Protokoll der Sitzung vom 30.05.2013

Eine IBA kann sich aber doch nicht im Ernst mit Stuck und Türmchen sowie historischen Grundrissen befassen. Das ist überhaupt nicht der Punkt.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Bei einer Internationalen Bauausstellung 2020 geht es um etwas ganz anderes. Wir haben das formuliert. Es geht um Wohnen in der Stadt. Als ich ins Amt kam, habe ich dort schon ein, zwei Korrekturen angebracht. Der erste Titel war Wissen – Wirtschaft – Wohnen für die IBA. Ich habe gesagt, dass ich eine Wohnungsbau-IBA möchte. Das muss sich auch klar im Titel ausdrücken. Wenn er vielleicht für einige mit Drinnen-, Draußenstadt zu sperrig ist, können wir ihn auch vergessen. Dann heißt das Ding ab morgen: Wohnen in der Stadt – die IBA.

Dass aber die Auseinandersetzung um Wohnen in der Stadt, dieses Instrument Internationale Bauausstellung und die Überlegungen, wie wir damit umgehen, wie wir die Beziehung zwischen der äußeren und der inneren Stadt schaffen und was es heißt, innen zu bezahlbaren Preisen zu wohnen, was es heißt, jenseits des S-Bahnrings zu bezahlbaren Preisen zu wohnen, erfolgen muss, ist klar. Was muss die Stadt in diesem Bereich an zusätzlichem Wohnungsbau tun? Welche Verbindung gibt es zwischen dieser begehrten historischen Mitte und den umliegenden Bezirken, wo das Wohnen genauso begehrt und lebenswert ist, wo auch zwei Drittel der Berlinerinnen und Berliner wohnen und sich sehr wohlfühlen? Es ist die spannende Aufgabe einer IBA, wie wir diese Verbindung zwischen innerer und äußerer Stadt erhalten und stärken und nicht, für Türmchen in der historische Mitte zu sorgen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Genau deswegen engagiere ich mich dafür und glaube, dass wir uns damit auseinandersetzen müssen. Es geht um mehr. Es geht darum, uns damit auseinanderzusetzen, wie das Wohnen in unserer Stadt in den Jahren 2030, 2040 und 2050 sein wird. Genau dafür ist eine Internationale Bauausstellung da, die örtlichen Verbindungen zu schaffen, aber auch neue Wohnformen zu formulieren. Auch heute diskutieren wir miteinander. Nicht nur bezahlbares, sondern auch barrierefreies Wohnen ist ein Thema. Das Mehrgenerationenwohnen ist ein Thema. Weiteres Thema ist, nach neuesten Energiestandards zu bauen. Alles das kann und muss in unsere Überlegungen zu einer neuen Wohnungs- und Mietpolitik in der Stadt aufgenommen werden.

Um es abschließend zu sagen: Die Stadt verändert sich. Jetzt sind die Grundlagen für ein gutes, bezahlbares sowie ein gutes, sozial durchmischtes Wohnen in der ganzen Stadt zu legen. Wir haben das getan. Wir werden weiter etwas für den Bestand der Wohnungen, für den Neubau tun. Wir werden den rechtlichen Rahmen zum Schutz der Mieterinnen und Mieter in unserer Stadt stärken. Ich

(Bürgermeister Michael Müller)

bleibe dabei: Der Titel in Ihrer Aktuellen Stunde ist falsch gewählt. Es müsste heißen: Sehr viel erreicht – und erstaunlich schnell.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Katrin Schmidberger (GRÜNE): Fragen sie mal die Mieterinnen und Mieter!]

Vielen Dank, Herr Senator! – Wir kommen jetzt zur zweiten Rederunde. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort Frau Abgeordnete Pop. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Senator Müller! Zwei Dinge: Ich weise Erstes entschieden zurück, dass Sie uns für Ihre vermurkste Wohnungspolitik der letzten zehn Jahre versuchen, in die Verantwortung zu nehmen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Gerwald Claus Brunner (PIRATEN) – Oh! von der SPD]

Der zweite Satz müsste bitte Ihr letzter sein.

