet, dass diese Mittel quasi zweckentfremdet wurden. Niemand konnte verstehen, dass Sie davon etwas in den Tierpark oder in die Hochschule für Technik und Wirtschaft investiert haben. Das sind alles löbliche Sachen. Aber wir haben immer gefordert, dass es darum geht, dass man mit diesen Geldern Zwecke bedient, die gerade mit der DDR und der Diktatur zu tun haben, etwa Gedenkstätten und Ähnliches. Meine Frage: Wann werden Sie denn dem Parlament eine Vorschlagsliste zur Abstimmung vorlegen, was mit diesen Mitteln gemacht werden soll?

Bitte schön, Herr Senator!

Verehrter Herr Präsident! Lieber Abgeordneter Otto! Noch haben wir die Mittel nicht. Wenn wir sie haben, werden wir Ihnen auch Vorschläge machen. Das habe ich angekündigt. Man soll das Fell des Bären nicht zerlegen, bevor man ihn hat. Aber Sie haben recht: In der Tat – und deswegen habe ich es noch einmal ausdrücklich gesagt – gibt es durchaus unterschiedliche Vorstellungen, was mit den Mitteln gemacht werden soll. Die gesetzliche Regelung ist klar: Sie sollen für investive und investitions

(Senator Dr. Ulrich Nußbaum)

fördernde Maßnahmen der öffentlichen Hand für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zwecke im Beitrittsgebiet verwendet werden. Das ist interpretationsfähig, und deswegen gibt es die unterschiedlichen Einzelmaßnahmen, über die ein gemeinsamer Konsens herbeigeführt werden muss.

Vielen Dank!

Wir kommen dann zur Frage Nr. 4 des Kollegen Klaus Lederer, vorgetragen von Frau Kollegin Möller von der Fraktion der Linken, über

Neonazi-Netzwerke im Knast – auch in Berlin?

Bitte schön, Frau Kollegin!

Danke schön! – Ich frage den Senat:

1. Welche neuen Erkenntnisse hat der Senat darüber, ob und wie das kürzlich bekannt gewordene Neonazi-Netzwerk im Justizvollzug auch in Berlin aktiv ist, und welche weiteren Untersuchungen wird der Senat diesbezüglich anstellen?

2. Auf welche Weise stellt der Senat sicher, dass die Beschäftigten im Berliner Justizvollzug jederzeit in der Lage sind, rechte Aktivitäten zu erkennen, zu bewerten und ggf. die richtigen Maßnahmen zu ergreifen, und wird hier gegebenenfalls weiterer Handlungsbedarf gesehen?

Herr Senator Heilmann, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Möller! Sie stellen Ihre Frage leider zu Recht, weil das eine laufende Bedrohung ist. Im Nachgang zu unserer Besprechung im Rechtsausschuss, bei der ich von mir aus berichtet hatte, habe ich mich weiter mit der Sache befasst. Die gute Nachricht vorweg: Wie im Rechtsausschuss angenommen, gibt es ein rechtsradikales Netzwerk in den Berliner Justizvollzugsanstalten zur Zeit nicht.

Nichtsdestoweniger haben wir leider einige Gefangene mit rechtsradikalem Potenzial – das ist ein zu positives Wort, also sage ich lieber: mit rechtsradikaler Gesinnung. Wir haben Tätowierungen aus dem rechtsradikalen Bereich; wir haben gelegentlich Wandschmierereien; wir haben auch gelegentlich Äußerungen antisemitischer oder sonstiger rechtsradikaler Art.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Aber kein Netzwerk!]

Wir kommen gleich dazu, Herr Lux! Einen Moment! Sie waren im Rechtsausschuss nicht dabei. – Wir gehen dagegen sehr konsequent vor, und da kann ich mich bei den Mitarbeitern der Justizvollzugsanstalten nur bedanken. Sie werden gleich an weiteren Details merken, wie und warum wir das aus meiner Sicht erfolgreich machen. Wir reagieren stets mit Disziplinarmaßnahmen, und wenn es eine Straftat ist – was schon allein wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen oder wegen Volksverhetzung häufig der Fall ist –, wird immer Anzeige erstattet.

Meine Verwaltung hat im März die Hafträume mehrerer Tegeler Gefangener durchsucht, also weit vor der Berichterstattung in der „Bild“-Zeitung. Bei einem Gefangenen wurden schriftliche Unterlagen gefunden – das hatte ich im Rechtsausschuss schon ausgeführt –, die Kontakt zu dem rechtsradikalen Gefangenen in der Justizvollzugsanstalt Hünfeld belegten, der auch durch die Zeitungen ging. Der Gefangene aus Tegel, bei dem der Brief gefunden wurde, hatte zudem, wie wir inzwischen herausgefunden haben, der in München in Untersuchungshaft einsitzenden Beate Zschäpe ein Solidaritätsschreiben zukommen lassen. Anzeichen dafür, dass in diese Kontakte weitere Gefangene der Justizvollzugsanstalt Tegel einbezogen waren, liegen allerdings nicht vor.