Protokoll der Sitzung vom 29.08.2013

[Beifall bei der CDU – Beifall von Torsten Schneider (SPD) und Renate Harant (SPD)]

Vielen Dank, Herr Melzer! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Herr Abgeordnete Harald Wolf. – Bitte sehr!

Meine Damen und Herren! Es wird immer abstruser in den Argumentationen, die hier vorgetragen werden.

[Heidi Kosche (GRÜNE): Das war der Wirtschaftsexperte!]

Erstens: Ihre Behauptung, die auch der Kollege Schneider schon aufgestellt hat, dass die Netzgesellschaft, die mit dem Gesetzentwurf gegründet werden soll, für die jetzige Konzessionsvergabe irrelevant ist, ist schlichtweg falsch.

[Torsten Schneider (SPD): Was?]

Sie wollen doch nicht ernsthaft mit dem LHOEnergiebetrieb in dieser Rechtsform das Netz betreiben, das heißt, es muss bei dem Betrieb Berlin-Energie eine Rechtsformumwandlung auf jeden Fall stattfinden, es sei denn, Sie erklären jetzt hier, Sie wollen mit einem LHOBetrieb das Netz betreiben. Das können Sie es aber gleich sein lassen.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Was hindert das Land Berlin daran, dann die entsprechende Rechtsform und die entsprechende Unternehmensverfassung, die im Volksentscheid festgehalten ist, über Berlin-Energie zu installieren? – Kein Problem, ein falscher Einwand, dummes Zeug, sage ich an dieser Stelle ganz klar.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Dann wieder der Einwand von der CDU, dass, wer das Netz hat, keinen energiepolitischen Einfluss hat. Gestern oder heute war in der „Berliner Morgenpost“ ein Artikel, wo sich Ton Doesburg, der CEO von Alliander geäußert hat, der mehr vom Netzbetrieb versteht als Sie und ich zusammen. Der hat erklärt, wer das Netz besitzt, hat Macht. Und es ist ein Irrtum, dass derjenige, der das Netz besitzt, damit keine Energiepolitik machen kann, sondern der Besitz des Netzes ist entscheidend für die Frage, welcher Strom durchgeleitet werden kann und welcher nicht. Das ist keine rechtliche Frage, das ist eine technische Frage. Lesen Sie es nach, anstatt weiterhin diese falsche Behauptung in die Welt zu setzen, dass das Netz völlig irrelevant für die Energiepolitik sei!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Weshalb wollen die Konzerne denn dieses Netz? Weil es irrelevant ist? – Das ist doch dummes Zeug, was hier vorgetragen wird!

Dann diese Angstmache mit den Verlusten für den Steuerzahler. Da fallt ihr auf die CDU rein!

[Torsten Schneider (SPD): Nee!]

Ihr lasst alle Tore für diese Quatschargumentation offen. Natürlich kann das Land kontrollieren – über den Senat.

Es ist wahrheitswidrig, Herr Melzer, wenn Sie sagen, der Senat soll da keinen Einfluss haben. Er hat die Rechtsaufsicht. Er hat Vertreter im Verwaltungsrat. Ich sage, wir werden auch die Frage der Gesellschafterversammlungen regeln müssen. Das alles sind Ausflüchte, keine Argumente, die stichhaltig sind.

Sie wollen es nicht wirklich. Das ist in dem, was Sie am Dienstag in Ihrer Fraktion, bei der CDU, beschlossen haben, deutlich geworden. Alle Argumente, die Sie vorgetragen haben, richten sich auch gegen das, was die SPD an Stadtwerk und Netzübernahme will.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Die muss es endlich mal begreifen, dass hier mit dieser Koalition zusammensitzt, was nicht zusammengehört!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Wolf! – Ich gehe davon aus, Sie möchten antworten! – Bitte sehr, Herr Melzer!

Herr Wolf! Was für eine unehrliche Argumentation!

[Beifall bei der CDU – Lachen von Martina Michels (LINKE)]

Sie haben sich hier hingestellt und haben deutlich gemacht: Ja, es gibt große Schwächen an diesem Entscheid, an dem Gesetzentwurf,

[Martina Michels (LINKE): Eine! Sie haben wieder nicht zugehört!]

und deswegen müsse man das anschließend im Parlament ändern. Und Herr Schäfer von den Grünen hat gesagt: Ja, da müsste man erst mal anfangen, aber in zwei Jahren müsste man mal gucken, ob es funktioniert und im Zweifelsfall alles wieder ändern. Das ist doch unehrlich!

Dann sagen Sie doch klar und geradeheraus, so, wie es formuliert ist, kann es nicht funktionieren, so, wie es formuliert ist, ist es auf Verlust angelegt, so, wie es formuliert ist, ist fehlende Kontrolle der öffentlichen Hand vorgegeben und so, wie es konstruiert ist, ist es ein Selbstbedienungsladen für wenige, aber nicht gut für die öffentliche Hand, nicht gut für den Steuerzahler und für die Kundinnen und Kunden im Land Berlin.

[Zuruf von der LINKEN: Das ist doch Quatsch!]

Genau deswegen bleiben wir beim Nein zu diesem Volksentscheid, weil es richtig ist, hier Nein zu sagen und deutlich dabei zu bleiben.

[Beifall bei der CDU – Udo Wolf (LINKE): Einfach mal jemanden fragen, der davon Ahnung hat!]

Vielen Dank, Herr Melzer! – Das Wort zu einer weiteren Kurzintervention hat der Herr Abgeordnete Schäfer. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Melzer! Sie haben leider keines der Argumente von Herrn Wolf widerlegt. Sie haben einfach das wiederholt, was Sie vorher gesagt haben. Das reicht nicht!