Den GSW-Verkauf haben Sie allein zu verantworten. Wie man es von den Sozialdemokraten kennt, stehen Sie nicht dazu, sondern schlagen sich in die Büsche und suchen andere Verantwortliche für Ihre eigene Politik. Das geht nicht.

Frau Pop! Sie müssen bitte zum Schluss kommen!

Zweitens: Herr Müller! Ich kann Ihren Frust gut verstehen. Sie bekommen gar nichts hin. Der Finanzsenator steht Ihnen auf dem Fuß. Die Fraktionsvorsitzenden legen unabgesprochen Konzepte vor. Jan Stöß macht Vorschläge, wo sie ihm passen. Zuletzt kommt der Regierende Bürgermeister und erklärt, dass man das alles sowieso gar nicht braucht, was Sie vorhaben: eine Wohnungspolitik. Unser Mitgefühl haben Sie. Lassen Sie aber bitte Ihren Frust an den Richtigen aus.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Danke schön, Frau Pop! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre

Erledigung gefunden. Wir kommen zu den Abstimmungen. Zum Antrag Drucksache 17/0566 – Stichworte Moratorium für jährliche Mietsteigerung – empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich gegen Grüne und Piraten bei Enthaltung Linke die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und die Piratenfraktion. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktion der SPD und die CDU-Fraktion sowie der fraktionslose Abgeordnete. Enthaltungen? – Das ist die Fraktion der Linken. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Zum Antrag Drucksache 17/0600 – Stichwort: Sofortmaßnahmen – empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich gegen Linke und Piraten bei Enthaltungen Grüne die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Linksfraktion, die Piratenfraktion. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD, der CDU sowie der fraktionslose Abgeordnete. Enthaltungen? – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.

Nun kommen wir zur

lfd. Nr. 4:

Prioritäten

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

und ich rufe auf

lfd. Nr. 4.1:

Priorität der Fraktion der CDU

Tagesordnungspunkt 25

In Sicherheit lernen

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/1002

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der CDU. Das Wort hat der Abgeordneter Prof. Dr. Korte. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit es statistische Erhebungen über Gewaltvorfälle an den Berliner Schulen gibt, sind noch nie so viele Taten erfasst worden wie im Bericht des vergangenen Jahres: 1 836 Vorfälle, das waren 25 Prozent mehr als im Jahr davor. Besonders auffällig ist der deutliche Anstieg bei den Grundschulen, die 44 Prozent aller Meldungen ausmachen.

Es war auch eine Grundschule, an der im vergangenen Jahr ein besonders entsetzliches Verbrechen verübt wur

de. Ein kleines Mädchen, gerade acht Jahre alt, wurde in einer Grundschule in Wedding brutal vergewaltigt, von einem Täter, der während der Unterrichtszeit ungestört und unbemerkt in das Schulgebäude hineinspazieren konnte und dem Kind auf der Toilette auflauerte. Eine Woche später drang ein anderer Angreifer in eine Grundschule in Frohnau ein und überfiel eine Schülerin, die sich zum Glück unverletzt retten konnte, weil zufällig ein anderes Kind hinzukam und der Täter die Flucht ergriff.

Die Aufzählung solcher Taten, die an den Grundschulen gerade die Kleinsten und Schutzbedürftigsten in Angst und Schrecken versetzen, ließe sich leider noch viel weiter fortsetzen. Zuletzt wurden vor wenigen Wochen in einer Grundschule in Prenzlauer Berg gleich drei kleine Mädchen von einem Täter sexuell belästigt, den nichts davon abgehalten hatte, sich innerhalb eines Monats sogar mehrmals Zugang zum selben Schulgebäude zu verschaffen.

Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, die Grundschulen unserer Stadt nicht zu Orten der Angst werden zu lassen. Es ist unsere Pflicht, gerade den Kleinsten in den für die gesamte schulische Entwicklung so prägenden ersten Schuljahren ein angstfreies Lernen in der Geborgenheit einer sicheren Grundschule zu ermöglichen. Und es ist auch der berechtigte Anspruch aller Eltern, die ihre Kinder morgens in die Obhut der Schule übergeben, dass sie ihre Kinder in Sicherheit wissen, dass an den Schulen alles nur Mögliche getan wird, um sie vor solchen Verbrechen zu schützen und Sexualstraftäter und überhaupt alle Unbefugten daran zu hindern, in die Schulen zu gelangen.

Mit dem vorliegenden Antrag „In Sicherheit lernen“ weist die Koalition den Weg hin zu mehr Sicherheit an Berliner Grundschulen. Jede Grundschule schließt einen Kooperationsvertrag mit der Polizei, erarbeitet ein Sicherheits- und Präventionskonzept und ernennt einen Sicherheitsbeauftragten. Ganz konkret: Wo immer möglich, können und sollen die Schuleingänge während der Schulunterrichtszeit so verschlossen werden, dass ein Betreten der Gebäude von außen nicht unkontrolliert möglich ist.

Videogegensprechanlagen und moderne Schließtechnik ermöglichen es den Schulen, das Eindringen schulfremder Personen in die Gebäude zu verhindern. Hausmeisterassistenten aus dem Programm „Berlin-Arbeit“ erleichtern es vor allem den Schulen mit angespannter Personallage, die Videoanlagen zu nutzen und stets ein wachsames Auge auf den Zugang zur Schule zu haben. Sie bieten den Teilnehmern dabei gleichzeitig einen Weg aus Arbeitslosigkeit in Beschäftigung. Das sind ganz konkrete Schritte, mit denen diese Koalition für mehr Sicherheit an unseren Grundschulen sorgen wird und für die wir auch die nötigen Mittel bereitstellen werden.

Einen absoluten Schutz kann keine noch so sinnvolle Sicherung garantieren, das ist uns bewusst. Aber den Schutz, der möglich ist, wollen wir für die Sicherheit unserer Schülerinnen und Schüler erreichen.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Tom Schreiber (SPD) und İlkin Özışık (SPD)]

Wir wollen auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, für diese gemeinsame Anstrengung gewinnen. Das Für und Wider haben wir in der Koalition gründlich abgewogen, aber auch mit Schulleitungen, Elternvertretungen, Sicherheitsexperten und Bezirken.

[Zuruf von Uwe Doering (LINKE)]

Auf dieser Grundlage stellt die Koalition jetzt ihren Antrag, der im Wesentlichen auf dem Vier-PunkteProgramm der CDU-Fraktion vom April vergangenen Jahres beruht.

[Lachen bei den GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN]

Sicherheit an Schulen ist immer auch ein Thema, das die Emotionen bewegt – man hört es.

[Uwe Doering (LINKE): Ach, doch, ja?]

Daher war es keine Überraschung, dass der Koalitionsantrag in den vergangenen Wochen öffentlich viel Zustimmung erfahren hat, aber auch den einen oder anderen kritischen Kommentar erhielt. Überzeugende Gegenargumente habe ich dabei nicht gehört, aber viele rhetorische Seifenblasen platzen sehen.

Es wurde eingewandt, Schulen sollten keine Hochsicherheitstrakte werden. – Das fordert auch niemand.

[Martin Delius (PIRATEN): Steht aber im Antrag!]

Videogegensprechanlagen und moderne Schließtechnik – das hat mit Hochsicherheitstrakten nichts zu tun. Das sind Einrichtungen, wie sie heute in vielen Privathäusern, Firmen und öffentlichen Gebäuden selbstverständlich sind und an einigen Berliner Schulen bereits erfolgreich eingesetzt werden.