[Beifall bei den GRÜNEN– Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Martina Michels (LINKE): So ist es!]

Diese an den Haaren herbeigezogene rechtliche Argumentation, die Sie auf einmal hervorziehen, nachdem Herr Wowereit gesagt hat, das ist alles rechtlich einwandfrei, soll doch nur von der Richtungsentscheidung ablenken, um die es hier geht. Und es geht um die Entscheidung, ob wir einen schmutzigen Deal mit Vattenfall beim Netz wollen: Ja oder nein? Die Entscheidung können die Berlinerinnen und Berliner treffen, und da sind wir dafür, dass sie zu diesem Deal Nein sagen und Ja zum Volksentscheid. Die zweite Entscheidung ist: Wollen wir ein starkes Stadtwerk, oder wollen wir, dass der Senat so tun kann, als ob? Deshalb Ja zum Volksentscheid! Das ist die Richtungsentscheidung, um die es am 3. November geht.

Herr Melzer! Sie sagen hier, man müsste sich überlegen, was ein Stadtwerk können soll und was nicht. Wir haben uns das überlegt, und wir haben das vorgelegt. Mich würde interessieren: Was glauben Sie denn? Wann kommt denn mal ein Konzept von Ihnen? Wann kommt denn ein Konzept der CDU? Sie verschanzen sich nur dahinter, dass Herr Müller bisher nicht in der Lage war, einen Businessplan vorzulegen. Ja, der Senator hat lange dafür gebraucht, nichts vorzulegen! Vielleicht kommt er ja nächste Woche. Aber sagen auch Sie als CDU den Berlinerinnen und Berlinern nicht nur, was Sie nicht wollen, sondern sagen Sie endlich, was Sie wollen! Das möchten wir wissen.

[Beifall bei den GRÜNEN– Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Noch eine Nebenbemerkung: Man muss ja ein bisschen an dem ordnungspolitischen Kompass der CDU zweifeln. Sie wollen wirklich dem Unternehmen, das in das Berli

ner Netz am meisten Strom einspeist, das am meisten Kunden hat, für 20 Jahre das Monopol über den Stromnetzbetrieb überlassen? Das ist doch ordnungspolitischer Irrsinn! Auch deshalb, gegen diesen Irrsinn: Ja zum Volksentscheid!

[Beifall bei den GRÜNEN– Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Schäfer! – Herr Melzer! Möchten Sie antworten? – Gut, Sie verzichten. – Dann hat jetzt für die Piratenfraktion das Wort der Abgeordnete Herr Mayer. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Liebe Gäste! Es ist in der Debatte wieder mal schon fast alles gesagt worden.

[Uwe Doering (LINKE): Sag es noch mal! Die verstehen es nicht!]

Es ist vielleicht auch ganz gut, dass CDU und SPD hier im Haus endlich formuliert haben, was sie nicht wollen. Sie wollen beide kein Stadtwerk, bei dem die Berliner echte Mitspracherechte haben. Und die CDU, glaube ich, will überhaupt kein Stadtwerk. Es ist eigentlich schade, dass die CDU-Fraktion hier im Haus nicht offen artikuliert, was sie eigentlich will, nämlich an Vattenfall als Netzbetreiber festzuhalten. Das wäre aus unserer Sicht fatal, denn die Interessen der Berlinerinnen und Berliner stehen im Gegensatz zu den Interessen von Vattenfall. Das kann man einfach ganz neutral so festhalten.

[Beifall bei den PIRATEN]

Es ist auch ganz klar absehbar, dass Vattenfall seinen Sparkurs weiter fortsetzen wird. Das wird sowohl zulasten der Modernisierung des Netzes als auch der Beschäftigten gehen. Das wollen wir nicht.

Wenn wir in Berlin dauerhaft ein energiewendetaugliches Stromnetz wollen, dann ist ein eigenes Stadtwerk und eine eigene Netzgesellschaft die erste Wahl, und es ist für die Berlinerinnen und Berliner auch die preiswerteste Lösung – das wurde auch schön öfter gesagt –, denn nur so verbleiben die Netzgebühren und die Wertschöpfung weitestgehend in der Stadt.

Was sagt die Koalition dazu? – Das wurde auch schon zitiert. Sie sprechen von einem absehbaren und unbeschränkten Risiko für den Landeshaushalt von Berlin. Und es wurde auch schon von Herrn Schäfer, glaube ich, darauf hingewiesen, dass einem, wenn man diese Bezeichnung hört, sicher eher das Handeln des Senats beim Neubau des Flughafens einfällt. Aber ich kann hier unsere Koalition der Ängstlichen beruhigen: Das Berliner

Stromnetz ist bereits in Betrieb. Es fließt bereits Strom, und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind gut kalkulierbar. Anders ließe sich das hohe Interesse an der Berliner Stromlizenz auch nicht erklären.

Ich habe in diesem Haus auch schon mehrfach darauf hingewiesen, dass es der Berliner Politik gut anstünde, den Rückenwind aus der Berliner Zivilgesellschaft beim Thema Energie zu nutzen. Das ist aber offensichtlich bisher ziemlich danebengegangen. Offenbar ist es mit dieser Regierungskoalition nicht möglich. Der Bürger scheint beim Regieren zu stören. Sagen Sie doch einfach direkt: Die Bürger sind zu blöd für Volksgesetzgebung, und wir wollen das eigentlich nicht. Das wirft nur Sand ins Getriebe.